SPD Chef Gabriel über Facebook-Kommentar stinksauer
Großer Widerstand der SPD-Basis gegen Große Koalition mit der CDU
In NRW sollen über 90 Prozent der Ortsvereine eine Große Koalition strikt ablehnen.
Über einen Facebook-Eintrag hat sich der SPD - Vorsitzende Sigmar Gabriel so sehr geärgert, dass er in der Fraktionssitzung der Bundesstagsfraktion richtig wütend wurde!
Die Berliner Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe hatte auf ihrem Facebook-Account geschrieben: „,Wir werden eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik in der EU voranbringen, einschließlich eines solidarischen Ausgleichs': Statt sich über Ministerposten zu verbreiten, sollte sich so mancher Sozialdemokrat lieber Gedanken über diesen Satz aus dem Regierungsprogramm machen und darüber, wie er das ausgerechnet in einer großen Koalition umsetzen will.“
Kiziltepe stellte sich damit offen gegen eine große Koalition – und zog sich den Unmut von Gabriel zu. In der Fraktionssitzung am Dienstagabend sagte er: „Es ist ärgerlich, wenn sich Bundestagsabgeordnete so auf Facebook äußern. Das streut Misstrauen.“
Gabriel sagte nicht den Namen von Kiziltepe - aber sie meldete sich am Ende selbst zu Wort: „Es ist nicht fair, wenn ich hier öffentlich bloß gestellt wurde.“
Gabriel verwies darauf, dass die SPD in der Opposition wohl noch weniger für die Verbesserung der Flüchtlingspolitik tun könne. Aber die Berliner Abgeordnete blieb hart, zeigte sich in der Diskussion als knallharte Gegnerin einer großen Koalition.Vergrößern
"Ich verstehe nicht, was auf diesem Berliner Raumschiff los ist", schimpft ein SPD- Funktionär der oberen Landesebene in Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart. "Flügelübergreifend", "flächendeckend" sei die Ablehnung der Großen Koalition bei der SPD-Basis.
Von einer Mail-Flut und einer Welle von Posts auf den parteieigenen Facebook-Foren spricht der Südwestdeutsche und sagt: "Ich kenne keinen einzigen Fürsprecher."
"Sehr reserviert" seien die Mitglieder, sagt auch der Geschäftsführer eines Unterbezirks der Sozialdemokraten in Brandenburg. Er hat zumindest schon von Befürwortern gehört.
Die seien aber eine deutliche Minderheit, so der Funktionär. "Es haben halt alle Angst, dass man in einer neuen Großen Koalition völlig zerrieben wird". Auch programmatisch sehe man keine Gemeinsamkeiten mit der Union und wolle die eigenen Standpunkte nicht aufgeben.
Ein Funktionär aus dem Landesverband Niedersachsen spricht von einer internen Diskussionsplattform zu dem Thema. Ob die Beiträge für und gegen die Koalition sich dort die Waage hielten? "Nein", lautet die knappe Antwort. Ob denn eine große Mehrheit dagegen sei? "Ja."
In welchem Bundesland man SPD-Regionalgeschäftsstellen und Unterbezirke anruft an diesem Morgen: Praktisch nirgendwo wird die Große Koalition gutgeheißen. Nahezu alle Gesprächspartner wollen anonym bleiben - zu groß ist die Unsicherheit darüber, wohin die Reise geht und was am Ende dabei herauskommt.
"Die Stimmung an der Basis ist contra, ganz klar", sagt der Baden-Württembergische Regionalgeschäftsführer Vasilios Papayannis. Es gebe viele Austrittsdrohungen. Man hoffe jetzt darauf, dass die Grünen "es machen" - wenn sie sich mit der Union auf eine Koalition einließen, seien wenigstens keine Neuwahlen nötig.
Nach der letzten Großen Koalition war die SPD bis auf 26 % abgestürzt und hatte praktisch den Status als Volkspartei verloren und die Linkspartei massiv gestärkt.
Gregor Gysi: Ich habe Sahra Wagenknecht immer gefördert
Gregor Gysi betont in der ARD, dass er Sahra Wagenknecht immer gefördert hat und das sie sehr talentiert sei und sie seiner Förderung ja auch bedarf.
Es kam jedenfalls zu einer starken Aufwertung von Sahra Wagenknecht, die jetzt besondes exponiert stellvertretende Parteivorsitzende und 1. Stellvertreterin des Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi im Bundestag ist.
Trotzdem ist der Protest der Linken in der Linken wie Niema Movassat oder Sevim Dagdelen gegen das Verfahren völlig berechtigt.
Gregor Gysi hatte auch nach Angaben von Sahra Wagenknecht die Fraktion vor der Abstimmung zum Fraktionsvorsitzenden massiv unter Druck gesetzt und sogar von Erpressung war die Rede.
Der Linken MdB Niema Movassat bedauert es zutiefst, dass es seitens nicht weniger Kolleginnen und Kollegen erheblichen Widerstand dagegen gab, Sahra Wagenknecht zur gleichberechtigten Vorsitzenden neben Gregor Gysi zu wählen. Dieser Widerstand wurde bestärkt durch Äußerungen einiger Kolleginnen und Kollegen, die klar machten, dass Gregor Gysi nicht mehr als Fraktionsvorsitzender zur Verfügung steht, falls Sahra Wagenknecht neben ihm zur gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt wird. Dies war auch für viele Befürworterinnen und Befürworter ein Grund, es nicht zu einer Abstimmung über die Einrichtung einer Doppelspitze kommen zu lassen. Auch Sahra Wagenknecht hat in dieser Situation, die sich zu einem Machtkampf und Zerreissprobe drohte zuzuspitzen, auf eine Kandidatur für den Vorsitz verzichtet. Als Kompromiss wurde sie zur alleinigen 1.Stellvertretenden Vorsitzenden und damit in eine herausgehobene Position gewählt.
Der gesamte Vorgang führt zu mehr als nur Bauchschmerzen. Denn mit Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht verfügt DIE LINKE über zwei herausragende SpitzenpolitikerInnen, die auch die zentralen Köpfe im Wahlkampf waren. Sie verkörpern beide wie niemand sonst unsere politischen Positionen, sie stehen als Personen für soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Außenpolitik. Es wäre richtig gewesen, beide zu gleichberechtigten Vorsitzenden der Fraktion zu wählen. Eine quotierte Doppelspitze steht seit langer Zeit in der Geschäftsordnung der Fraktion, sie entspricht dem Geist des Statuts der Partei. Wie können wir von kleinen Kreisverbänden einfordern, die Frauenquote strikt durchzusetzen, während wir an der Spitze der Fraktion ohne plausible Gründe darauf verzichten? Die Fraktion muss Vorbildfunktion haben! DIE LINKE hätte ein starkes politisches Zeichen nach außen setzen können. Ein Team Sahra-Gregor wäre unschlagbar gewesen. Wir hätten als LINKE damit die rhetorisch wie politisch stärkste Fraktionsspitze aller Fraktionen. Es wäre auch eine Chance der Vorbereitung auf den Generationswechsel in der Fraktion gewesen. Diese Chance wurde leider versäumt – aus wenig nachvollziehbaren Gründen.
In einem auf der Klausurtagung vorgelegten 100-Tage-Programm fordert die Linke einen "kategorischen Gewaltverzicht in der deutschen Außenpolitik" und Auskunft von der Bundesregierung über die an Syrien gelieferten Chemikalien zur möglichen Herstellung von C-Waffen.
Zudem kündigte die Fraktion in dem Papier an, die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde, die Rücknahme der Rente mit 67 sowie die Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf die Tagesordnung des Bundestags zu setzen. Zudem fordert die Fraktion eine "Energiewende mit Sozialsiegel".
Niema Movassat: Doppelspitze wäre politisch richtige Entscheidung gewesen!
Die Fraktion DIE LINKE hat sich in ihrer Klausurtagung am 8./9.10.2013 gegen die Einrichtung einer quotierten Doppelspitze ausgesprochen. Das Thema Doppelspitze wird in vielen Kreis- und Ortsverbänden diskutiert. Zudem hat sich mein Landesverband NRW öffentlich für eine quotierte Doppelspitze ausgesprochen. Daher halte ich es für geboten, als Abgeordneter der Linksfraktion Stellung zu meiner Haltung und den Vorgängen zu nehmen:
Ich bedauere es zutiefst, dass es seitens nicht weniger Kolleginnen und Kollegen erheblichen Widerstand dagegen gab, Sahra Wagenknecht zur gleichberechtigten Vorsitzenden neben Gregor Gysi zu wählen. Dieser Widerstand wurde bestärkt durch Äußerungen einiger Kolleginnen und Kollegen, die klar machten, dass Gregor Gysi nicht mehr als Fraktionsvorsitzender zur Verfügung steht, falls Sahra Wagenknecht neben ihm zur gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt wird. Dies war auch für viele Befürworterinnen und Befürworter ein Grund, es nicht zu einer Abstimmung über die Einrichtung einer Doppelspitze kommen zu lassen. Auch Sahra Wagenknecht hat in dieser Situation, die sich zu einem Machtkampf und Zerreissprobe drohte zuzuspitzen, auf eine Kandidatur für den Vorsitz verzichtet. Als Kompromiss wurde sie zur alleinigen 1.Stellvertretenden Vorsitzenden und damit in eine herausgehobene Position gewählt.
Der gesamte Vorgang führt zu mehr als nur Bauchschmerzen. Denn mit Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht verfügt DIE LINKE über zwei herausragende SpitzenpolitikerInnen, die auch die zentralen Köpfe im Wahlkampf waren. Sie verkörpern beide wie niemand sonst unsere politischen Positionen, sie stehen als Personen für soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Außenpolitik. Es wäre richtig gewesen, beide zu gleichberechtigten Vorsitzenden der Fraktion zu wählen. Eine quotierte Doppelspitze steht seit langer Zeit in der Geschäftsordnung der Fraktion, sie entspricht dem Geist des Statuts der Partei. Wie können wir von kleinen Kreisverbänden einfordern, die Frauenquote strikt durchzusetzen, während wir an der Spitze der Fraktion ohne plausible Gründe darauf verzichten? Die Fraktion muss Vorbildfunktion haben! DIE LINKE hätte ein starkes politisches Zeichen nach außen setzen können. Ein Team Sahra-Gregor wäre unschlagbar gewesen. Wir hätten als LINKE damit die rhetorisch wie politisch stärkste Fraktionsspitze aller Fraktionen. Es wäre auch eine Chance der Vorbereitung auf den Generationswechsel in der Fraktion gewesen. Diese Chance wurde leider versäumt – aus wenig nachvollziehbaren Gründen.
Nachvollziehbar aber ist, dass der linke Flügel der Fraktion und Sahra es nicht verantworten konnten, die Fraktion in eine Zerreissprobe zu führen. Dafür stehen viel zu viele wichtige Aufgaben an. DIE LINKE wird im Falle einer Großen Koalition die Oppositionsführung übernehmen. Dafür muss sie stark aufgestellt und möglichst einig sein. Nur dann wird sie die Regierung vor sich hertreiben können. Gregor und Sahra werden ohne Zweifel die beiden Köpfe sein, die diese Oppositionsführung verkörpern werden.
Ich hoffe es kommt der Tag, an dem die Mehrheit der Fraktion die Entscheidung überdenkt. In zwei Jahren ist Zeit dazu – dann wird ein neuer Fraktionsvorstand gewählt. Und dann ist es wirklich fällig, eine Doppelspitze zu wählen. Alles andere wäre politisch in keiner Form mehr zu rechtfertigen.
Gregor Gysi bleibt Fraktionschef- Sahra Wagenknecht wird Vize-Fraktionschefin
Gregor Gysi bleibt Fraktionsvorsitzender Sahra Wagenknecht wird Vize-Fraktionschefin
Offiziell gibt es keine Doppelspitze - aber faktisch doch, weil Sahra Wagenknecht zu den weiteren Stellvertretern eine deutlich hervorgehobene Position hat, was sich auch in der Arbeit der Fraktion wiederspiegeln wird.
Sahra Wagenknecht ist mit Oppositionsführerin. Sie ist die alleinige erste Stellvertreterin von Gregor Gysi. Sie ist eines der prominentesten Gesichter der Partei und auch Fraktion. Insofern ist sie mit Oppositionsführerin. Im Moment sieht man sowieso überhaupt keine Überschneidungen, mit Parteien im Bundestag eine Regierung bilden zu können, die gerade dabei sind, die Agenda-2010-Politik eigentlich fortzusetzen und ihre Wahlversprechen zu verraten.
Die Abgeordneten haben Gregor Gysi am Mittwochabend mit großer Mehrheit in seinem Amt als Fraktionsvorsitzender bestätigt. 50 von 62 Stimmen, rund 81 Prozent, entfielen auf ihn - bei acht Gegenstimmen und vier Enthaltungen.
Als Erste Stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde Sahra Wagenknecht gewählt. Sie erhielt 41 von 62 abgegebenen Stimmen, rund 66 Prozent. Zur Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin wurde Petra Sitte mit 84 Prozent gewählt beziehungsweise 52 von 62 Stimmen.
Gregor Gysi bleibt für weitere zwei Jahre alleiniger Chef der Linksfraktion.
Der 65-Jährige wurde auf der Fraktionsklausur im brandenburgischen Bersteland mit 80,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Das Ergebnis lag knapp unter dem der Wahl im Jahr 2011. Damals hatte Gysi noch 81,3 Prozent erhalten, 2009 sogar 94,7 Prozent. Wie Fraktionssprecher Hendrik Thalheim mitteilte, erhielt Gysi 50 von 62 abgegebenen Stimmen. Es gab acht Enthaltungen und vier Nein-Stimmen.
Offiziell keine Doppelspitze aber faktisch doch
Hinter dem Führungskonflikt steht ein Richtungsstreit in Fraktion und Partei. Die westdeutschen Linke-Fundamentalisten unterstützen Wagenknecht, während Gysi vor allem die ostdeutschen Reformer auf seiner Seite hat. Gysi verhinderte bereits zum zweiten Mal, dass Wagenknecht an seine Seite in die Fraktionsspitze aufrückt. Schon 2011 stemmte er sich erfolgreich dagegen.Gysi hatte sich zuvor dagegen gewehrt, eine gemeinsame Doppelspitze mit der Parteilinken Sahra Wagenknecht zu bilden. Die Lebensgefährtin von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine soll nun seine "erste Stellvertreterin" werden. Gysi hatte vor der Wahl durchblicken lassen, dass er für eine Doppelspitze nicht zur Verfügung steht. Bei den Parteilinken löste er damit massive Verärgerung aus. Von "Ultimatum", "Erpressung" und "Nötigung" war die Rede.
Gysi fordert mehr Rechte für Opposition
Die Linke dringt außerdem auf eine Wahrung der Oppositionsrechte im Bundestag für den Fall, dass es zur Bildung einer großen Koalition kommen sollte. "Die ständigen Rechte der Opposition müssten bei einer großen Koalition auch für kleinere Fraktionen gelten", schrieb Linken-Fraktionschef Gregor Gysi nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
Auch die Grünen erwägen diesbezügliche Schritte. Hintergrund ist, dass beispielsweise für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ein Quorum von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten erforderlich ist. Linke und Grüne kommen aber zusammen nur auf gut 20 Prozent.
"Eine große Koalition ohne eine mit Minderheitsrechten ausgestattete Opposition würde das parlamentarische System schwächen", argumentierte daher Gysi. Er schlug vor, zwar an dem 25-Prozent-Quorum im Grundsatz festzuhalten, aber ergänzend festzulegen, dass die betreffenden Rechte auch unabhängig davon von den Oppositionsfraktionen gemeinsam wahrgenommen werden können.
Neben einem 100-Tage-Programm wurde die Einbringung von 5 Gesetzesinitiativen in den neuen Bundestag beschlossen.
linksfraktion.de, 9. Oktober 2013
DIE LINKE hat Fraktionsvorstand gewählt
Die Fraktion DIE LINKE hat heute turnusgemäß den Vorstand der Fraktion gewählt. Neben den Gewählten gehören die beiden Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, die Vizepräsidentin und die frauenpolitische Sprecherin dem Fraktionsvorstand an. Die frauenpolitische Sprecherin wird vom Frauenplenum in der nächsten Sitzungswoche gewählt werden. Nachfolgend eine Übersicht über die gewählten Mitglieder des Fraktionsvorstandes und die Wahlergebnisse:
Stand 2011 update folgt
Gregor Gysi, 62 abgegebene gültige Stimmen, 50 Ja, 8 Nein, 4 Enthaltungen, 80%
Petra Sitte, 62 abgegebene gültige Stimmen, 49 Ja, 22 Nein, 5 Enthaltung, 64,5%
Sahra Wagenknecht, 62 abgegebene gültige Stimmen, 41 Ja, 66%
Dietmar Bartsch, 60 abgegebene gültige Stimmen, 41 Ja, 68%
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurden Sabine Zimmermann (59%), Caren Lay (72%), Diane Golze (66%) und Cornelia Möhring ( 62%).
Cornelia Möhring übernimmt zugleich das Amt der frauenpolitischen Sprecherin.
ARBEITSKREISLEITER/INNEN
Sabine Zimmermann leitet fortan den Arbeitskreis I, Caren Lay Arbeitskreis II und Diana Golze Arbeitskreis IV.
Zu Stellvertretenden Vorsitzenden und Arbeitskreisleitern wurden Klaus Ernst (68%), Jan Korte (77%) und Wolfgang Gehrcke (70%) gewählt.
http://www.linksfraktion.de/nachrichten/linke-fraktionsvorstand-gewaehlt/
EU Kommissionspräsident Barroso in Lampedusa ausgebuht
Die unsichtbare Mauer zur Festung hat weit mehr Opfer gekostet als die innerdeutsche Mauer von 1961 bis 1989 und trotzdem wird sie billigend in Kauf genommen. .
Der Besuch der ca 300 Särge von Ertrunkenen im italienischen Lampedusa durch EU Kommissionspräsident Barroso kommt bei den Menschen gar nicht gut an. Der EU Politfunktionär wird gnadenlos ausgepfiffen und die Menschen haben kaum Hoffnung auf Besserung der Lage in dem EU-Flüchtlingslager.
Menschenrechtler und Einwohner riefen "Schande!" und "Mörder!" und schwenkten Fotos von Flüchtlingen, als die Politiker am Flughafen eintrafen. Auch auf dem Weg zum Hafen von Lampedusa wurde der Politiker-Konvoi von Beschimpfungen begleitet.
Auch der Tod von mehreren hundert Menschen, die vor allem aus Somalia und Eritrea stammten, hat zunächst nichts daran geändert, dass die meisten EU-Staaten keine Reform des sogenannten Dublin-Verfahrens wollen.
Diese Regelung besagt, dass Asylsuchende in jenem Land der EU ihren Antrag stellen müssen, in dem sie an Land gehen. Da das im Fall der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, vor allem Italien, Spanien, Malta und Griechenland sind, fordern diese Staaten seit langem ein Quotensystem, nach dem die Asylsuchenden in der gesamten EU verteilt werden können. Aber auch bei der Reform des Asylrechts 2012 wollte die Mehrheit der EU-Staaten sich darauf nicht einlassen – allen voran Deutschland.Die Flüchtlingsfrage solle auf dem EU-Gipfel am 24./25. Oktober behandelt werden. Für die Opfer des Schiffbruchs werde es ein Staatsbegräbnis geben, so der italienische Ministerpräsident Letta.
Die EU-Innenminister hatten sich bei einer Konferenz am Dienstag in Luxemburg zu keiner umfassenden Änderung ihrer Asylpolitik durchringen können.
Schwere Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik haben unterdessen Hilfsorganisationen geübt. Pro Asyl warf in einem Interview des Bayerischen Rundfunks Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinen EU-Amtskollegen "völliges Versagen" vor: "Das Sterben auf dem Meer wird weitergehen", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Flüchtlingsorganisation Gemeinsam für Afrika kritisierte eine europäische Abschottungsstrategie und sprach von einer "menschenverachtenden Praxis unterlassener Seenothilfe".
Den Streit unter den EU-Staaten konnte auch ein Vorschlag der Innenkommissarin Cecilia Malmström nicht übertünchen.
Die Schwedin sagte, sie werde den Mitgliedstaaten einen groß angelegten Einsatz der EU-Grenzschutzbehörde Frontex zur Rettung von Bootsflüchtlingen „von Zypern bis Spanien“ vorschlagen. Allerdings zeigten sich EU-Diplomaten skeptisch, ob sich mit einer derartigen Aktion langfristig Katastrophen wie die jüngste Tragödie von Lampedusa verhindern lassen. Hinzu kommt, dass bei Frontex inzwischen der Rotstift angesetzt worden ist. Da auch die EU sparen muss, ist das Budget für die Grenzschutzagentur in diesem Jahr auf 85 Millionen Euro zusammengeschrumpft. 2011 waren es noch 118 Millionen Euro gewesen. Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf EU-Kreise berichtete, sind auch in Italien unter dem Spardruck die Einsätze der Küstenwache eingeschränkt worden.
Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa haben Flüchtlinge gegen ihre Unterbringung in einem Auffanglager protestiert. Sie warfen Matratzen aus den Gebäuden und versuchten, Busse mit Neuankömmlingen auf dem Weg ins das überfüllte Lager aufzuhalten.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, die Lebensbedingungen in der Einrichtung seien "vollkommen inakzeptabel". Nach einem Brand im Herbst 2011 ist das Auffanglager nur noch auf 250 Menschen ausgelegt, zuletzt waren aber mehr als tausend Insassen dort untergebracht.
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