Von Susanne Hennig-Wellsow
26.09.2014

Der Politikwechsel gewinnt an Gestalt

Susanne Hennig-Wellsow über die Sondierungsgespräche in Thüringen, die Möglichkeiten realer Veränderung heute und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Ein Gastbeitrag

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In Thüringen steht DIE LINKE derzeit vor der Frage, ob es eine Regierungspolitik geben wird, die mehr soziale Gerechtigkeit, eine sozial ausgewogene Energiewende, konsequente Regeln für gute Arbeit und Ausbildung, eine humanitäre Flüchtlingspolitik, strikte Aufklärung in Sachen NSU-Terror und eine harte Linie gegen Neonazismus, mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Demokratie und Mitbestimmung geben wird – oder ob die CDU auch nach fast 25 Jahren einfach so weiterregieren kann, wie bisher. 265.000 Menschen haben uns bei der Wahl in Thüringen den Auftrag gegeben: Schafft die CDU endlich von der Regierungsbank!

Nun führen wir Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen. Erste Ergebnisse liegen vor: Grundlagen für eine Verwaltungs- und Gebietsreform sowie weitreichende Reformen in der Flüchtlingspolitik wurden vereinbart. Auch auf anderen wichtigen Politikfeldern sind ähnlich weitreichende Vereinbarungen greifbar. Arbeit und Wirtschaft, Bildung, Energie, Innenpolitik, Soziales oder Verkehr – all diese Themen stehen derzeit noch an – aber ich bin guter Dinge: Der Politikwechsel gewinnt an Gestalt.

Ein weiteres Thema, das bereits diskutiert wurde, war die Frage von Unrecht in der DDR. Nach langer Diskussion in den Sondierungsgesprächen haben wir gemeinsam mit SPD und Bündnis90/Die Grünen am 23. September 2014 dazu eine gemeinsame Erklärung entworfen. Grundlage für die Diskussion war das Papier »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte« aus den Thüringer Sondierungsgesprächen von 2009. Das Papier war von der damaligen Verhandlungsgruppe unserer Partei mit erarbeitet worden. Explizit wurde darin damals die DDR pauschal als »Unrechtsstaat« bezeichnet.

Aus heutiger Sicht wurde damals zu wenig gesehen, dass mit dieser Pauschalierung auch die Biografien derjenigen Menschen in ein negatives Licht gerückt wurden, die trotz der politischen Fehler der DDR an der Idee einer menschenwürdigen, einer sozialistischen Gesellschaft festhielten und in diesem Sinne gearbeitet und gelebt haben. Deshalb wollten und haben wir in den gegenwärtigen Sondierungsgesprächen gemeinsam mit der SPD und Bündnis 90/Die Grünen das Papier von 2009 weiterentwickelt. Ziel war eine differenziertere Benennung des in der DDR geschehenen Unrechts. Dieses Ziel haben wir erreicht.

Statt die DDR und mit ihr die Lebenswege von Millionen Menschen in Bausch und Bogen zu verdammen, benennt die aktuelle Erklärung das, was die Unrechtserfahrungen im Staat DDR ausgemacht haben: keine freien Wahlen und politische Willkür der Machthabenden. Allein in Bezug auf solche Erfahrungen haben wir der Bezeichnung der DDR als Unrechtsstaat zugestimmt. Ausdrücklich nicht gemeint sind damit die Biografien der ehemaligen DDR-Bürgerinnen und Bürger.

SPD und Grüne haben öffentlich deutlich gemacht, dass sie unser Bemühen um eine Einigung in der Sache anerkennen. Wir wiederum haben deutlich gemacht, dass wir die Bereitschaft von SPD und Grünen anerkennen, mit uns eine einvernehmliche Position zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu erzielen und dazu auf pauschalisierende Formulierungen aus dem 2009er Papier zu verzichten. Das ist auch ein wichtiger Schritt zu weiterer Normalisierung im politischen Umgang miteinander, den wir für ein Reformbündnis zwingend benötigen.

Über Jahrzehnte hinweg war eine gemeinsame Erinnerungskultur von PDS bzw. der LINKEN, SPD und Grünen undenkbar. Von den Gegnern einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit wurde der Begriff des »Unrechtsstaates« instrumentalisiert. Die LINKE hat sich zu Recht immer gegen die darin enthaltene Abwertung ostdeutscher Biografien sowie die Gleichsetzung der SED mit der PDS bzw. der LINKEN gewandt. Mit der nun vorliegenden Erklärung wird der Streit beigelegt. Der Begriff »Unrechtsstaat« wird auf seinen realen Kern zurückgeführt, die in der DDR fehlende demokratische Legitimation des staatlichen Handelns. Gleichzeitig schützt die Erklärung ostdeutsche Biografien und lädt jene zur Zusammenarbeit ein, die in der DDR Schuld auf sich geladen haben und sich heute davon distanzieren.

Klar ist auch: Ein Bündnis aus drei Parteien braucht den Kompromiss. Weder kann eine mögliche Regierung in Gänze noch können einzelne ihrer Schritte nur aus dem Willen einer der Parteien bestehen. Gerade das Amt des Ministerpräsidenten verkörpert diesen Kompromiss. Gregor Gysi wies zu Recht im Interview mit dem MDR darauf hin: Bodo Ramelow müsse ein Ministerpräsident für alle Menschen in Thüringen sein, »also auch für diejenigen, die Unrecht in der DDR erfahren haben«. Er muss und wird dem mit seiner Politik gerecht werden.

Und zur Frage einer Koalition sagte Gregor Gysi: »Für mich ist wichtig: Was leistet sie für die Thüringerinnen und Thüringer? Das ist das Entscheidende.« Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Susanne Hennig-Wellsow, geboren 1977 in Demmin, ist Landesvorsitzende der Linken in Thüringen und ist bei den Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen dabei.

 

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/947249.der-politikwechsel-gewinnt-an-gestalt.html

Bodo Ramelow muss Ministerpräsident von Thüringen und Brandenburgs Rot-Rot fortgesetzt werden

Nur DIE LINKE steht für den Wechsel. Brandenburg zeigt, dass es geht:

- 8000 Stellen im Öffentlichen Beschäftigungssektor geplant, 2500 bereits geschaffen
- aktive Arbeitsmarktpolitik (Weiterbildung, Umschulungen usw.)
- 8, 50 Euro Mindestlohn im Vergabegesetz für Fördermittel und Aufträge, der schrittweise auf 10 Euro erhöht werden soll sowie Leiharbeiter-, Frauen, Ausbildungsplatz- und Behindertenquote, Mitbestimmung und ökologische Aspekte als Kriterium bei der Vergabeentscheidung)
- Haushaltsüberschuss und Abbau von Schulden seit 2010
- Hochschulniveau bei Lehrer- und Erzieherausbildung
- Polytechnischer Unterricht
- Ganztags- und Gemeinschaftsschulen
- keine soziale Auslese in der Bildungspolitik, Gebührenfreiheit für Lehrmittel
- 2500 neue Lehrer, weitere 4000 in den nächsten 5 Jahren geplant
- 2000 neue Steuerfahnder und Verkürzung der Fristen bei Betriebsprüfungen
- Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der KITA, massiver KITA-Ausbau sowie Planung der Kostenfreiheit fürs letzte KITA-Jahr und langfristig komplette Gebührenfreiheit für die KITA
- KITA als Bildungseinrichtung statt Verwahranstalt
- Fonds für sozial benachteiligte Kinder, um sich Klassenfahrten und Ausflüge sowie den Eintritt in Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen leisten zu können und deutlich ermäßigtes Mittagessen für sozial Schwache in den Schulen und KITAs sowie Planung der Gebührenfreiheit, Erhöhung der Pauschale für die Jugend- und Schulsozialarbeit in den Kommunen
- Sozial- und Kulturticket für sozial Bedürftige, um Angebote des ÖPNV sowie Kulturangebote zu sozial verträglichen Preisen in Anspruch nehmen zu können
- Vergünstigungen für Familien durch einen Familienpass
- Urlaubsfonds für sozial schwache Familien
- Wahlalter ab 16 bei Landtagswahlen
- Volksinitiativen, Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Landesebene
- Schüler-Bafög
- Finanzausgleichsgesetz geändert, sodass reichere Kommunen finanziell schwächere unterstützen und die ärmeren Gemeinden und Kreise mehr Geld bekommen
- flächendeckender, günstiger ÖPNV
- Verhinderung von CCS und Fracking
- Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen
- Ökostromland Nummer 1
- Vorreiter bei erneuerbaren Energien
- keine Privatisierung der Daseinsvorsorge
- Gesundheitszentren und Gemeindeschwestern
- Flussauen für ökologischen Hochwasserschutz
- energetische Gebäudesanierung
- Erhalt der Amts- und Sozialgerichte
- Unabhängigkeit der Justiz durch Richterwahlausschüsse und Justizräte
- Beibehaltung und Erhöhung der Prozesskostenbeihilfe
- Kennzeichnungspflicht für Polizisten
-. keine Polizeiausbildung in Afghanistan und anderswo durch Brandenburger Polizisten
- massiver Ausbau dezentraler und genossenschaftlicher Erzeugung und Versorgung mit Ökostrom in etlichen Gemeinden
- investitionsgebundene, zinslose Darlehen des Landes an kleine und mittlere Betriebe
- Beibehaltung und massiver Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und Kampf gegen Mieterverdrängung und Gentrifizierung
- Heizkostenzuschuss für ärmere Haushalte
- Erhalt der Obdachlosenheime

DIE LINKE kann regieren und will und wird einen Politikwechsel bewirken. Es wird höchste Zeit dazu. Dass sie dazu bereit und in der Lage ist, beweist sie in Brandenburg und sie bewies es auch bis 2006 in Mecklenburg-Vorpommern und von 1994-2002 in Sachsen-Anhalt, als sie die SPD-Regierung von Reinhard Höppner tolerierte und ihm ihren Stempel aufdrückte. Je stärker DIE LINKE, desto sozialer, demokratischer und ökologischer das Land, egal ob Brandenburg oder Thüringen.

Jedoch muss DIE LINKE, auch das zeigt aktuell die Brandenburgwahl sowie frühere Wahlen in Bundesländern, in denen DIE LINKE mit in der Regierung saß, aufpassen, dass ihre Erfolge auch publik gemacht und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und dass sie, sobald sie regiert, nicht nur als andere, bessere und glaubwürdigere SPD gilt, sondern als die Alternative und antikapitalistische Kraft, die für grundlegende Veränderung steht und sie auch durchsetzt.

Hoffen wir, dass ein linker Ministerpräsident Bodo Ramelow dies besser unters Wahlvolk bringen und verkörpern kann, damit DIE LINKE endlich auch als Regierungspartei als das wahrgenommen wird was sie ist, die Partei des Demokratischen Sozialismus und nicht eine zweite SPD, die einfach nur anders und besser ist.

Und bei Themen, wo mit SPD und Grünen Uneinigkeit herrscht einen bestmöglichen Kompromiss, der in die richtige Richtung geht, finden und durchsetzen und gleichzeitig immer den eigenen Standpunkt im Parlament, in der Partei und in der Öffentlichkeit klar benennen.

DIE LINKE muss erkennbar bleiben, erst recht als Regierungspartei.

Dann wird DIE LINKE in Ost und West und im Bund auch deutlich zulegen.

Klarstellung: Weder Internetz-Zeitung noch Sevim Dagdelen betreiben LINKE-Bashing

 

In den vergangenen Tagen und Wochen ist der Internetz-Zeitung, insbesondere meinem Kollegen, dem IZ- Herausgeber und Journalisten Jürgen Meyer, in etlichen FB-Kommentaren und linken Facebookgruppen vorgeworfen worden, er wolle DIE LINKE und Bodo Ramelow denunzieren, Unruhe und Spaltungsversuche in DIE LINKE bringen und vieles mehr. Diese Vorwürfe weise ich im Namen Jürgen Meyers und der IZ ganz klar zurück. Bei den Artikeln, indem er sich auf die Koalitionsverhandlungen in Thüringen und Brandenburg bezog, wollte er lediglich zum Ausdruck bringen, dass er sich einen noch schärferen antikapitalistischen Linkskurs statt den derzeitigen wünscht und dass man darüber nachdenkt, wie die Politik der LINKEN mehr in die Öffentlichkeit gelangt und DIE LINKE mehr ihr eigenes Profil durchsetzen kann statt in 5-Jahresplänen oder gemäßigt ihr Programm mit der SPD bzw. SPD und Grünen umzusetzen und dass er ein wenig enttäuscht darüber ist, dass man, wenn auch nur in Bezug auf die nachweislichen Fehler und Irrtümer der DDR, pauschal von einem Unrechtsstaat spricht. 

 

Zu Sevim Dagedelen:

 

Auch Sevim Dagedelen und Gregor Gysi wurde, wiederum in der Süddeutschen Zeitung, vorgeworfen, sie würden sich gegenseitig anfeinden und denunzieren.

 

Dies ist eine infame Unterstellung der SZ. Sevim hat lediglich in ihrer Hamburger Rede gesagt, dass sie es schade findet und als unüberlegte Äußerung Gregors ansieht, dass er gegenüber der Taz in einem Interview verlauten ließ, als um Waffenlieferungen ging, man müsse darüber nachdenken, wie man die Kurden unterstützt. Dies wurde ihm so ausgelegt, als ob er die pazifistischen Positionen über Bord werfen wolle und führte bei Mitgliedern und WählerInnen zu Irritationen, wie Sevim in ihrem Brief (IZ zitierte) an Gregor schrieb. Auch wollte sie Gregor nie vorwerfen den Kriegskurs der Bundesregierung und der Grünen im Irakkrieg zu unterstützen. Sie wollte nur darauf aufmerksam machen, dass die USA kriegsgeil sind und sie die UNO sowohl in Bezug auf Sitze als auch Stimmrecht dominieren und sie ein Veto- und Doppelstimmrecht haben und jederzeit als dominierende Macht in der UNO die Möglichkeit haben sich auf Kapitel VII der UN-Charta zu berufen und einen Militäreinsatz ,,zur Sicherung des Weltfriedens" durchzusetzen oder Feindstaatenklauseln gegen den Irak.

 

Sevim wies darauf hin, dass sie sich gewünscht hätte, dass Gregor dies klar benennt und überdenkt statt nach einer UN-Schutzzone zu appellieren, ohne zu sagen, wie diese konkret aussehen soll, was sie erreichen soll und dass sie selbstverständlich nicht militärisch sein soll.

 

Auch schrieb Sevim bereits in ihrem Schreiben, dass sie nicht glaubt, dass Gregor hinter der SZ-Kampagne gegen sie steckt, sondern irgendwelche andere Leute, die beim Deutschen Bundestag oder für die Presse arbeiten, ihre Post geöffnet und der SZ zugesandt haben.

 

Wir hoffen, hiermit eine Klarstellung zu Vorwürfen gegen Jürgen Meyer und Sevim Dagdelen gegeben zu haben.

Wann lernt man endlich, dass die Unterwerfung der LINKEN gegenüber der SPD bei der Geschichtsdebatte und mangelnde Öffentlichkeitsarbeit und Profilschärfung die Partei massiv schädigt?

Bereits kurz nachdem bekannt war, dass die LINKE 8,6 Prozent eingebüßt hat, obwohl oder weil sie fünf Jahre in einer rot-roten Koalition mitregiert hatte (in Berlin waren es nach rot-roten Jahren minus 9,2 und in Mecklenburg-Vorpommern minus 8 Prozent), war die Welt schon wieder ziemlich in Ordnung.

 19 000 sind von der Brandenburger LINKEN zur AfD abgewandert und 113 000 haben sie nicht nur nicht gewählt, sie sind gar nicht mehr zur Wahl gegangen. »Das ist ein solides Ergebnis.« (LINKE- Spitzenkandidat Christian Görke - na gut, er meinte die erreichten 18,6 %. Das ist allerdings ein schwacher Trost. Auch die ca 50 % Wahlverweigerer führen nicht zum Aufwachen. Die Devise lautet trotzdem: "Weiter so".   

Auch in Thüringen gab es eine  massive Wählerwanderung ehemaliger Linken-Wähler in Richtung AfD, da es der LINKEN zu wenig gelungen ist, klarzumachen wofür die AfD steht, so dass sich viele von den demagogischen und rechtspopulistischen Stammtischprolen begeistern und überzeugen ließen, sonst wäre der LINKEN wahrscheinlich ein noch viel besseres Ergebnis als die 28,2 % gelungen, wenn sie klargemacht hätte, dass es nicht in erster Linie ums Regieren, sondern um einen wirklichen Politikwechsel geht und sie ihre antikapitalistische Grundhaltung defintiv beibehält.

In Brandenburg fühlten sich die Protestwähler nicht mehr von der Linkspartei vertreten, sobald sie über Jahre mit der SPD zusammen regiert und unkenntlich wird, da viele meinen, dass die SPD nun generell links ist. Dass es aber auf die Leute, die Positionen in den jeweiligen Landesverbänden ankommt und darauf, mit wem die SPD regiert, entschließt sich einigen dann doch nicht.

Das müsste eine Warnung für die Koalitionsverhandlungen in Thüringen sein. Deutlich machen, dass man nicht staatstragend sein und für Posten und Ämter alles über Bord werfen und maximal eine bessere SPD speilen wird, sondern dass man es wirklich ernst meint mit einem grundlegenden Politikwechsel und damit in die Öffentlichkeit gehen. Auch klar benennen, was DIE LINKE bereits alles in den Verhandlungen erzielen konnte.

Aber nein man gerät erstmal in die Medienschlagzeilen mit einer falschen Begriffswahl in der Geschichtsaufarbeitung und praktiziert damit einen Kniefall vor der 12,4-Prozent-SPD in Thüringen, indem man die ehemalige DDR einseitig und zudem fälschlich als Unrechtsstaat bezeichnet.

Bis zur Selbstverleugnung der eigenen Geschichte und Existenz geht diese Anbiederung an eine SPD, die kaum noch Resonanz im Lande hat.   

Auch wenn Bodo Ramelow und die Thüringer LINKE-Landesvorsitzende, Susanne Hennig Wellsow im ND und auf Basiskonferenzen erklären, dass sich der Begriff nur auf Fehler, Irrtümer, Willkür der Herrschenden und des Unrechts gegen Oppositionelle und Republikflüchtlinge in der DDR bezieht, der Begriff präzisert wird und auch ausdrücklich erklärt wird, dass man damit weder die Menschen, die in der DDR lebten und arbeiten und positive Erfahrungen machten noch diejenigen, die trotz der Fehler am Aufbau einer antifaschistischen Ordnung und dem Sozialismusversuch festhielten, verunglimpfen und mit dem ,,Unrechtsstaat" in Verbindung bringen will, so bleibt der Begriff dennoch historisch und sprachlich falsch gewählt.

Und Bodo Ramelow ist leider bereit, auch über dieses Stöckchen zu springen, die die SPD hinhält.

Die Spitze der Thüringer Linkspartei hat sich positiv über die bisherigen Ergebnisse der Sondierungen mit SPD und Grünen geäußert. Die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sprach von guten Fortschritten. »Wir haben in wichtigen Fragen Konsens festgestellt und auf schwierigen Politikfeldern Schnittmengen ausgelotet«, so die Verhandlungsführerin. Sie verwies auf den möglichen »Einstieg in eine Verwaltungs- und Gebietsreform, eine humanitäre Wende in der Flüchtlingspolitik und eine konsequente Aufarbeitung des DDR-Unrechts«. Dies seien »Ergebnisse, die sich sehen lassen können, und die Richtung stimmt«.

Auf seiner Seite lässt Bodo Ramelow erkennen, dass der Begriff "Unrechtsstaat" falsch war und er relativiert den Begriff auch schon wieder. Der Begriff ist von antikommunistischer Sichtweise von Rechtsradikalen geprägt und für Linke tatsächlich nicht hinnehmnbar, denn der DDR-Staat war nicht einseitig in Gänze nur ein Unrechtsstaat. Da hat er Recht und trotzdem geht er auf die Wunschliste von SPD und Grünen ein, mit der Begründung, dass man andere Sichtweisen akzeptieren müsse und diejenigen, die in der DDR Nachteile erleiden mussten, nicht verhöhnen darf. Natürlich, und dennoch muss DIE LINKE ihre eigene dialektische Sprache finden statt sich mit falschem Vokubalor vorführen und unterbuttern zu lassen.

Bodo Ramelow auf seiner Seite:

Das dritte Sondierungsgespräch gestern Abend war aus meiner Sicht sehr produktiv, denn wir haben uns im Bildungsbereich und in der Sozialpolitik auf viele gemeinsame Vorhaben verständigen können. Wenn wir das gemeinsam umsetzen, werden wir Thüringen wirklich sozial regieren. Ich will aber erst noch über ein anderes Thema schreiben, denn wir haben auch miteinander verabredet, dass wir heute Vormittag das gemeinsame Papier zur DDR-Aufarbeitung veröffentlichen, obwohl die SPD es erst am kommenden Montag in ihrem Landesvorstand diskutieren kann. 


Auch wenn ich dafür bekannt bin, dass ich im Zweifelsfall gerne aus der Bibel zitiere, will ich jetzt mit Bezug auf dieses Dokument mal an Karl Marx erinnern: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an sie zu verändern!“ Wir können uns lange darüber streiten, wie wir vergangenes Unrecht benennen. Dass viele Menschen in der DDR schweres Leid erlebt haben, ist klar und unstrittig. Die Toten an der Grenze müssen für uns ewige Mahnung sein. Als LINKE wissen wir: Ein Sozialismus kann nur demokratisch sein oder gar nicht. Heute ist es aber unsere Aufgabe, konkrete Perspektiven für eine gerechtere Politik zu erarbeiten. Wir wollen nicht über die Interpretation eines einzelnen Wortes streiten – wir wollen Thüringen fair ändern! Und zwar gemeinsam mit SPD und Grünen!
 

 

Ich kann nicht ausschließen, dass es bei SPD und Grünen Mitglieder gibt, die sagen: Wenn DIE LINKE die Regierung führen will, dann halten wir ihnen das Stöckchen noch ein bisschen höher als in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg.

 

Da würde ich aber gerne antworten, dass wir uns von Stöckchen nicht aufhalten lassen, weil wir eine bessere Politik für Thüringen wollen, die dieses Land nach 24 Jahren schwarzer Traurigkeit einfach verdient hat.

Und ich kann auch mit großer Sicherheit sagen, dass es den Verhandlungsdelegationen von SPD und Grünen nicht um das Hinhalten von Stöckchen geht.

 

Für sie ist das eine tief emotionale Geschichte, es ist eine Gewissensfrage. Das war in den Verhandlungen eindeutig zu spüren. Deshalb haben wir mit demgemeinsamen Text einen guten Kompromiss erreicht, der auch diesem Aspekt gerecht wird. Wir haben damit eine vertrauensvolle Ausgangslage für die weiteren Gespräche und hoffentlich auch für fünf Jahre gemeinsame Regierungsarbeit geschaffen."

 

Quelle: http://www.bodo-ramelow.de/politik/aktuell/post/2014/09/26/wir-wollen-thueringen-fair-aendern/

 

Aber diese Formulierung vom "Stöckchen " hinhalten macht skeptisch, denn SPD und Grüne fühlen sich ermutigt , ihre Maximalforderungen eben doch durchzusetzen, wenn sich DIE LINKE so wenig selbstbewusst und so wenig prinzipienfest in ihrer Beurteilung der DDR-Geschichte gibt. 


Die Feststellung positiv zu Sozialismusversuchen zu stehen - auch zu gescheiterten und verfehlten - darf in einer Erklärung glaubwürdiger deutscher Linker nicht fehlen und vor allem nicht gänzlich diskreditiert werden - gerade im Hinblick auf die deutsche Geschichte der Linken.

 

Ein begrifflicher Kniefall vor der SPD ist dem Anliegen der Linken - nämlich den ersten linken Ministerpräsidenten im Lande zu stellen - nicht angemessen.

 

Es sollte weiterhin in erster Linie um gemeinsame Inhalte für einen grundlegenden Wandel in der Politik gehen statt darum, ob man sich mit Begriffen mit Begriffen von SPD-Hobbyhistorikern, die vor allem von Antikommunisten und Rechtspopulisten verwendet werden, anfreunden kann oder nicht.

 

Sevim Dagdelen (Linke MdB) schreibt Gregor Gysi einen klärenden Antwortbrief

Antwortbrief an Gregor Gysi

 
Sevim
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lieber Gregor Gysi,

da ich in den nächsten Tagen mein zweites Kind erwarte und aufgrund der etwas komplizierteren Schwangerschaft viele medizinische Termine zu erledigen hatte, komme ich jetzt erst zur Beantwortung Deines Briefes. Ich hoffe Du hast Verständnis dafür, obwohl ich auch lange überlegen musste, ob Du tatsächlich eine Antwort auf Deinen quasi offenen Brief an mich erwartest. Denn zwar ging Dein Brief am Donnerstagmittag, den 11. September persönlich an mich adressiert in meinem Büro ein. Keine 24 Stunden später und sogar bevor ich selbst den Brief hatte zur Kenntnis nehmen können, fragte jedoch ein Journalist der Süddeutschen Zeitung in meinem Büro, ob ich zu Passagen aus Deinem Brief, der ihm offensichtlich vorlag, Stellung nehmen möchte. Ich frage mich natürlich, wie es zu dieser groben Indiskretion kommen konnte. Aus dem Artikel in der Süddeutschen, der auf Grundlage Deines Briefes versucht meine Person als eine „Drama-Queen" zu denunzieren, geht deutlich hervor, dass ich Deinen Brief nicht weitergegeben habe. Es gibt daher nur eine Erklärung für mich: entweder hast Du den selbst an den Journalisten der Süddeutschen weitergegeben, was ich aber bezweifle, oder Du hast den Brief an Dritte weitergegeben, die ihn dann der Presse zugespielt haben. Dafür habe ich kein Verständnis. Es entsteht der Eindruck, dass es nicht um die Inhalte geht, sondern allein um die Bloßstellung meiner Person.

Zunächst einmal zu einer angeblichen Kritik von mir an Dir und den beiden Parteivorsitzenden in meiner Rede. Diese kann ich nicht erkennen. In der Rede heißt es: „Ich hatte die Grünen für die Verharmlosung der Beteiligung von Faschisten an der ukrainischen Regierung, deren erste Amtshandlung ein Gesetzesentwurf zur Diskriminierung der russischen Sprache war und die jetzt auf ein Verbot der Kommunistischen Partei hinarbeitet, scharf kritisiert. Und ich stehe dazu, trotz aller Distanzierungen von Gregor Gysi und den beiden Parteivorsitzenden der Linken." Eure Distanzierung zu erwähnen, die ihr ja öffentlich gemacht habt, war ja wohl kein Problem.

Bei der ganzen vorliegenden Auseinandersetzung geht es um die Frage der friedenspolitischen Programmatik und Ausrichtung der Linken in Deutschland. Angesichts des Vormarschs des IS hast Du mehrere Vorstöße gemacht, die sich jenseits der Programmatik der Linken bewegten und die ich, aber auch viele andere hochproblematisch fanden. Da wäre zum einen die Frage der Waffenlieferungen in den Irak, für die Du Dich explizit ausgesprochen hattest. Du hast diese Position später revidiert, aber da war der Schaden bereits angerichtet. „Auslandseinsätze beenden – Rüstungsexporte verbieten", so sind wir in den Bundestagswahlkampf 2013 gegangen und für diese Position stehe ich. Sie jetzt lediglich ein Jahr nach den Wahlen grundsätzlich in Frage zu stellen, kann mittelfristig zu einem großen Vertrauensverlust bei Wählerinnen und Wähler führen. Deine raschen Positionswechsel in der Rüstungsexportfrage haben jedenfalls viele massiv irritiert und ich frage mich ob das nicht dem Ruf unserer Partei und Fraktion schadet.

Dein zweiter Vorstoß neben der Forderung nach den Waffenlieferungen in den Irak war die Forderung nach der Einrichtung einer „UN-Schutzzone" im Irak. Jetzt schließt Du in Deinem Brief an mich kategorisch die Beteiligung deutscher Soldaten an der Einrichtung einer solchen „Schutzzone" aus. Bei deinem öffentlichen Vorstoß damals ist davon nicht die Rede gewesen. Im Anschluss an Deine Forderung gab es in der Fraktion einen Antrag von Michael Leutert, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Jan Korte und Frank Tempel, der die Bundesregierung auffordert, „den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzurufen, damit dieser über die notwendigen Maßnahmen gemäß der UN-Charta entscheidet, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zum Schutz der gefährdeten Bevölkerung eine Sicherheitszone einrichtet und ihm dabei Unterstützung anzubieten." Die Sprachwahl ist hier nicht zufällig. In Kapitel VII der UN-Charta spricht man von „Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen" eingesetzt werden. Das nennt man robustes Mandat.

Eine ernsthafte Rede von der Einrichtung einer Schutzzone ist auch nicht möglich ohne das Bewusstsein von ihrer Herstellung durch Waffengewalt. Sie bezeichnet eben insofern nichts anderes als die Forderung nach einer UN-mandatierten Intervention unter anderem Namen. „Schutzzone" klingt vielleicht eben so harmlos wie beispielsweise „Flugverbotszone". Aber spätestens die Durchsetzung der Flugverbotszone über Libyen durch die NATO mit einem UN-Mandat zeigte wie wenig harmlos eine Flugverbotszone ist. Der Kern ist aber, dass hier wie gesagt in hohem Maße Waffengewalt eingesetzt werden muss, um die Einrichtung bzw. Durchsetzung einer Schutzzone zu gewährleisten. Was den Schutz von Minderheiten im Irak angeht, müsste dies dann auch konsequenterweise durch Bodentruppen und nicht nur Luftangriffe geschehen.

Was die Anzahl der Bodentruppen wiederum angeht, muss hier von einer größeren Streitmacht ausgegangen werden. Eine Beteiligung deutscher Truppen an einer solchen Militäroperation ist naheliegend – sonst müsste ihr Ausschluss in einem Antrag zu einem derart heiklen Thema seriöserweise ausgeschlossen werden. Dies war im vorgelegten Antragsentwurf aber eben nicht der Fall. Mir wurde zusätzlich von anderen Abgeordneten berichtet, dass ein solcher Ausschluss aber von den Antragtragstellern in der Diskussion um ihren Antrag vorgebracht wurde. Zudem hätten sich einzelne Antragsteller explizit positiv auf die US-Luftangriffe im Irak bezogen. Darauf bin ich bisher nicht eingegangen. Wesentlich erscheint mir, dass im Antrag selbst kein Ausschluss von Kampfeinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta entsprechend unserer programmatischen Beschlusslage festgehalten wurde. Zur Frage der Einrichtung der Schutzzone mit deutscher Unterstützung werde ich mich auch weiterhin öffentlich äußern. Auf meiner Webseite biete ich an, auch im Sinne einer Beruhigung, in der Passage meiner Rede (die du übrigens leider falsch zitierst) „Und ich bedauere in diesem Zusammenhang, dass dies anfangs auch einige in der Linken -diese Waffenlieferungen- gefordert haben. Und ich finde auch den heute eingebrachten Antragsvorschlag meiner Kollegen Stefan Liebich, Michael Leutert, Katrin Kunert, Jan Korte und Frank Tempel, de facto einen UN-Mandatierten Kampfeinsatz für die Bundeswehr im Irak mit tausenden von Soldaten zu fordern, schlichtweg falsch!" (http://www.sevimdagdelen.de/de/article/3703.widerstand_gegen_die_tabubrueche_der_grossen_koalition.html) das mit den „mit tausenden von Soldaten" durch die Originalformulierung des Antrags mit „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, .....den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzurufen, damit dieser über die notwendigen Maßnahmen gemäß der UN-Charta entscheidet, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zum Schutz der gefährdeten Bevölkerung eine Sicherheitszone einrichtet und ihm dabei Unterstützung anzubieten." entsprechend zu ersetzen und dies auch gerne mit dem kompletten Antrag der KollegInnen zu kennzeichnen, obwohl aus meiner Sicht die entsprechende Antragsformulierung eben gerade dies de facto impliziert.

Ich lehne diese Einrichtung einer UN-Schutzzone mit deutscher Unterstützung im Norden des Irak aber nicht nur deshalb ab, weil ich dies nicht für vereinbar mit unseren programmatischen Forderungen halte, sondern weil wie durch die Waffenlieferungen hier nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen und eine weitere Internationalisierung des Konflikts vorangetrieben wird. Ich kann keine Schädigung unserer Partei erkennen, wenn ich öffentlich unser Programm vertrete.

Statt unsere friedenspolitischen Positionen angesichts der neuen Kriege und Anforderungen der SPD und der Grünen als Bedingung für Regierungsbeteiligungen im Bund zu relativieren, sollten wir gerade was den Irak und Syrien angeht, unsere friedenspolitischen Alternativen zu Rüstungsexporten und Militärinterventionen stärker in die öffentliche Diskussion bringen. Das Erdogan-Regime ist auch weiterhin einer der größten Unterstützer des IS. Hier finde ich müsste viel stärker Flagge gezeigt werden, wie im Falle deiner aktuellen Erklärung zur Türkei und dem IS. Ich finde es jedenfalls unhaltbar, mit einem Regime, das über dessen Territorium weiter der Nachschub für den IS läuft, EU-Beitrittsverhandlungen stattfinden. Hier wünsche ich mir, dass wir dies auch in unseren Anträgen klar zum Ausdruck bringen. Deinen Vorstoß mit der Regierung Assad einen Gesprächsfaden aufzunehmen halte ich in diesem Zusammenhang für absolut richtig. Auch dies gehört zu unseren zivilen Alternativen. Auch wenn man für eine solche Forderung medial als Assad-Unterstützer gebrandmarkt wird, halte ich es zudem für angebracht, endlich für einen Wegfall der Sanktionen gegen die syrische Bevölkerung Stellung zu beziehen. Diese Sanktionen stärken den IS, der auch durch seine Raubzüge und anhaltende Sponsorengelder aus den Golfdiktaturen, seine Finanzmacht ausspielt.

Am Anfang eines neuen Feldzugs gegen den Terror ist es immer besonders schwierig NEIN zu sagen. Wir haben dies in Afghanistan mit den Taliban erlebt und wir können stolz sein, dass sich die damalige PDS von Anfang an diesem Krieg verweigert hat, auch wenn er mit einem Plazet des Sicherheitsrats vom Zaun gebrochen wurde. Die Koalition der Willigen, die sich jetzt gegen den IS zusammentut und nahezu alle Akteure beinhaltet, die ihn erst stark gemacht haben, würde aus meiner Sicht nicht besser, wenn sie mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats handeln würde oder sich zudem auf die Zustimmung der syrischen Regierung stützen könnte. Was sich hier anbahnt ist eine langanhaltende neue Militärintervention der NATO mit ihren Verbündeten, den Golfdiktaturen. Ziel ist es, die Region unter Kontrolle zu bringen und sie dem Einflussbereich des Iran zu entreißen. Geopolitische und geostrategische Interessen stehen dabei im Vordergrund. Ein solches Unternehmen würde auch nicht durch eine Beteiligung Russlands oder gar ein Bündnis mit der Assad-Regierung besser. Ich befürchte hingegen, dass wie im Falle Libyens, eine UN-Mandatierung von entsprechenden Gewaltmaßnahmen im Irak und in Syrien nur dazu genutzt würde, der völkerrechtswidrigen und verheerenden Regime-Change-Politik des Westens ein humanitäres und rechtsförmiges Mäntelchen umzuhängen unter dem die schlichte und auf imperiale Ziele gerichtete Gewalt weniger erkennbarer würde.

Gegen diese Konzepte der „humanitären Interventionen" und einer rechtsförmigen Bemäntelung der Durchsetzung des Stärkeren, sollten wir auch unsere Alternativen zu einer Stärkung des Völkerrechts und der zivilen Institutionen der UN in die Diskussion bringen. Warum haben wir es bisher nicht vermocht unsere programmatische Forderung nach einer „Entmilitarisierung der UN" stärker auszuformulieren und in die öffentliche Debatte zu bringen? Hier sehe ich für DIE LINKE viele Profilierungsmöglichkeiten. Jan van Aken hat es einmal drastisch aber wie ich finde treffend auf den Punkt gebracht: Ohne die Forderung nach einem generellen Verbot von Rüstungsausfuhren wird die Linke aufhören zu existieren, hatte er formuliert. Ich finde, dass dies auch für die Frage der Zustimmung zu Auslandseinsätzen gilt. Wir wissen es gerade von der SPD, wie schnell man nach einer Zustimmung zu einem relativ niedrigschwelligen Einsatz, bei dem sich alle unmittelbaren Befürchtungen einer Kampfverwirkung deutscher Soldaten, auf die Rutschbahn der generellen Zustimmung geraten kann. Ich möchte, dass wir nicht nur aus den eigenen Fehlern lernen, sondern auch aus denen anderer Parteien.

Da Dein Brief mittlerweile öffentlich ist und ich vielfach daraufhin angesprochen worden bin wirst du sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich meinen Antwortbrief morgen auf meiner Internetseite veröffentliche. Auch im Sinne einer fairen Diskussion. Gleichwohl würde ich es auch in Zukunft vorziehen, dass wir, wenn wir Kritik aneinander haben, zunächst das persönliche Gespräch miteinander suchen statt Briefe aneinander zu senden. Dafür stehe ich jedenfalls immer zur Verfügung.

Solidarische Grüße, Sevim Dagdelen

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Am 11. September 2014 erhielt Sevim Dagdelen von Gregor Gysi in seiner Funktion als Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Bundestag einen persönlichen Brief, der am 12. September in der Süddeutschen Zeitungteilweise veröffentlicht wurde. Auf vielfache Nachfragen veröffentlichen wir hier, auch zwecks einer fairen Diskussion, den Antwortbrief von Sevim Dagdelen.

http://www.sevimdagdelen.de/de/article/3750.antwortbrief_an_gregor_gysi.html

Vorgeschichte:

Sevim Dagdelen, Linke MdB,  vertritt eine hinnehmbare politische Position zu Rüstungsexporten - Kritik von Gysi unberechtigt

Die NRW Linke und Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen vertritt eine durchaus zu akzeptierende friedenspolitische Position und sie hat am Antikriegstag Anfang September in einer Rede auf einer Friedensdemo auch die von der Bundesregierung beschlossenen Rüstungslieferungen an Kurden im Irak kritisiert.

Die bürgerliche "Süddeutsche Zeitung" benutzt diesen Vorgang zur Hetze gegen Sevim Dagdelen und zur Betonung einer angebliche Spaltungslinie auch mit Fraktionschef Gregor Gysi in dieser Frage. Sie hätte sich entsolidarisiert und Fraktionskollegen kritisiert, die UN mandatierte Kriegseinsätze der Bundeswehr im Irak befürworten würden, wenn es gegen die von den USA und pro-westliche Staaten wohl selbst geschaffene  IS gehen sollte.

Entsprechend führt Sevim Dagdelen auf dem Antikriegstag entsprfechend aus:

Und Liebe Freundinnen und Freunde,

es ist nach geradezu perfide, wie die Bundesregierung diesen Waffenexport in den  Irak rechtfertigt. Auf dem Rücken der Opfer der Mörderbande „Islamischer Staat“ sollen hier Waffen an die Kurdenorganisation KDP geliefert werden, deren Kämpfer sich beim Herannahen des IS mit modernsten Waffen aus den yesidischen Gebieten zurückzogen. Und ich wette, dass wir einen Großteil dieser deutschen Waffenlieferungen schon bald in ganz anderen Händen sehen werden. Denn noch nie war die Gefahr der Proliferation so groß.

So berichtete die US-Regierung beispielsweise, dass bei ihren Waffenlieferungen nach Afghanistan ein Schwund, ja ihr habt richtig gehört (!), ein Schwund von 40% der Fall ist. Rund 40 Prozent der Waffen, die die USA seit 2002 an die afghanischen Sicherheitskräfte geliefert haben wären „nicht nachweisbar“. Und wie in Afghanistan die Waffen Sevim Dagdelenauf der anderen Seite landen so eben auch im Irak. Bereits im August 2007 stellten die Kontrolleure der US-Regierung fest, dass der Verbleib von 200.000 Waffen, die an die Polizei und Streitkräfte Iraks geliefert worden waren, nicht aufzuklären war. Bis zum Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 aus dem Irak war die Zahl vermutlich mehr als verdoppelt.

Das zynische ist, dass die Bundesregierung bestens militärisch mit den Sponsoren der ISIS kooperiert. Katar, Saudi-Arabien, Türkei und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat man sogar einen gemeinsamen Treuhandfond eingerichtet. Der Emir der Emirate hat mir im Frühjahr bei unserem Besuch dort mit Außenminister Steinmeier ausdrücklich bestätigt, dass hier besonders Projekte im von der ISIS eroberten Gebieten gefördert werden, während sich die Bundesregierung gleichzeitig am Boykott der kurdischen Gebiete im Norden Syriens beteiligt und Sanktionen gegen die syrische Bevölkerung verhängt hat, die die ISIS stärken.

Diese Außenpolitik ist nicht nur unverantwortlich, ja auch wenn mir dies vielleicht wieder eine Rüge eintragen wird, ich nenne diese Außenpolitik kriminell! Wie soll man es denn sonst nennen, wenn mit denen paktiert wird, die die Mörderbanden im Nahen Osten sponsern und sich hinterher ein paar Krokodilstränen aus den Augenwinkeln drücken, nach dem Motto ja das habe man mit der Regime Change-Politik in Syrien nicht beabsichtigt.

Wir wollen, dass mit dieser verheerenden Regime-Change-Politik endlich Schluss gemacht wird. Wie ist denn die Bilanz der US-Intervention im Irak 2003, wie die der NATO-Intervention in Libyen? Wie die der Unterstützung islamistischer Terroristen in Syrien?

Um es klar zu sagen: Die Verantwortlichen dieser Völkerrechtsbrüche gehören vor Gericht. Sicher aufgrund der internationalen Machtverhältnisse kann man sich sicher sein, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht einmal gegen sie ermitteln wird, aber wir sollten uns nicht entmutigen lassen und hier klar Position beziehen.

Und das gilt selbstverständlich auch für den Gaza-Krieg. Über 2000 Zivilisten zu töten, darf nicht ungesühnt bleiben. Die Basis für Frieden im Nahen Osten ist ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik. Die Bundesregierung aber unterstützt diese Völkerrechtsbrüche auch noch jüngst erst wieder durch die Lieferung eines atomwaffenfähigen U-Boots an Israel. Kostenpunkt 1 Mrd. Euro gebaut von Thyssen und der deutsche Steuerzahler subventionierte diesen Waffenexport auch noch mit rund 300 Millionen Euro, wie er auch jetzt die Waffenlieferungen in den Irak bezahlt.Ich frage Euch: Sieht so eine friedliche Außenpolitik aus, wie sie von der Bundesregierung selbst behauptet wird? Nein, Nein und Nochmals Nein! Wir wollen Schluss machen damit. Wir wollen nicht mehr, dass Deutschland den dritten Platz weltweit beim Geschäft mit dem Tod belegt! Und eine Mehrheit der Bevölkerung will dies auch nicht! Selbst die Waffenlieferungen in den Irak, die propagandistisch der Bevölkerung humanitär nahegebracht worden sind, werden von 60% der Bevölkerung abgelehnt. Und ich bedauere in diesem Zusammenhang, dass dies anfangs auch einige in der Linken – diese Waffenlieferungen – gefordert haben. Und ich finde auch den heute eingebrachten Antragsvorschlag meiner Kollegen Stefan Liebich, Michael Leutert, Katrin Kunert, Jan Korte und Frank Tempel, einen UN-mandatierten Kampfeinsatz für die Bundeswehr im Irak mit Tausenden von Soldaten zu fordern, schlichtweg falsch!

Für mich bleibt es dabei, wie es auf den Wahlplakaten der Linken 2009 stand. Auslandseinsätze beenden – Rüstungsexporte verbieten.

http://www.redglobe.de/deutschland/friedensbewegung/9905-sevim-dagdelen-bei-der-antikriegskundgebung-in-hamburg

Diese Position ist völlig korrekt und sie entspricht der Programmatik der Linkspartei, die alle Rüstungsexporte in Krisengebietre ablehnt , Das wa bisher auch die Position der Bundesregierung - bis jetzt, wo es zu dem offenen Tabubruch kam.

Man kann natürlich auch die Position vertreten, anti-imperialistische Befreiungsbewegungen wie Kurden-Rebellen militärisch zu unterstützen. Aus meiner Sicht ist das eine durchaus legitime Position. Es entspricht aber nicht dem  aktuell gültigen Linken-Programm.

Deshalb hat in diesem Fall Gregor Gysi den Fehler gemacht und  in einer TV- Sendung die Aufhebung des PKK Verbotes gefordert ( was korrekt ist)  und vor allem zuerst Waffenlieferungen der Bundesregierung  an kurdische Rebellen einem ZDF- Interview theoretisch befürwortet.,

Das stieß auf starke partei-interne Kritik und Gregor Gysi musste sofort zurückrudern. Später betonte er im Bundestag, dass die Linke grundsätzlich gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsgebiete sei . Deshalb liegt die SZ mit ihrem Dagdelen- Bashing hier völlig falsch. Der Fehler lag hier tatsächlich bei Gregor Gysi.

Die pazifistische Position ist in der Linbkspartei also durchaus akzeptabel und sie entspricht auch der  Beschlußlage der Partei..

Andererseits ist moralisch auch eine anti-imperialistische Position okay, die sich auf die Seite der Kurden- Rebellen für einen Kudenstaat stellt. 

Nur geht es den USA und der Bundesregierung, die immer blind der US Politik folgt, nicht um den Befreiungskampf der Kurden. Vielmehr sollen die Kurden im Irak von den USA und der Nato  instrumentalisiert werden, weil die USA es sich mit den Sunniten 2003  als Machthaber verscherzt haben und sich in der Folgezeit auch mit den Mehrheitsschiiten anlegten, die sich an den US Feind Iran anlehnten. 

Deshalb bleibt der verbrecherischen ud  blutrünstigen USA-Politik im Irak nur noch übrig, verlogen die Kurdenkarte zu spielen, die man in der Türkei und in Syrien allerdings gleichzeitig bekämpft. Und an der türkisch-syrischen Grenze kooperiert die Nato-Türkei auc mit der IS.

Den USA geht es um das totale Chaos und um einen gescheiterten Staat im Irak und  auch in Syrien, der besser fernzusteuuern und  zu beeinflußen ist. Die USA setzen auf permanenten Bürgerkrieg u d die "failed state" -Strategie. 

Und auch die UN wird als Machtinstrument insbesondere der Vetomächte immer wieder mißbraucht und deshalb ist der naive Antrag von Liebich, Leutert u a in dieser Form tatsächlich auch abzulehnen und die Position von Sevim Dagdelen in dieser Frage eher korrekt. 

http://www.sueddeutsche.de/politik/alarm-brief-an-parteikollegin-dadelen-gysis-kampf-mit-der-drama-queen-1.2126674

http://www.michael-leutert.de/de/article/1123.aktuell-entschlie%C3%9Fungsantrag.html

P. S. Der Antrag von Liebich, Leutert u a wurde übrigens zurückgezogen. Viel Lärm um nichts