Attacken auf Moscheen nehmen zu - Politiker und Medien schweigen weitgehend 

Moscheen in Deutschland sind von 2001 bis 2011 mehr als 200-mal Ziel von islamfeindlichen Straftaten gewesen. Allein in NRW seien in zehn Jahren 83 Fälle gezählt worden, von der Farbschmiererei bis zur Brandstiftung. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

Dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die der WAZ-Gruppe exklusiv vorliegt. Aus Sicht der Landeskriminalämter hatten 156 der 219 Attacken einen rechtsextremen Hintergrund.

 

Die Linke rechnet sogar mit einer höheren Anzahl an Attentaten. "So fehlt eine Serie von sechs Brandanschlägen auf Berliner Moscheen in den letzten beiden Jahren", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Sie deutete an, dass Regierung und Polizei muslimfeindliche Hetze und Gewalttaten verharmlosen würden.



Hasskriminalität und Fremdenfeindlichkeit
Wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervorgeht, war in 137 Fällen Hasskriminalität und in 112 Mal Fremdenfeindlichkeit für die Tat ausschlaggebend. Die meisten Übergriffe ereigneten bundesweit im Jahr 2008 mit 33 Attacken, die wenigsten in 2003 mit sieben. In NRW war der Höhepunkt der Ausschreitungen 2006 mit 16 Übergriffen. 2011 zählten die Behörden bundesweit 27 solcher Straftaten, davon neun an Rhein und Ruhr.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, sprach sich für den Einsatz von Polizisten vor Moscheen aus , um dort für mehr Sicherheit zu sorgen. Im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe kündigte er an, dass der ZMD gegen die rechte Kleinpartei Pro NRW juristisch vorgehen will. "Wir stellen Strafanzeige gegen Pro NRW wegen Volksverhetzung und Störung der Religionsausübung", sagte Mazyek. Damit reagiert der Zentralrat auf die Aufmärsche von Pro-NRW-Anhängern vor Moscheen.

 

Mit Mölln und Oldenburg summiert sich die Zahl der Übergriffe auf Moscheen auf 5 Attacken in vier Wochen.

Überhaupt haben solche Vorfälle zugenommen. Während zwischen 2001 und 2011 rund 22 Übergriffe pro Jahr gezählt wurden, ist diese Zahl 2012 auf 35 und ein Jahr später auf 36 angestiegen, wie die Bundesregierung erst vor Kurzem bekanntgab.
Die Islamfendlichkeit entwickelt sich immer mehr zu enem neuen Antisemitismus des 21 Jahrhunderts.
Auch Nazis wie die Front Nationale von Le Pen distanzieren sich mittlerweile vom Antisemitismus, um stattdessen die Islamfeindlichkeit umso aggressiver hochzufahren.
Doch eine so spontane Geste des Mitgefühls wie im schleswig-holsteinischen Mölln ist die Ausnahme. Meistens reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien mit Gleichgültigkeit oder völliger Ignoranz.
Bei Synagogen undenkbar
Ganz anders waren die Reaktionen vor ein paar Wochen, als ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal verübt wurde und bei Demonstrationen gegen den Gazakrieg auch antijüdische Parolen laut wurden. Politiker aller Parteien zeigten sich empört, selbst die Bundeskanzlerin meldete sich zu Wort. Und der Zentralrat der Juden hat deshalb jetzt für den 14. September zu einer Kundgebung unter dem Motto „Nie wieder Judenhass!“ am Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen, zu der sich auch Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Gauck angekündigt haben.
Auf die Übergriffe gegen muslimische Gebetshäuser reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien im Vergleich dazu bisher eher zögerlich. So wie im Fall der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg, deren Anbau vor etwa drei Wochen in Brand gesetzt wurde. Mit seiner rußgeschwärzten Fassade bietet der Rohbau seither einen besonders dramatischen Anblick. Inzwischen haben sich auch dort prominente Politiker wie SPD-Chef Sigmar Gabriel für einen Solidaritätsbesuch blicken lassen.
Es geht nicht ums Ausspielen
Für einen dezidiert islamfeindliches Motiv spricht das Vorgehen der Täter, die kürzlich in zwei verschiedene Moscheen in Bielefeld eingebrochen sind und beide Male versucht haben, das Gebäude in Brand zu setzen. Denn wer sonst sollte ausgerechnet einen Koran anzünden, um zu versuchen, eine Moschee in Brand zu setzen, außer ein Islamhasser? Doch die Reaktionen vor Ort blieben verhalten. Und auch auf die Bild-Schlagzeile „Nie wieder Muslimhass!“ wird man wohl noch lange warten müssen. 

Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, ist die steigende Zahl der Attacken auf islamische Gotteshäuser ein Zeichen für die Zunahme antimuslimischer Ressentiments. Er forderte "die Einrichtung von eigenständigen und spezialisierten Fachabteilungen in den Verwaltungen der Länder, um antimuslimische rassistische Tatbestände erfassen und beobachten zu können".

Mazyek verwies auf Nordrhein-Westfalen, wo diese separate Erfassung durch einen Landtagsbeschluss künftig gegeben sei. An die Bundesregierung und die Innenministerkonferenz der Länder appellierte Mazyek, diesen Beschluss für alle Bundesländer verbindlich festzulegen. Linke: "Gefährlicher Mix ist am Gären"

Auch die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, sprach sich dafür aus, islamfeindliche Straftaten statistisch genau zu erfassen, "wie dies etwa bei Straftaten von Nazis schon der Fall ist". Sie äußerte sich besorgt über die gestiegene Zahl der Übergriffe auf Moscheen. "Hier ist ein gefährlicher Mix aus Rassismus und Sozialdarwinismus am Gären, der sich zunehmend in Gewalt gegen Muslime äußert." In weiten Teilen der Gesellschaft sei es "leider normal geworden, Muslime zu Sündenböcken für eine ganze Reihe politischer und sozialer Missstände zu machen".

Einer Studie der Universität Leipzig zufolge hat die Islamfeindschaft in Deutschland zuletzt deutlich zugenommen. "Jeder dritte Deutsche findet, Muslimen sollte Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden", schreiben die Autoren. Islamfeindschaft sei "das neue Gewand des Rassismus".

 

 

06.09.2014 / Thema / Seite 10 Inhalt

»Konservative Volkspartei«

Hintergrund. Über das Interesse der Neuen Rechten an der AfD

Von Helmut Kellershohn
Zwischen AfD und der Neuen Rechten gibt es eine Reihe programmat
Zwischen AfD und der Neuen Rechten gibt es eine Reihe programmatischer Schnittmengen: Die Ablehnung eines »exzessiven Parteienstaates« (AfD-Anhänger auf einer Kundgebung in Frankfurt am Main im September 2013) gehört ebenso dazu wie

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) hat bei den sächsischen Landtagswahlen auf ihrem Weg in den nächsten Bundestag einen wichtigen Teilerfolg errungen. Siegesmeldungen wird es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch bei den Wahlen in Thüringen und Brandenburg geben. Ob es aber langfristig tatsächlich zu einer »Umwälzung« des deutschen Parteiensystems kommt, wie sich dies die Neue Rechte1 wünscht, ist noch keineswegs ausgemacht. Zumindest ist aus dieser Sicht von Bedeutung, daß mit dem Erfolg in Sachsen der wert- und nationalkonservative Flügel der Partei gestärkt worden ist. Versteht sich doch die sächsische AfD explizit als »konservative Volkspartei«. Ihr Programm, das hat die Neue Zürcher Zeitung in einer knappen Analyse richtigerweise herausgearbeitet, ist keineswegs eine überarbeitete Fassung der FDP-Programmatik. Und es ist keineswegs ein Kompendium neoliberaler Forderungen. Gleichwohl gibt es darin inhaltliche Überschneidungen, die von anderen Teilen der Partei stärker gewichtet werden.

Der Blick der jungkonservativen Neuen Rechten auf die AfD ist durch ihre eigenen programmatischen und strategischen Vorstellungen geprägt, wie sie in den letzten Jahren entwickelt wurden. Federführend war hier die Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) um ihren Chefredakteur Dieter Stein, die sich mittlerweile als inoffizielles Sprachrohr der AfD zur Verfügung gestellt hat. Assistiert wurde der JF, wenn auch nicht immer einvernehmlich, durch das Institut für Staatspolitik (IfS), den jungkonservativen Thinktank. Seit dem Ausscheiden des wissenschaftlichen Leiters Karlheinz Weißmann ist die Bedeutung des Instituts für die Entwicklung einer rechten politischen Alternative allerdings geschmälert, weil die anderen Protagonisten wie Götz Kubitschek oder Erik Lehnert für sich weiterhin in Anspruch nehmen wollen, die AfD offen von rechts zu kritisieren und weiterhin eigenständige Aktions- und Organisationsformen zu verfolgen. Das mag sich zwar nachvollziehbar anhören, tatsächlich aber beschneidet es, weil die Kritik von außen kommmt, die eigenen Einflußmöglichkeiten – und Chancen für den Fall, daß die AfD demnächst finanzielle Mittel für Politikberatung und politische Bildung bereitstellt. Weißmann, im allgemeinen als Vordenker der Neuen Rechten deklariert, hat dies sicherlich mitbedacht, als er von der AfD als der zur Zeit »einzig denkbaren Option« für neurechte Intellektuelle sprach. Damit stellte er sich hinter den Kurs der Jungen Freiheit.

Dieter Stein, wie Weißmann übrigens Mitglied der Deutschen Gildenschaft, einer Korporation in der Tradition des völkisch-konservativen Flügels der Bündischen Jugend aus der Zeit der Weimarer Republik, sieht die politische Hauptaufgabe der JF darin, mit publizistischen Mitteln an der Bildung eines für die Durchsetzung rechter Positionen auf parlamentarischer Ebene tragfähigen gesellschaftlichen Milieus mitzuwirken. Es sei »höchste Zeit für die Formierung eines starken konservativ-freiheitlichen Widerlagers« (Junge Freiheit, Nr. 41/2009), das in der Lage sei, die staatstragenden Parteien, insbesondere aber »die Union von rechts unter Druck« zu setzen und eine Ausdifferenzierung des Parteiensystems nach rechts hin zu bewirken. Die AfD scheint nun der Hebel zu sein, um dies bewerkstelligen zu können. Sie habe das Verdienst, schrieb Stein im Mai 2013, das »Thema der verantwortungslosen Euro-Rettung« und damit verbunden »die endgültige Schleifung der nationalen Souveränität« in das »Zentrum der Debatte« gerückt zu haben. Es müsse nun, trotz mancher Zweifel gegenüber der weiteren Entwicklung der AfD, »von übergeordnetem Interesse« sein, das »Monopol der CDU« zu brechen.

So viel Pragmatismus mag politischen Existentialisten wie Götz Kubitschek verdächtig sein. Aber, mit Gramsci gesprochen, der von der Neuen Rechten rezipiert worden ist, ging es der JF immer darum, ein Hegemonieprojekt zu entwickeln, d.h. die Bildung eines Netzwerks von Akteuren zu fördern, das vielleicht einmal in der Lage sein könnte, in den Kampf um die kulturelle und letztlich auch politische Hegemonie einzugreifen. Welche »Akteurskonstellationen« bringt nun die Wochenzeitung ein, wo gibt es Anknüpfungspunkte an das Projekt einer »konservativen Volkspartei«? – Dies soll im weiteren anhand einiger Eckpunkte geklärt werden, die für die JF – und das IfS in der »Ära Weißmann« – von zentraler Bedeutung gewesen sind. Das geschieht mit Bezug auf das Wahlprogramm der AfD in Sachsen.

Politik für den Mittelstand

Der erste Eckpunkt ist das »marktwirtschaftliche Profil« in Verbindung mit der Ablehnung des Euro. Ein »ökonomisches Gefängnis«, empörte sich einmal das IfS über die gemeinsame Währung. Man kann diese Verbindung zwischen »Marktwirtschaft« und einer Renationalisierung der Währungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik, mit Blick auf die deutsche Parteiengeschichte, als nationalliberal bezeichnen. Der Nationalliberalismus ist ein zentraler Orientierungspunkt des Jungkonservatismus. Das war schon in den 1990er Jahren so, als die JF den nationalliberalen Flügel in der Berliner FDP und den Bund Freier Bürger unterstützte, von dem personelle Kontinuitäten bis in die heutige AfD führen. Unterstützung erhielten auch die Freien Wähler, für die JF-Autor Hans-Olaf Henkel als Programmschreiber tätig war. Gelobt wurden die Volkswirtschaftler, die die Bundesregierung wegen ihrer Euro-Rettungspolitik kritisierten; von Dieter Stein wurden sie zum sezessionistischen Kern der »publizistisch-wissenschaftlichen Elite« hochgeschrieben (JF Nr. 17/2013).

Seine soziale Basis hat der Nationalliberalismus vor allem in Teilen des kleinen und mittleren Bürgertums, z.B. mittelständischen Familienunternehmen, soweit sie für Wohlstandschauvinismus und Standortnationalismus empfänglich sind. Die JF spricht nebulös von den »gebeutelten Leistungsträger[n] der Gesellschaft« (Michael Paulwitz, JF Nr. 20/2013), die unter dem »Brüsseler Wasserkopf« und dem »Sozialstaatswahnsinn« (Kubitschek) litten.

Im sächsischen AfD-Wahlprogramm wird die Sozialstaatskritik von rechts zwar nur dezent angedeutet, dafür heißt es aber klipp und klar: »Wirtschaftspolitik ist für uns in erster Linie eine gute Mittelstandspolitik.« Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf das, was tatsächlich unter »Volk« verstanden wird. Im Programm tauchen Arbeiter bzw. Gewerkschaften als direkter Adressat nicht auf, wohl aber wird unter dem Stichwort Arbeitsmarktpolitik deutlich gemacht, daß die Verringerung der Arbeitslosenquote nur unter Berücksichtigung eines »preiswerten Arbeitskräfteangebots« erfolgen dürfe. Im Mittelpunkt stehen dagegen die (regionalen) Standortinteressen des Handwerks und der Landwirte sowie die ständischen Interessen der Ärzte, Professoren, Lehrer etc.

Da erlaubt man sich, neben den bekannten Seitenhieben gegen »Brüssel« und die EZB, auch einige antikapitalistische Töne (»enthemmter Neokapitalismus«, »der Landwirt darf nicht zum Sklaven der Banken werden«), nicht aber ohne zugleich die »strangulierende Ideologie des Marxismus-Leninismus« zu verurteilen. Die alte Leier also: der arme Mittelstand zwischen Sozialismus und rücksichtslosem Kapitalismus, bedrängt zudem durch den »ausbeuterischen« Steuer- und Schuldenstaat. Marktwirtschaft ja, aber bitte nicht auf Kosten des Mittelstandes. Marc Jongen, Mitarbeiter des Neonietzscheaners Peter Sloterdijk und Kandidat auf der Europawahlliste der AfD, hat das alles sehr schön in seinem Manifest »Das Märchen vom Gespenst der AfD« (siehe Cicero vom 22.1.2014) zum Ausdruck gebracht.

Christliche Werte

Der zweite Eckpunkt ist ein ausgesprochen rigider christlicher Konservatismus. Bezugspunkte sind Strömungen in beiden Konfessionen mit einer traditionalistischen bis fundamentalistischen Prägung: im protestantischen Bereich das (in sich inhomogene) Spektrum der Evangelikalen, im katholischen Bereich traditionalistische, papalistische Kreise, deren gemeinsames Kennzeichen in der Ablehnung der Volkskirche und in der Revision bzw. radikalen Ablehnung des II. Vatikanums (z.B. Forum deutscher Katholiken, Piusbruderschaft) liegt. Die für den Jungkonservatismus relevanten Bezugspunkte liegen hier vor allem im biopolitischen Bereich (Familie, Geschlechterrollen, Sexualmoral, Demographie) und in der Betonung der christlichen Fundamente Europas (»christliches Abendland«) in der Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Judentum. In kirchenpolitischer Hinsicht unterstützt man die genannten Kräfte.



Kauf am Kiosk!

Das Bekenntnis zum Christentum gehört zum Leitbild der JF. Weißmann sieht darin ein wichtiges Abgrenzungskriterium gegenüber neuheidnischen Positionen in der extremen Rechten, wie sie z.B. ehemals vom französichen Vordenker der Nouvelle Droite, Alain de Benoist, oder heute noch in der NPD vertreten wurden bzw. werden.

In der Präambel des sächsischen AfD-Parteiprogramms wird genau dies (allerdings ohne den kirchenpolitischen Hintergrund) betont: »Das Wertesystem, an dem wir uns (…) orientieren, leitet sich aus den Werten des christlichen Abendlandes ab.« Davon ausgehend fühlt man sich legitimiert, »die Kernfamilie in den Mittelpunkt der Familienpolitik zu stellen«, sie z.B. steuerlich und in der Rentenversicherung zu privilegieren, die frühkindliche Betreuung in der Familie als gleichberechtigte Form zu garantieren oder etwa die »bevorzugte Einstellung und Entfristung von Eltern im öffentlichen Dienst« zu verlangen. Eine »weitergehende Gleichstellung« der »Homoehe« wird abgelehnt, ebenso die »menschenfeindliche Ideologie« des »verqueren Genderismus« und erst recht die angebliche »Früh- und Hypersexualisierung in Kindergarten und Schulen«. Die Schwangerschaftskonfliktberatung soll sich dem »Lebensschutz« verpflichtet fühlen. Erklärtes Ziel dieser und weiterer empfohlener Maßnahmen ist es, »die wertstiftenden Funktionen der Familie zu stärken und die Geburtenrate zu erhöhen«. – In der Bildungspolitik ist, neben der obligatorischen Betonung des mehrgliedrigen Schulsystems, die Forderung von Bedeutung, staatliche und freie Schulen (also auch kirchliche Schule) finanziell gleich zu behandeln.

Völkische Ideologie

… ein traditionelles Familienbild, bei dem die Kernfamili
… ein traditionelles Familienbild, bei dem die Kernfamilie im Mittelpunkt steht und die Homoehe abgelehnt wird (Demonstration von AfD-Anhängern in Berlin im August 2013)

Der dritte Eckpunkt ist die völkische Ideologie, nicht im Sinne der alten völkischen Bewegung, sondern in einem modifizierten Sinne, nämlich vermittelt über die jungkonservative Lesart des völkischen Nationalismus, die bei aller Betonung der »ethnischen Kontinuität« als Basis der Nation stärker das willentliche, subjektive Element hervorhebt. Wenn Dieter Stein die »Ablehnung der Masseneinwanderung« hervorhebt, so deshalb, weil (aus seiner Sicht) die Zuwanderung – neben dem Damoklesschwert des Euro – am stärksten die nationale Souveränität und Einheit in Frage stellt. Allerdings offeriert die JF ein »flexibleres Angebot« als etwa die NPD, indem sie das Kriterium der Nützlichkeit als Maßstab für Einwanderung berücksichtigt, welche mit den Belangen der »Gemeinschaft« vermittelt werden soll.

Der Burschenschaftler Michael Paulwitz schreibt im JF-offiziösen »Manifest für die Zukunft Deutschlands im 21. Jahrhundert« (JF Nr. 42/2012): »Diese Gemeinschaft ist nicht statisch; sie kann Einwanderer aufnehmen und zu beider Vorteil integrieren, wenn Einwanderung nicht schrankenlos und ungesteuert stattfindet.« Voraussetzung sei auf seiten der Einwanderer die Bereitschaft, »sich ohne Vorbehalt mit Staat und Nation zu identifizieren«, sich also voll und ganz zu assimilieren. In diesem Sinne warb Stein in einem weiteren programmatischen Text (JF Nr. 41/2013) für einen »erneuerten Volkstumsbegriff«: Nach 50 Jahren Einwanderung habe »sich das Bild Deutschlands gewandelt«. Es sei daher »realitätsfremd«, »an einem engherzigen volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff festzuhalten, der integrationswillige Einwanderer und Kinder von solchen« ausschließe. Demgegenüber wendet sich die JF gegen »ethnisch-kulturelle Parallelgesellschaften« und gegen die sogenannte »orientalische Landnahme« (Paulwitz, JF Nr. 23/2012), also speziell gegen Einwanderung aus der Türkei und den arabischen Ländern, da besonders von dorther »Umvolkung« und »Bevölkerungsaustausch« drohten.

Diese Differenzierung hat Methode: Auch das AfD-Wahlprogramm unterscheidet zwischen einer erwünschten und einer unerwünschten Zuwanderung. Die erstere richtet sich nach dem Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften (»bedarfsorientierte Einwanderungspolitik« nach kanadischem Vorbild), die die Zuwanderung als gewissermaßen unumkehrbare »Lebensentscheidung« betrachten und denen der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft eine »Herzensangelegenheit« ist. Die zweite dagegen ist »eine ungesteuerte Einwanderung über Familiennachzug, Duldungsmechanismen und durch laxe Auslegungen des Asylrechts«. Im übrigen wird auch hier betont, daß die Erhöhung der Geburtenrate durch Familienförderung und Qualifikationsangebote an deutsche Arbeitslose wichtiger seien und Zuwanderung »nur kurz- und mittelfristig negative Effekte abmildern« könne. Diese »erneuerte« »Volkstumspolitik« ist, nebenbei gesagt, keineswegs neu. Klassiker der sogenannten Volkstheorie wie Max Hildebert Boehm (1891–1968) oder Wilhelm E. Mühlmann (1904–1988) haben schon immer Assimilation als wichtiges Instrument der Ethnopolitik und »Volkwerdung« betrachtet.

Ein Kuriosum noch am Rande: Identitätspolitik ist ein eigenständiges Thema im Wahlprogramm der »Alternative für Deutschland«: Zum einen wird die (auf die Region bezogene) »Landesidentität«, zum anderen die »Nationalidentität« beschworen. Wer diese nicht hat, neigt erstaunlicherweise zum Extremismus. Schuld an diesem ist also die mangelnde Identifikation mit dem Land, in dem man lebt. Dagegen helfe z.B. ein Geschichtsunterricht, dessen »deutlicher Schwerpunkt« im 19. Jahrhundert liegen soll (1813, 1848, 1871). Das »Absingen der Nationalhymne bei feierlichen Anlässen« sollte »selbstverständlich« sein. Empfohlen werden »weniger Anglizismen« und »mehr deutschsprachige Titel« in Rundfunk und Fernsehen. Gleichzeitig wendet man sich gegen Sprachregelungen und politische Vorgaben bezüglich »Gender- und Gleichstellungsideologie«. Insgesamt also ein Plädoyer für eine staatlich gelenkte nationalistische Medienpolitik.

Umbau des Staates

Ein vierter Eckpunkt ist ein bestimmtes Verständnis des Staates. Die Kritik an Euro und EU, die Warnungen vor Multikulturalismus und Islamisierung oder die Kritik am Sozialstaat motivieren die Jungkonservativen, an bekannte Konzepte des »Staatsumbaus« in der Endphase der Weimarer Republik anzuknüpfen. Man lese dazu Walter Schottes »Der neue Staat« (1932) und wird interessante Parallelen zu heutigen Debatten entdecken. (Schotte war übrigens Berater des Reichskanzlers Franz von Papen und führendes Mitglied des Deutschen Herrenklubs.) Freilich ist man hier nicht alleine.

Das Spektrum, innerhalb dessen heute Debatten um Wahlrechtsänderungen (z.B. Kinderwahlrecht, Stärkung der Persönlichkeitswahl, Pluralwahlrecht), die Einführung eines Zwei-Kammer-Systems oder die Aufwertung des Bundespräsidenten in Verbindung mit direktdemokratischen Verfahren stattfinden, reicht von Wissenschaftlern, Journalisten, Politikern, Verbandsvertretern über neoliberale Thinktanks wie die Zivile Koalition (Beatrix von Storch) oder den Konvent für Deutschland bis hin eben zur AfD und zur JF. Selbst die NPD versucht, hier anzudocken. Konzeptive Ideologen wie Hans-Olaf Henkel oder Hans Herbert von Armin tauchen in all diesen Zusammenhängen auf und beklagen den Zustand der Republik. Im Mittelpunkt steht immer der »exzessive« Parteienstaat, das »faktische Monopol der Parteien in der politischen Willensbildung«, wodurch »Reform«bemühungen zum Scheitern verurteilt seien.

Der Hebel, der im AfD-Programm angesetzt wird, ist zum einen die Stärkung direktdemokratischer Verfahren: »Das Volk ist gemäß Artikel 70 der Sächsischen Verfassung neben Regierung und Parlament berechtigt, Gesetzesvorlagen einzubringen. Wir wollen dieses Element direkter Demokratie stärken und die Verfahren für Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid verbessern.« Zum anderen wird ein Familienwahlrecht gefordert, das dem nahekommt, was Paul Kirchhof schon mal in der FAZ vorschlug, und – wie angedeutet – auch zu den verfassungspolitischen Forderungen der Jungkonservativen in der Endphase der Weimarer Republik gehörte: »Kinder sind (…) vollwertige Bürger dieses Landes. Zur Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes im aktiven Wahlrecht und der Generationengerechtigkeit treten wir für das aktive Wahlrecht der Kinder von Geburt an ein (…), indem die Stimme des Kindes bis zur Vollendung von dessen 16. bzw. 18. Lebensjahr jeweils von den Erziehungsberechtigten abgegeben wird.«

Die Brisanz dieser Forderung erhellt sich aus folgendem historischen Bezug: Bei Walter Schotte firmiert das Familienwahlrecht unter dem Stichwort »Pluralwahlrecht«. Dieses gibt vor, das Gewicht der Stimmen nach »Leistung« und »Verantwortungsfähigkeit« zu differenzieren, wobei hier an die »Sammlung der Stimmen aller Unmündigen bei den Versorgungsberechtigten und -verpflichteten« gedacht wird. Ein solches Pluralwahlrecht, das damals vornehmlich den Vätern zugute gekommen wäre, würde »eine ungeheure Festigung der Familie als der Keimzelle des Volkes zur Folge« haben; und, weiter im völkischen Ton, heißt es bei Schotte: »Erst ›das Wahlrecht des Babys‹ kann die parlamentarische Demokratie (sic!) sinnvoll machen und in Beziehung setzen zum Volke, das kein Durchschnitt durch die Generation der über Zwanzigjährigen ist, sondern ein werdendes Ewiges (!), das im Fortgang der Generationen erst sich vollendet.« Das Volk also als generationsübergreifende völkische »Zeugungsgemeinschaft« mit Ewigkeitswert!

Gelungene Annäherung

Die vorstehenden Überlegungen machen deutlich, daß die Selbstdarstellung der AfD als »konservative Volkspartei« tatsächlich sich dem nähert, was den Verfechtern eines jungkonservativen Hegemonieprojekts um die Junge Freiheit schon seit längerem vorschwebt: nämlich durch die Verknüpfung von nationalliberalen, christlich konservativen, völkischen und staatspolitischen Ideen eine »moderne« völkisch-konservative Bewegung im vorpolitischen Raum zu inspirieren und über deren parteipolitische Implementierung in den politischen Raum zu einer »Umwälzung« (Stein) des politischen Systems beizutragen.

Karlheinz Weißmann als ausgewiesener Kenner der »Konservativen Revolution« hat bereits 2003 die JF als in der Tradition der sogenannten »Volkskonservativen« stehend bezeichnet, einer Teilströmung des Weimarer Jungkonservatismus, die sich aus abtrünnigen Deutschnationalen, Teilen der Bündischen Jugend und des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes zusammensetzte und von Vordenkern der Konservativen Revolution wie Hermann Ullmann, Georg Quabbe und Edgar Julius Jung »geistig« beeinflußt wurde. Dieter Stein hat damals zu dieser »Verortung« geschwiegen. Weißmann hat das Institut für Staatspolitik inzwischen verlassen. Die Begründung seines Abschieds liest sich wie eine Wiederholung dieses historischen Bezugs, wenn er die Notwendigkeit und die Möglichkeit betont, daß sich die AfD in Richtung einer Volkspartei entwickle.



Helmut Kellershohn ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Thomas Wagner führte für jW mit ihm ein längeres Interview – siehe jW vom 20.7.2013.


Anmerkung



1 Diese politische Strömung rekurriert auf antidemokratische, antiliberale und antiegalitäre Positionen, die in der Weimarer Republik in Abgrenzung zum überkommenen Konservatismus etwa der Deutschnationalen Volkspartei formuliert und von dem Publizisten und Apologeten dieser ideologischen Orientierungen, Armin Mohler, unter dem Sammelbegriff »Konservative Revolution« zusammengefaßt wurden. Die Abgrenzung drückt sich in der Bezeichnung »Jungkonservative« aus, die im folgenden als politische Bestimmung auch für Teile der heutigen Neuen Rechten verwendet werden soll; Anm. d. Red.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/09-06/021.php

Nato schafft 10 Elite-Club-Mitglieder im Kampf gegen die IS

Die USA bilden einen elitären Club in der Nato, den sie exklusiv anführen.

Zu diesem Club gehören die wichtigsten Nato- Partner der USA, mit denen man einen besonders engen Kontakt halten will, den man zu den anderen 18 der 28 Nato-Mitglieder nicht unterhält.

Eine Gruppe von zehn Ländern unter Führung der USA und Großbritanniens will sich der Terrormiliz IS im Irak entgegenstellen. «Diese Nationen, die diese Bereitschaft gezeigt haben, haben hier sinnvollerweise verabredet, dass sie in Kontakt bleiben und die weiteren Maßnahmen miteinander besprechen», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag beim Nato-Gipfel im walisischen Newport.

 

Der Allianz gehören neben den USA, Großbritannien und Deutschland auch Frankreich, Italien, Australien, Dänemark, Kanada, Polen und die Türkei an.

Merkel widersprach Berichten, wonach die Runde von den USA einberufen worden sei. Es sei eine gemeinsame Aktion gewesen, «die keiner Aufforderung bedurfte». Diese Aussage darf allerdings bezweifelt werden, weil die USA die Nato zu einem klar hierarchisch strukturierten Bündnis unter ihrer straffen Führung gemacht haben. So ist der oberkommandierende SACEUR, der auch den Oberbefehl über die europäischen Truppen hat,  immer ein US General.

Der scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüßte das Engagement einzelner Mitgliedsstaaten mit Blick auf die US-amerikanischen Luftschläge gegen die Miliz. 

Die US-Armee hatte in den vergangenen Wochen mehr als 100 Luftangriffe auf Stellungen der IS im Irak geflogen. Die Terrormiliz gilt manchen Beobachtern allerdings als selbst-inszenierte Fake-Organisation von US Geheimdiensten. Die Terrormiliz hatte zuvor erhebliche Gebiete in Syrien und im Irak unter ihre Kontrolle gebracht. Das wurde argumentativ zur Begründung für einen faktischen  dritten Irakkrieg der USA herangezogen. Das Pentagon hatte jedoch immer betont, dass die US-Anstrengungen gegenwärtig nur ausreichten, um ein weiteres Vordringen der sunnitischen Terrorgruppe zu vermeiden. Um sie zu besiegen, sei eine größere Allianz vonnöten.

Britische Regierungsquellen legten Wert darauf, dass die Mitgliedschaft im Bündnis keineswegs bedeute, dass jedes Land militärisch aktiv werde. Deutschland hat bereits Munition an die irakischen Kurden geliefert. Großbritannien hat bisher Ausrüstungsgegenstände wie Helme und Schutzwesten geliefert.

 
 

US-Präsident Barack Obama schloss einen Einsatz von Bodentruppen gegen die IS etwa in Syrien aus. «Wir werden keine US-Bodentruppen stationieren, um die Gegenden zu kontrollieren, die Teil des Konflikts innerhalb Syriens sind», sagte er. Die USA müssten stattdessen mit «effektiven Partnern» zusammenarbeiten, um die Terrormiliz IS zurückzudrängen, etwa die moderate syrische Opposition.

Obama will das also alles über Dritte abwickeln, was auch Gelder spart- Die Nato-Staaten sind zudem aufgerufen, viel Geld in die neue hochgerüstete Nato zu investieren. Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung der Staaten soll der Anteil der Rüstungsausgaben für die Nato zukünftig betragen. Auch das entlastet Obama und die finanziell klamme USA weiter.

 

Waffenstillstand- Antifaschisten in der Ukraine sind unbesiegbar

Seit vier Monaten herrscht Krieg in der Ostukraine.  Die Zentralregierung führt Krieg gegen das eigene volk, dass sich im Osten nicht der Putsch-Regierung unterordnen will, Im April nahmen Antifaschisten große Teile des Donbass ein, die Kiewer Armee konnte sie kurzzeitig zurückschlagen, doch nun gewinnen die Aufständischen und freiwillige Antifaschisten aus aller Welt  wieder die Oberhand.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko während des Nato-Gipfels in Wales

Jetzt haben Unterhändler der Kiewer Regierung und die ukrainischen Antifaschisten eine Waffenruhe für das umkämpfte Gebiet vereinbart.

Zwölf Punkte umfasst das vereinbarte Protokoll, das auch einige der Vorschläge des wenige Tage alten  7-Punkte-Friedensplans enthält, den der russische Präsident Wladimir Putin während eines Flugs in die Mongolei entworfen hatte.

Die Rebellen in der Ostukraine reagierten positiv auf Putins Plan. Die Volkswehr sei bereit, die Kämpfe einzustellen, wenn sich die Regierungseinheiten zurückziehen würden, sagte Separatistenführer Miroslaw Rudenko. Ein möglicher Gefangenenaustausch könne beim Treffen der Kontaktgruppe besprochen werden. Rußland geht es vor allem um einen freien Zugang für humanitäre Hilfslieferungen in die Ukraine, die die pro-faschistische Kiewer Regierung lange Zeit verhindert hatte. 

Die Feuerpause tritt am Freitagabend in Kraft. Es handelt sich um die erste von beiden Seiten vereinbarte Waffenruhe. Sie soll von 18 Uhr Ortszeit (17 Uhr MESZ) an gelten. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Feuerpause für die Regierungstruppen angeordnet. Das hatte er für den Fall einer Einigung in Minsk bereits angekündigt. Experten gehen dennoch davon aus, dass angesichts komplizierter Befehlsketten auf beiden Seiten des Konflikts eine Umsetzung der Waffenruhe nicht einfach wird. Vereinbart wurde in Minsk auch ein Austausch aller Gefangenen. Ein weiterer Bestandteil des zwischen Kiew und den prorussischen Rebellen erzielten Abkommens sollen humanitäre Hilfslieferungen für die Ostukraine sein.

Bei Nowoasowsk, nahe der Stadt Mariupol am Asowschen Meer, eröffneten die Separatisten vor wenigen Tagen eine dritte Front. Die strategisch wichtige Stadt liegt etwa 50 Kilometer von der Staatsgrenze und 100 Kilometer von Donezk entfernt. Kurz vor der Vereinbarung der Waffenruhe kam es Berichten der Nachrichtenagenturen AP und Reuters zufolge in der Umgebung von Mariupol zu heftigen Gefechten. Der Kommandeur einer ukrainischen Miliz sagte Reuters, seine Truppe sei die ganze Nacht von den Aufständischen beschossen worden. "Sie stehen uns mit Panzern und Artillerie gegenüber".

Medien halten an der Lüge fest, das russische Truppen an den Kämpfen in der Ost-Ukraine gegen die pro-faschistische Kiewer Zentralregierung beteiligt seien, obwohl die OSZE erklärt hatte, dass es afür keinerlei Beweise gäbe. Es gibt allenfalls Freiwilige z. B aus Spanien und Frankreich und auch Rußland  und aus der ganzen Welt, die mit der russischen Regierung direkt nichts zu tun haben.  

Das Szenario erinnert an den spanischen Bürgerkrieg von 1936. Auch damals hatte eine faschistische Putsch-Regierung unter General Franco eine demokratisch gewählte republikanische Regierung gestürzt und auch sie war damals von Hitlerdeutschland unterstützt worden, während Antifaschisten aus ganz Europa die Antifaschisten als Freiwilligenverbände unterstützt hatten. Die in der Ukraine errichteten Räterepubliken definieren sich als basisdemokratisch und völlig unabhängige Gebilde, die die pro-faschistische Putsch-Regierung nichtanerkennen. 

Skizze aus der New York Times, die die Ausbreitung der Herrschaftsgebiete der Antifaschisten Anfang September verdeutlicht. 

 

 

Kapitalismus bedeutet Krieg stellte Sahra Wagenknecht schon 2009 fest

Kapitalismus heißt Krieg

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen im Friedensjournal des Bundesausschusses Friedensratschlag, März 2009

Kapitalismus und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht auf dem Prinzip der Konkurrenz, es geht um die bestmögliche Ausgangsposition zur Erzielung des größtmöglichen Profits. Ausbeutung und Expansion sind dem Kapitalismus deshalb inhärent. Das Nutzen militärischer Mittel, um die eigene wirtschaftliche Position zu verbessern, den Zugang zu Ressourcen zu sichern und ihre Ausbeutung zu ermöglichen, ist eine Konsequenz der kapitalistischen Logik. Der französische Sozialist Jean Jaurès hat es treffend formuliert: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen."

Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Profitmaximierung mit militärischen Mitteln. Es lassen sich dabei mehrere Ebenen unterscheiden, die alle eins gemeinsam haben: DerDurchsetzung wirtschaftlicher Interessen wird ohne Skrupel alles untergeordnet.

... um Rohstoffe und Ressourcen

Eroberungsfeldzüge um Ressourcen bilden sozusagen die klassische Kriegsführung. So wie es zu Beginn der Neuzeit um Gold und Silber ging, so stehen heute Öl und Rohstoffe im Mittelpunkt der modernen Kriege. Dass es beim Feldzug der USA im Irak um die Verhinderung von – nie gefundenen – Massenvernichtungswaffen ging, glaubt niemand mehr. Der Irak hat riesige Ölvorkommen, nach Saudi-Arabien soll es sich um die größten weltweit handeln. Da der Irak nach dem zweiten Golfkrieg weder an die USA noch an Großbritannien Ölkonzessionen vergeben hatte, hatten diese – im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich und Russland, die gute wirtschaftliche Beziehungen zum Irak unterhielten – ein gesteigertes Interesse an einem Umsturz im Irak, um so von den Ressourcen profitieren zu können. Es ist wenig überraschend, dass gerade die USA den Irakkrieg vorantrieben und darin von Großbritannien massiv unterstützt wurden.

Doch es sind nicht nur die USA, die bereit sind, Kriege um Energie zu führen. Energiesicherheit gehört zur strategischen Neuausrichtung der NATO. Und auch die EU positioniert sich, um im Kampf um Energieressourcen gerüstet zu sein. Mithilfe des Lissabon-Vertrags soll die Aufrüstung vorangetrieben werden, um notfalls auch militärisch agieren zu können, um die Interessen der EU durchzusetzen – und zu diesen zählt die Sicherung von Energie und ihrer Transportwege, wie es der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana in einem Strategiepapier ausführt. Das Handelsblatt schrieb ganz unverblümt über den EU-Plan, den Aufbau einer mindestens 60.000 Mann starken Eingreiftruppe voranzutreiben: „EU rüstet sich für künftige Konflikte um Energie und Seewege".

In so gut wie allen kriegerischen Auseinandersetzungen geht es um Rohstoffe und Ressourcen. Dabei muss nicht immer das umkämpfte Land selbst große Vorkommen haben. Ein Land kann auch im Zentrum kriegerischer Auseinandersetzungen stehen, weil es eine geostrategisch bedeutende Lage hat. Dies ist beispielsweise bei Afghanistan der Fall. Welche Relevanz Durchleitungsrechte haben, konnte man erst kürzlich im Erdgasstreit zwischen Russland und der Ukraine sehen.

Auch der Großteil der Konflikte in Afrika ist durch Rohstoffe verursacht. Beim Krieg im Kongo geht es nicht zuletzt um strategische Ressourcen und um Bergbaukonzessionen für international agierende Minenkonzerne. Ähnliches gilt für den langjährigen Krieg in Sierra Leone, der auch um Diamanten geführt wurde. Auch die so genannten ethnischen Kriege sind oftmals nichts anderes als Stellvertreterkriege der imperialistischen Mächte um Rohstoffvorkommen und Einflussbereiche. Dies war z.B. in Ruanda der Fall, indirekte Kontrahenten waren hier die USA und Frankreich.

... um Marktöffnung und Privatisierung

Ein weiterer Aspekt des kapitalistischen Interesses an Krieg ist die Erschließung neuer Absatzmärkte. Krieg dient der Durchsetzung eines neoliberalen Entwicklungswegs. Dieses Prinzip kam auch bei der Zerschlagung Jugoslawiens zum Einsatz. Mithilfe von Bomben sollen willfährige Regierungen installiert werden, die in der Folge eine Politik der Privatisierung und Marktöffnung betreiben, von der wiederum die Wirtschaftskonzerne der kriegführenden Partei profitieren. Das beste Beispiel für diese perfide Kriegspolitik bildet der Irak. Dick Cheney, als US-Vizepräsident der Bush-Administration unmittelbar an der Entscheidung zur Kriegführung beteiligt, war vor seinem Eintritt in die US-Regierung Vorstandsvorsitzender des US-Konzerns Halliburton, der lukrative Verträge zur Versorgung der US-Soldaten im Irak erhielt und auch am Vertrieb irakischen Öls beteiligt ist.

Auch die US-Baufirma Bechtel, ebenfalls Förderer der Bush-Regierung, ist mit Aufträgen am Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg beteiligt. Gleiches gilt für das zerstörte Telefonnetz. Auch hier profitiert eine US-Firma.

... als Dienstleistung

Eng verwoben mit dem Aspekt der unmittelbaren und langfristigen Profite, die Kriege ermöglichen, ist die zunehmende Privatisierung des Krieges. Immer mehr private Sicherheitsfirmen bieten Kriegsdienstleistungen an; in diesem Sektor wurden allein im Jahr 2006 200 Milliarden Dollar umgesetzt und 1,5 Millionen Menschen beschäftigt.

Es handelt sich dabei zum einen um Söldner, zum anderen aber auch um den Bereich der Versorgung und Logistik – auch die Bundeswehr setzt in diesem Bereich auf Outsourcing. Die Privatisierung von Krieg bedeutet, dass ein immer größerer privater Sektor von Krieg unmittelbar profitiert und damit ein wirtschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung kriegerischer Konflikte hat. Da Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft oftmals eng miteinander verbunden sind – das Beispiel Dick Cheney zeigt dies am deutlichsten –, ergibt sich daraus ein großer Einfluss privat profitierender Wirtschaftsunternehmen im Sicherheitsbereich auf politische Entscheidungen über Krieg und Frieden.

... als Wirtschaftszweig

Krieg ist ein immenser Wirtschaftszweig und Rüstung bildet einen Bereich, wo der Staat selbst unmittelbar die Nachfrage beeinflussen kann. Gerade die USA haben dies in den letzten Jahrzehnten weidlich genutzt; von Ronald Reagans massiver Aufrüstung im Rahmen der Systemauseinandersetzung bis hin zum Irak-Krieg der jüngsten US-Administration. Aufrüstung spielte in den USA immer eine große Rolle, um die Wirtschaft voranzutreiben. Die erfolgreichsten Exportgüter der USA waren in den letzten Jahren vor allem Rüstungsgüter.

Nach dem Platzen der New-Economy-Blase setzten die USA unter George W. Bush massiv auf Aufrüstung zum Ankurbeln der Konjunktur. Profiteure solcher Politik sind vor allem die Rüstungsschmieden, die staatliche Aufträge erhalten und private Profite aus den in die Rüstung fließenden Steuergeldern machen.

Doch auch in Europa stehen die Weichen auf Aufrüstung. Mittels der Aufrüstungsverpflichtung des Lissabon-Vertrags sollen auch hier Steuergelder dafür verwendet werden, Rüstungskonzerne zu fördern. Es liegt auf der Hand, dass diese ein Interesse daran haben, dass Rüstungsgüter auch eingesetzt werden; so steigen Bedarf und Profit. Insofern ist der Rüstungswirtschaft sehr daran gelegen, dass die EU ihren Aktionsradius weltweit ausdehnt und mithilfe von EU-Militäreinsätzen für stetige Nachfrage sorgt.

Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist die Kriegsgefahr erheblich. Dies zeigt ein Blick in die Geschichte. Die Wirtschaftskrise der 30er Jahre beförderte in Deutschland den Siegeszug der Nazis und führte in die Katastrophe. In den von der Wirtschaftskrise getroffenen USA war es nicht etwa der New Deal von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der die USA aus der Großen Depression brachte. Es war vor allen Dingen das Ankurbeln der US-Rüstungsproduktion, nachdem Nazideutschland den 2. Weltkrieg entfacht hatte.

Es ist deshalb gerade heute, am Beginn der größten Weltwirtschaftskrise seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts umso wichtiger, wachsam zu sein und eine konsequente Friedenspolitik zu vertreten. Es ist nicht entschieden, in welche Richtung sich Protest angesichts großer wirtschaftlicher Einbrüche entwickelt. Die Gefahr eines Rechtsrucks in der Gesellschaft existiert auch heute. Deshalb ist ein friedenspolitischer Kurs notwendig, der die Ursachen von Kriegen bekämpft und sich für deren Überwindung engagiert. Darüber hinaus müssen zivile Alternativen zur Militär- und Kriegslogik aufgezeigt werden. Nur so lässt sich Frieden dauerhaft verwirklichen.

http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/487.kapitalismus-heisst-krieg.html