ARCHIV  15.03.25
 
BSW hätte vor der Bundestagswahl dem Antrag der CDU für das Zustrombegrenzungsgesetz nicht zustimmen dürfen
 
Dieses Verhalten hat dem BSW den Einzug in den Bundestag gekostet
 
Abstimmungsverhalten im Bundestag hat BSW geschadet
 
Eine Partei hat dann eine Chance, sich dauerhaft im Parteienspektrum zu etablieren und die Fünfprozenthürde zu überspringen, wenn sie ein Politikangebot unterbreitet, für das die anderen Parteien eine Lücke hinterlassen haben, und wenn diese Partei keine schwerwiegenden Fehler macht. Die erste Voraussetzung ist beim BSW erfüllt und erklärt auch ihr gutes Abschneiden bei den bisherigen Wahlen zum Europaparlament und bei ostdeutschen Landtagen. Umgekehrt zeigt das Ergebnis von Volt mit 0,7 Prozent der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl, dass für diese Partei gar kein Bedürfnis besteht, weil deren politische Aussagen sich ja auch in der Politik der anderen Parteien bereits wiederfinden.
 
Das BSW hat aber kurz vor der Bundestagswahl bei den Abstimmungen zu dem Fünf-Punkte-Plan von Merz am 28.01. und am 31.01.25 zum sog. „Zustrombegrenzungsgesetz“ einen schweren Fehler gemacht, der im Ergebnis dazu geführt hatte, dass die Partei ein Stimmenergebnis von 4,97 % erreicht hat, was den Erwartungen nicht entsprechen konnte.
 
Bei der Abstimmung zu dem Entschließungsantrag vom 28.01.25 ging es um CDU-Forderungen wie der „Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch stellen oder nicht“. Das widerspricht eindeutig dem EU-Recht, der Genfer Flüchtlingskonvention, dem Dublin-Abkommen und dem Grundgesetz. Hierauf ist mehrfach hingewiesen worden.
Hierzu hatte Sahra Wagenknecht laut NWZ vom 25.01.25 sogar erklärt, dass die BSW-Gruppe dem CDU/CSU-Antrag, von dem bekannt war, dass er nur mit den Stimmen der AFD eine Mehrheit finden kann, zustimmen würde. Als dann verschiedene Protesterklärungen bei der Bundestagsgruppe eintrafen und es wohl intern auch Diskussionen gegeben hatte, entschied sich die Gruppe mit Enthaltung abzustimmen. Ein „Nein“ kam für die Gruppe nicht in Betracht, weil im Bundestagswahlprogramm ja auch teilweise das gestanden hatte, was jetzt in dem Merz-Papier zu lesen war.
 
Dort stand nämlich:
„Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, hat kein Recht auf Aufenthalt. Wer kein Recht auf Aufenthalt hat, hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen.“
 
Genau so hatte auch Merz argumentiert, der dann auch noch meinte sich auf Art.16 a des Grundgesetzes berufen zu können. Er hatte sich gegen den Vorwurf der Rechtswidrigkeit seines 5-Punkte-Planes mit dem Argument gewehrt, Artikel 16a Abs. 2 des Grundgesetzes würde doch ausdrücklich regeln, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem sicheren Drittstaat einreise, also aus einem der Nachbarstaaten der Bundesrepublik. Wenn man mit Art. 16 a des Grundgesetzes argumentiert und behauptet, dass die aus sicheren Drittstaaten Asylbewerber gar nicht einreisen dürfen, dann muss man den Art. 16 a des Grundgesetzes auch zu Ende lesen.
 
Dort gibt es nämlich noch den Absatz 5, der den rechtlichen Vorrang völkerrechtlicher Verträge der EU normiert. Dazu gehört u.a. auch das Dubliner Abkommen. Nach dessen Artikel 3 wird das Verfahren zur Überprüfung des Schutzgesuches zunächst einmal in dem Mitgliedstaat eingeleitet, in dem sich der Asylbewerber meldet. Hieraus folgt: Erst wenn in diesem Prüfungsverfahren entschieden worden ist, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, kann nach dem Dublin-Verfahren in das zuständige Land der EU abgeschoben werden, vorher nicht.
 
Deshalb ist auch ein Zurückweisen an der Grenze vor Abschluss dieses Vorprüfungsverfahrens zum Asylgesuch rechtlich gar nicht möglich.
 
Wenn der betreffende Schutzsuchende dann innerhalb von sechs Monaten nicht in das zuständige Land verbracht worden ist, entsteht eine sekundäre Zuständigkeit der deutschen Behörden. Der Antrag von Merz sollte davon ablenken, dass die Täter von Solingen und Aschaffenburg auf Grund eines Vollzugsdefizits der beteiligten Bundesländer noch in Deutschland waren.
 
Aschaffenburg liegt in Bayern! Das hätte in den Mittelpunkt einer Kritik an dem CDU-Antrag gestellt werden müssen.
Aus den verschiedenen Interviews, die Sahra Wagenknecht gegeben hatte, geht hervor, dass sie mit der Materie, von der sie sprach, gar nicht vertraut war. So hatte sie mehrfach erklärt, in Deutschland würden doch nur 1 oder 2 Prozent der Asylbewerber anerkannt. So ist es auch im Landtagswahlprogramm des BSW in Bandenburg nachzulesen. Diese Zahl zu nennen, ist aber ausgesprochen irreführend:
Auf der Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kann man für 2024 nachlesen:
Insgesamt 301.350 Fälle, davon
- als asylberechtigt anerkannt: 0,7 % (das hängt damit zusammen, dass nur politisch Verfolgte, die mit dem Flugzeug kommen, hier erfasst sind - wegen der Regelung, wonach Deutschland von sicheren Staaten umgeben ist, also gar nicht anerkannt werden können)
- als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt: 12,5 % ( das sind politisch Verfolgte! Sie haben den gleichen Rechtsstatus wie Asylberechtigte)
- als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt: 24,9 % ( das sind hauptsächlich Bürgerkriegsflüchtlinge - vorwiegend aus Syrien)
- Schutzberechtigte nach § 60 Abs. 5 und 7 AufhG: 6,9 % (Fälle, bei denen individuell eine besondere Gefahrenlage festgestellt wurde)
- abgelehnte Fälle: 30,5 %
- als unzulässig abgelehnte Fälle: 25,1 % ( das sind Fälle, wo festgestellt wurde, dass ein anderes Land des Dubliner Abkommens zuständig ist, sog "Dublin-Fälle").
 
Wenn man nur die wenigen Fälle nennt, die mit falschem Pass im Flugzeug gekommen sind (anders geht es ja gar nicht) und dann anerkannt werden, aber gleichzeitig unterschlägt, dass 12,5 %, die auf dem Landweg - also über sichere Drittstaaten - gekommen sind, als Flüchtlinge anerkannt wurden, dann wird ein falscher Eindruck erweckt, weil zwischen den Asylberechtigten und den anerkannten Flüchtlingen praktisch gar kein Unterschied besteht. Beide Gruppen, werden anerkannt, wenn sie politisch verfolgt sind.
 
Der Fehler, der dem Abstimmungsverhalten im Bundestag zu dem 5-Punkte-Plan zugrunde lag, war bereits mit dem am 12.01.25 verabschiedeten Wahlprogramm gemacht worden, wobei man wissen muss, dass es hierzu einen Änderungsantrag des Unterzeichners gab, der von der Antragskommission nicht berücksichtigt und damit dem Parteitag zur Behandlung gar nicht überwiesen wurde.
 
Zur Begründung war dem Unterzeichner dazu gesagt worden, dass das „nur juristische Fragen“ seien.
 
Wie politisch das jedoch werden konnte, hat man dann an dem 5-Punkte-Plan von Merz gesehen, zu dem sich die Gruppe dann nur zu einer Enthaltung durchringen konnte, obwohl ein deutliches Nein angesagt gewesen wäre. Der Entschließungsantrag hätte dann auch keine Mehrheit gehabt.
 
Als es dann an dem kommenden Freitag zur Abstimmung über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ kam, war die Diskussion über das, was eigentlich abgestimmt wurde, schon längst überlagert von der Debatte, ob die „Brandmauer“ gegenüber der AFD hält. Dies hätte die Gruppe erkennen müssen und nicht einfach dafür stimmen dürfen. Eine eigenständige Position in der Migrationspolitik, die sich von CDU/CSU/FDP/AFD ebenso abgrenzt wie von der Position der LINKEN (offene Grenzen für alle) wurde nicht erkennbar. Immerhin haben drei von zehn Abgeordneten an der Abstimmung nicht teilgenommen, das half aber nichts mehr, weil der Schaden bereits angerichtet und der Eindruck entstanden war, das BSW würde mit den Rechten von CDU/CSU und AFD in der Migrationspolitik gemeinsame Sache machen.
 
In der Sache ging es hauptsächlich um die Nachzugsmöglichkeiten von Familienangehörigen der subsidiär Schutzberechtigten.
 
Der Nachzug war grundsätzlich sowieso schon ausgeschlossen, wurde bislang aber über eine Härteregelung für maximal 1000 Fälle pro Monat erlaubt. Er betraf im Wesentlichen Ehefrauen und Kinder der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Aus dieser Gruppe waren aber aller Wahrscheinlichkeit nach keine Attentäter zu erwarten. Es ging hier allein um eine humanitäre Frage und letztlich auch um die Integration der hier aufgenommenen subsidiär Schutzberechtigten, die natürlich zusammen mit ihren Familienangehörigen hier viel besser gelingen kann.
 
Wesentliche Ausführungen in diesem Artikel basieren auf Ausführungen und Feststellungen des niedersächischen Ex-Linken Hans-Henning Adler, der Ende 2023 aus der Linkspartei ausgetreten ist. 
 
Hintergrund IZ History
 
 
 

Es fehlten mit 4,97 % etwa 13 500 Stimmen

Jürgen Meyer IZ 24.02.25

 

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist bei der Bundestagswahl 2025 mit 4,97 % der Wählerstimmen knapp gescheitert.

Deswegen ist eine selbstkritische Analyse der Wahlen dringend notwendig.

Ich halte es nach wie vor für einen Fehler, eine so restriktive Aufnahmepolitik als neue Partei zu praktizieren, die den Anspruch hat, bundesweit agierende Massenpartei zu werden. 

Die Bundes-Partei BSW hat gerade einmal ca. 1100 Mitglieder aufgenommen und am Anfang war bei unterschiedlichen Angaben von bis zu 38 000 Unterstützern und Sympathisanten die Rede. Anfang 2025 nach den Landtagswahlen sprach ein Parteisprecher gegenüber der ARD aber nur noch von 25 000 Unterstützern. Also allein hier könnten bis zu 13 000 Unterstützer aus Frust abgesprungen sein und das ist genau die Anzahl der Stimmen, die bis zum Einzug in den Bundestag unterm Strich gefehlt haben.

Eine kleinbürgerliche Ängstlichkeit ist einer möglichen und potenziellen Volkspartei nicht angemessen.  Zumal auch diese selektive Auswahl nicht verhindert hat, dass es zu großen Spannungen und innerpolitischen Diskussionen und auch inhaltlichen Auseinandersetzungen geführt hat, wie beispielsweise in Hamburg, im Saarland, in Thüringen, in Brandenburg und auch in Bayern.

Zudem ist beispielsweise in Brandenburg der Kontakt der Landesspitze zur Basis völlig gekappt worden. So gab es keine Treffen wie vorher mehr und auch der offizielle Telegram-Chat in Teltow-Fläming wurde zuerst entpolitisiert und dann wurde sogar jede inhaltliche Kommunikation abgewürgt. Auch das führte zur Abwendung und Frustration von Unterstützern, die Sahra Wagenknecht auf der Pressekonferenz am 24.2. 25 zu Recht eingesteht.

Als zweiten Knackpunkt möchte ich die Regierungsbeteiligungen des BSW in Brandenburg und Thüringen erwähnen.

Als neue Partei im Osten wurde das BSW insbesondere als neue Linkspartei und als Systemalternative wie auch als Alternative zur AfD gewählt. Zwar hat das BSW friedenspolitisch geliefert und einige wichtige Punkte im Koalitionsvertrag durchsetzen können. Doch in der Wahrnehmung der Protestwähler im Osten, die auch eine Alternative zur AfD und auch zu den Altparteien suchten, war die Regierungsbeteiligung ein Verrat und ein Schritt zum Machterhalt der abgewirtschafteten Altparteien, weil das BSW in Brandenburg mit der SPD und in Thüringen sogar auch mit der CDU koalierte.  Im Ergebnis wurde die AfD im Osten noch stärker und sogar stärkste Partei. 

Zeitweilig wurde dem Landesverband in Thüringen sogar mit dessen Auflösung gedroht. Auch Sahra Wagenknecht bezeichnete die Regierungsbeteiligung im Osten zuletzt als ein Dilemma.

https://internetz-zeitung.eu/8009-sahra-wagenknecht-fuer-sofortigen-diaeten-stopp-das-bsw-in-brandenburg-will-regelung-erst-spaeter-aendern

Sahra Wagenknecht machte auf der Pressekonferenz nach der Wahl deswegen auch zu Recht darauf aufmerksam, dass es in den Ländern kaum Gestaltungsraum für das BSW in der Regierung gibt, weil 90 % der Gelder bei defizitären Haushalten bereits von vornherein verplant sind und man so nicht einmal kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen durchsetzen könne.

In Brandenburg kam es zum Widerstand in Teilen der Fraktion, weil die Stationierung israelischer Arrow 3 Raketen in Holzdorf nicht von vornherein verhindert wurde und weil die BSW Fraktion sich gleich eine Diätenerhöhung sofort am Anfang der Legislatur geleistet hatte bzw. diesen automatischen Erhöhungsmechanismus nicht ausgesetzt hatte. Die IZ hat darüber breit berichtet.

https://internetz-zeitung.eu/7972-arrow-3

In Thüringen  kam es in Koalitionsverhandlungen sogar zunächst zum totalen Fiasko und zur Aufgabe aller politischen Positionen für Posten und Mandate wie auch zur Aufgabe einer hinreichenden Friedenspräambel, sodass Sahra Wagenknecht einschreiten musste. Katja Wolf wollte zunächst sogar auf die Friedensformel im Koalitionsvertrag verzichten.

Im  Vergleich zur Landtagswahl hat das BSW in Brandenburg ( 13,5 %) nach der Regierungsbeteiligung bei der Bundestagswahl 2025 nur noch 10,7 % der Stimmen erreicht. Das ist in wenigen Wochen ein Verlust von ca. 3 %.

Der größte Fehler des BSW war aber die gemeinsame Abstimmung im Bundestag zusammen mit CDU und AfD in der Migrationsfrage. Die Brandmauer zur AfD wurde so durch das BSW eingerissen, die sich zudem auf die Seite der politischen Rechten gestellt hat und so viele linke Wähler enttäuscht hat. Auch die BSW Bundestagsabgeordneten als Ex-Linke fühlten sich in dieser Rolle sichtbar nicht wohl. Wagenknecht selbst hatte ja in ihrer Debattenrede zu diesen Anträgen dargelegt, dass das Ganze eine Propagandashow sei, weil weder die vorgelegten Entschließungsanträge noch der Gesetzesentwurf absehbar in konkrete Politik umgesetzt werden könnten.

Vor allem aber wurden so Hunderttausende Menschen gegen den Rechtsruck in der Republik mobilisiert. Gerade auch viele BSW Wähler wollen nicht, dass  die AfD salon - und hoffähig wird.

Und selbst SPD und Grüne haben sich der Migrationspolitk der AfD angenähert, sodass 1,2 Millionen Wähler von SPD und Grünen in Richtung Linkspartei abwanderten, die so ein nicht mehr möglich gehaltenes Comeback mit 8,5 % der Stimmen hinlegte. Auch das BSW verlor so durch diese restriktive Migrationspolitik viele Wähler an die Linkspartei.

Es ist ja möglich eine andere Migrationspolitik zu wollen  - nur muss  sie humanistisch sein und man hätte einen eigenen Antrag  frei  von AfD oder CDU Rassismus in den  Bundestag einbringen können und müssen. Das war ein großes Versäumnis der BSW  Bundestagsfraktion. Die gemeinsame Abstimmung von  CDU und AfD  und das Brechen der Brandmauer hat hunderttausende Demonstranten gegen rechts auf die Straßen gebracht und gegen den Faschismus mobilisiert und die Linkspartei gegenüber dem BSW revitalisiert und stark gemacht. Soros-Medienkampagnen von Campact wirkten dann nur noch als Katalysator für Linke und Grüne.    

Natürlich hat Sahra Wagenknecht recht, die Manipulation durch Wahlumfragen und durch gesteuerte Kampagnen der  Mainstreammedien als weiteren Grund für das Scheitern des BSW anführt. 

Aber auch außerparlamentarisch kann man etwas bewirken und sich bundesweit  erneuern!