Vermietungs-Riese "Deutsche Annington" expandiert weiter 

Vermietungsgigant entsteht

aus der JW 

Gefleddertes Erbe des alten Sozialwohnungsbestandes: Deutsche Annington will GAGFAH für 3,9 Milliarden Euro übernehmen

 

Der Immobilienkonzern Deutsche Annington will den Rivalen GAGFAH für fast 3,9 Milliarden Euro übernehmen. Daraus entstünde ein Wohnungskonzern mit rund 350.000 Einheiten im »Wert« von 21 Milliarden Euro – nach Angaben von Annington wäre das der zweitgrößte in Europa. »Wir wollen einen nationalen Champion von europäischer Dimension schaffen«, sagte Annington-Chef Rolf Buch am Montag laut Nachrichtenagentur Reuters in einer Telefonkonferenz. Von der Fusion versprechen sich die beiden »Unternehmen« innerhalb von zwei Jahren Größen- und Finanzierungsvorteile von rund 84 Millionen Euro. So sollen vor allem die Zinsen auf die milliardenschweren Schulden der Vermietungsgiganten deutlich sinken, weil dem neuen Unternehmen laut Buch ein besseres Rating winke.

Die Deutsche Annington zahlt jeweils die Hälfte der 3,9 Milliarden Euro schweren Kaufsumme in bar und in eigenen Aktien. Das entspreche 18 Euro je GAGFAH-Papier, 16 Prozent mehr als der Schlusskurs vom Freitag. Die GAGFAH-Anteilseigner sollen für jeweils 14 ihrer Aktien 122,52 Euro in bar sowie fünf neue Deutsche-Annington-Anteilsscheine erhalten. Das offizielle Angebot soll noch vor Weihnachten vorgelegt werden. Bis zum 21. Januar 2015 muss sich entscheiden, ob sich die Aktionäre des kleineren Unternehmens dafür gewinnen lassen. Voraussetzung für das Zustandekommen der Übernahme ist eine Annahmequote von mehr als 50 Prozent.

Wie bei Konzernen dieser Art üblich, soll der Deal von der Deutschen Annington mit der Aufnahme neuer Schulden und einer Kapitalerhöhung finanziert werden – also die »Märkte« und die Anteilseigner werden angepumpt. Die US-Investmentbank JPMorgan spendiert einen Brückenkredit. Vorstandschef des Konzerngiganten soll Buch bleiben, GAGFAH-Vorstandsboss Thomas Zinnöcker soll sein Stellvertreter werden.

Das alles klingt, wie bei Wirtschaftsnachrichten üblich, nach einem »normalen Geschäft«: Zwei Spitzenspieler auf dem Markt schließen sich zusammen, um ihn zu dominieren. Dummerweise geht es hier um Konzerne, die ihr Geld mit einem Gut der Daseinsvorsorge verdienen. Da gehört es sich, dass die Bosse beruhigen, wenn ein noch größeres Vermietungsmonstrum entstehen soll, wie jedes einzelne Unternehmen es bisher bereits darstellt. »Ich persönlich stehe dafür ein, dass die Neuausrichtung auch im zusammengeschlossenen Unternehmen konsequent weitergeführt wird«, ließ Annington-Chef Buch per Mitteilung verbreiten. Gemeint ist wohl, eine etwas weniger brachiale Einstellung zum Mieter und zu dem, was man ihm zumuten kann. Sein künftiger Stellvertreter Zinnöcker sagte: »Unseren Mietern kann ich versprechen, dass die GAGFAH alle abgeschlossen Vereinbarungen einhält und dass die gemeinsame Gesellschaft sich an ihrem Anspruch als sozial verantwortlicher Vermieter messen lässt.«

Große Worte. Doch gemessen an dem, was bisher war, kaum eine Entwarnung. Beide Konzerne haben eine grundlegende Gemeinsamkeit, sie stellen den traurigen Rest eines ehemals großen sozialen Wohnungsbestandes in der rheinischen Bundesrepublik dar.

Zur Geschichte: Annington Homes, ein britisches Unternehmen, das seine Größe durch die Privatisierung von Militärunterkünften auf der Insel erreichte, stieg 2001 in Deutschland mit einem ähnlichen Konzept ein: Man »erwarb« einen Großteil der bundeseigenen Eisenbahner-Wohnungsgenossenschaften (mehr als 60.000 Wohnungen). Es war ein Geschäft mit Zukunft. Denn nicht nur der Bund hielt Wohnungen im Privatbesitz für etwas Gutes; auch Konzerne, die in ihrer Entwicklungsphase »alte Bundesrepublik« einen sozialen Mindeststandard für ihre Beschäftigten bieten mußten, verkauften in der neoliberalen Hochzeit von Rot-Grün diese vermeintliche Altlast. Die Deutsche Annington kam so u. a. zu mehr als 4.000 früheren RWE-Werkswohnungen. 2007 landete sie einen großen Coup mit dem Kauf der Viterra. Das war im Grunde der Wohnungsbestand des früheren VEBA-Konzerns, der später mit VIAG zu E.on fusioniert worden war. Viterra brachte weitere 150.000 Einheiten ein.

Ähnlich wurde aus der einst sozialen GAGFAH ein Großdealer auf dem Mietmarkt. Die »Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten« war bis 2004 im Besitz der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) – obwohl es sich um von den Nazis geraubtes früheres Gewerkschaftsvermögen handelte. Der geschäftstüchtige Rentenversicherungsträger veräußerte die gut 80.000 Wohnungen an eine »Heuschrecke«, den US-amerikanischen Private Equity Fonds Fortress. Die Deutsche Annington hatte bereits zuvor mit Terra Firma ein Private-Equity-Gesellschaft als Großanteilseigner, im Gegensatz zur GAGFAH jedoch einen britischen – was letztlich keinen Unterschied machte.

Beide Konzerne machten durch eine rigide Personalpolitik und einen teilweise destruktiven »Sparkurs« von sich reden. Nach dem Kauf der früher städtischen Dresdner Wohnungsbaugesellschaft WOBA hatte die GAGFAH indes einige Probleme. Die Stadt wollte den rüden Geschäftspraktiken (Aushebelung der beim Verkauf vereinbarten »Sozialcharta«) offenbar nicht länger zusehen und verklagte den Konzern 2011. Im März 2012 einigten sich die Kontrahenten auf einen Vergleich.