Griechenland: Eine Alternative ist möglich

Zum Programm von SYRIZA und zur Debatte um den Schuldenschnitt

Nochmals zur Erinnerung: Wohin sind die Hilfskredite geflossen und wer wurde eigentlich gerettet?

Die Schuldenquote Griechenlands (Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft, also zum Bruttoinlandsprodukt) ist trotz der Kürzungspolitik stark angestiegen, von etwa 120 Prozent im Jahr 2010 auf über 170 Prozent heute. In absoluten Zahlen belaufen sich die griechischen Staatsschulden auf etwa 320 Milliarden Euro, daran hat sich während der letzten fünf Jahre wenig geändert. Bis auf eines: Die Gläubiger - diejenigen, bei denen Griechenland verschuldet ist - sind heute andere. Im Jahr 2010 hielten Banken und der gesamte private Finanzsektor noch nahezu alle Forderungen an Griechenland, im Jahr 2015 sind es nur noch 11 Prozent. Zum Beispiel hatten deutsche Banken 2010 griechische Staatsanleihen noch in Höhe von 23 Milliarden, heute sind es nur rund 4,6 Milliarden. Das heißt, Griechenland hat sich über die "Rettungsschirme" EFSF und ESM verschuldet, um letztlich die Forderungen der Banken zu bedienen.

Eine Auflage der Hilfskredite der Troika (IWF, EU-Kommission, EZB) von insgesamt 240 Milliarden Euro war nämlich, dass Griechenland mit dem Geld zuallererst die alten Schulden zurückzahlen soll (Bankenrettung). Diese Gelder gingen also nicht etwa an den Staat oder an die Bevölkerung, um tatsächlich den "Griechen zu helfen", sondern sie flossen zu über 90 Prozent in den Finanzsektor - an internationale private Gläubiger wie Banken, Hedgefonds , Versicherungen und an griechische Banken. Oder sie wurden für exorbitante Zinszahlungen ausgegeben: Denn die Zinsen stiegen für Griechenland mit über 10 Prozent in absurde Höhen. Können sich private Banken bei der EZB seit Jahren Geld für 0,5 Prozent (aktuell sogar noch weniger) leihen, sind Gemeinwesen der Willkür der Finanzmärkte ausgesetzt. Ein Teil der griechischen Schulden geht auch auf diesen illegitimen Zinswucher zurück. DIE LINKE fordert seit Jahren, öffentliche Haushalte von dem Diktat und der Spekulation der Finanzmärkte zu befreien. Die Euro-Staaten sollten sich auch bei der EZB in einem festgelegten Rahmen günstig finanzieren können.

Was SYRIZA kurzfristig umsetzen will

SYRIZA will im Falle eines Wahlsieges die Kürzungspolitik der Troika beenden und über die Kreditauflagen (Memoranden) und die Schulden Griechenlands neu verhandeln. Ein "Grexit", ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone, kommt für SYRIZA nicht infrage.

(1) Mit einem Sofortprogramm will sich das Linksbündnis zuallererst gegen die "humanitäre Krise" stemmen. Hier geht es um Dinge wie die Strom- und Gesundheitsversorgung, Mietzuschüsse, Bekämpfung der grassierenden Obdachlosigkeit, Lebensmittelgutscheine und die Erhöhung von niedrigsten Renten. Das Programm, das die schlimmste Armut bekämpfen soll, hat ein Volumen von rund zwei Milliarden Euro. Der Mindestlohn soll sofort wieder auf 751 Euro angehoben und die Deregulierung des Arbeitsmarkts zurückgenommen, Gewerkschaften und das System der Flächentarifverträge sollen gestärkt werden.

(2) Um die Wirtschaft anzukurbeln, will SYRIZA ein öffentliches Investitionsprogramm auf den Weg bringen. 40 Jahre Regierung der Konservativen (Nea Demokratia) und/oder der Sozialdemokraten (PASOK) haben das Land heruntergewirtschaftet und zu einem System aus Korruption, Steuerhinterziehung und Vetternwirtschaft verkommen lassen. Ein solches "mittelfristiges" Programm von etwa 12 Milliarden Euro soll die öffentliche Infrastruktur aufbauen, die Produktivität der Unternehmen steigern, Beschäftigung schaffen (es sollen unmittelbar 300.000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose entstehen) und die inländische Nachfrage erhöhen.

(3) Neben höheren Steuern für Superreiche in Griechenland, die bislang von den Troika-Auflagen verschont wurden, sollen die Wahlkampfforderungen über Reformen bei der Steuerverwaltung und Steuerfahndung finanziert werden. "Unser Ziel ist es", so Alexis Tsipras, "mit durchschlagenden Reformen des Staates und des öffentlichen Sektors nicht ins Jahr 2009 zurückzukehren, sondern alles zu verändern, was dieses Land an den Rand einer wirtschaftlichen und moralischen Pleite geführt hat." Dazu gehört neben dem Stopp der externen Auflagen der Troika auch innenpolitisch eine Umgestaltung der griechischen Institutionen und des Staatswesen. Dass zum Beispiel nach Wahlen Führungspositionen in den Finanzämtern ausgetauscht werden, soll der Vergangenheit angehören. SYRIZA würde auch für einen politisch-kulturellen Wandel stehen.

Debatte um den Schuldenschnitt

Zwar lässt sich die Reformagenda von SYRIZA nicht auf die Forderung nach einem Schuldenschnitt reduzieren, jedoch ist ein Erlass zumindest eines Teils der Schulden für das Linksbündnis unausweichlich, um unter dem Schuldenberg nicht zu ersticken. Derzeit wird ein Schnitt von 40 bis 50 Prozent diskutiert, damit läge Griechenlands Schuldenquote anschließend etwa im Durchschnitt der Euro-Länder. Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung empfahl Anfang Januar, Griechenland die Hälfte seiner Schulden zu erlassen. Das mag aber beim DIW eher damit zusammenhängen, dass heute bei einem Schuldenschnitt kaum noch Banken und private Gläubiger betroffen wären, sondern in erster Linie öffentliche Haushalte.

Um die Verpflichtungen Griechenlands will SYRIZA im Rahmen einer europäischen Schuldenkonferenz mit den Gläubigern verhandeln. Vertreter von SYRIZA erinnern dabei an die Londoner Schuldenkonferenz von 1953 als Deutschland mit Zustimmung Griechenlands rund zwei Drittel der Schulden erlassen wurden. Tsipras stellt immer wieder klar, dass der Schuldenberg nicht nur ein griechisches, sondern vielmehr ein europäisches Problem sei. Seine Partei fordert deshalb zumindest als Erstes ein Moratorium (Aufschub) für die Rückzahlungen und eine Wachstumsklausel, die die Tilgung der Schulden an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes koppelt. Ohne wirtschaftliche Erholung - ohne ein Ende der desaströsen Kürzungs- und Verarmungspolitik - keinen Schuldendienst.

Das Geld ist da. Europas Millionäre endlich zur Kasse

Es ist davon auszugehen, dass auch eine Linksregierung in Griechenland daran scheitert und sich kaputtspart, nur um einen riesigen Schuldenberg immer weiter zu bedienen. Zum Beispiel muss Griechenland dieses Jahr etwa 22 Milliarden "umschulden". Das heißt, die Rückzahlung alter Schulden wird fällig, dafür brauchen sie aber neues Geld. Das wird dann in den nächsten Jahren immer so weitergehen - ein Teufelskreis. Deshalb fordert SYRIZA einen Schuldenschnitt, der in Kombination mit einem Ende der Kürzungspolitik und einem Aufbauprogramm die Grundlage bildet, die verbleibenden Schulden schrittweise tilgen zu können. Aus Sicht der LINKEN soll auf einer internationalen Schuldenkonferenz mit einem Schuldenschnitt für Griechenland gleichzeitig eine einmalige Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro in allen Euro-Staaten verabredet werden. So könnte endlich erreicht werden, dass nicht Steuerzahler und öffentliche Haushalte die Hauptlast der Krise tragen, sondern Vermögende, deren Konten sich während der Krise eher weiter gefüllt haben, angemessen beteiligt werden. Schließlich übertrifft das Vermögen nur der europäischen Millionäre mit etwa 14 Billionen Euro die gesamte Staatsverschuldung aller EU-Staaten, die bei 11 Billionen Euro liegt.

DIE LINKE argumentiert in ihrem Wahlprogramm zur Europawahl 2014 zum Thema Schuldenschnitt:

"Wir zahlen nicht für eure Krise" war eine Parole der europaweiten Protestbewegung gegen die Kürzungspolitik. DIE LINKE hat sich zu Beginn der Krise dafür eingesetzt, dass Verursacher und Profiteure der Krise mit einem Schuldenschnitt zur Kasse gebeten werden. Die Politik der "Bankenrettung" hat die privaten Gläubiger durch öffentliche Mittel abgesichert. Ein Schuldenschnitt könnte jetzt auf Kosten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gehen. Die Legitimität von Schulden von Staaten bei privaten Banken muss überprüft und Gegenstand eines demokratischen Prozesses werden. Deshalb fordern wir ein Schuldenaudit (Überprüfung der Legitimität des Schuldenbestands) und einen substanziellen Schuldenschnitt für illegitime Schulden, um Banken und andere private Gläubiger an der Finanzierung zu beteiligen.

Die öffentlichen Haushalte sollen von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden, indem die Staaten sich auch bei der EZB in einem festgelegten Rahmen günstig finanzieren können und nicht mehr allein auf die Finanzmärkte angewiesen sind.

Wir wollen den Schuldenstand bei überschuldeten Staaten sozial verträglich durch eine kombinierte Anwendung von Schuldenschnitt und Millionärsabgabe auf Vermögen senken." (S.15)

 

Quelle: http://www.die-linke.de/nc/die-linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/griechenland-eine-alternative-ist-moeglich/

Gegen jede Kriegsbeteiligung

Wenn Journalisten und Politiker in Bataillonsstärke zur aktiven Teilnahme an Militäreinsätzen verpflichtet wären, hätte der Spuk ein schnelles Ende. Rede auf der XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz am 10. Januar 2015

Von Oskar Lafontaine
»Die ganze Außenpolitik ist ein Lügengebäude, und wir haben die
»Die ganze Außenpolitik ist ein Lügengebäude, und wir haben die Aufgabe, diese Lügen zu durchbrechen, wenn wir wirklich zu einer friedlichen Außenpolitik kommen wollen« Lafontaine auf der Konferenz in der Berliner Urania am 10.1.2015

Ich habe heute morgen France Inter gehört und habe dort die Diskussion hinsichtlich der Ereignisse in Frankreich, der terroristischen Anschläge und der Ermordeten, verfolgt. Und dann war jemand dort, der über das Täterprofil dieser Leute gesprochen hat. Es stellte sich erwartungsgemäß so dar: jung, männlich, muslimischen Glaubens, sozial entweder ausgegrenzt oder in einer Tarn-Berufsgruppe und so weiter und so weiter. Ich habe mir das dann gar nicht länger angehört, denn mir ist es durch den Kopf gegangen, dass wir Terroristen in aller Welt haben, und dass das Täterprofil der Terroristen in aller Welt das gleiche ist – mangelnde Liebe zum Menschen und mangelnde Liebe zum Leben. Und wenn wir die Debatte nicht so führen, dass wir die Frage stellen, wo haben wir denn überall Terrorismus, und wenn wir die Debatte nicht so führen, dass wir uns die Frage stellen, ob nicht auch bei uns im angeblich guten Westen Verantwortung für terroristische Anschläge besteht, wenn wir uns nicht die Frage stellen, was ist Terrorismus überhaupt, dann werden wir keine vernünftige Debatte führen können und auch keine Ergebnisse haben können.

Ausgrenzung und Ohnmacht

Ich habe jahrelang im Deutschen Bundestag die Kanzlerin immer wieder gefragt, was denn Terrorismus sei. »Sie wollen Terrorismus bekämpfen«, war meine Aussage, »also bitte sagen Sie uns, was Terrorismus ist, denn sonst kann man ihn ja nicht bekämpfen.« Es kam nie eine Antwort, und das hat Gründe. Irgendein Beamter hat dann ein sogenanntes Antiterrorgesetz geschrieben, demzufolge – hört genau zu – Terrorismus die rechtswidrige Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange ist. Gott sei dank wird gelacht. Ich habe das im Bundestag vorgetragen und gesagt: »Wissen Sie, was Sie gerade beschlossen haben? Sie haben gerade beschlossen«, das war damals noch nicht so lange nach dem Irak-Krieg, »dass Bush, Blair und alle anderen, die den Irak-Krieg unterstützt haben, Terroristen sind.« Ich will es nur an diesem Beispiel deutlich machen: Wenn wir nicht lernen, dass das zumindest in der arabischen Welt so gesehen wird, dass etwa Bush ein großer Terrorist ist, weil Hunderttausende ermordet worden sind aufgrund seiner Fehlentscheidung, dann werden wir im Westen niemals eine Diskussion darüber führen können, wie der Terrorismus in dieser Welt zu bekämpfen ist, niemals.

Und ich habe mir immer die Frage gestellt und versucht, diese in Diskussionen auch im Bundestag einzubringen: »Wie nehmt ihr eigentlich die Welt wahr? Was glaubt ihr eigentlich, was bei jungen Leuten, was in den Herzen von jungen Leuten vorgeht, die dann sehen, dass ihre ganze Familie ausgelöscht wird, weil sich eine Drohne in eine Hochzeitsgesellschaft verirrt hat, wo dann viele unschuldige Menschen ums Leben kommen? Da geht ihr zur Tagesordnung über, aber wenn jetzt hier ein terroristischer Anschlag geschieht, dann ist die Empörung groß.« So kann man nicht herangehen. Eine Voraussetzung muss sein, dass wir die Doppelmoral endlich aufgeben, die Grundlage der großen Irrtümer in der Welt ist.

Ausgrenzung und Ohnmacht, das waren zwei Wörter, die ich in vielen Kommentaren gelesen habe. Im Zentrum der Überlegungen stand, dass Ausgrenzung und Ohnmacht Reaktionen provozieren; das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen weltweit, das lässt sich nicht unbedingt lokalisieren. Und überall dort, wo Ausgrenzung und Ohnmacht festgestellt werden, muss man mit Gewalt rechnen. Das gilt auch für unsere Gesellschaft. Es gibt viele Menschen, die fühlen sich ausgegrenzt, es gibt viele Menschen, die fühlen sich ohnmächtig – in allen Ländern dieser Welt, in allen Systemen dieser Welt, und irgendwann glauben diese Menschen, sie können sich nur mit Gewalt zu Wehr setzen. Und daraus ist doch nur eine Lehre zu ziehen: Wir müssen Gesellschaftsordnungen aufbauen, die Menschen nicht ausgrenzen und sie nicht das Gefühl von Ohnmacht und Ratlosigkeit fühlen und empfinden lassen. Wenn man über Terrorismus spricht, muss man sagen, was man unter Terrorismus versteht. Wenn man beispielsweise Mord verurteilt, dann muss man Mord verurteilen, wo immer er begangen wird und von wem er auch begangen wird. Und daran fehlt es im großen Umfang in der westlichen Gesellschaft.

Diese Ereignisse müssen doch eine Diskussion über die Außenpolitik provozieren und lassen nur eine einzige Schlussfolgerung zu. Die Interventionskriege, diese terroristischen Kriege, sind die Grundlage für die Ausbreitung des weltweiten Terrors. Man kann sicherlich über dieses und jenes reden, über eines jedoch nicht: Wenn es denn einmal dazu kommen sollte – ich muss den Fall ja sehr hypothetisch hier diskutieren –, dass die Linke eingeladen wird, sich an einer Bundesregierung zu beteiligen, dann muss eines klar sein: Eine solche Regierung darf sich niemals an Interventionskriegen beteiligen, niemals, das muss die Grundbedingung sein.

Was denken sich diejenigen eigentlich, die solche Kriege beschließen? Was empfinden sie? Wie kommen sie überhaupt dazu, andere zu beauftragen, Krieg zu führen? Macht man sich überhaupt eine Vorstellung davon, was das heißt? Und da muss man doch heute zu der Antwort kommen: Diejenigen, die den Auftrag geben, können sich gar nicht mehr vorstellen, welche Aufträge sie eigentlich vergeben. Und dass sie noch weniger Phantasie haben, darüber nachzudenken, was das eigentlich heißt. Man kann hier auf den alten Kant verweisen. Ich tue das gerne, eben weil ich ja Leute erreichen will, die nicht schon so denken, wie wir denken. Sie sollen mal darüber nachdenken, warum der alte Kant in seiner Schrift zum ewigen Frieden einen richtigen Gedanken geäußert hatte. Sinngemäß sagte er: »Wenn diejenigen, die zu beschließen haben, auch die Drangsale des Krieges zu erleiden hätten, dann würden sie diese Beschlüsse nicht fassen«. Und wenn ich zornig bin, dann sage ich: Wir bräuchten nur ein Bataillon von Interventionskriege befürwortenden Journalisten und ein Bataillon von kriegsbefürwortenden Politikern, die sofort eingesetzt werden können, wenn solche Kriege geführt werden, dann wäre der ganze Spuk zu Ende. Wir hätten das dann alles nicht.

Kein Vermögen ohne Verbrechen

So, nun will ich zum Thema dieser Konferenz kommen – »Frieden statt NATO«. Daraus ergibt sich die Frage: Wofür stehen wir, welche Überzeugung haben wir, wie kann man dazu beitragen, dass Frieden überhaupt entsteht? Nach meiner tiefen Überzeugung – ich darf wohl sagen: nach unserer tiefen Überzeugung – kann der Frieden auf der Welt nur dann erreicht werden, wenn eine Gesellschaftsordnung aufgebaut wird, die wirklich demokratisch ist. Das heißt eine Gesellschaftsordnung, in der sich die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen, weil wir davon ausgehen können, dass die Mehrheit der Bevölkerung, das sehen wir im Afghanistan-Krieg, das sehen wir überall, keine Kriege beschließen würde, weil sie ihre Kinder, weil sie ihre Männer, weil sie ihre Frauen nicht in Kriege schicken würde. Und deshalb brauchen wir demokratische Gesellschaften, die wir derzeit nirgendwo auf der Welt haben.

Und demokratische Gesellschaften sind nun untrennbar verbunden mit einer Wirtschaftsordnung, in der der Mensch eben im Mittelpunkt steht. In der die Ausbeutung des Menschen beendet wird. In der das gemeinsam erarbeitete Vermögen auch denen zukommt, die es erarbeitet haben. Wir leben in einer Gesellschaftsordnung, in der eine Minderheit reich wird, weil sie die große Mehrheit für sich arbeiten lässt. Wir wollen aber eine Gesellschaftsordnung, in der das Vermögen denen bleibt, die es erarbeitet haben – und das ist die große Mehrheit der Bevölkerung. Denn auch das ist ja kein neuer Gedanke: Immer dann, wenn durch diese Art von Einkommens- und Vermögensverteilung sich Vermögen ballt – dann ist keine Demokratie möglich. Großes Vermögen verträgt sich nicht mit Demokratie, weil es niemals demokratisch zustande gekommen ist.

Wie wenig das gelernt wurde – bis zum heutigen Tag –, sieht man ja daran, dass Herr Chodorkowski in den westlichen Gesellschaften als großer Freiheitskämpfer empfangen wird. Da fasst man sich nur noch an den Kopf. Man muss kein Marxist sein, man muss nur Balzac gelesen haben, um zu wissen, dass hinter jedem großen Vermögen ein großes Verbrechen steht. Wir sollten endlich aufhören, Verbrecher zu bejubeln und sie zu empfangen.

Wenn SPD und Grüne doch nur begreifen würden, was da in der Ukraine geschehen ist. Als hätte das irgend etwas mit Demokratie zu tun, dass man ein Oligarchensystem durch ein anderes abgelöst hat – und das noch in Form eines Putsches. Wenn wirklich um Demokratie gekämpft würde, dann wären wir ja dabei. Aber wir wollen keine Oligarchenwirtschaft, die nach wie vor das Volk brutal ausbeutet.

Selbrund - Ukraine im Visier

Im Gegensatz zu dem Pfarrer, der zum Bundespräsidenten gewählt wurde und zur Pfarrerstochter, die Kanzlerin ist, hat der Papst in Rom die Bibel gelesen und weiß daher, was darin steht. Da steht nicht, »Du sollst Kriege führen«. Die Kernbotschaft des Bibeltextes lautet vielmehr, »Du sollst den anderen lieben wie dich selbst«. Und das verträgt sich nun mal nicht mit Kriegen und Ausbeutung. Das ist die Kernbotschaft, und deshalb ist es gut, dass dieser Papst sagt, »Wir leben im dritten Weltkrieg, und es gibt Wirtschaftssysteme, die können ohne Krieg nicht sein. Und deshalb werden Waffen produziert und verkauft«. Das ist doch die Wahrheit, die jemand endlich mal ausspricht. Ich begrüße das sehr, dass der Papst diese Botschaft mittlerweile in aller Welt verbreitet.

Wir, die Linke, können aber nicht sagen: »Warten wir, bis eine bessere, eine andere Wirtschaftsordnung da ist.« Damit würden wir uns für den Rest der Zeit aus der Politik verabschieden. Wir müssen schon versuchen, die minimalen Spielräume, die wir haben, zu nutzen. Und ich scheue mich dann auch nicht zu sagen: »Ja, man kann darüber nachdenken, ob eventuell eine Regierungsbeteiligung möglich ist. Aber dann muss man wirklich wissen, was man will. Dann darf man nicht einknicken, und ich habe ja eine Grundbedingung vorhin genannt. Diese Grundbedingung ist aber noch viel umfassender. Eine solche Regierungsbeteiligung ist überhaupt nur vorstellbar, wenn die Außenpolitik eine grundsätzliche Neuorientierung erfährt. Und das heißt: Wir brauchen die Auflösung der NATO, und wir brauchen den Aufbau einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa unter Einschluss Russlands. Etwas anderes ist überhaupt nicht möglich. Und das heißt auch gute Nachbarschaft. Das heißt Entspannung. Das heißt, auf den anderen eingehen. Das heißt, dessen Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Wie verkommen die Diskussion ist, zeigt sich ja schon an dem Wort »Putinversteher«. Man muss im Grunde, wenn man Außenpolitik machen will, versuchen, den anderen zu verstehen. Man muss auch versuchen, Putin zu verstehen, sonst kann man mit ihm keinen Frieden erreichen. Wir müssen zu »Russlandverstehern« werden, wir müssen einander verstehen, sonst schaffen wir keinen Frieden, liebe Freundinnen und Freunde.

NATO auflösen

Der erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, sagte kurz nach Kriegsende: »Die NATO ist geschaffen worden, um die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten.« Und deswegen fragt euch mal, was sich eigentlich heute geändert hat. Es ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar, dass all das, was in den Jahren der Brandtschen Ostpolitik an Entspannung und Verständigung erreicht werden konnte, dass all das verspielt worden ist. Ich sage, wir können aus unserer Geschichte lernen: Deutschland braucht gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland. Das ist in unserem ureigensten Interesse. Damals hieß es, wir können den Frieden nur miteinander erreichen, nicht gegeneinander. Und das gilt heute nach wie vor. Dieses ganze Kriegsgerede, diese ganzen Sanktionen – das ist alles spannungsverschärfend. Wir brauchen eine Politik der Entspannung und der guten Nachbarschaft anstelle der Merkelschen Russlandpolitik.

Und das heißt, eine Regierung, an der wir mitwirken können, müsste in jedem Fall nein sagen zu jeder weiteren NATO-Osterweiterung. Der ständige Versuch, Russland einzukreisen, ist doch eine Ursache der Spannungen. Es war ein Versprechen, dass man die NATO nicht ausdehnen und an die Grenzen Russlands heranschieben würde. Dieses Versprechen ist gebrochen worden. Jeder Konflikt hat eine Vorgeschichte, und mit dem Bruch dieses Versprechens beginnt der Ukrainekonflikt. Man schob die NATO immer weiter nach vorn und sagte schließlich, auch die Ukraine brauchen wir. Die Ukraine müsse in die EU, sie müsse in die NATO. Das ist gegen Russland gerichtet. Das war eine völlig falsche Politik, die abgelöst werden muss durch eine Politik der Verständigung mit Russland, sonst werden wir den Frieden niemals erreichen.

Es geht also nicht nur darum, dass wir keine Osterweiterung in irgendeiner Form mittragen können, es geht auch aktuell darum, dass keine Truppen an der Grenze zu Russland stationiert werden dürfen. Die spinnen doch langsam. Welche Gründe haben wir, Truppen an der Grenze zu Russland zu stationieren? Es werden die alten Märchen des Kalten Krieges erneut aufgetischt, indem man sagt, Russland bedrohe uns.

Man muss sich das mal vorstellen. Die NATO gibt tausend Milliarden für die Rüstung aus. Russland gibt – das sind die Zahlen von 2013 – 88 Milliarden aus. Die sind doch nicht mehr ganz richtig im Kopf, dass sie sagen, »von einem Land, das 88 Milliarden ausgibt, fühlen wir uns, die wir tausend Milliarden ausgeben, bedroht. Wir müssen weiter aufrüsten«. Wie lange glaubt man eigentlich, der Bevölkerung einen solchen Schwachsinn noch auftischen zu können?!

Und deshalb ist in diesem Kontext ein weiterer Punkt anzusprechen: Die Sanktionen müssen sofort gestoppt werden! Es ist doch wirklich nicht allzu schwer zu begreifen, dass dann, wenn ein Land destabilisiert wird, wenn die Wirtschaft eines Landes in immer größere Turbulenzen gerät, wenn dieses Land immer stärker gefährdet wird, dass dann kein Mehr an Sicherheit gewonnen wird, sondern dass dann die Situation immer weiter eskaliert. Und wir müssen wissen, dass heute zur Kriegsführung nicht nur Truppen und technisches Gerät gehören, sondern auch ökonomische Mittel. Man muss wissen, dass der IWF nichts anderes ist als ein verlängerter Arm der US-Politik. Genauso wie die NATO. Und deshalb müssen beide völlig reformiert und völlig anders gestaltet werden. Und das heißt, der IWF muss zu einer demokratischen Organisation umgewandelt werden. Und seine ganze Politik muss sich ändern. Es darf doch nicht sein, dass der IWF eingesetzt wird, um ökonomische Interessen Amerikas durchzusetzen bei gleichzeitiger Destabilisierung der betroffenen Länder. Aber das ist doch das, was vorgeht, liebe Freundinnen und Freunde.

BRD kein souveränes Land

Es geht heute nicht mehr nur um die Eroberung von Territorien, sondern es geht vielmehr um die Eroberung von Märkten. Man muss sich nur anschauen, welche Konzerne in der Ukraine mittlerweile Verträge abgeschlossen haben. Noch immer gilt das alte Verdikt: Außenpolitik ist nichts anderes als der ständige Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte. Das brauchen wir nicht – weder mit kriegerischen Mitteln noch durch sogenannte internationale Finanzinvestitionen. Man kann auch fairen freien Handel treiben, ohne den anderen in die Knie zwingen zu wollen.

Eine große Rolle hat über viele Jahre hinweg die NATO-Infrastruktur gespielt. Die Forderung: »Ausscheiden aus der NATO-Infrastruktur« ist ein Synonym für all das, was ich bisher gesagt habe. Denn sie war bisher das Instrument, um die von mir genannte Politik – die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen unten zu halten – zu verwirklichen. Mit Brzeziński, dem ehemaligen Sicherheitsberater der US-Regierung, gesprochen: Durch dieses Instrument sind die Staaten Westeuropas und Mitteleuropas mehr und mehr Vasallen oder Tributpflichtige.

Und natürlich muss man wissen, was Ziel der US-Außenpolitik bis zum heutigen Tag ist – man kann es bei Leuten wie Brzezeński nachlesen. Ihr Ziel ist die Aufrechterhaltung ihrer Weltmachtstellung. Niemand soll diese gefährden. Von wegen demokratische Weltordnung, an der im Sinne des Westfälischen Friedens alle Staaten gleichberechtigt mitwirken! Nein, sie schreiben wörtlich »Wir wollen die Vormachtstellung Amerikas in aller Welt mit allen Mitteln verteidigen«. Aber natürlich wird da immer wieder auch in der öffentlichen Diskussion hierzulande mit der Erzählung gearbeitet, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, es gehe um den Ausbau der Demokratie, es gehe um Frauenrechte, es gehe um Menschenrechte. Nein, es geht um die erwähnte Machtpolitik. Wirkliche Demokratien dagegen würden die damit verbundenen Opfer, die man der eigenen Bevölkerung zumutet, aber auch den anderen zumuten will, gar nicht mittragen. Und das ist richtig. Hier hat man wiederum Anlass zu sagen, man braucht, um eine friedliche Welt einmal erreichen zu können, den systematischen Aufbau demokratischer Gesellschaften.

Die NATO-Infrastruktur ist eben, wenn man so will, der Stein des Anstoßes, wenn darüber diskutiert wird, was sich hier verändern soll, damit dieses Vasallentum und diese Tributpflicht abgeschafft werden. Bei allen Kriegen wurde diskutiert, ob wir uns beteiligen. Die Bundesrepublik Deutschland war praktisch an jedem Krieg beteiligt, den die Vereinigten Staaten von Amerika geführt haben, weil alle Kriege, die sie geführt haben, auf US-Einrichtungen in Mitteleuropa zurückgegriffen haben. Wir waren niemals unbeteiligt. Und solange das so ist, sind wir kein souveränes Land.

Ich hatte vor kurzen die Ehre, mit einer Politikerin der Grünen, mit Frau Göring-Eckardt, im Fernsehen zu diskutieren. Ich habe ihr die Frage gestellt, wie sie denn zu den Drohnenkriegen stehe, die auch vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus geführt werden. Dieser Frage wich sie permanent aus. Wie wollen wir denn über deutsche Außenpolitik diskutieren, wenn wir diese Frage ausklammern? Wie wollen wir uns denn über Terrorismus empören, wenn wir einfach ausklammern, dass ohne Rechtsgrundlage Tausende Menschen mit Drohnen ermordet werden, auch von deutschem Boden aus? Wie wollen wir das überhaupt moralisch rechtfertigen? Ehe wir mit dem Finger auf andere zeigen, müssen wir bei uns anfangen und müssen aufhören, unser Terrain zur Verfügung zu stellen, damit Drohnenmorde in aller Welt durchgeführt werden.
Wer dazu schweigt, der soll sich in die jetzige Diskussion am besten überhaupt nicht einmischen, weil er erkennbar mit zweierlei Maß misst. Deswegen war ich so dankbar, dass Willy Wimmer kürzlich in der jungen Welt dazu eine Bemerkung gemacht hat. Man müsse sich vorstellen, führte er aus, wie es denen geht, die durch diese Drohnenmorde ihre ganze Familie verlieren, ihre ganze Verwandtschaft. Das ist nichts als blanker Terrorismus. Wir können ihn weltweit nur dann bekämpfen, wenn wir damit beginnen, unseren eigenen Terrorismus zu bekämpfen.
Ein Hinweis zur Abhörtechnik. Dass eine Regierung, die vom Grundgesetz her verpflichtet ist, die Freiheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, dass eine solche Regierung noch nicht mal mehr in der Lage ist, einem Verbündeten zu sagen, »es geht nicht, dass unsere ganze Bevölkerung abgehört und ausspioniert wird« – das ist doch wirklich ein Zeichen dafür, dass Vasallentum und Tributpflicht womöglich noch zu harmlose Vokabeln sind. Wo bleibt denn überhaupt ein Begriff von Freiheit, wenn man den totalen Verlust der Privatheit durch eine verbündete Macht akzeptiert und praktisch nichts dagegen unternimmt?

Die Waffenexportpolitik müssen wir sofort ändern. Ein erster Schritt müsste sein, dass unverzüglich Waffenlieferungen in Spannungsgebiete sofort und unwiderruflich eingestellt werden. Unsere Bundeskanzlerin hat im vergangenen Jahr wörtlich gesagt, ich habe das zweimal gelesen, Saudi-Arabien sei ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus. Dann aber regen sie sich über die Verbrechen des IS auf! Es ist richtig, dass man sich darüber aufregt, aber Enthauptungen, Steinigungen usw. werden doch in Saudi-Arabien ebenfalls durchgeführt, das ist eine reaktionäre autoritäre Diktatur, die auch die eigene Bevölkerung mit Terror überzieht. Und deshalb kann man doch diesen Staat nicht zum wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus erklären. Das ist die Doppelmoral, die dazu führt, dass die Welt immer unfriedlicher wird.

Pervertiertes Gebot

Und bei allem Bemühen, die Bundesrepublik Deutschland immer stärker in diese Politik zu integrieren, wird immer versucht, mit vorgeschobenen humanen Argumenten eine Notwendigkeit dieser Politik zu begründen. Immer wenn irgendwo, das bisher letzte Mal war es beim Konflikt zwischen dem IS und den Kurden, immer wenn irgendwo Verbrechen begangen werden, dann wird irgendwann ein Konflikt herausgegriffen, dann wird gesagt, hier müssen wir uns jetzt militärisch engagieren, das gebietet die Menschlichkeit. Es gibt immer wieder Leute, auch bei den Linken, auch bei den Gewerkschaften, bei den Kirchen usw., die auf dieses Argument hereinfallen. Der evangelische Bischof Wolfgang Huber hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Beitrag verfasst, in dem er schreibt, dass das christliche Gebot »Du sollst nicht töten« auch heiße, »Du sollst nicht töten lassen«. Mit anderen Worten: »Du musst militärisch intervenieren, wenn irgendwo Konflikte bestehen.« Diese Argumentationslogik findet sich immer wieder, und viele fallen darauf hinein. Es gibt ein simples Gegenargument. Wenn ich auf der einen Seite die Wahl habe, bei den ungezählten Konflikten dieser Welt tausend Menschenleben zu retten, ohne jemanden töten zu müssen und auf der anderen Seite die Wahl, in einem Krieg tausend Menschenleben zu retten, aber dabei leider eben auch Hunderte töten muss, dann dürfte doch die Entscheidung nicht allzu schwer fallen, wo ich in erster Linie versuche werde, meine Hilfe zu leisten. Das Schlimme ist jedoch, dass die Humanität dieser Menschen immer nur erwacht, wenn sie zu den Waffen rufen können, aber niemals, wenn sie helfen können, ohne töten zu können. Das macht die Brutalität dieser Diskussion aus. Woran unsere Gesellschaft krankt, lässt sich daran zeigen, dass eine geringere Summe dafür zur Verfügung gestellt wird, Flüchtlinge zu ernähren als für Waffenlieferungen.

Ich fasse zusammen: Winston Churchill, der ein Zyniker war, hat einmal gesagt, im Krieg ist die Wahrheit so kostbar, dass sie stets von einer Leibgarde von Lügen umstellt sein muss. Dieser Zynismus charakterisiert die gesamte Außenpolitik. Es beginnt ja mit den Begriffen. Die werden, mit Ausnahme der jungen Welt, nirgendwo hinterfragt. Da wird beispielsweise vom US-amerikanischen Verteidigungsminister, vom US-amerikanischen Verteidigungsetat und so weiter gesprochen. Als würden sich die Vereinigten Staaten gegen irgend jemand verteidigen, das ist doch eine einzige Lüge! Die ganze Außenpolitik ist ein Lügengebäude, und wir haben die Aufgabe, diese Lügen zu durchbrechen, wenn wir wirklich zu einer friedlichen Außenpolitik kommen wollen, liebe Freundinnen und Freunde.

Ich kann es in einem Satz zusammenfassen: Auch wir haben unsere Geschichte und wir müssen aus dieser Geschichte unsere Lehren ziehen, aus den Weltkriegen, aus dem Faschismus. Und aus dieser Geschichte muss doch ein moralischer Impuls erwachsen, der da heißt, wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Welt friedlicher zu machen, nach allem, was war. Es gab einen Satz nach dem Krieg, und an dem sollten wir uns immer orientieren – ich sage das gegen alle Zweifler, ich werde keine andere Politik mittragen können –, dieser Satz lautet: »Von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen!«

Eine Beilage mit den Hauptreferaten der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2015 erscheint am 28. Januar, Mitte März eine Broschüre, die die Beiträge der gesamten Konferenz sowie vorbereitende Artikel enthält. Link zur Videoaufzeichnung der Lafontaine-Rede: kurzlink.de/lafontaine

Quelle: https://www.jungewelt.de/2015/01-14/023.php

Oskar Lafontaine: Datensammelwut, Überwachung und das Aushebeln von Grundrechten werden Terror nicht verhindern

Oskar Lafontaine: Datensammelwut, Überwachung und das Aushebeln von Grundrechten werden Terror nicht verhindern

Oskar Lafontaine weist Forderungen der Union nach einer Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze und einer Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung zurück. „Die Freiheit zu schützen indem man sie noch weiter einschränkt, ist aberwitzig. Auch eine totale Überwachung jedes Einzelnen wird den Bürgerinnen und Bürgern niemals völlige Sicherheit bringen. Auch das millionenfache Ausspähen der Deutschen durch die amerikanische NSA sowie der Austausch von Fluggastdaten und Bankdaten zwischen den USA und der EU haben die Sicherheit der Menschen nicht erhöht. Wenn wir unsere freie Gesellschaft verteidigen wollen, dürfen wir sie nicht durch Datensammelwut, Überwachungssysteme und das Aushebeln von Grundrechten selbst aufgeben. Extremistischer Terror wird nicht durch schärfere Gesetze in Deutschland beendet werden können. Denn Terroristen studieren bekanntlich vor ihren Taten keine Gesetzestexte. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Todenhöfer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die aggressive Politik der Kriege um Absatzmärkte und Rohstoffe den Terror geradezu heran züchtet. Daher bestünde ein wirksames Terror-Bekämpfungsprogramm in einem Stopp der Kriege um Energievorkommen und ein Ende der Waffenexporte. Insbesondere völkerrechtswidrige Drohnenkriege, bei denen durch reine Datenfehler unschuldige Menschen getötet werden, müssen unverzüglich eingestellt werden. Der von der CDU maßgeblich zu verantwortende Abbau von Polizei- und Sicherheitskräften erschwert die Terrorismus-Bekämpfung zusätzlich."

Quelle: http://www.oskar-lafontaine.de/links-wirkt/details/f/1/t/oskar-lafontaine-datensammelwut-ueberwachung-und-das-aushebeln-von-grundrechten-werden-terror-nich/

"Junge Welt": "Wir brauchen keine fünfte Hartz-IV-Partei"

Oskar Lafontaine bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz

Die Bedrohung des Friedens und eine neue »Sicherheitsarchitektur« für Europa standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion zum Abschluss der XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz.

Eine neue »Sicherheitsarchitektur« für Europa unter Einschluss Russlands hatte der frühere Linkspartei-Vorsitzende Oskar Lafontaine am Samstag in einem Redebeitrag auf der XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin gefordert. Das Motto der Veranstaltung »Frieden statt NATO« stand dann auch im Mittelpunkt der anschließenden Podiumsdiskussion, an der außer Lafontaine der CDU-Politiker Willy Wimmer und der Schauspieler Rolf Becker teilnahmen. Moderiert wurde die Talkrunde von jW-Chefredakteur Arnold Schölzel. Hier einige redaktionell bearbeitete Auszüge.

Arnold Schözel: 2014 hat mehr als in den vergangenen 25 Jahren gezeigt, wie dringend notwendig es ist, dass eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa an die Stelle der NATO tritt. Als Oskar Lafontaine dieses Thema ansprach, fiel mir spontan ein böser Scherz des DDR-Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski ein. Noch bevor die Brandtsche Ostpolitik gegriffen hatte, sagte er, aus seiner Sicht habe es in der deutschen Geschichte nur drei Politiker gegeben, die wirklich begriffen hätten, was das Verhältnis zu Russland für Deutschland bedeutet: Otto von Bismarck, Ernst Thälmann und Walter Ulbricht. Da kann man sicher noch einige hinzufügen – man hofft ja …
Ein Fazit des Jahres 2014 ist für mich die Frage: Warum schafft es das deutsche Großkapital – oder auch nur Teile davon – im Moment nicht einmal, sich zur Position Bismarcks durchzuringen? Es würde mich schon interessieren, wenn darauf eine Antwort käme …

Rolf Becker: Warum verhält sich die herrschende Klasse so, wie sie es zur Zeit macht? Aus ihrer Sicht hat sie gar keine andere Möglichkeit, um ihre Besitzstände wahren zu können. Umgekehrt sollten wir fragen: Was können wir tun, um sie daran zu hindern? Wo können wir ansetzen? Ich habe dazu Vorschläge.
Wir sind 1999 nach Jugoslawien gefahren, mit dem Satz von Franz Kafka im Gepäck: »Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht.« Warum sind wir gefahren? Zum einen, weil dort der Krieg begann – zum ersten Mal ging von deutschem Boden wieder ein Angriffskrieg aus! Der damalige Bundeskanzler, Gerhard Schröder, sagt heute selbst, das sei völkerrechtswidrig gewesen. Er hat gegen alles verstoßen, wogegen man verstoßen konnte. Ein zweiter Grund für unsere Reise war, dass der damalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte nach Schröders Erklärung zum Krieg ohne jede Rücksprache im Namen der Gewerkschaften seine Zustimmung zum Krieg erklärte. Unsere Reise war ein kleines Zeichen der Solidarität.
Zwei Schlussfolgerungen aus dieser Reise: Zum einen fielen damals täglich Bomben auf Jugoslawien. Es war ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung – auch wenn sie nicht das unmittelbare Ziel war. Nach heutigen Erkenntnissen gab es dabei zwischen 2.000 und 4.000 Tote. Die indirekten Todesfälle wurden allerdings nicht gezählt.
Stellen wir uns Hamburg, Berlin oder eine andere deutsche Stadt in ähnlicher Lage vor: Sämtliche Wasserwerke zerdeppert, keine Kraftwerke mehr, keine Kommunikationsverbindungen, keine Verkehrswege. Wie sich das auf die Menschen auswirkt, haben wir konkret in den Familien erlebt, die wir besuchten: Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Frau namens Milena, deren Beinstümpfe angefault waren, weil es kein brauchbares Insulin mehr gab. Da aus Strommangel die Kühlschränke nicht mehr funktionierten, waren die Vorräte unbrauchbar geworden. Es wurden Chemiewerke, die Autofabrik Zastava sowie etwa 400 Hochschulen und Schulen zerbombt, unter dem Vorwand, die serbische Armee könne sich in den Gebäuden verstecken. Die hat kaum Schäden davongetragen – wohl aber die Zivilbevölkerung: Vergiftungen, Strahlenbelastung durch Uranmunition, Erkrankungen von Neugeborenen. Es war ein Krieg, so wie jetzt in Syrien, im Irak, in Afghanistan und so weiter. Die zweite Schlussfolgerung: Dieser Angriff auf Jugoslawien war die Voraussetzung für die folgenden Kriege: Zur Kontrolle des Nahen Ostens und zur weiteren Einkreisung von Russland und China.

Willy Wimmer: Oskar Lafontaine hat darauf aufmerksam gemacht, dass die schwierige Situation des Kalten Krieges durch Verhandlungen überwunden werden konnte. Wir sind doch die obersten Profiteure dieser Entwicklung gewesen – wir würden hier heute nicht sitzen, wenn diese Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis geführt hätten. Wir brauchen gar keine neuen Forderungen aufzustellen, wir müssen nur das, was Brandt und andere damals umgesetzt haben, neu einfordern. Tragisch ist allerdings der Umstand, dass wir unserer eigenen Verfassung nicht mehr trauen, in der steht, dass Deutschland einen wesentlichen Beitrag zum Weltfrieden leisten soll und sich nicht an Angriffskriegen beteiligen darf. Wenn aber ein ehemaliger Kanzler fröhlich sagt: "Ich habe das Völkerrecht gebrochen", dann stelle ich mir die Frage: Auf was legen solche Politiker eigentlich ihren Amtseid ab? Auf Grimms Märchen oder das Grundgesetz? Auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben ein Anrecht darauf, dass es die vornehmste Aufgabe der Staatsspitze ist, die Verfassung zu achten. In diesen Tagen wird im Zusammenhang mit der Ukraine viel über Völkerrecht und die internationale Rechtsordnung nach 1945 gesprochen: Beide sind durch den Angriffskrieg auf Jugoslawien in den Orkus gedrückt worden. Der Krieg wird wieder zum Normalfall. Ich rede auch deshalb so engagiert, weil ich im Auftrag des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl die persönlichen Gespräche mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic geführt habe. Ich weiß, wovon ich rede – mit Kohl hätte es den Jugoslawien-Krieg jedenfalls nicht gegeben!
Die politische Konsequenz aus dem, was wir erlebt haben und was wir heute sehen, hat Oskar Lafontaine schon benannt: Wir müssen eine Sicherheitsstruktur in Europa bekommen, die alle gleichberechtigt an einen Tisch bringt. Auch unseren russischen Nachbarn! Und ich sage das mit allem Nachdruck: Niemand will die USA oder Kanada aus Europa vertreiben – jedenfalls ich nicht.

Arnold Schölzel: Ich hatte im vergangenen Jahr schon den Eindruck, dass es auch Die Linke nicht einmal bis zu Bismarck schafft. Die großen Wirtschaftsverbände verkünden zwar, sie seien an guten Beziehungen zu Russland interessiert, der Primat gehöre aber der Politik. Ich übersetze das so: »Wir unterwerfen uns dem State Department in Washington.« Ich habe nicht erlebt, dass die parlamentarische Linke groß dagegengehalten hätte …

Oskar Lafontaine: Ich will nur zu der Bemerkung hinsichtlich der Verhältnisse im Deutschen Bundestag etwas sagen: Das ist ja die Wahrheit! Auch wenn ich hier Die Linke vertrete – es würde einen völlig falschen Eindruck erwecken, wenn man sagte: Wir haben diese und jene Vorstellung und setzen die jetzt auch durch. Die Partei kann nur dann etwas bewirken, wenn sie sich klar darüber ist, welche Möglichkeiten sie hat und welche nicht. Die Linke ist als Korrekturfaktor der deutschen Politik gegründet worden, vor allem was das Soziale und die Außenpolitik angeht. Solange ich in dieser Partei irgendwie mitwirken kann, werde ich alles daran setzen, dass die bisherige Linie gehalten wird. Ich sage es mal ganz platt: Noch eine Hartz-IV-Partei und noch eine Kriegspartei sind wirklich nicht nötig. Wir haben schon vier davon – wir brauchen nicht nicht noch eine fünfte.

Quelle: http://www.oskar-lafontaine.de/links-wirkt/details/f/1/t/junge-welt-wir-brauchen-keine-fuenfte-hartz-iv-partei/

Bundesregierung löst Notfall bei griechischen Banken aus

Pressemitteilung von Sahra Wagenknecht vom 16.01.2015

„Die Bundesregierung hat mit ihren kolportierten Grexit-Szenarien zwei griechische Banken in die Liquiditätskrise geredet. Offenbar ist Merkel jedes Mittel recht, wenn es das Ziel befördert, dass die unverantwortliche Kürzungspolitik in Griechenland fortgesetzt werden kann", kommentiert Sahra Wagenknecht die Meldung, dass griechische Banken Notfallkredite beantragt haben. Die Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Merkel verteidigt in Griechenland die Politik der Agenda 2010, die Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren Europas, einen Anstieg der Armut und massenhafte Entwürdigung von Betroffenen gebracht hat. Ein Sieg von SYRIZA bei den Wahlen in Griechenland und eine Rücknahme der dortigen Kürzungspolitik wäre auch eine Niederlage für die Agenda-2010-Parteien in Deutschland.

Griechenland – aber auch der Rest der Eurozone – braucht sofort einen Kurswechsel, um eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation zu erreichen. Das geht nur mit mehr Wachstum über höhere öffentliche Investitionen und Ausgaben sowie einer ausreichenden Reduzierung der Schulden. Damit bei einer Schuldenreduzierung der Schaden für die öffentliche Hand minimiert wird, müssen im Fall Griechenlands die restlichen Forderungen der Banken und privaten Gläubiger – unter Wahrung der Pensionsansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – vollständig gestrichen werden. Zusätzlich ist das Aufkommen einer europaweit koordinierten Vermögensabgabe einzusetzen, um die Kosten des Schuldenschnittes für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch in Deutschland zu minimieren."

Quelle: http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/2035.bundesregierung-loest-notfall-bei-griechischen-banken-aus.html