ZITiS: Jetzt kommt die Digital-Stasi und der Überwachungsstaat XXL 

Auch deine Messenger Dienste wie WhatsApp werden mitgelesen 

Obwohl es schon etwa ein dutzend deutsche Geheimdienste gibt, hat die Bundesregierung noch unter Innenminister  Thomas de Maiziere als Ministerium, die für den Staatsschutz und damit für die Staatssicherheit zuständig ist, eine weitere Schnüffelbehörde  ohne gesetzliche Grundlage - allein auf Basis eines undurchsichtigen Minister-Erlasses- geschaffen, die sich ausschliesschlich mit der Bespitzelung der Bürger im Netz beschäftigen soll. Beispielsweise werden so geheime Zugänge zu Deinem PC ausgekundschaftet oder Bundes-Trojaner installiert, die eine Totalüberwachung  24/7 ermöglichen.

Was genau macht oder plant die dem Namen nach eher harmlos und bieder klingende Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich? 

Kunden diese Schnüffelbehörde sind jedenfalls die Geheimdienste, das BKA und auch die Bundespolizei. Sicher sind sie aber auch mehr als nur Auftraggeber. 

Es geht vor allem darum,  Scjhnüffler, Fahnder und  sogenannte Ermittler technisch fit zu machen. Der Job: Forschung und Entwicklung, Marktanalyse im Bereich Spionagesoftware. Das heißt, es geht um Überwachungstechniken für Computer und Smartphones, um das Knacken von verschlüsselten Technologien, das bessere Auswerten von großen Datenmengen, digitale Spurensicherung.

Das Netz soll vom Staat vollständig unter Kontrolle gebracht werden.  

Die neue Behörde soll bis 2022 insgesamt 400 Mitarbeiter haben. Im Jahr 2017 wurden 120 Stellen geschaffen, bislang sind es lediglich 35 Mitarbeiter. 

Behördenchef Wilfried Karl, der zuvor beim BND arbeitete, sieht ZITiS laut eigener Aussage als Start-Up unter den Behörden und sagt im ARD-Interview: "ZITiS selbst ist keine neue Polizei, kein neuer Nachrichtendienst." Man wende nicht selbst an, was man entwickele - "das tun die Behörden, die hierfür die gesetzliche Grundlage haben". Tatsächlich entzwickelt hier aber eine Behörde innerhalb der Behörden, die weitgehend selbständig agiert. 

Manche Zeitgenossen vermuten, dass die Geheimdienste analog zu den NSA Machenschaften der Totalüberwachung schon immer illegal spioniert haben. Diese Spionage soll demnach auf quasi legale Beine gestellt werden, damit Regierungschefs wie Merkel oder Minister im Zweifelsfalle nicht wegen krimineller Aktivitäten vor Gericht landen  gestellt oder gar veeurteilt wertden können. 

Es gebe derzeit 20 Projekte, die erarbeitet würden, erklärt das Bundesinnenministerium. Eines davon sei die Harmonisierung des Datenaustauschs der europäischen Sicherheitsbehörden. 

Die Sorge nicht nur der Grünen-Politiker, sondern auch der Datenschützer ist: dass die Bundesregierung durch die Arbeit von ZITiS selbst zu einer Gefahr für die IT-Sicherheit werden könne. So kritisiert der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz: "Wenn der Staat Sicherheitslücken bewusst offenhält, anstatt sie zu schließen, um in Handys und Computern private und intimste Daten auszuspähen, gefährdet er alle Nutzerinnen und Nutzer."

Auch die Linkspartei ist deutlich in ihrer Kritik, ZITiS gefährde die Datensicherheit und Grundrechte aller Bürger: "Diese Behörde soll den Geheimdiensten dieselben Attacken ermöglichen wie zuletzt gegen das deutsche Regierungsnetz", erklärt die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner.

Selbst SPD ler Lischka beklagt eine fehlende rechtsstaatliche Grundlagen der neuen Schnüffel-Behörde. 

 Die Politik wolle auf der einen Seite sichere Kommunikation der Bürger haben - und auf der anderen Seite mache die Behörde sich auf die Suche nach Schutzlücken und nutze die möglicherweise aus: "Da braucht es klare rechtsstaatliche Vorgaben, wann man solche Schutzlücken schließen muss und wann man sie möglicherweise für einen bestimmten Zeitraum ausnutzen kann."

Dieses Dilemma sieht auch Behördenchef Karl. Die Politik müsse einen Abstimmungsprozess darüber in Gang setzen, wie man mit solchen Lücken umgehen solle. Denn auf die Frage, ob er ausschließen könne, Sicherheitslücken einzukaufen, antwortet er: "Unabhängig davon, ob wir das selbst tun oder externe nutzen, müssen wir die gleiche Qualitätsprüfung durchführen, ob das, was wir einkaufen oder selbst entwickeln, auch vor dem Hintergrund der Gesetze, die für die Polizei und Nachrichtendienste gelten, auch einsetzbar ist. Da machen wir keinen Unterschied."

Selbst die Bundesdatenschutzbeauftragte fragt nach.

Ein Kritikpunkt, auch der SPD, ist  jetzt plötzlich doch sogar imnerhalb der Groko-Regierung die fehlende rechtliche Grundlage der Behörde, die wie gesagt nur per Dekret und nicht mit einem Gesetz ins Leben gerufen wurde.

Daher musste die sonst nicht für laute Kritik bekannte Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff zu Beginn erst einmal öffentlich fordern, in die Arbeit von ZITiS einbezogen zu werden. Sie ist Deutschlands oberste Datenschützerin, zuständig für datenschutzrechtliche Kontrollen.

Auf die Frage, was sie denn nun - ein Jahr nach Gründung der Behörde - für ein Bild habe, lautet die Antwort: Auf Nachfrage habe ihr das Bundesministerium Informationen zur ZITiS zur Verfügung gestellt. "Deren Inhalt kann aufgrund einer Einstufung als Verschlusssache nicht öffentlich kommentiert werden." Solche Aussagen schaffen nicht gerade Vertrauen in die Arbeit der Behörde.

"Dieses Verhalten kann nicht hingenommen werden"

Die Sorge bleibt, auch unbescholtene Bürger könnten ins Visier der Behörde geraten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der ZITiS-Kunde BKA eine Software einsetzt, mit der er auch WhatsApp und andere Messenger-Dienste mitlesen könne.

Daraufhin richtete neben den Grünen auch die FDP-Fraktion eine Anfrage an die Bundesregierung, ob die Berichterstattung zutreffend sei. Ihr innenpolitischer Sprecher Konstantin Kuhle zeigt sich unzufrieden: Die Bundesregierung verweigere dem Parlament zu wesentlichen Fragen des Einsatzes der Quellen-Telekommunikationsüberwachung die Auskunft. "Dieses Verhalten kann nicht hingenommen werden", meint er.

Gleichzeitig soll der "Unrechtsstaat" in Bayern durch ein neues Polizeigesetz ausgeweitet werden.
Bespitzeln ohne konkreten Verdacht

Bayern baut sein Polizeigesetz aus. Ermittler dürfen dann ohne konkreten Verdacht Personen durchsuchen und abhören. Die Opposition kritisiert den „Überwachungswahn“ der CSU.

Wenn der bayerische Landtag Ende April den Plänen der Landesregierung zustimmt, bekommt der Freistaat eines der weitreichendsten Polizeigesetze in der Bundesrepublik. Die bayerische Polizei darf dann unter anderem ohne konkreten Verdacht Personen durchsuchen, Telefonate abhören und Computer und online gespeicherte Daten auslesen und verwerten. Die Landesregierung stößt mit der Gesetzesnovelle auf heftige Kritik, die Opposition spricht sogar von „Überwachungswahn“, schreibt die Frankfurter Rundschau.

„Ich möchte, dass unsere Polizei nicht nur bei der ‚analogen‘ Kriminalitätsbekämpfung auf der Straße bundesweit den besten Job macht, sondern auch im Cyberraum“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu dem Vorstoß.

Aus den gesammelten Handydaten können Bewegungsprofile erstellt und potenzielle Täter überwacht werden. Eine Weitergabe der durch Observation gewonnenen Daten an Nachrichtendienste wäre mit dem neuen Polizeigesetz ebenfalls möglich. Derzeit muss eine konkrete Gefahr bestehen, damit die Polizei präventiv eingreifen kann. Die erweiterten Befugnisse der bayerischen Polizei sind nur möglich, da das Gesetz durch die Kategorie „Drohende Gefahr“ erweitert werden soll.

Zweifel an der Begründung

„Wir begrüßen jede Maßnahme, die der Polizei die Arbeit vereinfacht“, sagte der Vorsitzende der bayerischen Gewerkschaft der Polizei, Peter Schall. Allerdings sieht Schall auch  große Schwächen.

Ob es verfassungsrechtlich möglich ist, Personen aus Gefahrenabwehr-Gründen vorläufig festzunehmen, bezweifelt er. Außerdem muss dazu immer ein zuständiger Richter befragt werden. Dafür seien in Bayern zwölf neue Richterstellen zu besetzen, so Schall. Diese müssten jede tiefergreifende, polizeiliche Handlung auf Gesetzestreue überprüfen. „Der bürokratische Aufwand wird hoch sein“, so der Gewerkschafter. Auch die polizeilichen EDV-Systeme wären betroffen: Sie müssten grundlegend überarbeitet werden.

Herrmann steht für sein neues Gesetz in der Kritik, da es weitreichende Folgen für die Bürgerrechte haben könnte. „Der Überwachungswahn der CSU-Regierung gefährdet zunehmend die verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die massive Ausdehnung der Polizeibefugnisse ins Gefahrenvorfeld geht uns zu weit“, sagt beispielsweise Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen.

Am vergangenen Donnerstag reichte die Grünen-Fraktion Klage gegen das geplante Gesetz ein, da der Begriff „drohende Gefahr“ verfassungswidrig sei. Dass der bayerische Vorstoß beim Polizeigesetz bundesweit Schule machen könnte, bezweifelt Gewerkschafter Schall: „Eine solch massive Gesetzesänderung wird es bei anderen Landesregierungen wohl nicht geben“.