Bundesregierung mauert in Sachen Freihandelsabkommen mit den USA 

Bei den Verhandlungen mit den USA um das nordatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) ist dieser Zustand der Auskunftsverweigerung gegenüber Parlamenmtariern leider Realität. Würden wir nur das lesen, was uns die Bundesregierung zur Verfügung stellt, wir hätten keine Ahnung. Selbst auf konkrete Fragen erhalten wir keine vernünftigen Antworten. Die Regierung verweist in der Regel darauf, dass die EU-Kommission die Verhandlungen führt und diese wiederum ist den nationalen Parlamenten gegenüber nicht auskunftspflichtig. Wenn wir unserer Pflicht als Abgeordnete nachkommen und parlamentarische Kontrolle herstellen wollen, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als unsere Arbeit teilweise auf geleakten Verhandlungsunterlagen aufzubauen. Ungewöhnlich, aber weit effektiver als das, was uns die Bundesregierung anbietet.

 

So ist es auch in der aktuellen, dritten Verhandlungsrunde, die in dieser Woche in Washington stattfindet. Von der Bundesregierung erfahren wir auch auf Nachfrage nicht, worum es geht. Aus bekannt gewordenen GEHEIMDOKUMENTEN wissen wir hingegen zum Beispiel, dass die EU beabsichtigt, einen nordatlantischen "Regulierungsrat" zu installieren. Demnach soll die EU-Kommission mit US-Vertretern künftig vorab über geplante Regulierungsvorhaben beraten – einschließlich gegenseitigem Vetorecht. So sollen Regulierungen verhindert werden, die den Handel beschränken.

Zurecht fürchten Nichtregierungsorganisationen wie Corporate Europe Observatory (CEO) eine riesige Deregulierungswelle und eine Aushöhlung der Demokratie. Die EU-Kommission ist extrem beeinflusst von Lobbyisten. Nicht nur in den aktuellen Verhandlungen mit den USA, sondern auch im Alltagsgeschäft haben Vertreter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden als "Berater" erheblichen Einfluss auf die EU-Politik. Die Einsetzung des "Regulierungsrates" würde den Einfluss dieser Akteure weiter ausbauen – zulasten demokratischer, parlamentarischer Kontroll- und Entscheidungsmöglichkeiten in wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen.


 

Widerstand wächst

Angesichts dieser Entwicklungen ist es erfreulich, dass der Widerstand gegen das geplante Abkommen immer weiter wächst. Offenbar macht die freihandelskritische öffentliche Meinung auch der EU-Kommission sorgen. So legt sie in einem anderen geleakten DOKUMENT den nationalen Regierungen nahe, mehr Positives über TTIP zu berichten und entsprechenden Einfluss auf die Leitmedien zu nehmen. Das bedeutet, wir sind auf einem guten Weg, das Projekt zu kippen. Für Demokratie und soziale Rechte in der EU und den USA wäre das ein sehr wichtiger Schritt!

 

An späterer Stelle steht geschrieben, dass es gerade im derzeitigen frühen Stadium der Verhandlungen das Anliegen sei, die Diskussion um TTIP zu gestalten, indem dessen Ziele positiv kommuniziert werden. Und erneut werden diese Ziele in Klammer nachgeschoben, um Missverständnisse auszuschließen: „ökonomische Gewinne und eine globale Führungsposition in Handelsfragen“. Dies sei gegenüber einer Debatte vorzuziehen, in der man in eine defensive Situation gerate, von der aus man nur reagierend kommunizieren könne. Offenbar hat man dabei aus der Vergangenheit Konsequenzen gezogen: Man wolle nun, steht in dem Dokument geschrieben, „radikal anders“ als bei früheren Freihandels-Initiativen „klare, sachliche und überzeugende Argumente“ benennen. Und gerade wenn TTIP unter massiven öffentlichen Beschuss gerate, wovon auszugehen sei, sollten EU-Kommission und Mitgliedstaaten „mit einer Stimme“ sprechen.

Von demokratischer Diskussion des Für und des Wider findet sich nichts in dem Papier. Transparenz meint hier offenbar (neben dem Veröffentlichen einseitiger Fakten pro TTIP) lediglich, Lobbygruppen einzubinden (dazu findet sich ein entsprechender Hinweis am Ende) – nicht aber, auch negative Fakten offenzulegen.

Und doch wären ausschließlich echte Transparenz und eine breite politische Debatte angemessen. So hat ein breites Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen (unter anderem attac, BUND, weed) Anfang November in einer gemeinsamen Erklärung zu Recht gefordert:

Solche weitreichenden Pläne gehören nicht in Geheimverhandlungen, sondern auf die parlamentarische Bühne und in die öffentliche Debatte – in Europa ebenso wie in Amerika. Wer in Europa Gentech‐Lebensmittel, Wachstumshormone und Chlorhühnchen erlauben will, muss dies in den Parlamenten Europas beantragen und für parlamentarische und öffentliche Mehrheiten werben. Wer in Amerika die Finanzmarktregulierung auf das niedrigere europäische Niveau absenken will, muss es im Kongress beantragen und dort für Mehrheiten werben.

Die politische Realität in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten sieht aber anders aus. Dort betreibt man lieber “starke politische Kommunikation”.

http://linksfraktion.de/im-wortlaut/demokratie-statt-lobbymacht/

http://corporateeurope.org/trade/2013/11/leaked-european-commission-pr-strategy-communicating-ttip