UN findet keine Beweise gegen Assad

Interview mit Jan van Aken ( Die Linke MdB) 

»Ich bin sicher, daß beide Seiten Giftgas haben«

Auch wenn der Westen anderes behauptet: UN-Inspektoren fanden keinen Beweis, daß Assad Sarin einsetzte. Gespräch mit Jan van Aken

Interview: Peter Wolter
unbenannt
 
Jan van Aken ist stellvertretender Vorsitzender der Linkspartei sowie außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag

Die UN haben am Montag das Ergebnis ihrer Chemiewaffenkontrolleure zum Giftgas­einsatz in Syrien vorgelegt. Sind Sie dadurch schlauer geworden? Daß es sich um Sarin handelte, war vorher auch schon bekannt.

Das wurde nur vermutet – jetzt ist es eindeutig nachgewiesen. Das ist wichtig für die strafrechtliche Verfolgung.

Die entscheidende Frage, wer das Gas eingesetzt hat, ist aber immer noch nicht geklärt. Wurde das nicht untersucht?

Die UN-Kontrolleure hatten kein Mandat dafür. Ich behaupte mal, daß weder die USA noch Rußland ein Interesse daran haben. Alle Beteiligten wissen, daß ihre Argumente dünn sind – das trifft nicht nur auf den Bericht des US-Außenministers John Kerry zu, sondern auch auf die Behauptung Rußlands, die Rebellen seien es gewesen.

Beide Seiten haben wohl ein Interesse daran, die Frage lieber ungeklärt zu lassen, um nicht Gefahr zu laufen, das Gesicht zu verlieren. Auch wenn der Westen jetzt nachlegt, der Bericht beweise die Täterschaft von Syriens Präsident Baschar Al-Assad – es stimmt nicht. Ich habe den Bericht im Detail durchgearbeitet und nicht die geringste Bestätigung gefunden.

In dem Bericht heißt es, es seien »improvisierte Sprengköpfe« eingesetzt worden. Was ist das denn?

Im Bericht wird angedeutet, daß es improvisierte sein »könnten«. Gemeint sind wohl Geschosse, denen ein größerer Sprengkopf aufgesetzt wurde, als konstruktionsmäßig vorgesehen ist. Also: Auf eine kleine Rakete wird ein großer Sprengkopf geschraubt. Was das soll, weiß ich nicht – solche Dinger können nicht wirklich gut fliegen. Im Internet kursieren Videos, auf denen solche Raketen zu sehen sind, einige zeigen auch Soldaten der regulären syrischen Armee.

Nicht nur Rußland geht davon aus, daß es die Rebellen waren. Dafür gibt es starke Indizien – z.B. wurden vor wenigen Monaten bei einer Rebellengruppe in der Türkei zwei Kilogramm Sarin gefunden, dazu läuft jetzt auch ein Gerichtsverfahren.

Das beweist gar nichts. Ich bin sicher, daß beide Seiten solche Chemiewaffen haben. Die reguläre Armee sowieso, und es ist auch keine Frage, daß die Rebellen welche haben. Da wurden z.B. verschiedene Waffenlager erobert, es gab auch Überläufer, die das Zeug möglicherweise mitgebracht haben.

Es heißt ja, die Sarinkartuschen seien mit Boden-Boden-Raketen verschossen worden, die aus dem Arsenal der syrischen Armee stammen könnten.

Könnten. Selbst wenn Raketentrümmer mit dem Aufdruck »Eigentum der syrischen Armee« gefunden worden wären, heißt das nicht, daß die sie auch verschossen hat. Solche Raketen könnten durchaus den Rebellen in die Hände gefallen sein.

Die USA und Rußland hatten sich in der vergangenen Woche auf den Kompromiß geeinigt, dem Assad auch zugestimmt hat, daß Syriens Giftgasvorräte unter internationaler Kontrolle vernichtet werden. Haben Sie eine Vorstellung, wie das vor sich gehen soll?

Nicht so ganz. Zunächst muß geklärt werden, welche Art Giftgas wo und in welchen Mengen gelagert wird. Was in Vorratstanks lagert, könnte sehr schnell per Schiff abtransportiert werden. Schwierig wird es, wenn das meiste schon in Munition abgefüllt ist und vielleicht schon 30 Jahre lagert. Im Irak hatten die UN-Inspektoren ein Chemiewaffenlager gefunden, in dem uralte und schon halb verrottete Granaten lagen. Weil es zu gefährlich war, in den Bunker überhaupt hineinzugehen, wurde er kurzerhand zubetoniert. Vielleicht wissen wir Ende der Woche mehr – entsprechend dem amerikanisch-russischen Vierpunkteplan muß Assad bis dahin alle Informationen über seine Chemiewaffenvorräte auf den Tisch legen.

Sie plädieren dafür, daß die Verantwortlichen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten müssen. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Das Gericht kann auf Grundlage des UN-Berichts ein Ermittlungsverfahren einleiten. Unter den Bedingungen des Bürgerkrieges ist es sicher schwierig, die Verantwortlichen schnell zu ermitteln; das macht aber nichts. Irgendwann fangen Leute an zu quatschen oder man findet Dokumente. Letztlich wird man diese Kriegsverbrecher identifizieren.

http://www.jungewelt.de/2013/09-18/037.php