Jürgen Meyer IZ 26.4. 25
Schröter dpa Christian Leye BSW
Im Machtkampf zwischen der Zentrale des BSW also der Bundespartei um Sahra Wagenknecht sowie Christian Leye und dem Landesverband in Thüringen um Katja Wolf und Steffen Schütz haben sich die Kandidaten des Landesverbandes durchgesetzt.
Die Bundespartei hatte eine Trennung von Parteiämtern und Ministerposten in der thüringischen Landespartei angestrebt und die Kandidatur von Anke Wirsing als neue Landespartei-Vorsitzende unterstützt.
Für die Bundespartei wäre das eine Einschränkung der unumschränkten Machtbefugnisse der Parteispitze, während es für den Landesverband eine Beschneidung ihrer unumschränkten Machtbefugnisse und der Verzahnung zur Landesregierung im Lande Thüringen wäre.
Der Machtkampf zwischen Wagenknecht und Katja Wolf hatte sich schon vorher in der Frage der Koalitionsverträge manifestiert, indem anfangs der Landesverband viel zu große inhaltliche Zugeständnisse an CDU und SPD machen wollte, der die Erkennbarkeit und Prinzipienfestigkeit des BSW in der Regierung für Ministerposten und Pfründe untergraben hätte.
In Brandenburg will man den anderen Weg gehen und Parteivorsitz und Ministerposten voneinander trennen. Finanzminister Robert Crumbach BSW erklärt, mit dem Ministerposten ohnehin schon mehr als ausgelastet zu sein. Im September soll es einen neuen Parteivorsitz geben.
Aber in Thüringen ist die Situation ganz anders. Trotz der Aufnahme von Pro-Wagenknecht-Kandidaten nach der Regierungsbildung hat Katja Wolf offensichtlich eine Hausmacht um sich geschaffen, die eine Mehrheit gegenüber der bundespolitischen Zentrale um Sahra Wagenknecht und Christian Leye geschaffen hat.
Diese Entwicklung des BSW gibt es weniger wegen der guten Arbeit des Landesverbandes Thüringen, der bei der Bundestagswahl einen eklatanten Einbruch bei den Wählerstimmen einstecken musste, sondern vielmehr wegen der Fehler beim bundesweiten Parteiaufbau des BSW.
Es war ein Fehler, eine so restriktive Aufnahmepraxis zu betreiben, die einer Partei mit bundesweitem Anspruch in der Fläche einfach nie gerecht wurde und von Angst sowie Bedenken gegenüber der Basis zeugt. Diese kleingeistige und philisterhafte Vorgehensweise sollte gewährleisten, dass nur ausgesuchte Kandidaten den "richtigen" Kurs der Zentrale auch in Zukunft gewährleisten würden.
Aber jetzt haben sich "Rebellen" trotzdem durchgesetzt, die landespolitische und kommunalpolitische Interessen und Ziele wichtiger erachten als bundespolitische, systemkritische und globalistische Ansätze, die Sahra Wagenknecht weit mehr interessieren als rein reformistische Lokalpolitik.
Ich möchte keine Einzelkritik an den Spitzenkandidaten in den 16 Landesverbänden üben. Aber die Auswahl von eher schon in der Linkspartei angepassten und konformen Linken und unbedarften Politikneulingen ( z B Selbständigen ) kombiniert mit einigen Kadern der Linksfraktion im Bundestag - bei Ausgrenzung vieler fundamentaler eher revolutionärer Basis-Linker z B. des Liebknecht-Kreises - scheint eine falsche Mischung für eine glaubwürdig erneuerte Linkspartei gewesen zu sein.
Auch eher pseudo-sozialdemokratische und libertäre Ansätze wurden bei Kandidaten hingenommen und auf ein klares sozialistisches Profil wurde trotz dieser politischen Ausrichtung von Sahra Wagenknecht verzichtet. So wurde die Programmatik verwässert und es setzte sich in der Programmatik bisher viel Beliebigkeit statt klarer linker Ausrichtung durch. Der Vorwurf der Querfrontpolitik mit AfD-Rechtspopulisten wurde laut und hat der Partei geschadet. Das gilt auch landespolitisch, indem nicht mal ein kares Bekenntnis zur Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems in Brandenburg durchgesetzt werden konnte und zwar nicht nur nicht in der Regierung sondern auch im Landesverband selber. Die Frage der Vergesellschaftung und der Eigentumsfrage wurde bisher zu sehr ausgeblendet. Die Migrationsfrage nimmt einen zu großen Raum in der Politik des BSW ein, denn es geht um sozialen Klassenkampf und nicht um Rassenkampf.
Manche Abstimmungen wie z B im Bundestag die gemeinsame Abstimmung mit der AfD in der Migrationsfrage waren Entscheidungen - wie die Regierungsbildung in Thüringen - die dem BSW sehr viele Wählerstimmen gekostet und der Linkspartei zum Comeback verholfen haben. Das BSW scheiterte dann sogar an der 5-Prozent-Hürde bei den Bundestagswahlen. Allein in Thüringen hatte man 66 000 Wählerstimmerm verloren.
Aber jetzt muss sich die Zentrale mit dem Landesverband-Vorstand in Thüringen weiterhin arrangieren.
Offensichtlich hat man also aus Sicht der Bundespartei im Landesverband Thüringen dennoch die falschen Kandidaten und Mitglieder ausgesucht, die sich jetzt teilweise verselbständigen und mehr Basisdemokratie und mehr Befugnisse der Landesverbände fordern, wie ein Aufruf von Wolf und Schütze vor der Wahl deutlich machte. Auseinandersetzungen gab es ja auch in anderen Landesverbänden. Allein deshalb ist die Auswahl der Kandidaten hier und da offen gründlich missraten.
Wagenknecht hatte vorm Parteitag in einem Brief an die Mitglieder eine „Neuaufstellung des Landesvorstandes“ verlangt und damit Front gegen Wolf gemacht, mit der sie seit der BSW-Regierungsbeteiligung in einer Koalition mit CDU und SPD im Clinch liegt. Wolfs pragmatischer Regierungskurs stößt Wagenknecht und ihren Gefolgsleuten auf Kritik.
Auf dem BSW-Parteitag in Gera konnte sich Katja Wolf jetzt durchsetzen.
Bei der Abstimmung in Gera erhielt die 49-Jährige 61 Stimmen. Die bisher in der Landespolitik kaum in Erscheinung getretene Wirsing bekam 35 Stimmen.
Man habe zudem einen „Zielkonflikt mit der Regierungsbeteiligung“ und müsse „Vertrauen zurückgewinnen“. „Das Ergebnis der Bundestagswahl war Mist“, wetterte Leye und kündigte an, die zahlreichen Unterstützer zeitnah in die Partei aufzunehmen. „Das BSW wird in diesem Jahr eine andere Partei werden“.
Ein erstes „Opfer“ des Machtkampfes hatte es schon vor Beginn des Parteitages gegeben. BSW-Thüringen Co-Chef Steffen Schütz (58), zugleich Infrastrukturminister, tritt nicht wieder als Landeschef an. In seiner Abschiedsrede ging er vor allem die Bundesspitze an, beklagte den „sich verengenden Meinungskorridor“ in der Partei.
Die Entscheidung über die BSW-Spitze war auch von den Koalitionspartnern mit Interesse verfolgt worden. Eine Wahl von Wirsing, die sich als Wagenknecht-Anhängerin bezeichnet, hätte möglicherweise Einfluss auf die fragile Regierungskoalition gehabt. Sie verfügt im Landtag mit 44 von 88 Stimmen über keine eigene Mehrheit.