Jürgen Meyer IZ 14.4. 25

Kommentar zum BSW Thüringen: Wagenknechts  Störfeuer aus Berlin

Anke Wirsing BSW MdL, Sahra Wagenknecht Inthueringen.de Foto: /Sascha Fromm 

Bei den Landtagswahlen war in der Welt des BSW Thüringen noch alles in Ordnung.

Ein überwältigender Wahlerfolg bescherte dem BSW den Einzug in den Landtag.

Doch mit der Koalition des BSW mit der CDU begann der Absturz der Partei, weil sie als Mehrheitsbeschaffer der abgewirtschafteten CDU und als AfD-Verhinderer wahrgenommen wurde und trotz eines guten Wahlprogramms und letztendlich durchgesetzten Friedensforderungen in der Präambel des Koalitionsvertrages als letzte Stütze für abgewirtschaftete und ungeliebte Altparteien wie der CDU  wahrgenommen wurde.

Das BSW hat ja immer Koalitionen und Tolerierungen an die Bedingung geknüpft, dass die anderen Parteien deren Ziele und Positionen übernehmen, vor allem auch in der Außenpolitik sowie Bundes- und Europapolitik, die man über den Bundesrat und öffentliche Stellungnahmen beeinflussen will. 

Und selbstverständlich hat das BSW auch geliefert. Sowohl die Koalitionsverträge in Brandenburg und Thüringen als auch die praktische Politik in den beiden Ländern tragen eindeutig die Handschrift des BSW. Und in Sachsen, weil gar nichts ging, brach man bereits die Sondierungen ab.

Trotzdem hat es dem BSW geschadet, dass man als linke Partei ausgerechnet mit der CDU in Thüringen koaliert. Trotz der Beeinflussungen und Manipulationen bei der Wahl hat das dem BSW in Thüringen 66.000 Stimmen gekostet.

Am heftigsten war der Rückgang in Eisenach. Bei der Landtagswahl bekam Katja fast das Direktmandat. Das BSW lag bei über 28,3 Prozent bei den Erst- und Zweitstimmen. Bei der Bundestagswahl stürzte das BSW dort auf unter 9,4 Prozent ab. Also lastet man Katja die Koalition an. Da interessieren der Koalitionsvertrag und die praktische Politik niemanden. Das BSW wird als Mehrheitsbeschaffer für die CDU wahrgenommen.     

Deshalb hält Sahra Wagenknecht einen personellen Neuanfang ohne die BSW-Minister Katja Wolf und Steffen Schütze in der Parteiführung wohl für angebracht.

Sahra Wagenknecht gegen Katja Wolf – so lautete das Duell im BSW im vergangenen Jahr. Es ging um die Frage, ob die junge Partei in Thüringen in eine Koalition mit CDU und SPD eintreten und dafür Kompromisse schließen solle, die bis zur Unkenntlichkeit des BSW geführt hätten.

Nach heftigen Anfeindungen Wagenknechts und ihrer Getreuen gegen Wolf kam die Brombeer-Koalition in Erfurt am Ende doch zustande, so wie es Wolf und die Mehrheit des Thüringer BSW wollten. Die-Anti-Establishment-Fraktion im Landtag als Minderheitsgruppe mit Wirsing war damit gar nicht glücklich.

Nun geht der Machtkampf zwischen Wagenknecht und Wolf, die mittlerweile Finanzministerin in Erfurt ist, weiter.

Denn die BSW-Chefin Wagenknecht plant, die Führung des Thüringer BSW mit Mitgliedern der Anti-Establishment-Fraktion zu besetzen.

Zwei Wochen vor dem Parteitag des Thüringer BSW hat die Landtagsabgeordnete Anke Wirsing deshalb eine Gegenkandidatur zu Katja Wolf angekündigt. Wirsing war wie Wolf früher in der Linken aktiv und saß für sie im Landtag.

In der BSW-Fraktion ist die Politikerin aus Bad Salzungen bisher aber kaum aufgefallen.

Als stellvertretender Landesvorsitzender will sich der Landtagsabgeordnete Sven Küntzel bewerben. Er gehört neben Wirsing zu den wenigen der 15 Abgeordneten in der BSW-Fraktion, die sich klar zu Wagenknechts Anti-Establishment-Kurs bekennen.

Im Machtkampf zwischen Wagenknecht und Wolf hatte sich Wirsing allerdings klar auf der Seite der Parteigründerin positioniert.

Putschgerüchte gegen Sahra Wagenknecht machten die Runde. Selbst der laut Satzung mögliche Parteiausschluß der Hauptverhandler des BSW stand im Raume.  Es entstand der Eindruck, dass es einigen ausgewählten Kadern  nur um Posten und Mandate sowie üppige Diäten gegangen war.

„Ich werde nicht gegen den Bundesvorstand agieren“, schrieb Wirsing im November auf der Plattform X. Sie habe nicht die Linke zusammen mit Wagenknecht verlassen, um nach wenigen Monaten den Gründungskonsens des BSW aufzukündigen. Sie kandidiere, um neue Wege zu gehen und „den Schulterschluss mit dem Bundesvorstand“ zu intensivieren, teilte Wirsing am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur mit.

Wolf und der Thüringer Ko-Vorsitzende Steffen Schütz, mittlerweile Digitalminister in Erfurt, hatten in der vergangenen Woche einen Leitantrag für den Parteitag vorgelegt und mitgeteilt, dass sie weiter „Führungsverantwortung“ übernehmen wollten.

Aber die Parteiführung im Bund sieht das offensichtlich anders. Christian Leye BSW unterstützt die Kandidatur der neuen Gegen-Kandidaten. Die Bundesführung scheint sich gegen die Ministerriege festgelegt zu haben.

Wolf ließ dann aber am Montag noch offen, ob sie wieder für den Landesvorsitz kandidieren werde. Sie sagte der F.A.Z.: „Die Frage meiner Kandidatur werde ich zuvor mit den Thüringer Parteimitgliedern klären, und zwar auf der Basis unseres Leitantrags.“

In dem Leitantrag hatten Wolf und Schütz gefordert, dem BSW herkömmliche Parteistrukturen zu geben und somit die Zentralisierung durch die Bundesspitze abzuschaffen. Dazu gehörten „verbindlich gewählte Gremien vor Ort“ und „die Aufnahme von Mitgliedern durch Strukturen vor Ort“. Die Mitgliederaufnahme werde zudem „schneller vorankommen müssen“.

Der Konflikt schwelt schon lange

Bisher werden Mitglieder des BSW angeblich nur von der Bundesspitze in die Partei aufgenommen. Andere Beobachter meinen,  dass auch die Landesverbände mitsprechen und einige Landesverbände bereits eigenmächtig Mitglieder - wenn auch sehr selektiv und berechnend - aufnehmen. 

Wolf und Schütz fordern seit langem, dass die Landesverbände selbst darüber entscheiden müssten. Doch darauf hat sich die Bundesspitze bisher nicht grundsätzlich eingelassen. In Thüringen gibt es nach Angaben des BSW knapp tausend Unterstützer, die in die Partei eintreten möchten. Im Landesverband gibt es aber bislang nur 127 Mitglieder. Und für eine Regierungspartei ist das eine beschämend niedrige Mitgliederzahl - zumal oft nicht die besten, sondern die formbaren und unbedarften Kandidaten bevorzugt aufgenommen werden. Es geht auch um Machtabsicherung der Kader, die schon Posten haben  - solange die Bundespartei mitmacht. In Thüringen scheint das aber nicht mehr der Fall zu sein.

Im vergangenen Jahr, als der Konflikt zwischen Wagenknecht und Wolf zu eskalieren drohte, waren von der BSW-Spitze 25 Mitglieder aus Thüringen in die Partei aufgenommen worden, ohne dass Wolf und Schütz davon wussten.

Die Neumitglieder waren zuvor zum Teil ausführlich dazu befragt worden, ob sie auf Wagenknechts Seite stehen würden.

Das Verfahren  hat natürlich  leicht feudalen Charakter und es bleibt zu hoffen, dass sich dieser unterirdische Zustand bald ändert. Viele Unterstützer sind bundesweit aus Frust bereits abgesprungen.

Später waren dann, im Sinne einer Kompensation, weitere 21 Mitglieder auf Vorschlag der fünf Thüringer BSW-Regionalbeauftragten aufgenommen worden. Eine dieser Regionalbeauftragten ist Anke Wirsing.

Wolf und Schütz können sich also nicht sicher sein, ob die Mehrheit der BSW-Mitglieder hinter ihnen stehen wird. Im Gegenteil. Es wird wohl zur Revolte kommen.

Sollten sich Wirsing und ihr Mitstreiter Matthias Bickel bei der Wahl der Landesvorsitzenden durchsetzen, hätte Wagenknecht ihre Gefolgsleute im Koalitionsausschuss der Brombeer-Koalition platziert, was den „Thüringer Weg“ Wolfs in Frage stellen würde, gesellschaftliche Veränderungen auch in einer CDU-geführten Regierung durchzusetzen.

Neben Wirsing will der Kinderpsychologe Matthias Bickel für den Parteivorsitz kandidieren, der wie Wirsing aus Bad Salzungen kommt. Als stellvertretender Landesvorsitzender will sich der Landtagsabgeordnete Sven Küntzel bewerben.

Er gehört neben Wirsing zu den wenigen der 15 Abgeordneten in der BSW-Fraktion, die sich klar zu Wagenknechts Anti-Establishment-Kurs bekennen.

Für das Amt des Geschäftsführers hat zudem Robert Henning seine Kandidatur angekündigt.

Er war für das BSW im vergangenen Jahr zum Bürgermeister des kleinen Orts Bleicherode gewählt worden; als Spitzenkandidat des Thüringer BSW hatte er sich Chancen auf einen Einzug in den Bundestag ausgerechnet.

Das BSW scheiterte aber äußerst knapp mit 4,98 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Für das Scheitern hatten einige BSW-Funktionäre auch Wolf und das Thüringer BSW mitverantwortlich gemacht. In Thüringen verlor mal alleine 66 000 Wählerstimmen bei der Bundestagswahl nach der Machtkungelei gegenüber der Landtagswahl.

Die Koalition mit der CDU war ein Fehler neben der  desaströsen Abstimmung zusammen mit der AfD in der Migrationsfrage im Bundestag, der auch mit dazu führte, dass das BSW den Einzug in den Bundestag verpasste.