BSW-Gründung in Thüringen noch im Januar geplant: BSW in Thüringen bei 22,5% und in Sachsen sogar bei 29%

 
Am Montag will Sahra Wagenknecht in Berlin vor der Bundespressekonferenz die Umwandlung des Vereins in einer Partei verkünden (Archivbild).
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ERFURT/BERLIN  Lokale Initiativen bereiten die Gründung einer Landespartei vor. Doch die BSW-Spitze wirkt unsicher, ob ein Antritt zur Landtagswahl machbar ist.
 
Am Montag ist es so weit. Der Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“, kurz BSW, wird sich in eine Partei umwandeln. Am Mittag will die Gründerin und designierte Partei- und Gruppenvorsitzende, die zugleich auch als Gesicht, Stimme, Zugpferd und programmatische Vordenkerin ihrer Partei fungiert, in Berlin in der Bundespressekonferenz den Schritt verkünden.
 
Zu den ersten Mitgliedern der neuen Partei dürfte Ralf Tonndorf gehören. Der einstige Lehrer sitzt mit seinen 79 Jahren im Kreistag des Wartburgkreises und im Stadtrat von Bad Salzungen. Viele Jahre war er Mitglied der Linken – bis er Ende Oktober, eine Woche nach Wagenknechts Vereinsgründung, seinen Austritt verkündete.
Er ging gemeinsam mit der Linke-Stadtratsfraktionschefin Anke Wirsing und der Stadträtin Nicole Zdunek. Später gründeten sie einen lokalen BSW-Verein; auch im nahen Landkreis Sonneberg existiert inzwischen eine Initiative.
 
Es gebe viele Interessenten für die neue Partei, sagt Tonndorf. Sie kämen wie er aus der Linken, aber auch aus der SPD oder anderen Parteien. „Wir arbeiten daran, dass wir in Thüringen noch im Januar einen Landesverein gründen“. Dabei sei klar, dass nicht jeder aufgenommen werde. Zur AfD wolle man Abstand halten.
 
 Starke Konkurrenz von links und rechts
 
Ansonsten ist Tonndorf bewusst, dass Eile geboten ist. Schon am 26. Mai sollen in Thüringen neben den meisten Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern alle Kreistage sowie die Stadt- und Gemeinderäte gewählt werden. Zwei Wochen später finden dann die Stichwahlen gemeinsam mit der Europawahl statt. Und für den 1. September ist die Landtagswahl angesetzt.
„Wir wollen zu allen Wahlen antreten“, sagt Tonndorf mit fester Stimme am Telefon. Gleichwohl wisse er um die organisatorischen, personellen und finanziellen Herausforderungen.
Die Bundesführung des Vereins wirkt zumindest unsicher, ob sie es in Thüringen wagen soll. Denn im Unterschied zu Sachsen und Brandenburg, wo ebenfalls im September gewählt wird, steht sie hier einer regierenden und vergleichsweise stabilen Linken mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze gegenüber. Bisher hat auch noch kein hiesiger Abgeordnete aus Landtag oder Bundestag seine Wechselabsicht erklärt.
Zu Weihnachten erklärte die Vereinschefin Amira Mohamed Ali, dass die Strategie für die Landtagswahlen noch nicht abzusehen sei. „Dafür müssen wir Landesverbände gründen, eine starke Kandidatenliste haben und in der Lage sein, einen guten Wahlkampf zu finanzieren“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Ob das in allen drei Bundesländern gelinge, sei fraglich.
Drei Tage später sagte hingegen die BSW-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen im ZDF: „Wir bemühen uns sehr und werden alles dafür tun, um bei den Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen vernünftig und seriös ein Angebot für die Wähler zu machen.“

Maaßen ante portas

Wagenknecht selbst, die 1969 in Jena geboren wurde, hat sich noch nicht konkret geäußert und dürfte auch am Montag noch keine verbindlichen Aussagen machen. Zu ungeordnet wirkt wohl auch für sie das, was an der Basis geschieht. So hatte etwa Tonndorf, wie er sagt, bisher keinen Kontakt zur ehemaligen Eichsfelder Linke-Bundestagsabgeordneten Sigrid Hupach, die seit Wochen potenzielle BSW-Mitglieder wirbt und von einer Landesparteigründung bis Ende März spricht.
Zudem droht der Partei, die beim Thema Flüchtlinge wie der rechte Flügel der CDU, Söder oder gar die AfD klingt, vor allem in Thüringen zusätzliche Konkurrenz von rechts. Am 20. Januar will der frühere Bundesverfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in Erfurt die Gründung der neuen „Werteunion“-Partei beschließen lassen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich nach seiner gescheiterten CDU-Bundestagskandidatur erneut in Thüringen für ein Parlamentsmandat bewirbt.
Sowieso ist vorerst der Fokus des BSW auf die Europawahl am 9. Juni gerichtet. Am Montag dürfte Wagenknecht den früheren Linke-Europa- und späteren Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi und den ehemaligen Düsseldorfer Ex-Sozialdemokraten, Ex-Oberbürgermeister Thomas Geisel, als designierte Spitzenkandidaten für das EU-Parlament vorstellen. Sie selbst will definitiv auf eine Kandidatur verzichten und ihr Bundestagsmandat behalten.
Das Kalkül wirkt nachvollziehbar. Schließlich ist das Hauptziel des BSW die Bundestagswahl 2025 – weshalb Wagenknecht weiter in Berlin eine Bühne benötigt. Und wenn das Parlament demnächst den Gruppenantrag der zehn aus der Linken ausgetretenen BSW-Abgeordneten bewilligt, erhält die Abgeordnete auch wieder mehr Redezeit und Antrags- und Gesetzesinitiativrechte sowie Mitspracherechte zum Haushalt. Laut aktuellen Umfragen liegt das BSW bundesweit bei 14-15%, im Osten sogar bei rund 40%. 
In Sachsen käme das BSW auf 29% der Wählerstimmen und in Thüringen auf 22,5%, vor der Linken mit 20% und der Höcke-AfD, die von 36,5% auf 27% zurückfällt. 
Es bleibt zu hoffen, dass es dem BSW gelingt mindestens gleichauf mit, am besten aber deutlich vor der AfD zu landen, um stärkste Kraft zu werden und wenn möglich auch den Riegerungsauftrag zu bekommen, sofern Die Linke sich zurückbesinnt zu ihren Wurzeln, sich vom grün-woke-bunt-antideutschen Zeitgeist, Lifestyle, Dekadenz und Cancel Culture lossagt und bereit ist, einen Regierungschef oder eine Regierungschefin des BSW zu akzeptieren und über den Bundesrat auch die Bundes-, Europa- und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland grundlegend verändern will. Nur dann wird das BSW ein Bündnis mit der Linken eingehen und Rot-Rot ist möglich. 
Diese Bedingung haben Sahra Wagenknecht und die Thüringer Protagonisten mehrfach an Die Linke gerichtet. Der Ausgang bleibt spannend. Die IZ wird berichten.