"Was tun" Gruppe ehemaliger Linksparteiler legt alternatives EU Wahlprogramm vor

Frei nach Lenin fragen sich fortschrittliche und revolutionäre Linke wieder was nun zu tun ist

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Erklärung des „Was tun?!“ Koordinierungskreises zur Vorlage eines EU-Wahlprogramms durch den Parteivorstand DIE LINKE
 
Wastun ist ein Netzwerk von Mitgliedern ehemaligen Mitgliedern der Partei Die Linke und nicht organisierten Linken.
 
Was tun unterstützt in vielem die Position von Sahra Wagenknecht. Wer Kontakt zum Netzwerk "Wastun" aufnehmen möchte wende sich an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
 
Zum EU-Wahljahr 2024 entpuppt sich die EU erneut als das, was sie schon immer gewesen ist: ein imperialistisches, undemokratisches und unsoziales Projekt, das dazu dient die Verwertungsinteressen europäischer Großkonzerne und der Finanzwelt zu bedienen.
 
Der am 11. September durch die Parteivorsitzenden DIE LINKE der Presse vorgestellte Entwurf zum Europawahlprogramm ist 86 Seiten lang. Trotzdem schafft es dieser Text an keiner einzigen Stelle diese EU mal grundlegend als das einzuschätzen, was sie tatsächlich ist.
 
Stattdessen wird mit einer fast schon inflationären Verwendung solcher Begriffe, wie dem von der „Gerechtigkeit“ oder dem von der „Fairness“, so getan, als wenn diese EU durch besonders viele linke Detailvorschläge – und ohne die Frage zu beantworten, wie diese durchgesetzt werden können – in ein Projekt verwandelt werden könne, das „dem Frieden und der globalen Gerechtigkeit verpflichtet ist“.
 
Doch diese EU war noch nie ein Friedensprojekt und sie soll es in der Sicht der sie bestimmenden Kräfte, auch nicht werden.
 
Hier fehlt es im Entwurf an Analyse.
 
Stattdessen wird an verschiedenen Stellen die Erzählung bemüht, dass diese EU – trotz all ihrer Fehler – auch viele Vorteile bringe, sie zudem eine den Frieden befördernde historische Errungenschaft sei. Wenn es im Entwurf des Programms zudem heißt, dass es vor allem „Mut“ brauche, um ein „gerechtes, hoffnungsvolles“ EU-Europa zu bauen, dann sind linke Position verloren gegangen. Soll es tatsächlich nur mangelnder Mut sein, der die EU-Institutionen daran hindert, sich für mehr soziale Regulierung und für den Frieden einzusetzen? In früheren Zeiten hieß es dazu in linken Programmen noch: „Die Europäische Union braucht einen Neustart mit einer vollständigen Revision jener vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind“. Diese Position wurde schon auf dem Bonner Parteitag getilgt und durch unverbindliche Absichtserklärungen ersetzt. Eine Tendenz, die sich jetzt fortsetzt.
 
Illusionen zu schüren, wird aber dieser EU nicht gerecht. Ihre schrittweise Militarisierung befördert Kriegslogik statt Friedenspolitik. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einer wirtschaftlich und sozial schädlichen Schuldenbegrenzungspolitik. Immer wieder gehen von ihr Initiativen zur Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Leistungen und Sozialsysteme aus. Arbeitnehmerinteressen werden den Binnenmarktfreiheiten des Kapitals untergeordnet. Führend beteiligt an der Ausbeutung des globalen Südens, schürt sie Bürgerkriege und Elend, provoziert sie genau damit die Fluchtwellen, die sie im Anschluss zur Stärkung des eigenen Billiglohnsektors instrumentalisiert.
 
Deshalb folgen wir den gängigen Erzählungen nicht – und wir sagen auch nicht, dass diese EU so ist, wie sie ist, weil sie zu bürokratisch wäre, sondern wir sagen: sie ist deshalb so, weil sie ein Kind der Großkonzerne und ihrer Interessen ist.
Linke müssen dem ihr eigenes Bild von einem demokratischen Europa entgegenstellen, das sich an unseren Interessen orientiert. Die durchzusetzen, das geht nur in dem die Verträge von Maastricht und Lissabon gekündigt werden (so noch beschrieben im Europawahlprogramm Die Linke 2019).
 
Kontraproduktiv ist es indes, wenn mit dem jetzigen Entwurf eine Stärkung dieser Europäischen Union zu Lasten regionaler und kommunaler Entscheidungskompetenzen gefordert wird. Etwa durch eine Verdoppelung des EU-Haushalts. Etwa durch die Kündigung des Einstimmigkeitsprinzips. Kontraproduktiv ist es, wenn im vorliegenden Entwurf von einem „perspektivischen EU-Beitritt“ weiterer osteuropäischer Staaten gesprochen, und somit den Forderungen der EU-Kommissionschefin von der Leyen entsprochen wird.
 
Die sagte kürzlich, dass „Europa auch mit mehr als 30 Staaten funktioniert“. Inkl. der Ukraine und Georgien. Wir fragen: Wie soll das aussehen, wenn eine sozial bereits so tief gespaltene EU, ein Land wie die Ukraine aufnimmt? Ein Land, das zu den korruptesten in Europa gehört und schon vor dem Krieg nur eine halb so hohe Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung hatte, wie das wirtschaftlich schwächste Land in der EU? Was ist damit bezweckt? Die weitere Absenkung unserer Löhne, sozialen und rechtlichen Standards? Ganz davon abgesehen, dass mit der Bedienung solcher Verwertungsinteressen durch neue Billiglohnreserven zugleich solchen Ländern auch jede Chance genommen wird, sich ökonomisch in eine andere Richtung zu entwickeln.
Der Friedensteil ist im Entwurf des Programms nach hinten gerutscht. Dafür gibt es vorneweg nun viel „Klimagerechtigkeit". Angefangen mit der Forderung nach noch mehr Wärmepumpen bis hin zu der Forderung Bienen und Insekten in der Landwirtschaft zu stärken, fehlt aber auch hier eine realistische Orientierung. Denn wer den einzelnen Verästelungen des Textes folgt, kommt zu dem Ergebnis, dass damit vor allem eine Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland verhindert werden soll. Freilich ohne dafür realistische Alternativen für die nächsten Jahre benennen zu können, die nicht noch erheblich umweltschädlicher sind. (Vergleiche dazu im Detail die Stellungnahme von Hans-Henning Adler).
 
Es ist Krieg in Europa und in vielen weiteren Regionen der Welt. Allein im Konflikt in der Ukraine sind Hunderttausende gestorben. Millionen sind auf der Flucht. In Deutschland werden schon die Kriegskosten nicht nur an den Zapfsäulen und in den Lebensmittelgeschäften eingetrieben – und im Wahlprogramm der LINKEN kommt der Frieden erst weit hinten, gleich nach dem Tierschutz.
 
Anders als dort dargestellt ist die EU nicht nur Teil sondern Treiberin einer Eskalation, die zum Schlimmsten führt, wenn dieser Politik nicht rechtzeitig in den Arm gefallen wird.
Wenn das Bekenntnis zum Völkerrecht mit der Forderung nach Sanktionen verbunden wird, die völkerrechtskonform nicht zu haben sind, dann ist das mehr als nur ein logischer Widerspruch. Das gilt auch für die Verbindung eines Bekenntnisses zur Friedensbewegung mit linken Vorschlägen für einen effektiveren Wirtschaftskrieg gegen Russland.
Während außerhalb der LINKEN die Erkenntnis um sich greift, dass in Osteuropa derzeit auch die Konkurrenz gegensätzlicher Ordnungsentwürfe des Westens und eines großen Teils der nichtwestlichen Welt gewaltsam ausgetragen wird, will das Programm China auf der Seite des Westens in den Konflikt hineinziehen, um Druck auf Russland auszuüben.
Nach dem Programmentwurf gilt der Konsens aus dem Weißen Haus, über die NATO, die EU und die Bundesregierung bis in DIE LINKE: Frieden gibt es nur, wenn Russland bezwungen wird. Dafür macht der Programmentwurf „linke“ Vorschläge.
„Eine solche Sorte Politik“ ist nach den Worten von Karl Liebknecht „Kriegshetzerei und nicht Klassenkampf, sondern das Gegenteil davon.“
 
Damit gäbe DIE LINKE den Kern ihrer friedenspolitischen Identität auf. Wenn sie eine Zukunft haben soll, darf sie diesen Weg nicht gehen.
 
Was wir benötigen
 
Mit der Enttäuschung über die Politik der etablierten Parteien, wächst der Einfluss der AfD. Wahlkämpfe sind kein Selbstzweck, sondern sie dienen uns dazu, soziale und friedenspolitische Positionen zu stärken, damit auch die AfD zu schwächen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir uns dabei auch von den Neoliberalen und ihrer Politik klar abgrenzen. Es ist die EU, die den neoliberalen Kapitalismus in Europa festigt, Aufrüstung und Konfrontationspolitik gegen Russland, China und andere unterstützt.
Die Verteidigung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist von zentraler Bedeutung. Nötig sind dafür – und um Armut einzuschränken – öffentliche Investitionen im Verkehr, im Gesundheits- und Bildungsbereich, wie andererseits auch bessere Rahmenbedingungen für die Lohnkämpfe der Gewerkschaften. Es geht um die Interessen der breiten Mehrheit und um gleiche Rechte und Chancen für alle, die hier leben.
Die Unterstützung gewerkschaftlicher Kämpfe für höhere Löhne, gute Arbeitsbedingungen, kürzere Arbeitszeiten, sozialen Schutz, möglichst flächendeckende Tarifbindung und Mitbestimmung ist unverzichtbar.
Damit dies gelingen kann, sind Linke aber gefordert politische Tendenzen zu attackieren, die sich einseitig der US-Politik unterordnen und damit zugleich die industrielle Basis dieses Landes beschädigen. Durch die Sanktionspolitik, die die Energiepreis so sehr nach oben treibt, dass dies nicht nur zu Verlusten bei den Löhnen und den Renten führt, sondern möglicherweise auch Produktionsverlagerungen provoziert. Denn das würde die Basis starker Gewerkschaften unterminieren und Arbeitsplätze gefährden.
Wir kämpfen für wirksamen Klimaschutz. Auf dem Weg dorthin ist Pipelinegas aber die bessere Alternative zu LNG- und Frackinggas sowie zu Kohle und Atom als Energiequelle.
Dies alles steht im Widerspruch zur Politik der Ampel und der EU. Um mehr durchzusetzen, ist eine Stärkung kommunaler und regionaler Selbstverwaltung anzustreben. Gleichzeitig kann mehr Demokratie nur gelingen, wenn die Macht der großen Konzerne mindestens eingeschränkt wird.
Im Entwurf des Programms wehrt sich Die Linke gegen unmenschliche Abschottungspolitik. Die Forderung Fluchtursachen bekämpfen – nicht Geflüchtete – bleibt zahnlos, wenn nicht klar benannt wird, dass die Fluchtbewegungen über das Mittelmeer Folgen der Ausplünderung anderer Länder auch durch die Europäische Union sind.
 
Wir sagen:
 
Eine Politik, die Tausende im Mittelmeer ertrinken lässt und nichts gegen Fluchtgründe tut, sondern sie oft durch Sanktionen und das Schüren von Konflikten bis hin zu Kriegen sogar vergrößert, ist menschenverachtend.
Eine Politik, die von den Ursachen und von den Folgen der Massenmigration in den Herkunfts- und in den Zielländern schweigt und sich auf die Bekämpfung der Exzesse gegen Menschen auf der Flucht beschränkt, wird linker Verantwortung nicht gerecht.
Internationale Solidarität zu stärken bedeutet Fluchtgründe zu bekämpfen. Unsere Solidarität gehört den Menschen in Niger, Burkina Faso und anderen Ländern, die um ihre Befreiung von neokolonialen Verhältnissen und für einen Ausstieg aus der Umklammerung durch die EU und ehemaliger Kolonialmächte ringen. Unsere Solidarität gehört auch den Menschen in Kuba. Wir setzten uns dafür ein, dass bestehende Abkommen zwischen der EU und Kuba umgesetzt werden. Jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas – sei es durch die US-Regierung, sei es durch die Bundesregierung oder durch EU-Institutionen – lehnen wir ab.
 
Wir kämpfen für Frieden, Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, Interessenausgleich und Entspannung, gegen Kriege und Wirtschaftskriege, für Abrüstung. Ohne ‚Wenn und Aber‘. Deshalb müssen Linke die Friedensbewegung unterstützen. Deshalb richtet sich unsere Politik gegen die Militarisierung der EU, insbesondere auch gegen die NATO. Mit dem Erfurter Programm fordern wir weiterhin die „Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.“ Ebenso bleiben wir bei unserem Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr.