Linkspolitiker bezeichnet Kanzler Scholz als Lügner, von dem er nicht regiert werden möchte

Von Erinnerungslücken des Kanzlers, an der er sich kurz vorher im Bundestag noch erinnerte

Der Ex-Linke-Politiker und Publizist Fabio De Masi belastet Olaf Scholz in der Warburg-Affäre schwer.

Eigentlich ist sein Rücktritt als Kanzler alternativlos.

Fabio de Masi reiht die vermeintlichen Vergehen des Kanzlers auf. Im Interview mit der Berliner Zeitung wird die aktuelle Entwicklung zusammengefasst.

Erstens: Scholz behauptet, er habe Cum-Ex-Geschäfte schon immer für illegal gehalten.

Aber er traf einen Cum-Ex-Bankier (Christian Olearius, Anm. d. Red.), dem zehn Jahre Haft drohen und gegen den damals bereits ermittelt wurde, dreimal, weil dieser die Rückzahlung von 90 Millionen Euro Tatbeute verhindern wollte.

Zweitens: Scholz hat diese Treffen immer so lange verheimlicht, bis Journalisten sie enthüllten, obwohl ich ihn im Bundestag nach weiteren Treffen mit Olearius gefragt hatte.

Drittens: Scholz hat sich zwischendurch in einer Befragung im Bundestag, die bis kürzlich noch geheim war, mir gegenüber an ein Treffen erinnert und sich dann kurze Zeit später auf Erinnerungslücken berufen. Diese Treffen wurden vom SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und dem Scholz-Mentor und Freund, dem Ex-Innensenator Alfons Pawelczyk arrangiert. Kahrs kassierte dafür Parteispenden. Diese wurden von der SPD Hamburg nie zurückgezahlt. Pawelczyk wurde direkt entlohnt.

Das Hamburger Finanzamt ging damals klipp und klar davon aus, dass die Tatbeute steuerlich verjähren würde. Später schritt ein mutiger Richter ein und ermöglichte es, durch die Anwendung eines Paragrafen, der der Vermögensabschöpfung der organisierten Kriminalität dient, das Geld noch im Strafprozess einzuziehen. Als Finanzminister sicherte Scholz den Einzug von Tatbeute im Strafprozess auch mit einem Gesetz ab, wollte die nachträgliche Einziehung aber für Altfälle untersagen. Unter dem Druck der Warburg-Affäre korrigierte er das Gesetz. Sonst wären Milliarden verloren gegangen.

Mit dem Verzicht auf Rückforderungen von Cum-Ex-Millionen der Privatbank M.M. Warburg könnten die Hamburger Behörden gegen EU-Recht verstoßen haben.

Die "Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung" sei eine nach EU-Recht verbotene Beihilfe, resümiert der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten im Auftrag des Linken-Abgeordneten Fabio de Masi.

Der Warburg-Bank sei durch die Unterlassung der Rückforderung ein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Privatbanken entstanden, hieß es seinerzeit es in dem 13-seitigen Papier, das der ZEIT und Panorama vorliegt.

Mit der Maßnahme hätte die Finanzverwaltung unzulässig in den Markt eingegriffen und den Wettbewerb verzerrt.

Im März des Jahres 2020 entschied das Landgericht Bonn, Warburg müsse die Cum-Ex-Millionen komplett zurückzahlen, inklusive der verjährten 47 Millionen Euro.

Warburg hat Revision eingelegt. Wenig später, einen Tag vor Beginn der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg, wurde bekannt, dass auch die Hamburger Finanzverwaltung das Geld nun vollständig zurückfordert. Die Bank wehrt sich dagegen. Ihr wichtigstes Argument: Die Forderungen seien teilweise verjährt.

Peinlichkeit für Scholz

Ob tatsächlich eine verbotene Beihilfe vorliegt, entscheidet  später die EU-Kommission.

Eine Anfrage des EU-Abgeordneten Martin Schirdewan (Linkspartei) bearbeitet die Kommission noch.

Wenn die EU die Verjährung als Beihilfe einstufen würde, müsste die Bank die 47 Millionen Euro unabhängig von der Verjährung in Deutschland zurückzahlen, heißt es in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne die Kommission Deutschland zur Geltendmachung des Anspruchs zwingen, selbst wenn die Gerichte in Deutschland entscheiden, dass weder das Bonner Gericht noch das Finanzamt die bereits verjährten Millionen einfordern dürfen.

"Die zuständigen deutschen Behörden wären bei entsprechender Aufforderung der Kommission, trotz nationaler Verjährung, zur Rückforderung der 47 Millionen Euro samt Zinsen gegen die Warburg Bank verpflichtet."

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, sieht darin einen weiteren Beleg für das Versagen der Hamburger Behörden in dem Fall. "In der Hamburger Finanzverwaltung und im Hamburger Rathaus hat man sich um EU-Recht offenbar nicht geschert." Er erwarte, dass Brüssel notfalls eingreife, um das verjährte Geld wiederzuholen. "Das wäre peinlich für Olaf Scholz."

Warum Finanzbehörde und  Steuerverwaltung bereit waren, Steueransprüche in Millionenhöhe mit Blick auf sogenannte Cum-Ex-Geschäfte verjähren zu lassen, während in anderen Bundesländern entsprechende Steueransprüche durchgesetzt wurden, soll im kommenden Jahr ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Hamburg klären.

Einen entsprechenden Antrag wollen CDU und Linke in der kommenden Woche gemeinsam verabschieden.

Dabei soll es auch um die Rolle des damaligen Bürgermeisters und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gehen.

Scholz traf sich 2016 innerhalb weniger Wochen zwei Mal mit Olearius - zu jener Zeit, als im Finanzamt über die Verjährung der 47 Millionen Euro entschieden wurde.

Aber Cum-Ex ist nicht nur ein Thema von Scholz.

Der Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU war sogar im Aufsichtsrat einer Bank, bei deren Vorständen Cum-Ex-Razzien stattfanden. Ex-CDU-Finanzminister Schäuble hat damals die Verfolgung von ähnlich gelagerten Cum-Cum-Geschäften verhindert. Und die Grünen hungern in NRW und in Baden-Württemberg die Ermittler personell aus, die diese kriminellen Geschäfte aufklären sollen. Die FDP pflegte wiederum engste Kontakte zu Hanno Berger, der es Vermögenden ermöglicht hat, mit privatem Geld an Cum-Ex-Geschäften zu verdienen, und nun zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Im Freundeskreis führender Politiker lauern also etliche Jahre Knast.

Scholz brauchte Olearius für verschiedene Projekte, etwa bei der Elbphilharmonie. Scholz sagte einmal, in Hamburg könne man nicht gegen die Elbchaussee regieren, wo viele Multi-Millionäre leben. Er hat sich sogar mit Olearius über Interviews mit dem Spiegel abgestimmt, damit dieser ihm nicht die Show stiehlt. Das Unheil nahm aber wohl früher seinen Lauf. Denn auch die frühere Landesbank HSH Nordbank machte, noch während sie nach der Finanzkrise von Hamburg und Schleswig-Holstein gestützt wurde, Cum-Ex-Geschäfte. Die HSH Nordbank kam damals mit einer zu geringen Summe davon. Die Risiken aus den Geschäften belasteten den Verkaufsprozess der Bank. Scholz hat sich bereits damals zu Cum-Ex bei der HSH Nordbank mit seinen Amtskollegen in Kiel ausgetauscht. Die Schonung der HSH Nordbank hat einen Präzedenzfall für Warburg geschaffen, meint Fabio de Masi.

Fabio de Masi fordert außerdem Herrn Olearius, Herrn Kahrs und die Finanzbeamtin auf, ihr Gewissen zu erleichtern. Es ist nie zu spät und das Gefängnis ist ein dunkler Ort.