USA und Nato haben Rote Linie bei Nato Osterweiterung bewusst überschritten

Die Konfrontation gegen Russland wurde seit 1997 kontinuierlich weitergetrieben

Diplomaten-Depeschen belegen, wie Washington die Kriegsgefahr im Zuge der Osterweiterung in Kauf nahm oder sogar bewusst herbeiführen wollte.

Warnungen kamen von allen Seiten. Erstaunlich ist, wie präzise prophezeit wurde, was schließlich geschah.

Fiona Hill, die zwei republikanische Regierungen und Präsidenten beraten hat, hält die Hinweise auf die Nato-Osterweiterung lediglich für das Ergebnis eines "russischen Informationskriegs und einer psychologischen Operation", die dazu führen, dass "ein Großteil der amerikanischen Öffentlichkeit ... der Nato oder den USA die Schuld an diesem Ergebnis gibt".

Eine Überprüfung der Aufzeichnungen und Dutzende von diplomatischen Depeschen, die über WikiLeaks öffentlich zugänglich gemacht wurden, zeigen jedoch, dass US-Beamte sich dessen bewusst waren oder ihnen über Jahre hinweg direkt gesagt wurde, dass die Erweiterung der Nato von russischen Beamten weit über Putin hinaus als große Bedrohung und Provokation angesehen wurde und dass die Ausweitung der Nato auf die Ukraine für Moskau die äußerste rote Linie darstellt. Dieser Schritt würde die Hardliner und nationalistischen Teile des russischen politischen Spektrums aufputschen und stärken. Das könnte schließlich zu einem Krieg führen.

In einer Serie von Warnungen, die außergewöhnlich prophetischen Charakter besitzen, wurde den US-Offiziellen mitgeteilt, dass das Drängen auf eine ukrainische Mitgliedschaft in der Nato nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer russischen Einmischung in das Land erhöhen würde, sondern auch die Gefahr einer Destabilisierung des geteilten Landes in sich berge.

Die Vereinigten Staaten und anderer Nato-Mitgliedsländer würden Druck auf die ukrainische Führung ausüben, damit sie die dortige ablehnende öffentliche Meinung verändert. All das wurde der US-Führung sowohl öffentlich als auch privat nicht nur von hochrangigen russischen Beamten bis hin zum Präsidenten mitgeteilt, sondern auch von Nato-Verbündeten, verschiedenen Analysten und Experten, liberalen russischen Stimmen, die Putin kritisch gegenüberstehen, und manchmal sogar von US-Diplomaten selbst.

Diese Warnungen sind auch bedeutsam in Hinsicht darauf, wie die USA gerade die rote Linien testen, die China in Hinsicht auf die Unabhängigkeit Taiwans gezogen hat. Man riskiert erneut eine militärische Eskalation, die sich vorrangig gegen den Inselstaat richtet.

Die diplomatische Bilanz der USA in Bezug auf die Nato-Erweiterung zeigt, wie gefährlich es ist, die roten Linien einer anderen Militärmacht zu ignorieren oder ganz zu überschreiten, und wie klug eine zurückhaltende Außenpolitik sein kann, die die Einflusssphären anderer Mächte mit derselben Sorgfalt behandelt, wie sie den Vereinigten Staaten entgegengebracht wird.

Putins Amtsantritt und die pausierende Nato-Erweiterung

Die Nato-Erweiterung war von Anfang an mit Schwierigkeiten behaftet. Der prowestliche damalige russische Präsident Boris Jelzin erklärte dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, er sehe "nichts als Demütigung für Russland, wenn Sie derart weitermachen", und warnte davor, dass dieser Schritt "die Saat des Misstrauens säen" und "nicht nur in Russland als der Beginn einer neuen Spaltung Europas interpretiert werden" würde.

Wie von George Kennan, dem Architekten der Containment-Strategie, vorausgesagt, trug der Beschluss, die Nato-Ausweitung voranzutreiben, dazu bei, die Feindseligkeit und den Nationalismus in Russland zu schüren. Die Duma (das russische Parlament) erklärte sie zur "größten militärischen Bedrohung für unser Land in den letzten 50 Jahren", während der Vorsitzende der oppositionellen Kommunistischen Partei sie als "einen Versailler Vertrag für Russland" bezeichnete.

Als Putin am Tag vor der Jahrtausendwende Präsident wurde, waren "die ursprünglichen Hoffnungen und Pläne der frühen 1990er-Jahre tot", sagte ein führender liberaler russischer Politiker. Auf die erste Runde der Nato-Erweiterung folgte die Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999, die ohne Genehmigung des UN-Sicherheitsrats erfolgte und Russland dazu veranlasste, den Kontakt mit dem Bündnis abzubrechen.

Unter Putin nahm Moskau die Beziehungen zur Nato wieder auf, ratifizierte schließlich den START-II-Rüstungskontrollvertrag und äußerte sogar öffentlich die Idee, dass Russland dem Bündnis beitreten könnte, wofür Putin von seinen politischen Rivalen angegriffen wurde. Gleichzeitig äußerte er weiter die von Anfang an bestehenden Bedenken Moskaus gegen die Erweiterung des Bündnisses. Putin sagte dem Nato-Generalsekretär im Februar 2001, die Expansion sei "eine Gefahr für Russland". In einer Rede in Berlin im Jahr 2000 erklärte er:

Wenn sich ein Land wie Russland bedroht fühlt, würde dies die Lage in Europa und in der ganzen Welt destabilisieren.

Putin schwächte seine Haltung ab, als er versuchte, mit der damaligen US-Regierung unter Präsident George W. Bush eine gemeinsame Basis zu finden. "Wenn die Nato eine andere Form annimmt und zu einer politischen Organisation wird, würden wir natürlich unsere Haltung gegenüber einer solchen Erweiterung überdenken, solange wir das Gefühl haben, in den Prozess einbezogen zu werden", sagte er im Oktober 2001. Dafür wurde er erneut von politischen Gegnern und russischen Eliten attackiert.

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