Anthrax 2001 aus dem USA Militärlabor Ft, Dettrick stammend?

Arte Doku über Anthrax als Biowaffe 

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Die uninspirierte Jagd des FBI auf den "Anthrax-Man"

Seit einem halben Jahr gilt Fort Detrick als der wahrscheinlichste Herkunftsort des Milzbranderregers, der die USA im Herbst in Schrecken versetzte. Doch erst jetzt müssen sich Mitarbeiter einem Lügendetektortest unterziehen. Die schleppende Fahndung führt zu Spekulationen, dass das FBI den Täter gar nicht finden will.
 
Bereits im vergangenen November, einen Monat nach dem ersten Milzbrand-Todesfall, stellte das FBI ein Täterprofil des Absenders der vier Anthraxbriefe vor: Gesucht werde ein amerikanischer Mikrobiologe, der Zugang zu einem der wenigen Biowaffenlabore in den USA habe.

Seit dieser ersten Diagnose hat sich bemerkenswert wenig getan. Auch nach acht Monaten Fahndung und 5000 Verhören hat die mächtige Bundespolizei offenbar den Kreis der Verdächtigen nicht weiter eingrenzen können. FBI-Direktor Robert Mueller erklärte vergangenen Monat in einer Anhörung vor dem Senat, weiterhin keine heiße Spur zu haben.

Im Februar sandte die Behörde einen Hilferuf an die 30.000 Mitglieder der American Society of Microbiologists. Darin hieß es: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass einer oder mehrere von Ihnen dieses Individuum kennen."

Doch erreicht wurde damit nur, dass auf der Jahresversammlung der amerikanischen Mikrobiologen vor drei Wochen eine Stimmung wie bei Agatha Christie herrschte. Die zehntausend anwesenden Wissenschaftler beäugten sich laut "USA Today" skeptisch, mit der FBI-Warnung im Hinterkopf: Der fünffache Mörder ist unter Ihnen.

Dabei gibt es längst sehr viel konkretere Hinweise. Bereits im Dezember hatte die "Washington Post" berichtet, dass das Anthrax-Puder in den Briefen wahrscheinlich aus dem US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) in Fort Detrick stammte. Die 60 Kilometer außerhalb von Washington liegende Einrichtung ist das wichtigste Biowaffenlabor des Landes.

Eine genetische Analyse des Puders aus den Briefen hat diese Vermutung inzwischen bestätigt. Der Erreger stimme im Wesentlichen mit dem Ames-Stamm überein, der vom USAMRIID verwendet wird, berichteten die Forscher am 10. Mai im Wissenschaftsmagazin "Science".

Der Ames-Stamm des Anthrax-Bakteriums wurde zuerst 1981 in einer toten texanischen Kuh entdeckt. Dieser Stamm wird seither in Fort Detrick gezüchtet - offiziell, um Impfstoffe zu entwickeln. Fort Detrick hat Proben an etwa 20 weitere Labore, darunter auch britische und kanadische, verschickt. Doch die Mehrheit davon arbeitet mit "nassem Anthrax". Nur vier Labore haben laut der Mikrobiologin Barbara Rosenberg die Fähigkeit, das tödliche, hoch konzentrierte Anthraxpuder herzustellen. Alle vier sind in den USA.

Dazu kommt: Zumindest die Forscher von Fort Detrick hatten nicht nur das entsprechende Know-how, sondern wohl auch die Gelegenheit, die Bakterien aus dem Labor zu schmuggeln. Ehemalige Mitarbeiter haben in den Medien von laxen Sicherheitsvorkehrungen berichtet.

Das grenzt den Kreis der möglichen Täter auf wenige hundert, manche sagen, dutzend Personen ein. "Die Arbeit an offensiven Biowaffen ist in diesem Land seit Jahrzehnten verboten, daher kennen sich nur wenige amerikanische Forscher damit aus", schreibt die "New York Times".

Doch das FBI hat sich dieser überschaubaren Gruppe nur zögerlich genähert. Erst im März forderte es die Personalunterlagen der Labor-Mitarbeiter an, nachdem das "Wall Street Journal" auf die Schlamperei hingewiesen hatte. Und erst in diesen Tagen müssen sich rund 200 Mitarbeiter von zwei Labors einem Lügendetektortest unterziehen. Die Tests werden im USAMRIID und im Dugway Proving Ground in Utah, 130 Kilometer entfernt von Salt Lake City, durchgeführt.

Will das FBI den Täter gar nicht finden?

Angesichts der schleppenden Fahndung werden einige Beobachter unruhig. Am vergangenen Freitag reichte die konservative Organisation Judicial Watch Klage gegen das FBI, die Post, das Gesundheitsministerium und das Zentrum für Krankheitskontrolle (CDC) ein. Eine Klage gegen das Weiße Haus werde vorbereitet, sagte Sprecher Brian Doherty.

Unter Berufung auf den "Freedom of Information Act" fordert Judicial Watch alle Akten und Gesprächsmitschnitte, die in den zuständigen Behörden über Anthrax geführt wurden. Die Organisation vertritt laut Doherty "Hunderte von Mitarbeitern" des Postamts Brentwood in Washington, von wo die an die Senatoren Patrick Leahy und Tom Daschle adressierten Briefe weitergeleitet worden waren.

"Wir wollen wissen, was das Weiße Haus wusste", sagt Doherty. Warum haben die Mitarbeiter des Weißen Hauses bereits am 11. September, Wochen vor dem ersten Anthrax-Brief, das Antibiotikum Cipro bekommen? Doherty ist überzeugt, dass die Akteneinsicht Vorwissen zutage fördert. "Wir haben schon oft Überraschungen erlebt". Doch die Behörden könnten sich einmal mehr auf die nationale Sicherheit berufen und die Herausgabe verweigern.

Barbara Rosenberg, Präsidentin der Federation of American Scientists (FAS), geht noch weiter. Die Mikrobiologin, die an der State University of New York in Purchase arbeitet, hatte bereits im Februar eine mehrseitige Analyse der Anthrax-Situation auf ihrer Website veröffentlicht. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Täter ein Veteran des Biowaffen-Programms der USA sei und spekuliert, dass das FBI befangen sei. Der Täter sei "überzeugt, dass er ungeschoren davonkommt. Weiß er etwas, was ihn für das FBI unberührbar macht?"

In einem BBC-Interview im März legte sie noch einen drauf und spekulierte, es habe sich um ein fehlgeschlagenes CIA-Experiment "Anthrax in der Post" gehandelt. CIA und FBI wiesen ihre Vorwürfe entschieden zurück.

Das Schneckentempo der Fahndung ist verdächtig, es könnte jedoch auch schlicht in der Unfähigkeit des FBI begründet sein - was seit den peinlichen Enthüllungen über die vermeintliche Superbehörde nicht von der Hand zu weisen ist.

Auch die Existenz geheimer Biowaffenprogramme ist nicht auszuschließen. Das würde die Fahndung erschweren, schließlich wären dies zusätzliche Quellen und Verdächtige. Zwar sind offensive Biowaffen wie Anthrax seit der Nixon-Ära in den USA verboten. Doch die Bush-Regierung hatte sich vergangenen Juli geweigert, die internationale Biowaffenkonvention zu unterzeichnen - um keine Inspektoren ins Land lassen zu müssen, wie Experten glauben.

Im vergangenen September enthüllte die "New York Times" drei geheime Biowaffen-Projekte. "Ich kannte nur eins von den dreien", sagte Elisa Harris gegenüber dem Online-Magazin "Salon". Harris war unter Bill Clinton Direktorin für Nichtverbreitungsfragen im Nationalen Sicherheitsrat. Harris will auch nicht gewusst haben, dass die Armee seit Beginn der neunziger Jahre waffenfähiges Anthrax produziert.

Um den Täter zu finden, hofft das FBI auf die weitere genetische Analyse des gefundenen Puders. Die Forscher sind zuversichtlich, dass sie durch Vergleich der DNA einige Labore ausschließen können. Doch selbst wenn das Labor bestimmt ist, bleibt immer noch die Frage, wer das Zeug herausgeschmuggelt hat. 

https://www.spiegel.de/politik/ausland/fahndung-die-muede-jagd-des-fbi-auf-den-anthrax-man-a-200524.html