Ist Kanzler Scholz als Lügenbaron des Ex Cum Skandals überführt?

Olaf Scholz und der Cum-Ex-Skandal-Des Kanzlers schmutzige Wäsche?

Vor geraumer Zeit hat der Investigativjournalist Oliver Schröm sein Buch „Die Cum-Ex-Files“ an der Berliner Volksbühne  in der Nähe des  Karl Liebknecht Hauses der Linkspartei vorgestellt.

Er ist sich sicher: Für Olaf Scholz ist die Affäre um die Hamburger Warburg-Bank noch lange nicht gegessen. Könnte sie ihn sogar den Kanzlerposten kosten? Jetzt platzte die nächste Bombe 

 
Olaf Scholz ist in den größten Finanzskandal der Bundesrepublik verwickelt. Das Oberlandesgericht Frankfurt bezeichnete die Cum-Ex-Geschäfte, bei denen sich die Akteure durch Tricks Kapitalertragssteuern mehrfach auszahlen ließen, als „gewerbsmäßige[n] Bandenbetrug“. Diskutiert wurde aber vor allem über Annalena Baerbocks Plagiate und Armin Laschets Lachen. Scholz musste nur schweigen und nichts tun, um die Wahl zu gewinnen – auch, weil seine Gegner die Steilvorlage nicht annahmen und ihn nicht konfrontierten.

Grund zum Aufatmen hat er dennoch nicht.

Vor allem ein Mann könnte ihm gefährlich werden: Christian Olearius, Gesellschafter und Geschäftsführer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Ab 2007 ergaunerte die Warburg-Bank mit Cum-Ex-Geschäften eine Geldsumme im dreistelligen Millionenbereich. Scholz steht unter Verdacht, der Bank die Rückforderung der Beute bewusst erlassen zu haben.

Glaubt man dem Journalisten Oliver Schröm, der Olearius‘ Tagebücher gelesen hat, ist der Banker ein „Herrenmensch“, der um sich schlagen und auspacken könnte. Wäre Scholz dann Bundeskanzler, hätte die Bundesrepublik einen erpressbaren Kanzler. Dieser Fall könnte jetzt eintreten. 

Cum-Ex ist simpler, als es scheint

Buchcover Cum-ex-Files
Oliver Schröm: „Die Cum-ex-files“,
Ch.Links, 368 Seiten, 18 Euro

Der Cum-Ex-Skandal ist nicht griffig, deswegen ging er in der Öffentlichkeit zwischen all den Erregungslappalien unter. Dessen ist sich auch Oliver Schröm bewusst. Der Investigativjournalist hat die letzten acht Jahre maßgeblich an der Aufdeckung des Finanzskandals mitgewirkt. Die Öffentlichwerdung von Scholz‘ Verstrickungen ist ebenfalls auch ihm und seinem Team zu verdanken. Nun hat er ein Buch über seine Recherchen geschrieben, das er am Mittwochabend an der Berliner Volksbühne gemeinsam mit der Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann von der taz und dem Linken-Politiker und Finanzexperten Fabio De Masi vorgestellt hat: „Die Cum-Ex-Files. Der Raubzug der Banker, Anwälte und Superreichen – und wie ich ihnen auf die Spur kam“ (Ch.Links Verlag, 368 Seiten, 18 Euro).

Dem vom Verlag als „Wirtschaftskrimi“ beworbenen Buch sind viele Leser zu wünschen, weil es umfassend aufklärt und zugleich unterhaltsame Übersetzungsarbeit für Normalverbraucher leistet. Im Grunde sei Cum-Ex leicht zu erklären, sagt Oliver Schröm in der Diskussionsrunde an der Volksbühne. Beim Dieselskandal müsse man ja auch nicht wissen, wie die Abschalteinrichtung im Detail funktioniert, mit der VW die Abgaswerte seiner Diesel-Fahrzeuge manipuliert hat. Wichtig sei nur: VW hat willentlich betrogen. Ähnlich sei es mit Cum-Ex. Die Tricks und Methoden der Finanzjongleure seien voller verzwickter Details, doch im Kern müsse man nur wissen, dass es sich um Diebstahl handelt. Oder, wie Schröm sagt, um „Steuerraub“ – ein Kunstbegriff, den es in der Rechtsprechung wohl nicht gibt, der aber das Wesen von Cum-Ex auf den Punkt bringt.

So funktioniert das Betrugssystem

Cum-Ex ist keine klassische Form der Steuerhinterziehung, bei der jemand sein Geld in einem Offshore-Inselstaat versteckt, um keine Steuern zahlen zu müssen. Sondern hier greift ein Akteur aktiv in die Staatskasse und nimmt sich jenes Steuergeld der Bürger, das dem Gemeinwesen dienen soll. Ein Satz von Hanno Berger, einem der Haupakteure im Cum-Ex-Skandal, bringt es so auf den Punkt: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch“, soll er seinen Kollegen eingebläut haben.

Grob zusammengefasst haben sich Banken und Akteure wie Berger nur einmal abgeführte Kapitalertragssteuern mehrmals zurückzahlen lassen. Dazu wurden große Pakete von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung in schneller Folge hin- und hergeschoben.

Durch die gezielt undurchsichtigen Transaktionen verloren die Finanzbehörden den Überblick. Fabio De Masi, der sich mit seiner energischen Arbeit im Hamburger Untersuchungsausschuss einen Namen gemacht hat, zieht für diesen Vorgang gerne einen anschaulichen Vergleich: „Ich kopiere mir zu Hause einen Pfandbon, gehe direkt an die Supermarktkasse und löse den Bon ein, obwohl ich keine Flaschen abgeben habe.“

In puncto Digitalisierung in der Steinzeit

Aber wie kann es überhaupt angehen, dass die Finanzverwaltung es nicht merkt, wenn sich Akteure ihre Steuern mehrmals auszahlen lassen?

Die Antwort ist simpel: Deutschland ist in puncto Digitalisierung ungefähr auf Windows-95-Stand. Es gibt fünf veraltete Rechenzentren, die nicht miteinander vernetzt sind und deswegen nicht abgleichen können, ob die Kapitalertragssteuer mehrfach ausgezahlt wurde. Ein modernes IT-System einzurichten wäre finanziell nichts im Vergleich zu den Verlusten durch Steuerraub, allein der politische Wille fehlt.

Der weltweite Schaden durch Cum-Ex, Cum-Cum (eine weniger komplexe Form des Steuerraubs) und vergleichbare Betrugssysteme soll bei 150 Milliarden Euro liegen, allein in Deutschland wurden den Steuerzahlern etwa 31,8 Milliarden Euro gestohlen. Fabio De Masi zieht auch hier gerne einen Vergleich: Damit könnte man in jede der etwa 30.000 Schulen in Deutschland eine Million Euro investieren.

Johannes Kahrs, der Organisator

 Christian Olearius (Privatbank MM Warburg), der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne und der TUI-Vorstandsvorsitzende Michael Frenzel (v.l.)
Christian Olearius (links) im Jahr 2008

Beim Stichpunkt „politischer Wille“ führt kein Weg an Olaf Scholz und der Hamburger Privatbank M.M. Warburg vorbei, dem Hauptthema am Premierenabend an der Volksbühne.

Ab 2007 machte die Warburg-Bank durch Cum-Ex-Geschäfte Gewinne im dreistelligen Millionenbereich. Nachdem Cum-Ex für kriminell erklärt wurde, ließen Hamburgs Steuerbehörden im Jahr 2016 Rückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Privatbank einfach verjähren.

2017 sollten der Bank abermals Rückforderungen, diesmal in Höhe von 43 Millionen Euro, erlassen werden – damals griff aber das Bundesfinanzministerium ein und forderte das Hamburger Finanzamt auf, die Rückforderung nicht noch einmal verjähren zu lassen.

Der Verdacht politischer Einflussnahme steht im Raum.

Insgesamt drei Mal hat Scholz den Warburg-Chef Olearius getroffen. Der damalige SPD-Kreisvorsitzende in Hamburg-Mitte, Johannes Kahrs, und der in Hamburg altbekannte SPD-Grande Alfons Pawelczyk sollen Olearius geholfen haben, ein Treffen zu bekommen. Kahrs erhielt zudem eine Spende für seinen Wahlkreis in Höhe von 45.500 Euro von einem Tochterunternehmen der Warburg-Bank.

Eine Hand wäscht die andere

Außenfassade der Warburg-Privatbank in Hamburg
Die Warburg-Bank am Hamburger Jungfernstieg

Scholz empfing Olearius in seinem Amtszimmer.

Ein wahrlich nicht leicht zu ergatternder Termin – Olearius, gegen den wohlgemerkt damals schon wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde, bekam ihn quasi über Nacht zugesprochen. Über das Motiv des damaligen Bürgermeisters können De Masi und Schröm nur mutmaßen. „Gegen die Elbchaussee ist in Hamburg keine Wahl zu gewinnen“, soll Scholz einmal in vertrauter Runde gesagt haben. Die Elbchaussee ist eine noble Gegend, in der die einflussreichsten Wirtschaftsleute Hamburgs sitzen. Was bedeutet: Mit der mächtigen Warburg-Bank legt man sich nicht an. Die Geschichte dürfte für Scholz, der sich in der Cum-Ex-Affäre nicht selbst bereichert hat, eine machtstrategische Abwägung im Sinne eines hanseatischen „Eine Hand wäscht die andere“ gewesen sein.

Scholz wurde auf das erste Treffen inhaltlich vorbereitet, Olearius legte ihm zudem ein siebenseitiges Papier mit Scheinargumenten vor, weshalb seiner Bank die Rückforderungen erlassen werden müssten, etwa deswegen, weil die Bank sonst angeblich pleite gehe (was nachweislich nicht stimmt). Das ist ungefähr so, als würde ein Bankräuber sagen, er könne seine Beute nicht zurückgeben, weil er sonst pleite wäre.

Die Öffentlichkeit sollte nichts erfahren

Scholz durfte sich als Bürgermeister in derart heikle Steuerangelegenheiten gar nicht einmischen. Doch einige Tage später rief er Olearius proaktiv an und gab ihm den Tipp, das siebenseitige Papier „kommentarlos“ (mutmaßlich, damit man Scholz keine Verwicklung nachweisen kann) an den damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher zu schicken. Der gab das Papier an seine Behörde weiter, notierte aber noch in grüner Tinte, er wolle auf dem neuesten Stand gehalten werden: „Mit der Bitte um Information zum Sachstand“. Nur acht Tage später erhielt Olearius die Nachricht, dass die Stadt die Rückforderung in Höhe von 47 Millionen doch nicht zurückverlange.

Von alldem sollte die Öffentlichkeit nichts erfahren. Noch im November 2019 lautete die Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken, es habe keine persönlichen Gespräche zwischen Senatoren und der Warburg-Bank über das Cum-Ex-Verfahren gegeben. Womit der heute angehende Bundeskanzler nicht gerechnet hatte, ist, dass Olearius seit Jahrzehnten akribisch und höchst diszipliniert Tagebuch führt. Die Absurdität muss man sich vor Augen halten: Ein in kriminelle Machenschaften verwickelter Bankchef schreibt tagtäglich auf, was er so treibt. Auch die Treffen mit Scholz hat er festgehalten.

Scholz ist unglaubwürdig

Fabio De Masi
Linken-Politiker Fabio De Masi

Investigativjournalist Oliver Schröm gelangte an die Tagebücher. Im Februar 2020, kurz vor der Hamburger Bürgerschaftswahl, berichtete er über ein Treffen zwischen Scholz und Olearius.

Viele Jahre lang fungierte er als Sprecher der Gesellschafter von M. M. Warburg, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte.

Der Angeklagte M. wirkt gelöst, ja befreit. 13 Verhandlungstage lang wehrte der 63-jährige Mitarbeiter der Warburg Bank alle Vorwürfe ab, dann vollzog er eine Kehrtwende. Am Tag nach seinem Geständnis beantwortet er fast locker dem Bonner Landgericht und seinen Anklägern alle Fragen.

Seine Aussagen haben Bedeutung weit über seinen eigenen Fall hinaus. M. schützte mit seiner Abwehrhaltung auch die einstige Führungsspitze von M. M. Warburg, allen voran Christian Olearius. Olearius und Max Warburg gehörte der Löwenanteil der Bank, Olearius führte sie viele Jahre als Sprecher der Gesellschafter, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte.

Was Scholz schließlich einräumte. Allerdings seien die Vorwürfe politischer Einflussnahme unwahr, es sei nur ein harmloses Treffen gewesen, sagte er. Am 4. März wurde er vom Finanzausschuss des Bundestags um Fabio De Masi einberufen. Der fragte Scholz, ob es weitere Treffen gegeben habe. Scholz, so berichtet es De Masi, habe sinngemäß gesagt: Es gebe nichts, außer dem, was in der Presse steht. In der Presse wurde zu diesem Zeitpunkt von einem Treffen berichtet, nichts von den anderen beiden Treffen und Scholz‘ Anruf bei Olearius. Bei einer weiteren Anhörung im Juni verschwieg er all das ein zweites Mal.

Doch dann wurden auch die anderen beiden Treffen öffentlich, darunter das erste in Scholz‘ Amtszimmer. Ein Treffen fand in Anwesenheit eines Referenten statt, die weiteren zwei ohne Zeugen. Das Lügen und Verschweigen vor dem Ausschuss ist strafbar. Scholz, der Jurist ist, beteuerte, er könne sich an die Treffen nicht erinnern – Erinnerungslücken sind juristisch keine Lüge. Bei dieser Version bleibt er bis heute. Glaubwürdig ist das insofern nicht, als der Fast-Kanzler als detailverliebter Aktenwälzer mit gutem Gedächtnis gilt. Außerdem: An ein harmloses Treffen mit Olearius erinnert er sich, aber nicht an jenes, in dem es um 47 Millionen Euro Steuerrückzahlungen eines mutmaßlich Kriminellen geht?

Die Sache ist noch lange nicht gegessen

Die Geschichte zwischen Scholz und Olearius ist lang und verzwickt, eine ausführliche Schilderung ist hier nachzulesen. Zusammenfassend festgehalten werden kann: Scholz hat mehrfach die Unwahrheit gesagt, er hat das Parlament belogen, und seine angeblichen Erinnerungslücken sind äußerst unglaubwürdig. Juristisch ist er damit bislang durchgekommen. Bleibt das so? Kann die Cum-Ex-Affäre ihm noch gefährlich werden, ihn gar die Kanzlerschaft kosten? Das ist auch die große Frage am Buchpremierenabend an der Berliner Volksbühne.

Die Sache ist noch lange nicht gegessen, sind sich De Masi und Schröm einig. Ein wichtiger Punkt sind die derzeitigen Strafermittlungen. Die damals für die Warburg-Bank zuständige Finanzbeamtin Frau P. sprach sich 2016 für eine Rückforderung der Cum-Ex-Gelder aus, plötzlich änderte sie ihre Meinung radikal. Frau P. wurde dieses Jahr als Zeugin geladen. Das Hamburger Abendblatt schrieb: „Zeugin entlastet Scholz und Tschentscher“.

Hausdurchsuchung bei „Entlastungszeugin“

Doch kurz nach der Bundestagswahl kam es zu Razzien bei Johannes Kahrs, Alfons Pawelczyk, im Hamburger Finanzamt – und auch bei Frau P. zu Hause. Ihr werden Begünstigung, Strafvereitelung, Geldwäsche und Untreue vorgeworfen. Es müsse nur eine Klitzekleinigkeit gefunden werden, und schon würde es für Scholz wirklich eng, sagt Schröm. Und irgendwas gebe es immer.

Gegen Ende der Veranstaltung an der Volksbühne zeigt sich ein Zuschauer im Publikum wütend. Ob man denn die ganze Zeit über Scholz reden müsse, ruft er dazwischen. Möglicherweise sympathisiert er mit den Sozialdemokraten. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, warum Scholz im Wahlkampf verschont wurde. Selbst Fabio De Masi sei für seine Hartnäckigkeit gegenüber Scholz kritisiert worden, erzählt er. Als Linker müsse er sich doch eine starke SPD wünschen, auch in Hinsicht auf eine rot-rot-grüne Koalition. Aber es gehe hier nicht nur ums Geld, sagt der Ex-Bundestagsabgeordnete, sondern um Rechtstaatlichkeit. Außerdem könne es nicht sein, dass jemand, der Kanzler wird, einer kriminellen Vereinigung die Steuern erlässt.

Jetzt kommt neue Bewegung und ein Lügen-Geständnis eines ehemaligen hochrangigen Warburg-Managers, mit dem Olaf Scholz als Bürgermeister in Hamburg womöglich " kungelte" könnte Kanzler Olaf Scholz jetzt  zusammen mit  dem Impfzwangdesaster, die die Ampel Koalition zerreissen könnte,  auf die Füße fallen und zum Stolpern bringen. 
 

Dammbruch bei Cum-Ex-Ermittlungen-„Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist“

Überraschung im Cum-Ex-Prozess: Ein Ex-Banker der Hamburger Warburg-Bank hat jetzt doch  ein Geständnis abgelegt.

Der Investigativ-Journalist Oliver Schröm spricht von einem Dammbruch.

Im Interview erklärt er, wie es nun für Ex-Warburg-Chef Christian Olearius, Bundeskanzler Olaf Scholz und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher weitergeht – und wie ein bis in die Justiz reichender SPD-Filz in Hamburg die verwickelten Politiker schützt.

Herr Schröm, der ehemalige Geschäftsführer von Warburg-Invest, eine Tochterfirma der Hamburger Warburg-Bank, hat am 13. Verhandlungstag des dritten Cum-Ex-Prozesses in Bonn überraschend eingeräumt, an den Cum-Ex-Deals mitgewirkt zu haben und trotz Bedenken die „Augen geschlossen und immer weitergemacht“ zu haben.

Inwiefern ist sein Geständnis ein Dammbruch.

 
 
Es ist 9.35 Uhr am Mittwochmorgen, als der angeklagte frühere Banker der Hamburger Privatbank MM Warburg alles bis dahin in diesem Prozess Gesehene auf den Kopf stellt. Bislang hatte der 63-Jährige stets bestritten, wissentlich an einem millionenschweren Steuerdiebstahl namens "Cum-Ex" beteiligt gewesen zu sein. Banker, Berater und Aktienhändler hatten sich insgesamt geschätzte zwölf Milliarden Euro an Steuern erstatten lassen, die sie nie gezahlt haben - ein Griff in die Staatskasse, der im angeklagten Fall einen Schaden von 109 Millionen Euro verursacht haben soll
 
Doch an diesem Morgen setzt der Ex-Warburg-Banker zu einer Erklärung an. Der Mann mit Haarkranz und Hornbrille spricht unsicher. Er habe sich, so der Angeklagte, die Vorgänge und Ereignisse immer wieder schöngeredet, um sein damaliges Handeln zu rechtfertigen. "Das war falsch. Allerdings fällt es mir nach wie vor schwer, die richtigen, offenen Worte zu finden."
 
Bereits 2021 war ein erster Banker der Warburg Bank zu 5 Jahren Haft verurteilt worden. 
 
 

Dass der Banker an diesem 13. Verhandlungstag überhaupt nach offenen Worten sucht, kommt einem Paukenschlag gleich. Der einstige Geschäftsführer einer Warburg-Tochter in Luxemburg ist damit der erste Akteur der traditionsreichen Hamburger Bankengruppe, der ein Geständnis ablegt. Alle anderen angeklagten oder beschuldigten Warburg-Banker hatten bis dato jegliche Schuld bestritten.

Etwa der einstige Generalbevollmächtigte der Bank, der in seinem Prozess im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Bonn bis zuletzt seine Unschuld erklärte. Der 72-Jährige wurde zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Richterspruch ist noch nicht rechtskräftig. Auch die Eigentümer der Privatbank, Christian Olearius und Max Warburg, gegen die die Staatsanwaltschaft Köln ebenfalls in Sachen Cum-Ex ermittelt, bestreiten bis heute, von den strafbaren Hintergründen der Geschäfte gewusst zu haben.

"Erzählen Sie uns nichts" komplett Unglaubwürdiges vor Gericht 

Lange Zeit sah es so aus, als würde sich der Angeklagte im aktuellen Cum-Ex-Prozess dieser Verteidigungslinie anschließen. Noch am Montag sorgte er mit seiner Aussage beim Vorsitzenden Richter Roland Zickler für Unmut.

Der Ex-Warburg-Banker erklärte da, er habe die Cum-Ex-Geschäfte laufen lassen, obwohl er deren Hintergrund nicht verstanden habe. Selbst, als der Gesetzgeber 2009 neue Regeln aufstellte, um die Deals zu Lasten der Staatskasse zu stoppen, habe sich der Geschäftsführer und frühere Risikomanager nichts dabei gedacht. Für ihn seien das lediglich "Leitplanken" gewesen, die der Gesetzgeber habe setzen wollen.

Der Verhandlungstag, der eigentlich Klarheit bringen sollte, endete mit einer Schelte des Richters. "Erzählen Sie uns nichts", schimpfte Zickler. "Erzählen Sie uns nichts, was nicht stimmt! Erzählen Sie uns, wie es war! Was sollen wir denn denken? Das ist nicht plausibel." Der Richter brach die Befragung ab. Die Botschaft war unmissverständlich: Der Richter glaubte dem Angeklagten nicht. Eine jahrelange Gefängnisstrafe hätte die Folge sein können.

Die Botschaft kam bei dem Angeklagten offenbar an. Die Nachfragen des Gerichts hätten zu einer Reflexion geführt. An diesem Mittwoch räumte er nun ein, er habe 2009 sehr wohl den Verdacht gehabt, dass es sich bei den Geschäften um genau jene gehandelt hatte, die der Gesetzgeber als missbräuchlich eingestuft hatte. Er habe auch falsche Bestätigungen unterschrieben, die für die Steuererstattungen dringend notwendig waren und so zur Verschleierung der Taten beigetragen. Er habe das alles aus Angst um seine Karriere mitgemacht. "Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Führungsstruktur der Warburg-Gruppe hatte ich die Befürchtung, dass eine Weigerung meinerseits das Ende meiner Karriere bewirkt hätte."

Der Angeklagte gestand, er habe die Augen geschlossen und das Projekt fortgeführt. Durch sein Wirken habe er die Projekte erst ermöglicht. "Ich bedaure zutiefst, dadurch eine steuerliche Voraussetzung für die Durchführung der hier behandelten Transaktionen und den dadurch verursachten, immensen Steuerschaden geschaffen zu haben."

Sichtlich von dem Geständnis überrascht zog sich die Kammer zunächst zurück, um kurz darauf die Sitzung zu vertagen. Richter Zickler beendete den Verhandlungstag mit diesmal lobenden Worten: "Sie haben sich selbst einen der größten Gefallen getan, den ein Mensch sich tun kann."

Der Angeklagte M. wirkt gelöst, ja befreit. 13 Verhandlungstage lang wehrte der 63-jährige Mitarbeiter der Warburg Bank alle Vorwürfe ab, dann vollzog er eine Kehrtwende. Am Tag nach seinem Geständnis beantwortet er fast locker dem Bonner Landgericht und seinen Anklägern alle Fragen.

Seine Aussagen haben Bedeutung weit über seinen eigenen Fall hinaus. M. schützte mit seiner Abwehrhaltung auch die einstige Führungsspitze von M. M. Warburg, allen voran Christian Olearius. Olearius und Max Warburg gehörte der Löwenanteil der Bank, Olearius führte sie viele Jahre als Sprecher der Gesellschafter, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte.

Nun bestätigt M., was die Staatsanwaltschaft ihm und anderen seit Langem vorwarf und die Bank als falsch zurückwies. Unter der Ägide von Olearius beteiligten sich die Bank und deren Investmenttochter Warburg Invest von 2007 bis 2011 an Cum-Ex-Geschäften. Dieser Aktienhandel rund um den Dividendenstichtag zielte darauf ab, sich Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, die vorher gar nicht gezahlt worden waren.

Der Angeklagte M. war lange in verantwortlicher Position bei Warburg Invest. Er war mit zuständig für zwei Fonds, in die reiche Investoren ihr Geld anlegen konnten. Laut Anklage hieß der Fonds 2009 BC German Equity, 2010 war es der Fonds BC German Hedge. Die Profite dieser Fonds stammten aus der Steuerkasse.

„Ich habe mir die damaligen Vorgänge und Ereignisse immer wieder schöngeredet“, sagte M. vor Gericht. Grund sei gewesen, „mein damaliges Handeln vor mir selbst, vor anderen und auch der Justiz gegenüber zu rechtfertigen. Das war falsch.“

Vorwürfe an Olearius

Der "Kronzeuge" M. freilich sieht sich nur als Rad in einem großen Getriebe. Er habe sich von der Führung der Warburg-Bank unter Druck gesetzt gefühlt, erklärte er dem Gericht. „Ich hatte die Befürchtung, dass eine Weigerung meinerseits das Ende meiner Karriere in der Warburg Gruppe bewirkt hätte.“ Mit der Äußerung einer abweichenden Meinung gegenüber den Partnern habe er bereits Jahre zuvor negative Erfahrungen gemacht.

Der Richter wollte genau wissen, wen M. damit meinte. Olearius sei das gewesen, erklärte M. Auf einer Weihnachtsfeier sei ihm sein Chef äußerst kühl begegnet, weil er eine andere Meinung vertreten habe. Solche Situationen habe es häufiger gegeben.

Olearius habe auch den engsten Kontakt zu Steueranwalt Hanno Berger gehalten.

Berger gilt in Ermittlerkreisen als „Spiritus Rector“ der Cum-Ex-Geschäfte und sitzt derzeit in der Schweizer Auslieferungshaft. Auf ihn warten in Deutschland gleich mehrere Anklagen.

Nach Angaben von M. wurde bei der Warburg Bank das Cum-Ex-Projekt auf Anraten von Berger umgesetzt. In der Bank hätten einige Leute Bedenken geäußert, vor allem nach einem Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium im Frühjahr 2009. Selbst Max Warburg habe von „Bauchschmerzen“ gesprochen. Gestoppt wurden die Geschäfte dennoch nicht.

Namhafte Banken machten mit

Und Warburg Invest hatte namhafte Mitstreiter. 

Die Deutsche Bank stellte 2009 für die Geschäfte 742,9 Millionen Euro Fremdkapital zur Verfügung.

Als Depotbank agierte die BHF Asset Servicing, die später von BNY Mellon übernommen wurde. 2010 übernahm Merrill Lynch die Funktion des Fremdkapitalgebers. Depotbank wurde die genossenschaftliche Apotheker- und Ärztebank. „Chaotisch“ nannte M. die Zusammenarbeit mit der Apo-Bank.

Über Vehikel wie Sitara und Maltinvest steckten vermögende Anleger Geld in diese Fonds, auch die Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg und Erwin Müller gehörten zu den Investoren. Zusammen sollen die Beteiligten den Fiskus um rund 109 Millionen Euro geprellt haben.

Die Investoren behaupteten später, sie hätten nichts über die wahre, schädliche Natur der Fonds gewusst.

Auch die beteiligten Banken machten sich gegenseitig Vorwürfe, die Deutsche Bank und Warburg etwa stecken seit geraumer Zeit in einem erbitterten Streit darüber, wer die Folgen ausbaden muss.

 Nun müssen sich viele Akteure vor der Justiz verantworten. Olearius und Warburg sind selbst beschuldigt, weisen aber alle Vorwürfe zurück. Bisher hatten sie Rückendeckung von ihren Untergebenen. Das hat sich jetzt mit der Aussage von M. geändert. Dieser Wandel könnte auch Kanzler Scholz ins Wanken bringen . Nun gibt es ein Geständnis. Ein Sprecher von Olearius wollte die aktuellen Entwicklungen im Strafprozess gegen M. nicht kommentieren.

Beobachter sind sich einig, dass eine Anklage gegen Christian Olearius durch die Kehrtwende von M.  jetzt näher rückt und so auch die Rolle von Olaf Scholz neu bewertet werden muss, der sich  mehrfach mit Oelarius traf. .

Er ist der erste Beschuldigte aus der Riege der Warburg-Banker, der seine Taten einräumt und als falsch bezeichnet.

Der ehemalige Warburg-Generalbevollmächtigte S. – ein enger Vertrauter von Olearius – hatte in seinem Prozess eine Schuld von sich gewiesen. Er wurde trotzdem schon zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Warburg-Manager sind noch angeklagt, ihr Prozess wurde abgetrennt.

Nach dem Geständnis des Angeklagten wird das Landgericht Bonn wahrscheinlich bald ein Urteil fällen. Im ersten Prozess hatte die Kammer zwei britische Aktienhändler zu Bewährungsstrafen verurteilt. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof bereits bestätigt.

Bei seiner Urteilsverkündung ließ der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum kaum Spielraum für alle, die sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligten oder davon profitierten.
 
Die Steuer‧deals seien ohne jede Frage strafbar, sagte Raum. „Es gab hier weder ein legales Steuergestaltungsmodell noch das zulässige Ausnutzen einer Gesetzeslücke.“ Der Cum-Ex-Handel sei ein „blanker Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“.