Linke MdB Sevim Dagdelen benennt richtige Ursachen des Absturzes der Linkspartei

Friedenspolitik schleifen und auf anti-neoliberale Sozialismus-Politik verzichten zu wollen rächt sich

Die  prinzipienlose Anbiederei an eine sich zunehmend neoliberalisierende transatlantische PRO Kriegspartei wie die SPD entpuppt sich als Sargnagel für die parlamentarische Linke.

Im Interview mit der Tageszeitung junge Welt geht Sevim Dagdelen auf den Absturz der LINKEN bei der Bundestagswahl ein:
 
Der war brutal und bitter, hat sich aber auch abgezeichnet.
 
Die Vernachlässigung der sozialen Frage, der Fragen der sozialen Gerechtigkeit und eines starken Sozialstaats durch die alte Parteiführung in den letzten acht Jahren hat unser Vertrauen verspielt bei den Beschäftigten mit niedrigen und normalen Einkommen, bei den Arbeitslosen, bei den Rentnerinnen und Rentnern. Beim Klimaschutz wurde nicht ausreichend deutlich, dass wir die perfide Politik der Preiserhöhungen der Grünen ablehnen. Zugleich war man als Protest gegen die autoritären Zumutungen der Corona-Politik der Bundesregierung nicht vernehmbar. Dazu kommen schwere handwerkliche Fehler im Wahlkampf. Bis zuletzt hatte man im Karl-Liebknecht-Haus die Gefahr, unter die Fünf-Prozent-Hürde zu geraten massiv unterschätzt. Nicht einmal beim Kampf um die aussichtsreichen Direktmandate gab es ausreichend Unterstützung.
 
Auch wenn die Ursachen für die Niederlage tiefer liegen, zur Wahrheit gehört: Es war fatal, den Eindruck zu erwecken, man wolle bedingungslos mitregieren. Statt unsere roten Haltelinien, keine Zustimmung zu Sozialabbau und Krieg zu kommunizieren, war man beschäftigt, Sondierungsteams für Koalitionsverhandlungen zusammenzustellen. Eine „Verhindert Laschet“-Kampagne ohne Kritik an Scholz und Baerbock hat letztlich dazu geführt, dass viele unserer Wählerinnen und Wähler dann gleich SPD und Grüne gewählt haben oder ins Nichtwählerlager abgewandert sind. Die tiefergehenden Ursachen aber sind eine in den letzten acht Jahren organisierte Entfremdung von Beschäftigten und Erwerbslosen. Hier ist der Eindruck entstanden, dass DIE LINKE weder ihre Sprache noch ihre Interessen vertritt. Das ist eine ganz fatale Entwicklung. Es rächt sich, dass man meinte, die klassenpolitische Ansprache durch eine identitätspolitische zunehmend ersetzen zu wollen.
 
Und die Konsequenzen? Es wäre verheerend, die friedenspolitischen Positionen zu schleifen. Wer das, was beim Wahlprogramm noch gescheitert ist, siehe den Riexinger-Kipping-Entwurf mit seinen Relativierungen bei Positionen zu NATO, Auslandseinsätzen und Rüstungsexporten, jetzt nachholen will, setzt die Existenz der Partei aufs Spiel. Das wäre dann der Weg in den Abgrund.
Mit dem Versuch, die Wahlniederlage am Abstimmungsverhalten der Linksfraktion zu Afghanistan zu begründen, soll von eigener Verantwortung an dem Desaster in hervorgehobenen Positionen der Partei und Fraktion abgelenkt werden. Es ist erschreckend, dass hier eine konsequente Friedenspolitik, mit der DIE LINKE in den Wahlkämpfen 2009 und 2013 und 2017 so erfolgreich war, jetzt offenbar als Belastung empfunden wird. Wer weiter darauf setzt, eigene zentrale Forderungen aufzuweichen, kann nicht glaubwürdig dafür werben, warum die Wähler ein Kreuz bei der Linken und nicht bei einer anderen Partei machen sollen.
Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Grüne und FDP als gemeinsamer Block auftreten werden. Gegen den so genannten progressiven Neoliberalismus braucht es mehr denn je eine soziale Opposition, die Friedenspartei bleibt und wieder Protest- und Kümmererpartei für soziale Interessen wird.