Stasi 2.0 - Messengerdienst - BKA kann bei WhatsApp mitlesen

Verfassungsschutz soll offiziell Staatstrojaner bekommen - Inoffiziell wird die Praxis längst stattfinden

Verschlüsselte Kommunikation stellte die Sicherheitsbehörden bisher angeblich vor große Probleme.

Nach Recherchen von WDR und BR kann das BKA jedoch längst Chats über WhatsApp mitlesen - über eine reguläre Funktion.

Nur mit einem sehr großen Aufwand, etwa dem Einsatz von staatlicher Spionagesoftware, dem sogenannten "Staatstrojaner", können verschlüsselte Chats von Kriminellen überwacht werden - so hieß es bislang von Seiten der Sicherheitsbehörden. Eine Überwachung von Kommunikation über Messengerdienste wie WhatsApp sei eine der größten Herausforderungen für Strafverfolger. Da die Anbieter der Programme den Behörden kein heimliches Mitlesen erlauben, sei man faktisch gezwungen, Spähsoftware einzusetzen.

Nach Recherchen von BR und WDR ist das Bundeskriminalamt (BKA) jedoch schon seit einigen Jahren in der Lage, Kommunikation über WhatsApp zu überwachen - auch ohne Überwachungssoftware auf dem Handy der Zielperson installieren zu müssen.

Reguläre WhatsApp-Funktion verwendet

Demnach hat offenbar das BKA-Referat "Informationstechnische Überwachung" (OE 24) einen Weg gefunden, an verschlüsselte WhatsApp-Chats zu kommen. "Das BKA verfügt über eine Methode, die es ermöglichen kann, Text, Video-, Bild- und Sprachkurznachrichten aus einem WhatsApp-Konto in Echtzeit nachzuvollziehen", heißt es dazu in einem internen Schreiben der Polizeibehörde. Auch die WhatsApp-Kontakte einer Zielperson könnten auf diese Weise "bekannt gemacht werden".

Offenbar nutzen die Ermittler dafür die Möglichkeit, dass WhatsApp auch über den Internetbrowser gesteuert werden kann. Diese Funktion nennt sich "WhatsApp Web". Es handelt sich um eine reguläre Funktion, wie die Ermittler in ihrem Schreiben betonen. Um eine solche Maßnahme durchführen zu können, müssen die Strafverfolger jedoch kurzzeitig Zugriff auf das Mobiltelefon der Zielperson haben, um dann die Chats mit der WhatsApp-Browser-Version zu synchronisieren. Erst dann können die Ermittler unbemerkt mitlesen.

Der Anis Amri-Kontakt wurde  so überwacht - Man  war  also dran oder steuerte ihn sogar - worauf es ebenfalls Hinweise gibt

Hinweise auf diese Überwachungsmethode liefern Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen den Terrorverdächtigen Magomed-Ali C., einen kaukasischen Islamisten und Bekannten des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri.

C. soll gemeinsam mit Amri und einem französischen Extremisten eine Serie von Bombenanschlägen geplant haben. Anfang des Jahres wurde er wegen Vorbereitung einer "schweren staatsgefährdenden Gewalttat" vom Berliner Kammergericht zu fünf Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt.

Nach Amris Attentat ermittelte das BKA gegen Magomed-Ali C., da befürchtet wurde, der Islamist könnte ebenfalls einen Terroranschlag verüben. Im Zuge dessen schlugen die Ermittler vor, auch die WhatsApp-Kommunikation des Kaukasiers zu überwachen. "Die dargestellte Maßnahme der WhatsApp-Überwachung ist unter bestimmten Voraussetzungen technisch möglich", heißt es dazu in einem Vermerk des BKA vom 30. Juli 2018.

Nach Auffassung des BKA handelt es sich bei dieser Methode um eine Überwachung gemäß Paragraf 100a Strafprozessordnung - also der regulären Telekommunikationsüberwachung mit richterlicher Anordnung. Obwohl dabei auch umfassend Chatverläufe mitgelesen werden können, sei dies keine Überwachung wie etwa durch den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners.

Die Linken-Abgeordnete hält die Forderungen des BKA nach mehr Zugriffsrechten auf Messenger für fragwürdig.

Methode kaum eingesetzt

Auf Anfrage teilt das BKA mit, dass man "zu technischen bzw. operativen Ermittlungsfähigkeiten (...) beispielsweise im Bereich der informationstechnischen Überwachung, grundsätzlich keine detaillierten öffentlichen Auskünfte" erteile. Aus Sicherheitskreisen heißt es, die Methode zur WhatsApp-Überwachung werde durch das BKA bislang kaum eingesetzt. Sie sei nur mit einem vergleichbar hohen Aufwand umzusetzen und daher für viele Ermittlungsverfahren nicht praktikabel.

Im Rahmen der Terrorabwehr könne eine Überwachung von Messengerdiensten nach richterlicher Anordnung durchaus gerechtfertigt sein, meint die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. "Aber wenn das BKA an dieser Stelle wirklich Fertigkeiten hat und einsetzt, dann verstehe ich nicht, wieso bei jedem Sachverhalt in der politischen Arena geschrien wird, dass man endlich in der Lage sein muss, bei WhatsApp mitlesen zu können", so Renner. "Das ist ja dann Augenwischerei."

Verfassungsschutz soll  offiziell Staatstrojaner bekommen - Inoffiziell wird die Praxis längst stattfinden 

Seit einigen Jahren verweisen Sicherheitsbehörden und das Bundesinnenministerium darauf, dass die Überwachung von Kommunikationskanälen wie WhatsApp für Ermittler möglich sein muss, um schwere Straftaten aufklären zu können. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür wurden bereits geschaffen. Seit der Reform der Strafprozessordnung im Sommer 2017 ist es dem BKA und der Bundespolizei erlaubt, den sogenannten "Staatstrojaner"  offiziell als Spionage-Werkzeug einzusetzen, um Überwachungsmaßnahmen durchzuführen.

Ähnliche Befugnisse soll auch der Verfassungsschutz erhalten, um terroristische Gefahren aufklären zu können. So sieht es eine Novellierung des Verfassungsschutz-Gesetzes auf Bundesebene vor, die nach der politischen Sommerpause beschlossen werden soll.

Seit den Snowden-Enthüllungen wissen wir zudem, dass der USA Geheimdienst NSA praktisch jedes Telefonat hierzulande abhören kann - auch die Gespräche der Kanzlerin. Die Whatsapp Enthüllung ist also nur die Spitze des Eisberges.  

Die NSA kann nach späteren Enthüllungen massenhaft Handy-Gespräche abhören. Dabei nutze der US-Geheimdienst aus, dass die rund 30 Jahre alte Verschlüsselung des Mobilfunk-Standards GSM geknackt sei, schrieb die „Washington Post“ seinerzeit unter Berufung auf Unterlagen des Informanten Edward Snowden. Mit dieser Fähigkeit dürften auch die Gespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden sein.

Experten warnen schon seit langem, dass der Schutzmechanismus des vor allem in Europa verbreiteten GSM-Standards durchbrochen ist. https://www.handelsblatt.com/politik/international/snowden-dokumente-nsa-kann-auf-breiter-front-handys-abhoeren/9218344.html?ticket=ST-8304832-GlLQuN2bViSzES2QWuVT-ap3. In welchem Ausmaß genau die NSA ihre Fähigkeit zum Abhören der Handy-Gespräche ausnutze, gehe aus Snowdens Unterlagen nicht hervor, schränkte die „Washington Post“ ein. Experten warnten, dass der US-Geheimdienst wahrscheinlich auch neuere Varianten der Verschlüsselung knacken könne.