Der heutige Unternehmer war zu jener Zeit mit seiner Firma Spitzberg Partners als Berater für den Zahlungsdienstleister Wirecard tätig.
Der Konzern aus Aschheim bei München galt damals noch als Deutschlands aufstrebendes Fintech-Unternehmen.
Und was Guttenberg seiner ehemaligen Chefin an jenem 3. September berichtete, muss sie überzeugt haben.
Doch Merkel hätte es besser wissen können. Bereits im Januar 2019 war der Börsenkurs von Wirecard massiv eingestürzt. Am Mittwoch, 30. Januar brach die Wirecard-Aktie nachmittags schlagartig um rund 21 Prozent ein. Grund war ein kritischer Bericht in der Online-Ausgabe der "Financial Times" über den Zahlungsabwickler. Demnach habe ein hochrangiger Manager in Singapur im vergangenen Jahr womöglich Verträge gefälscht und Geldwäsche betrieben. Die Zeitung bezog sich auf eine von ihr eingesehene interne Präsentation, die sich mit zweifelhaften Geldströmen beschäftigt haben soll. Kein Grund für die ignorante Lobbyistin Merkel sich nicht für Wirecard einzusetzen.
Denn Guttenberg durfte anschließend Merkels Abteilungsleiter für Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik, Lars-Hendrik Röller, über den "beabsichtigten Markteintritt von Wirecard in China unter Beifügung eines Kurzsachstandes unterrichten".
Außerdem bat Guttenberg um "Flankierung im Rahmen der China-Reise". Dies erklärte das Kanzleramt am Freitagnachmittag auf Anfrage des SPIEGEL.
Das Werben Guttenbergs hatte Erfolg, wie eine Regierungssprecherin einräumt: "Herr Röller hat Herrn zu Guttenberg nach der Reise am 8. September 2019 per E-Mail geantwortet, dass das Thema bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen ist und weitere Flankierung zugesagt." Wer Wirecards geplanten China-Deal ansprach, ob Merkel persönlich oder ihre Entourage, ließ das Bundeskanzleramt bislang offen.
Die Firma, bei der Wirecard dann tatsächlich Ende des Jahres in China einstieg, ist ein skandalumwittertes Unternehmen ist: Allein 2020 musste AllScore Payment Services in China eine Rekordstrafe wegen Verflechtungen in die Glücksspielbranche zahlen.
Bislang steht in Berlin vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Affäre um die Skandalfirma Wirecard im Fokus. Im Februar 2019 ließ sich der Vizekanzler über die Vorwürfe, die es damals schon gegen Wirecard gab, das erste Mal informieren.
Er bekam zu hören, dass die Bankenaufsicht Bafin in alle Richtungen ermittele, auch gegen Mitarbeiter von Wirecard. In jener Zeit standen bereits Vorwürfe über Bilanztricks, Marktmanipulation und Geldwäsche im Raum. Mehrere Male hatte die Bankenaufsicht Bafin daraufhin eine Sonderuntersuchung vorgenommen. Allerdings verließ sie sich auf das Testat der Wirtschaftsprüfer von EY, die in der Buchhaltung von Wirecard bis dahin keine Unregelmäßigkeiten erkennen konnten.
Merkel war nicht das einzige hochrangige Regierungsmitglied, bei dem Guttenberg um Unterstützung bat. Im Zuge des China-Geschäfts von Wirecard wurde er auch im Finanzministerium von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) vorstellig. Ebenfalls mit Erfolg: Auf Anfrage des SPIEGEL erklärte das Finanzministerium, dass Staatssekretär Wolfgang Schmidt im Juni 2019 "seinen chinesischen Counterpart, Vize-Minister Liao Min im Ministry of Finance, über das Interesse von Wirecard am Markteintritt informiert" habe.
Im November 2019 verkündete Wirecard den Einstieg bei AllScore, der wenige Monate später auch vollzogen wurde.
In jener Zeit wurde es bereits eng für das bayerische Unternehmen: Damals begannen die Wirtschaftsprüfer von KPMG eine Sonderprüfung, an deren Ende im April dieses Jahres die verheerende Aussage stand, dass für mehr als eine Milliarde Euro an vermeintlichen Sicherheiten keine ausreichenden Belege vorlägen. Rund zwei Monate später ging Wirecard pleite.
Am 26. Juni, einen Tag, nachdem Wirecard angekündigte hatte, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, meldete sich Angela Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert zu Wort. Ziel müsse es jetzt sein, Schaden vom Finanzplatz abzuwenden und Schwächen zu beheben, erklärte Seibert. Die zuständigen Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Justiz sollten regulatorische Fragen überprüfen. Der Fall Wirecard sei "besorgniserregend".
Vorher kam es zum panischen Absturz der Wirecard Aktie bis auf 1 €uro . Scheingeschäfte in Milliardenumfang bei einem Dax-Konzern waren bis dahin undenkbar. Wirecard räumte dann aber ein, dass es sich bei den vermissten 1,9 Milliarden Euro sehr wahrscheinlich um Luftbuchungen handelte, die sich eben nicht wie behauptet bei einer Bank als Anlage oder Sicherheit in Asien befunden hatte. . Die Börsianer reagieren dementsprechend panisch, die Aktie verlor rasant an Wert.
Deshalb bekommt Wirecard auch kein Testat für die Jahreszahlen 2019. Damit scheint ein Milliardenbetrug offensichtlich. An der Börse wurden die Nachrichten mit Schrecken aufgenommen.
Das Wirecard-Papier stürzte in den ersten Handelsminuten dann erneut ab. Nach dem Börsenstart büßte die Aktie zwischenzeitlich erneut fast weitere 50 Prozent auf rund 13 Euro ein. Dann ging es später wie gesagt noch weiter nach unten.
Damit knüpften die Wirecard-Anteile nahtlos an die immensen Verluste der vergangenen beiden Handelstage an. Der Börsenwert brach bereits am Donnerstag und Freitag um insgesamt 75 Prozent auf etwas mehr als drei Milliarden Euro ein, nachdem Wirecard eingestehen musste, dass der Konzern 1,9 Milliarden Euro nicht auffinden kann.
Die Banken drehten Wirecard dann den Geldhahn ab. Es kam zur Insolvenz.
Schon vor geraumer Zeit hatte die " Financial Times" immer wieder über Unregelmässigkeiten des Konzerns berichtet. Die Bundesregierung versuchte die Skandale immer wieder auszusitzen. Wenig überzeugende Dementis wurden immer wieder als Beruhigungspille ausgegeben und die Kanzlerin Merkel schwieg.