Zehntausende demonstrieren in Berlin gegen Rassismus und Polizeigewalt

Hamburg, Berlin, München: In rund 20 deutschen Städten haben Zehntausende Menschen gegen Rassismus protestiert

In Berlin und Hamburg kam es zu Ausschreitungen

Nach der Ermordung  des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten  infolge eines brutalen Polizeieinsatzes in den USA haben auch in Deutschland am Samstag Zehntausende Menschen gegen Rassismus und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe demonstriert. Afrodeutsche Initiativen hatten in rund 20 Städten zu den Protesten unter dem Motto „Silent Demo“ aufgerufen.

Auf Twitter ist zu sehen, wie die Polizei mit Wasserwerfern gegen friedliche Demonstranten vorgeht.

Der Alexanderplatz ist voll“, schrieb die Berliner Polizei im Internetdienst Twitter. Mindestens 15000 Teilnehmer sprengten den Rahmen.   Eindringlich wurde am Nachmittag dazu aufgerufen, nicht mehr dorthin zu kommen. Um durch mehr Ausweichplätze Abstände zwischen den Teilnehmern zu ermöglichen, sperrte die Polizei mehrere umliegende Straßen komplett ab.

Viele der Demonstranten hatten sich demonstrativ dunkel gekleidet. Man wolle still und schweigend („silent“) an den Tod von Floyd erinnern, hieß es im Vorfeld. Auf Plakaten, die vielfach in Englisch verfasst waren, war neben dem Motto „Black Lives Matter“ (Schwarze Leben zählen) unter anderem zu lesen: „Rassismus tötet“, „Zusammen gegen Rassismus“, „Rassismus ist eine Pandemie“, „Wir können nicht schweigen“ und „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“ (No justice, no peace).

Zum Abend hin kippte in Berlin dann die Stimmung. Gegen 18 Uhr twitterte die Polizei, dass Beamte mit Flaschen und Steinen angegriffen worden sind. „Es gab vereinzelt verletzte Kollegen und diverse Festnahmen.“  Die Polizei berichtet von 93 Festnahmen und 28 verletzten Polizisten. Mit rund 800 Militanten und einem Hubschrauber war die Polizei am Sonnabend im Einsatz. Die partielle Brutalität der Polizeikräfte provozierte versuchte Gefangenenbefreiungen durch  wehrhafte Demonstranten. 

Nachdem die Polizei jahrelaqng ein Vermummungverbot für gewaltsame Interventionen  und Einschreitungen nutzte, achtet die Polizei in diesen Tagen eher auf ein Vermummungsgebot, wobei Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregeln, die wegen der grossen dichte der Demonstranten  garnicht eingehalten werden konnten,  eher angemahnt wurden. 

Nach der friedlich verlaufenen Demonstration auf dem Alexanderplatz, die zwar störungsfrei verlaufen sei, aber wegen der großen Menschenmenge vorzeitig  einfach von der Polizei vorzeitig beendet wurde,  war es laut Polizei  deshalb zu einem Gewaltausbruch mit mehreren hundert Personen in der Dircksenstraße zwischen dem Bahnhof Alexanderplatz und dem Berolinahaus gekommen. Polizisten und Passanten seien  angeblich aus einer größeren Gruppe heraus mit Steine und Flaschen beworfen worden, nachdem ein Mann festgenommen worden sei. Danach versammelten sich mehrere hundert Menschen am Alexanderplatz und kesselten dabei auch Polizisten ein.

Jakob Augstein äusserte in einem TV Format mit dem  einstigen Springer-Mitarbeiter Blome Verständnis für Gewaltausbrüche von Demonstranten in den USA, die seit Jahrzehnten diskriminiert werden.  

Die Polizei in Frankfurt wies ebenfalls darauf hin, dass die rund 8000 Teilnehmer der Proteste durchaus versucht hätten, Infektionsgefahren durch Abstandhalten und das Tragen von Schutzmasken zu verringern. Gleichwohl war das Gedränge auch hier teilweise groß. Nicht mal eine Stunde nach dem Beginn der Kundgebung sei der Römerplatz bereits voll gewesen, teilte ein Sprecher der Polizei mit. „Wir haben ein hohes Personenaufkommen.“ Weitere Teilnehmer könnten deshalb auf den nahe gelegenen Paulsplatz ausweichen.

Rund 25.000 Menschen zählte die Polizei in München. Die Zahl der Teilnehmer sei im Verlauf der Veranstaltung immer weiter angestiegen, berichtete ein Polizeisprecher. Anfangs waren zunächst 7000 Demonstranten am Münchner Königsplatz von der Polizei gezählt worden. Angemeldet waren 200 Menschen.

Geplant war von den Veranstaltern eigentlich ein stiller Protest. Tatsächlich waren vielerorts aber auch laute Protestrufe gegen Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung zu hören. Ein Kernpunkt der Kundgebungen war jeweils eine Schweigephase von acht Minuten und 46 Sekunden – ein Hinweis auf die Zeit, in der George Floyd von einem weißen Polizisten am 25. Mai in Minneapolis die Luft abgedrückt worden war, bis er starb.

Der Beamte hatte dem 46-Jährigen bei seiner Festnahme minutenlang das Knie auf den Nacken gedrückt, obwohl Floyd wiederholt sagte, er bekomme keine Luft mehr. Floyds Tod löste in den USA landesweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic forderte auch von der deutschen Polizei mehr Sensibilität für rassistische Diskriminierung, etwa durch antirassistische Trainings. Konkret wandte sich die frühere Polizistin in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland gegen das sogenannte Racial Profiling, bei dem verstärkt oder ausschließlich Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund von der Polizei kontrolliert werden.

Am Samstag fanden außer in Deutschland auch weltweit in zahlreichen Städten Proteste statt.

"Zehntausende Demonstranten zeigen überall in Europa Solidarität, twitterte SPD-Chefin Saskia Esken. Es sei wichtig, dass heute so viele Menschen in Deutschland auf die Straße gehen, schrieb Ex-Grünenchef Cem Özdemir in dem Internetdienst. "Ihr macht mir Hoffnung, dass wir als Gesellschaft stärker sein können als der Hass und dass wir Rassismus gemeinsam bekämpfen."