Operation Rubikon – Die wichtigste Spionageoperation der Geschichte? Wie der BND und die CIA die ganze Welt belauschten

IZ History  CIA BND Operation Crypto/ Minerva 

USA und D hören weltweit Länder ab.

Ausgerechnet eine Verschlüsselungstechnologie, die  die Diplomatie und Militärs vieler Länder schützen  sollte, benutzten CIA und BND zur weltweiten Spionage - nachdem Hintertüren in die durch CIA und BND heimlich aufgekaufte Aktiengesellschaft "Crypto" Abzapf-Technologie eingebaut worden war.  So hörten insbesondere USA und Deutschland weltweit mit und zwar in einem Ausmaß, das selbst das  Stasi-Spionagenetzwerk der ehemaligen DDR weit in den Schatten stellte.  Allerdings knackte die Stasi der DDR  ab 1980 diese Spionage-Maschinerie der kapitalistischen Welt. Cubaner sollen auch in der Lage gewesen sein, die Technologie zu entlarven. 

Auch die Türkei konnte vom Osten so abgehört werden und somit die Nato von der Sowjetunion angezapft werden. 

Sein ganzes Leben widmete Boris Hagelin der Kunst der Verschlüsselung (Kryptografie).

Seine bewegte Biografie brachte ihn von seinem Geburtsort in den Weiten des Russischen Kaiserreichs über Schweden, Norwegen und den USA schließlich in die Schweiz. Dort gründete er 1952 die Crypto AG, die innerhalb kürzester Zeit zum weltweiten Marktführer für Verschlüsselungsmaschinen aufsteigen sollte. Auch das Deutsche Spionagemuseum zeigt einige seiner frühen Chiffriermaschinen, wie die Hagelin C-446, die Hagelin CX-52/B-52 und die Hagelin CD-57, in seiner Dauerausstellung. Fast alle Staaten kauften in der neutralen Schweiz ihre Chiffriermaschinen, um den geheimen Kommunikationsverkehr zwischen Ministerien und Behörden, Regierung und Botschaften sicher zu machen. Sie alle sollten ausgetrickst werden.

Laut CIA der Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts

Denn 1970 bekam die Crypto AG einen neuen Eigentümer, genau genommen sogar zwei: den westdeutschen Auslandsnachrichtendienst BND und die amerikanische CIA. Über eine Scheinfirma in Lichtenstein erwarben beide jeweils 50 % der Crypto AG. Fortan steuerten sie die Geschicke der Firma, machten allein im Jahr 1975 stattliche 51 Millionen Schweizer Franken Profit, den sie anschließend in andere Operationen investierten. Hintertüren in den Verschlüsselungsmechanismen der Crypto AG-Maschinen erlaubten es den Geheimdiensten, fortan in die Kommunikation der Nutzer „einbrechen“ zu können. Die CIA nannte es später ganz unbescheiden „den Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts“. Der BND-Deckname der Operation war „Rubikon“, die CIA nannte sie „Minerva“, über Jahrzehnte ein streng gehütetes Geheimnis.

Heute enthüllten internationale Recherchen des ZDF, der Washington Post und dem Schweizer Rundfunk die Operation „Rubikon“. Grundlage der Recherchen waren interne Berichte der historischen Dienste von CIA und BND aus den Jahren 2004 und 2008. Zahlreiche Beteiligte äußerten sich jetzt erstmals vor der Kamera. Dabei kam auch heraus: Nicht einmal die rund 200 Mitarbeiter der Crypto AG wussten, dass sie für Geheimdienste arbeiteten, nur wenige Führungskräfte waren eingeweiht.

Weltweite Abhöraktion gegen 68 Länder

In den 1980er-Jahren war die Crypto AG für rund 40 % aller Verschlüsselungsmaschinen auf der Welt verantwortlich. In bis zu 120 Länder exportierten die Schweizer ihre Geräte. Mindestens 68 wurden von CIA und BND überwacht, darunter vor allem Staaten in Südamerika, Afrika, der arabischen Welt, aber auch der Vatikan. 1989 zum Beispiel, als die USA in Panama militärisch intervenieren, wissen sie dank der Operation „Minerva“, dass sich der gesuchte Diktator Manuel Noriega, der selbst über Jahre mit der CIA kooperierte, in der vatikanischen Botschaft in Panama Stadt aufhielt.

Am 5. April 1986 explodiert eine Bombe im bei US-Soldaten beliebten West-Berliner Club „La Belle“, drei Menschen sterben, über 200 werden verletzt. Nur einen Tag später verkündet US-Präsident Ronald Reagan öffentlich, dass die USA zweifelsfreie Beweise dafür haben, dass das lybische Regime unter Muhamad Gaddafi dahintersteckte. Auch diese Erkenntnis geht auf Kommunikation zurück, die CIA und BND in der Operation „Rubikon“/ „Minerva“ abhörten. So kam der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer zu dem Schluss, „Rubikon“ habe dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben sei.

Diese Bewertung ist sicher nur ein Teil der Wahrheit. Denn die Liste der Länder, deren Kommunikation durch die Operation „Rubikon“/ „Minerva“ mitgehört werden konnte, beinhaltet auch zahlreiche Diktaturen. Ob und wie die Geheimdienste hier über Menschenrechtsverletzungen, Massenmorde oder bevorstehende Umstürze informierten, ist nur teilweise unbekannt. Klar hingegen ist, dass weder die Bundesrepublik noch die USA zum Beispiel gegen das Pinochet-Regime aktiv wurden.

Ebenso wurde beispielsweise durch die SPD Regierung Schmidt die Militärdiktatur in Argentinien jahrelang als Partner hofiert und so unterstützt. 

Spionage auch gegen verbündete Staaten

Zu den Kunden der Crypto AG gehörten auch EU- und NATO-Mitgliedsstaaten wie Griechenland, Spanien, Italien oder Irland. Vor allem die CIA drang immer wieder darauf, mit „Verbündeten so umgehen, wie sie mit Drittweltstaaten umgehen“. Immer wieder kam es zum Streit darüber, denn offenbar wollte der BND die Grenze zur offenen Spionage gegen Verbündete nicht (so weit ?) überschreiten. Der vielgescholtene BND protestierte bei der CIA gegen ein „spying on friends“ – auch dies eine der vielen Schlagzeilen der „Rubikon“/ „Minerva“.

1993 dann beendete der die BND die Partnerschaft und verkaufte der CIA seine 50 % der Firma. Auslöser war die sogenannte Affäre „Hydra“: 1992 war der schweizer Vertreter der Crypto AG Hans Bühler im Iran festgenommen und wegen Spionage unter widrigen Umständen eingesperrt worden. Erst neun Monate und mindestens eine Million DM später kam er frei. Bühler hatte, wie die meisten Angestellten der Crypto AG, keine Ahnung davon, dass er für BND und CIA arbeitete. Dies interessierte das Regime in Teheran, das seit langem zu den Kunden der Crypto AG gehörte und Verdacht geschöpft hatte, wenig. Für den BND und die Bundesregierung wurde Bühler und die Affäre „Hydra“ zum Anlass, die Partnerschaft zu beenden.

Operation Rubikon – Erfolg oder Skandal?

Die Operation „Rubikon“ des BND hatte viele Facetten. Die CIA sprach vom „Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts“, der Geheimdienstforscher Prof. Richard Aldrich, Experte für die ZDF-Dokumentation und Partner des Deutschen Spionagemuseums, nannte es eine der kühnsten und auch skandalträchtigsten Operationen. Terroranschläge wie der auf die Berliner „La Belle“ konnten so aufgeklärt werden, gleichzeitig wurden verbündete Staaten abgehört; Informationen über Diktaturen wurden entweder nicht weitergeleitet oder aber von der bundesdeutschen und der US-Regierung nicht verwendet. Zahlreiche Staaten gaben ein Vermögen für sichere Kommunikation aus – und wurden getäuscht. Dies sind das Geschäft und die Aufgabe von Nachrichtendiensten, die Grenzen zwischen Erfolg und Skandal verlaufen manchmal fließend.

Die Übernahme der Crypto AG durch BND und CIA fand über 40 Jahre vor den Enthüllungen Edward Snowdens statt. Lange vor dem Aufstieg des 

Internets und der Smartphones schufen sich BND und CIA Hintertüren in der weltweiten Kommunikationstechnologie. Im Gegensatz zur modernen Kommunikationsüberwachung von NSA und Co. zielte „Rubikon“/ „Minerva“ allerdings nur auf staatliche Einrichtungen. Und sie zeigte, dass der oft als Gurkentruppe geschmähte BND offenbar aktiver war als ihm viele Beobachter zugetraut hätten.

Ihre Beteiligung an der Crypto AG aufgegeben hat die CIA übrigens erst im Jahr 2018. Wieder verdiente sie mindestens 50 Millionen Dollar an dem Verkauf. Und erst im Februar 2020, nach der Veröffentlichung der Recherchen zu „Rubikon“ / „Minerva“ liefen in der Schweiz offizielle Ermittlungen an. Der BND-/CIA-Hintergrund der Crypto AG war den Schweizer Behörden freilich schon lange bekannt. Dies galt übrigens auch für das Vereinigte Königreich, Israel und Frankreich. Die französischen Geheimdienste wollten bereits 1967 zusammen mit ihren Kollegen vom BND die Crypto AG übernehmen. Doch der alte Hagelein sagte ab. Die einzigen, die niemals bei der Crypto AG einkaufen gingen, waren übrigens China und die Sowjetunion. Sie wussten, wieso…

Auch an der Operation Condor 1 beteiligte  diktatorische Länder nutzten Geräte der Crypto AG, ohne angeblich  zu wissen, dass die CIA Eigentümerin dieser Firma ist. Dies enthüllen Dokumente des National Security Archive. Offengelegte Verschlüsselungen werfen Fragen auf zum offiziellen Wissen der USA über die Gräueltaten beim "schmutzigen Krieg" in Argentinien, über die Ermordung des chilenischen Politikers Letelier 2 und die Militärdiktaturen in Südamerika. 

Washington, 11. Februar 2020. Die US-Geheimdienste überwachten jahrzehntelang aktiv die diplomatische und militärische Kommunikation zahlreicher lateinamerikanischer Nationen mit Hilfe von Verschlüsselungsgeräten einer Schweizer Firma, die sich insgeheim im Besitz der Auslandsgeheimdienste der USA (Central Intelligence Agency, CIA) und der Bundesrepublik Deutschland (Bundesnachrichtendienst, BND) befand. Dies geht aus Berichten des ZDF und der Washington Post vom 11. Februar hervor.

Aus freigegebenen und vom National Security Archive 3 veröffentlichten Dokumenten geht hervor, dass sich unter den heimlich überwachten Ländern Militärregime der Operation Condor befanden (angeführt von Chile, Argentinien und Uruguay), die  als pro westliche Diktaturen regionale und internationale Repressions- und Terrorakte gegen führende Oppositionelle verübten.

Die Veröffentlichung zeigt, dass die Kommunikation der Operation Condor (das Netzwerk der Militärregimes des Südkegels, die Mitte und Ende der 1970er Jahre Oppositionelle weltweit ins Visier nahmen, um sie zu liquidieren) auf Chiffriergeräten der CIA-eigenen Schweizer Firma Crypto AG abgewickelt wurde, ohne dass die Beteiligten wussten, dass die USA möglicherweise mitlasen.

Minerva

Die Berichte des ZDF und der Washington Post mit dem Titel "Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts: Über Jahrzehnte las die CIA die verschlüsselte Kommunikation von Verbündeten und Gegnern" beruhen auf vertraulichen internen Aufzeichnungen von CIA und BND, die ihre Partnerschaft beim heimlichen Kauf der Crypto AG, dem führende Hersteller von Chiffriergeräten der 1970er Jahre, detailliert beschreiben.

Das Unternehmen, das in den 1930er Jahren vom schwedischen Erfinder Boris Hagelin gegründet wurde, hatte bereits seit Anfang der 1950er Jahre ein "Gentlemen's Understanding" mit der Nationalen Sicherheitsbehörde (National Security Agency, NSA), wie aus dem Washington Post-Bericht hervorgeht. Aber erst durch die geheimgehaltenen CIA/BND-Inbesitznahme konnten die USA und Deutschland laut der Zeitung "die Geräte des Unternehmens so einrichten, dass sie die Codes leicht knacken konnten, die die Länder zur Nachrichtenverschlüsselung benutzten". Das führte dann zu einer Flut von Lauschaktivitäten in Ländern auf der ganzen Welt, unter anderem im Iran, Ägypten, Pakistan, Saudi-Arabien und Italien. 1995 kaufte der CIA heimlich die BND-Beteiligung für 17 Millionen US-Dollar und besaß die Crypto AG damit komplett, bis vor zwei Jahren die restlichen Vermögenswerte schließlich liquidiert wurden.

Laut den von Washington Post und ZDF zitierten internen Aufzeichnungen wurde die verdeckte Geheimdienstoperation zunächst unter dem Codenamen "Thesaurus" geführt und später in "Rubikon" geändert. Der Deckname der Crypto AG war "Minerva".

In ihrer Blütezeit verkaufte die Crypto AG Tausende hoch entwickelte Chiffriergeräte an über hundert nichts ahnende Länder. In Lateinamerika gehörten Mexiko, Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay, Peru, Kolumbien, Venezuela und Nicaragua zu den Kunden. Der Einsatz dieser Geräte ermöglichte es CIA und NSA, Tausende Nachrichten zu entschlüsseln, die potentiell eine Vielzahl dramatischer historischer Ereignisse betrafen: darunter den Militärputsch in Chile 1973; den Militärputsch in Argentinien 1976; den Autobombenanschlag auf Orlando Letelier und Ronni Moffitt in Washington im September 1976; den terroristischen Bombenanschlag auf ein kubanisches Flugzeug vor der Küste von Barbados im Oktober 1976; die sandinistische Revolution und den Contra-Krieg in Nicaragua, den die argentinischen Sicherheitskräfte verdeckt unterstützten, und den Falklandkrieg 1982 zwischen Argentinien und Großbritannien und viele weitere.

Da die Condor-Nationen ihr gesamtes geheimes Kommunikationsnetzwerk um die Maschinen von Crypto AG herum aufbauten, waren die US-Geheimdienste auch in der Lage, Pläne und Einsätze des Plan Condor zu überwachen, einschließlich zahlreicher Mordanschläge in der Region, in Europa und in den USA.

Die ursprünglichen Mitteilungen und die daraus generierten Geheimdienstberichte, zu denen Washington Post und ZDF keinen Zugang hatten, sind eine Fundgrube von noch immer geheimem Archivmaterialien. Sie könnten die dunkle Geschichte der Region erheblich erhellen und ebenso die Frage, was die USA über die dortigen Machenschaften wussten und wann sie es wussten. Und was die US-Beamten mit diesem Wissen taten oder nicht taten. "Die Enthüllungen in den Dokumenten können Anlass sein, erneut zu prüfen, ob die USA in der Lage waren, in internationale Gräueltaten einzugreifen oder sie zumindest aufzudecken", schreibt die Washington Post, ohne Hinweise auf die Operation Condor, "und ob sie sich manchmal möglicherweise dagegen entschieden, um ihren Zugriff auf weitere Geheimdienstinformationen nicht zu verlieren".

Condortel

Die Operation Condor war eine formelle Vereinbarung zwischen den Militärdiktaturen der Südhalbkugel Amerikas zur Koordinierung repressiver Operationen, einschließlich Mordanschläge gegen militante und zivile  insbesondere linke und marxistische Gegner. Bei der Eröffnungssitzung, die vom Pinochet-Regime im November 1975 in Santiago, Chile, ausgerichtet wurde, unterzeichneten Militärs aus fünf Militärdiktaturen ein Abkommen, in dem es hieß, dass die Mitgliedsländer ein "Kryptosystem einsetzen werden, welches ihnen innerhalb der nächsten 30 Tage zur Verfügung stehen wird, aber noch verwundbar sein könnte. Es wird in Zukunft durch Kryptomaschinen ersetzt, die gemeinsam ausgewählt werden". Nach dem zweiten Condor-Treffen im Juni 1976 berichtete die CIA: "Brasilien erklärte sich bereit, die Ausrüstung für das 'Condortel'-Kommunikationsnetz der Gruppe bereitzustellen."

Diese "Ausrüstung", so zeigen die Dokumente, kam von der Crypto AG.

In einem stark redigierten Geheimdienstkabel von Anfang 1977 über das "Kommunikationssystem der Condor-Organisation" berichteten CIA-Agenten, dass das brasilianische Militär das Condor-Netz mit Hagelin-Chiffriergeräten ausgestattet habe. "Das von Condor eingesetzte Verschlüsselungssystem ist ein manuelles Maschinensystem schweizerischen Ursprungs, das allen Condor-Ländern von den Brasilianern zur Verfügung gestellt wurde und die Bezeichnung CX52 trägt." Die CIA beschrieb das Aussehen des Geräts als "ähnlich einer alten Registrierkasse, die Nummern, Schiebegriffe und eine manuell zu betätigende Wählscheibe auf der Seite hat, die nach jeder Eingabe gedreht wird".

Ende 1977 wurde das Condortel-Netzwerk mit neueren Chiffriergeräten aufgerüstet. In einem kürzlich freigegebenen geheimen Bericht der Defense Intelligence Agency (DIA) heißt es: "Ende 1977 stellte Argentinien dem Condortel 'Hagelin Crypto H-4605'-Geräte zur Verfügung, um die Sicherheit seiner Fernschreibnetze zu erhöhen." Die Kommunikation für Einsätze in Lateinamerika, so der DIA-Bericht, "soll von den Einrichtungen der Condortel besorgt werden". Als Ecuador im Jahr 1978 dem Condor-Netzwerk beitrat, notierte die CIA, dass "ein argentinischer Militäroffizier, der Chef des Condor-Kommunikationssystems (Condortel), die Installation eines Telekommunikationssystems im ecuadorianischen Verteidigungsministerium überwacht".

Die Spionageoperationen über die Crypto AG verschaffte den US-Geheimdiensten möglicherweise viel genauere Kenntnis über die Condor-Operationen als bisher angenommen. Tatsächlich könnten die durch diese Spionage gewonnenen Daten des US-Geheimdienstes "ein historischer Wendepunkt sein", so Carlos Osorio, der das "Südkegel-Dokumentationsprojekt“ im National Security Archive leitet. "Wenn die freigegeben würden", so stellte er fest, "könnte dieser riesige Fundus an abgefangener Kommunikation die Geschichte der Operation Condor und die Zeitgeschichte der gesamten Region erheblich voranbringen".

Die Minerva Leaks

Vor den aktuellen Enthüllungen in der Washington Post und im ZDF waren Teile der geheimen Verbindungen der vergangenen 40 Jahre zwischen US-Geheimdienst und der Crypto AG bereits durchgesickert:

- 1975 veröffentlichte der ehemalige CIA-Agent Philip Agee "In der Firma - ein CIA-Tagebuch". Dort wurde laut einem freigegebenen Bericht über das Kryptoprogramm der NSA im Kalten Krieg "behauptet, dass die aus der Schweiz stammenden Hagelin-Maschinen Schwachstellen hatten, die die NSA ausnutzte, um an den Klartext zu gelangen".

- 1982 stellte James Bamford in seinem Buch über die NSA "Puzzle Palace" fest, dass es in Briefen von William Friedman (Hagelins Kontaktperson zur NSA) Bezüge zum "Boris-Projekt" gibt. Diese Briefe hatte Friedman ‒ laut Washington Post der Vater der amerikanischen Kryptologie ‒ 1969 der George-Marshall-Stiftung am Virginia Military Institute übergeben. Von der NSA wurden die Papiere 1983 wieder als vertraulich eingestuft; sie wurden stark zensiert und 2015 zusammen mit Tausenden anderen historischen Aufzeichnungen der NSA schließlich veröffentlicht. Zu diesen Papieren gehörten Friedmans Berichte über seine geheimen Reisen in die Schweiz, um sich im Auftrag der NSA mit Hagelin zu treffen, sowie über das "Gentlemen's Understanding", zu dem sie Anfang der 1950er Jahre gelangten und mit dem Hagelin die Bemühungen der NSA zur Entschlüsselung von Nachrichten der Crypto AG-Geräte unterstützte.

- In den frühen 1990er Jahren wäre das "Minerva-Geheimnis" beinahe enthüllt worden, als der Iran einen Handelsvertreter der Crypto AG namens Hans Bühler verhaftet hatte und behauptete, er sei ein Spion. Bühler, der von den geheimen CIA/BND-Besitzverhältnissen nichts wusste, wurde neun Monate lang festgehalten und verhört und wurde erst nach Zahlung eines Lösegeldes von einer Million Dollar durch die Firma wieder freigelassen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz verklagte Bühler das Unternehmen und wandte sich zusammen mit einem anderen ehemaligen Ingenieur der Crypto AG, der vermutete, die Firma sei von westlichen Geheimdiensten kontrolliert, an die Presse. Die Medienberichterstattung und die Gerichtsprotokolle sorgten für erhebliche Aufmerksamkeit für die ungeklärten Verbindungen zwischen deutschen und US-Geheimdiensten und der Crypto AG.

- In dem Artikel der Baltimore Sun vom 10. Dezember 1995, "Rigging the Game", berichteten Scott Shane und Tom Bowman, dass es der NSA gelungen sei zu verbergen, "was der Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts sein könnte", indem sie "Maschinen der Crypto AG so manipulierten, dass US-Schnüffler deren Codes mühelos haben knacken können".

Mithilfe des Gesetzes zur Informationsfreiheit bemüht sich das National Security Archive um die vollständige Freigabe der geheimen CIA-Studie zum "Minerva-Projekt" und der Begleitdokumente zu den Verbindungen von CIA/NSA zu der Hagelin-Firma Crypto AG. Von der deutschen Regierung forderte das Archiv die Veröffentlichung der eigenen Aufzeichnungen über ihre Zusammenarbeit mit den USA bei den Minerva-Operationen.

"Die Geheimdienste haben jetzt die Möglichkeit, eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung unserer Geschichte und der Geschichte unserer Beziehungen zur lateinamerikanischen Region zu spielen", betont Peter Kornbluh, leitender Analyst des Archivs. "Es ist an der Zeit, dass diese Dokumente Teil der historischen Überlieferung werden."

  • 1.Unter dem Motto "Kampf gegen den Kommunismus" tauschten im Zeitraum von 1970 bis 1990 Chile, Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Bolivien und später auch Ecuador und Peru Geheimdienst-Informationen über linke Aktivisten und andere Oppositionelle aus. Diese als Operation Condor oder Plan Condor bezeichnete Zusammenarbeit hatte zum Ziel, jedwede politische Opposition zu erfassen und Gegner der Diktaturen weltweit zu eliminieren. Speziell von der CIA ausgebildete Geheimdienstagenten und Soldaten durften sich auf dem Territorium der anderen Staaten frei bewegen, um politische Gegner, die ins Exil gegangen waren, zu entführen, verschwinden zu lassen und zu ermorden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden bei dieser Operation 50.000 Menschen ermordet, 350.000 sind verschwunden und 400.000 wurden inhaftiert.
  • 2.Orlando Letelier war ein chilenischer Diplomat und Minister der sozialistischen Regierung von Salvador Allende. Er wurde am 21. September 1976 gemeinsam mit seiner US-amerikanischen Assistentin Ronni Karpen Moffitt in Washington auf Befehl des Diktators Augusto Pinochet von Agenten der Geheimpolizei DINA durch eine Autobombe ermordet
  • 3.Das National Security Archive ist eine non-profit Forschungs- und Archivierungseinrichtung an der George Washington University. Sie archiviert und publiziert von der Regierung freigegebene Unterlagen zu Themen der Außenpolitik
 

Die Sendetermine dieser spannenden TV-Dokumentation:

  • Frontal 21 berichtet im ZDF am 11.2.2020 um 21 Uhr.
  • Die “Rundschau” des Schweizer Fernsehens SRF berichtet am 12.2.2020 um 20.05 Uhr.
  • Die Washington Post berichtet am 11. und 12.2.2020.
  • Die 60-minütige TV-Dokumentation “Geheimoperation ‘Rubikon’. Der größte Coup des BND” läuft am 18.3.2020 um 20.15 Uhr in ZDFinfo.

Bilder: ehemalige BND-Zentrale Pullach: Bjs [CC BY-SA 4.0] / Hagelin C-446: Deutsches Spionagemuseum / Logo CIA: CIA / Logo Crypto AG: Crypto AG / Logo BND: BND