Thesenpapier der Linken , SPD und Grünen- Grenzverschiebung in Ukraine war völkerrechtswidrig - Wirklich? 

Außenpolitiker aus SPD, Linkspartei und Grünen wollen in der Ukraine-Politik eine Verständigung erreichen. Vor einer im Juli geplanten rot-rot-grünen Diskussionsrunde zum Thema erklärten die Bundestagsabgeordneten Niels Annen (SPD), Stefan Liebich (Linke) und Manuel Sarrazin (Grüne), es müsse in dem Konflikt endlich darüber gesprochen werden, was die Menschen in der Ukraine wollen und nicht zuerst darüber, was Russland,  die Europäische Union oder die USA wollen.

Die Einverleibung der Krim durch Russland sei völkerrechtswidrig gewesen sagt ein Rot-Rot-Grünes Thesenpapier, an das sich Niels Annen  von der SPD und Stefan Liebich von der Linken beteiligte.

"Einseitige Grenzverschiebungen, zumal unter Androhung von Militär, wie bei der Krim geschehen, sind unakzeptabel und völkerrechtswidrig", heißt es weiter in den Thesen von Annen, Liebich und Sarrazin. Ebenso seien die Waffenlieferungen an die Separatisten "nicht akzeptabel und müssen umgehend eingestellt werden".

 

 Aber es war ausgerechnet der Fraktionschef von Stefan Liebich, der im Bundestag seinerzeit angedeutet hatte,  dass man das auch ganz anders sehen kann.

 

Gysi argumentierte, dass die Nato genau das Gleiche im Kosovo bereits 1998 gemacht habe. Damals betrieb der Westen eine gewaltsam erzwungene Loslösung des Kosovo von Serbien, das als Wiege der serbischen Nation gilt.

Dadurch so Gregor Gysi könnte ein neues Gewohnheits-Völkerrecht geschaffen worden sein, da die Weltgemeinschaft diesen illegalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato ja seinerzeit hingenommen hatte und auch nicht versucht hatte, die Grenzveränderung, die dieser Krieg bewirkte, juristisch anzutasten.

Es sei -so Gregor Gysi-  also strittig, ob es wirklich einen Bruch des Völkerrechtes gegeben habe.   

Das geltende Völkerrecht bildete sich nach dem 2. Weltkrieg in heutiger Form aus. 

In dieser Zeit war Rußland Teil eines Staatenbundes wie die USA  und zwar namens Sowjetunion. Die Sowjetunion war nach der Oktoberrevolution in den 20 er Jahren des 20. Jh. gegründet worden.  Damit sollte das Zeitalter der Nationalstaaten für die sozialistische Welt beendet werden.

Zur Zeit des Inkrafttretens des Völkerrechtes war Rußland und die Ukraine also ein gemeinsamer Staat und die Krim war  historisch seit hunderten Jahren Besdtandteil Russlands und später Bestandteil der Sowjetunion gewesen.

Die Schenkung der Krim durch Rußland an die Ukraine durch den  sowjetischen Präsidenten Chruschtschow erfolgte im Rahmen der Existenz dieses gemeinsamen Staatenbundes der Russen und der Ukrainer.

Durch die Auflösung der Sowjetunion bzw, durch den Austritt etrwa der baltischen Staaten oder der Ukraine aus der SU ist die Rechtsgrundlage dieser inner-staatlichen Schenkung entfallen. Damit könnte juristisch das Gebiet an Russland zurückgefallen sein - auch wenn Russland diesen Anspruch zunächst nicht geltend gemacht hatte und zunächst auf die Krim verzichtet.   

Mit der Auflösung der Sowjetunion erlangte die Ukraine im Dezember 1991 nach einem Referendum mit 90,3 % Zustimmung ihre staatliche Unabhängigkeit. Auch das geschah wie auf der Krim per Referendum! 

Am 11. März 1990 erklärte zunächst Litauen, am 9. April 1991 Georgien sowie am 20. und 21. August 1991 Estland und Lettland ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. Es folgten am 24., 25., 27. und 31. August 1991 WeißrusslandUkraineMoldawien und Kirgisistan, am 1., 9. und 21. September 1991 UsbekistanTadschikistan und Armenien, am 18. und 27. Oktober 1991Aserbaidschan und Turkmenistan sowie am 16. Dezember 1991 Kasachstan. Die Russische SFSR erklärte im Dezember 1991 formal ihre Souveränität, nicht aber die Unabhängigkeit von der Sowjetunion, was eine Rechtsnachfolge der Sowjetunion durch Russland bewirkte.  

All diese zunächst einseitigen Sezessionen und Separationen können juriustisch auch als Völkerrechtsbruch betrachtet werden. Moskau hätte rein juristisch betrachtet auch Militär gegen die Ukraine einsetzen können und die  Separatisten stoppen können. Der Verzicht Moskaus impliziert nicht unbedingt eine Anerkennung des Status Quo. Theoretisch kann auch von einer zeitlich begrenzten Duldung der Separaton ausgegangen werden, die mit der Annexion der Krim wieder geheilt wurde.     

Im Rahmen der GUS kam es ja zudem quasi zur Fortführung der Rest-Sowjetunion und die UKraine war Teil dieser GUS. 

Insofern war Russland und die Ukraine im gleichen Staatengebilde. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) wurde im Dezember 1991 durch eine Vereinbarung der Staatsoberhäupter Russlands, der Ukraine und Weißrusslands und durch den Beitritt von acht weiteren, kurz davor von der Sowjetunion unabhängig gewordenen, Sowjetrepubliken gegründet.Erst 2014 endete die Mitgliedschaft der Ukraine in der GUS. 

Aber auch wenn stattdessen de facto von unterschiedlichen Staaten mit eigener Souveränität und territorialer Integrität ausgegangen werden kann, ist das Verlassen der SU durch die Ukraine inklusive der Krim der eigentliche Völkerrechtsbruch gewesen. So könnte man es juristisch jedenfalls auch sehen. 

So betrachtet ist die Krim  immer Bestandteil des von Russland geführten Staatenverbundes gewesen. Und so betrachtet war die einseitige Aufkündigung der Sowjetunion beispielsweise durch die baltischen Staaten der eigentliche Völkerrechtsbruch - auch wenn Russland sich später damit abgefunden hatte. Zum Zeitpunkt der Loslösung von Estland, Litauen und Lettland oder der Ukraine aus der SU geschah das jedenfalls gegen den Willen Moskaus und das ist völkerrechtlich entscheidend! 

Auch die angeblichen Waffenlieferungen an die ukrainischen Antifaschisten, die im Thesenpapier fälschlich als Separatisten bezeichnet werden ( was auch der OSZE Chef seinerzeit als einseitige  Terminologie scharf kritisierte), sind in keinster Weise bewiesen.

Dabei handelt es sich um eine Verschwörungstheorie, die Liebich hier mitstrickt. Für diese Waffenlieferungen gibt es keinerlei Beweise und sie entspringen einfach russophober Hetze. Ein Außenpolitiker der Linksfraktion im Bundestag sollte sich an solchen Verschwörungstheorien nicht beteiligen . Das ist ein nicht  hinnehnmbarer neuer  Eklat von Stefan Liebich, der auch von der Fraktionsspitze kritisch betrachtet wird - zumal Gregor Gysi als Fraktionschef ja auch schon eine ganz andere mögliche Sichtweise angedeutet hatte.  

Im Ergebnis sollten Konflikte trotzdem niemals militärisch gelöst werden. Nur sind Nato- Staaten, die hunderte Völkerrechtsbrüche z. B. durch Drohnenmorde oder durch den Krieg gegen Libyen auch seit 1998 bzw 2001 immer wieder begangen haben, sicherlich keine glaubwürdigen Instanzen, um die Einhaltung des Völkerrechtes einzufordern . Da wird eher nach dem Motto verfahren: " Haltet den Dieb, ruft der Dieb".        

 

http://www.tagesspiegel.de/politik/thesen-aus-spd-linken-und-gruenen-zur-ukraine-grenzverschiebungen-wie-bei-der-krim-sind-inakzeptabel/10055074.html