Studie der TU Berlin zu den Montagsdemos- 43 % Linke
Zu den Montagsmahnwachen gibt es unterschiedlichste Einschätzungen. Nun liegt endlich eine Studie zu den Mahnwachen vor, welche die TU Berlin und weitere Forschungsinstitute in Auftrag gaben. Die Studie kann hier herunter geladen werden. Die Ergebnisse sind für viele überraschend. Denn unter den Teilnehmenden bilden Wählerinnen und Wähler der Partei Die Linke, bzw. ehemalige WählerInnen von Die Linke, die mit Abstand größte Gruppe! Es sind beachtliche 43 Prozent.
Hier vorab einige Aussagen der Studie, die mir sehr interessant erscheinen:
Die Teilnehmenden sind im Vergleich zu anderen Protesten relativ jung. Sehr viel stärker als in anderen Bewegungen sind Studierende, SchülerInnen, Auszubildende, Freiberufler und Erwerbslose vertreten. Aber auch zahlreicher Arbeiter und Angestellte gehören zu den Teilnehmenden.
Im Unterschied zu traditionellen Bewegungen sind viele über die sozialen Netzwerke und persönliche Gespräche mobilisiert worden. Denn die Mehrzahl der Teilnehmenden hat noch nie an Protesten oder politischen Aktionen auf der Straße zuvor teilgenommen. Angehörige politischer Organisationen bilden deshalb eine kleine Minderheit.
Die wichtigsten Motive zur Teilnahme sind: Frieden, Kritik an den bürgerlichen Medien, Verteidigung der Menschenrechte. Darüber hinaus spielt Kritik am Kapitalismus und am Finanzsystem eine große Rolle.
Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine werden vor allem die NATO, die USA, die EU aber auch die FED als Hauptverantwortliche für den Krieg ausgemacht. Ebenso faschistische Kräfte in der Ukraine selber.
Ein großer Teil der Teilnehmenden sieht sich politisch "links" stehend. 39 Prozent wollen sich diesem Schema "link-rechts" aber auch nicht mehr zuordnen.
Bei den letzten Bundestagswahlen wählten 43 Prozent der Teilnehmenden die Partei Die Linke. Überdurchschnittlich stark sind aber auch die Anteile, die bei den Bundestagswahlen noch die Piratenpartei (15 Prozent) oder die AFD (12 Prozent) wählten.
Hinsichtlich rechter Orientierungen kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass nur ganz wenige der Teilnehmenden (0,8 Prozent) ein "geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild" vertreten. Antisemitische, nationalistische Auffassungen etc. seien bei einigen aber deutlich spürbar. In etwa in dem Umfang wie sie auch in der Duschnittsbevölkerung zu finden sind. Es gibt eine Ausnahme: 29 % der Befragten wünschen sich einen politisch starken "Führer". Gleichzeitig wird dies von einer größeren Gruppe (37 Prozent) aber auch vollständig abgelehnt.
Eine großer Teil der Teilnehmenden vertritt die Auffassung, dass die BRD kein souveräner Staat sei. Hingegen wird der us-amerikanischen Notenbank ein großer Einfluss auf die Politik zugestanden.
92 Prozent der Teilnehmenden befürworten die "Demokratie", wobei die große Masse aber wiederum meint, dass diese in Deutschland nicht funktioniere. Überhaupt kein Vertrauen haben die Teilnehmenden zu Banken, Großkonzernen, der Bundesregierung, der EU, den großen Medien, den Parteien und den Kirchen.
Die Autoren kommen zu folgenden Aussagen:
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bewegung der Montagsmahnwachen nicht als rechte Bewegung zu verstehen ist. In weiten Teilen ist sie klar links orientiert, was sich in Wahlverhalten und politischer Selbsteinschätzung zeigt. Zugleich gibt es das starke Bestreben, sich der rechts-links-Einordnung zu entziehen, also ein Selbstbild, das die Einteilung in rechts und links zurückweist."
Sie sagen aber auch: "Zum einen gibt es einen deutlichen Wunsch nach Abgrenzung von der extremen Rechten und den Widerspruch zu der Darstellung als „neurechte Bewegung“. Zum anderen bestehen aber auch hohe Zustimmungsraten zu antisemitischen, antiamerikanischen und autoritären Aussagen. Bei einer Minderheit der Teilnehmer/ innen finden sich rechtsextreme Einstellungsfragmente, die sich aber keineswegs zu einer konsistenten rechten Grundhaltung verdichten. Mehr als ein Drittel definiert sich als politisch links, während 40 Prozent sich auf der Links-Rechts-Achse nicht mehr einstufen wollen, weil sie diese Zuordnung für überholt halten."
"Insgesamt bleibt somit der Eindruck einer doppelten Ambivalenz. Dies betrifft die Gleichzeitigkeit einer Kritik von links und rechts und die deutlichen Anzeichen einer politischen Entfremdung gegenüber dem bestehenden System. Diese äußert sich, bei einer durchgängig hohen Wertschätzung der Idee der Demokratie, in einem nahezu totalen Misstrauen gegenüber etablierten politischen Institutionen, Medien und gesellschaftlichen Großorganisationen und einer deutlichen Kritik an der Selbstbezogenheit der politischen Klasse."
Und schließlich: "Vieles an den Montagsmahnwachen erinnert an die Occupy-Proteste von 2011: das rasche, fast unvermittelte Aufflammen der Bewegung, die Unsortierheit der Teilnehmer/innen, das Fehlen und die Ablehnung fester politischer Bindungen und Strukturen, die Inszenierung von Spontaneität, Gefühlsausdruck und Unprofessionalität, das Fernhalten aller Insignien bekannter Organisationen, das Fehlen konkreter gemeinsamer Ziele, die dominante Mobilisierung über neue Medien, insbesondere soziale Netzwerke im Internet."
Hier die vollständige Studie: