Neofeudalismus? Oligarchen in der Ukraine geraten unter Druck   

Igor Siletzkij 

Dezentralisierung der Macht, Sonderstatus für Donbass und Verbleib der Region im ukrainischen Staatsverband: diese Worte bekommt man in der letzten Zeit oft zu hören – dennoch nehmen sie sich komisch aus, wenn ein ukrainischer Oligarch sie im Munde führt. Einer der reichsten Menschen im Lande, Rinat Achmetow, hat seine Botschaft auf YouTube gestellt.

Zeugt es etwa davon, dass den ukrainischen Oligarchen allmählich die Augen aufgehen? Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Agonie: Die „Machthaber“, die sich die Ukraine geteilt haben, haben laut Experten eingesehen, dass es mit ihren kleinen Firmenimperien aus ist.

Der Euro-Maidan hat erklärt, die Macht der Oligarchen in der Ukraine angeblich bekämpfen zu wollen. Sobald aber die „Euro-Revolution“ in Kiew siegte, geriet ihr zentrales Motto in Vergessenheit. Die sogenannte „Regierung“, die das Land ins Chaos gestürzt hat und nicht in der Lage ist, in den Regionen Ordnung zu schaffen, verteilt allmählich die Gebiete der Ukraine als Lehen an die besagten Oligarchen, die sie zu Gouverneuren ernennt. Sergej Taruta wurde das Gebiet Donezk zugewiesen. Aus den jüngsten Ereignissen ist ersichtlich, dass der neue Leiter mit seinen Pflichten nicht fertig geworden ist, darum betraute man auch Rinat Achmetow mit der Aufgabe, auf ihn aufzupassen.

Oligarch und Statthalter Kiews Igor Kolomoiski

Dem Gebiet Dnipropetrowsk wurde Igor Kolomoiski an die Spitze gestellt. Der zypriotische Staatsbürger Konstantin Grigorischin, dessen Vermögen auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, bekam die Gelegenheit, das Gebiet Sumy zu leiten – allerdings lässt er sich Zeit damit, von der sonnigen Insel dorthin zu kommen. Der neugebackene Ukrainer Wadim Nowinski, der vor ein paar Jahren die russische Staatsbürgerschaft abgelegt hatte, sollte auf Erlass des „Präsident“ genannten Turtschinow die Krim regieren. Aus verständlichen Gründen wird Nowinski nicht mehr auf die russische Halbinsel kommen – es sei denn als Tourist.

Oligarch und Statthalter  Kiews Sergej Taruta 

Wer sind aber alle diese Menschen? Hier eine kurze Auskunft über die zentralen Akteure des ukrainischen Prozesses. Bei Sergej Taruta handelt es sich um den Mitbesitzer der Holding IUD und Präsidenten des Fußballvereins Metallurg Donezk. 2008 war er mit seinem drei Milliarden schweren Vermögen der Achte in der Liste der reichsten Ukrainer, im vergangenen Jahr besaß er nur noch 597 Millionen Dollar. Igor Kolomojski ist der Gründer und Inhaber der größten Industrie- und Finanzgruppe in der Ukraine, Privat. Mit einem Vermögen von 3,6 Milliarden Dollar rangiert er in der Liste der ukrainischen Reichen auf Platz zwei. Rinat Achmetow ist der reichste Mann der Ukraine. Zwar liegt er in der internationalen Rangliste von Milliardären mit seinen 22 Milliarden nur an 26. Stelle. Dazu kommen nicht ganz arme Menschen: der „Schokoladen-König“ Petro Poroschenko und die „Gas-Prinzessin“ Julia Timoschenko, die sogar den Präsidentenstuhl für sich beanspruchen.

Um aber auf den Appell von Rinat Achmetow zurückzukommen: Warum hat er geschwiegen, als die Kiewer Junta in Slawjansk und Mariupol Menschen mordete? Und erst am 11. Mai, dem Tag des Referendums zum Status der Gebiete Donezk und Lugansk, rief die Gruppe Metinvest, die Achmetow gehört, die Kiewer Behörden dazu auf, den Militäreinsatz zu stoppen. Es ist sehr einfach zu erklären: Wegen der Krise, von der die Ukraine betroffen ist, ist das Vermögen des Oligarchen drastisch geschrumpft, auch hat sich die Gefahr abgezeichnet, nach dem Referendum sein Geschäft ganz einzubüßen. Auch Achmetows Nachbarn auf der Rangliste der Milliardäre können kaum in Verdacht einer besonderen Menschenliebe und Sorge um das Schicksal des Landes kommen, betont Bogdan Bespalko vom Zentrum für Ukrainistik an der Moskauer Lomonossow-Universität.

„Achmetows Wunsch, sich dazu zu äußern, wirkt einerseits als der Wunsch, die Aufständischen in der Donezker Volksrepublik zu unterstützen – allerdings im Rahmen des ukrainischen Rechts; auf der anderen Seite lässt es sich so auslegen, dass er seine Besitztümer in diesen Regionen behalten will. Wie dem auch sei, alle ukrainischen Oligarchen verstehen inzwischen sehr wohl, dass für die starken geopolitischen Akteure weder die Ukraine selbst, noch ihre Einwohner, noch sie selbst mit all ihrem Kapital – und mag es auch 30 Milliarden Dollar erreichen – einen Wert darstellen. So machen sie sich zunehmend Gedanken darüber, auf wessen Seite sie sich schlagen sollen.“

Es sei betont, dass die zu Gouverneuren gewordenen Oligarchen bereits gezeigt haben, was ihnen bei der Verwaltung ihrer „Lehen“ zuzumuten ist. Ihre Methoden sind übrigens ganz feudal. Jeder von ihnen besitzt eigene, wenn auch kleinere, Streitkräfte aus korrumpierten Verbänden von professionellen Söldnern. Man weiß bereits, dass die Verbände von Kolomojski es waren, die in Odessa ein „neues Chatyn“ angerichtet haben, wobei Dutzende verbrannt und Hunderte Zivilisten verschollen sind. Dieselben Söldner verschleppen, verprügeln und töten Führer der Bewegung für die Souveränität des Südostens und ihre Anhänger. Laut informierten Quellen steckt Rinat Achmetow hinter der Bildung der kriminellen Brigaden, die antifaschistische Kundgebungen beschossen. Er hat auch als Mitglied der Partei der Regionen die Tätigkeit der Nationalisten von der „Swoboda“ von Oleg Tjanibok heimlich finanziert. Die Kampfverbände dieser nationalistischen Partei wurden außerdem von den oben erwähnten Igor Kolomojski und Wadim Nowinski finanziert.

Das aggressive und häufig ungeordnete Handeln der Oligarchen in der Ukraine verrät die Ratlosigkeit, die unter ihnen herrscht. Sie spüren, dass ihre Firmenimperien nicht mehr lange leben werden, meint Grigori Trofimtschuk, Vizepräsident des Zentrums für Modellieren der strategischen Entwicklung.

„Allem Anschein nach wird in der aktuellen Etappe diese Schicht praktisch zu hundert Prozent vernichtet werden. Weil in dem nach allen Referenden und Souveränitäten übriggebliebenen Teil der Ukraine der Westen einzieht, mit all seinen Einrichtungen und Banken. Mit denen die ukrainischen Oligarchen es natürlich nicht aufnehmen können. Mehr noch, der Westen geht in dieser Hinsicht ziemlich hart vor, und nicht nur was die Wirtschaft angeht. Man wird diese hausgemachten ukrainischen Oligarchen vernichten. Meines Erachtens hat man sie preisgegeben, als man sie als Gouverneure einsetzte.“

Kurz und gut: von welcher Seite man es auch betrachtet, die führenden Schauspieler des ukrainischen Theaters werden es schwer haben. Nehmen wir an, alle „Euro-Maidans“ und Revolutionen seien eine rein innere Angelegenheit der Ukraine. Man bedenke aber: in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die damaligen Oligarchen, die Großindustriellen Deutschlands, Hitler unterstützt. Sie finanzierten die Aufstände der Nazis, die Ermittlung in der Sache Reichstagsbrand, die blutige Abrechnung mit den Kommunisten. Und sie waren sich sicher, später mal die nationalsozialistische Bewegung in den Griff zu kriegen. Wo sind heute jene Oligarchen? Schlimmer ist, dass der Auftraggeber des ganzen ukrainischen Bacchanals auf seine „Stunde X“ in Übersee wartet. Und, sollten die ukrainischen Industriellen die ukrainischen Nazis unter ihre Kontrolle bringen, findet sich für jeden von ihnen wiederum ein Aufseher. Nahe Verwandte von US-Politikern teilen sich bereits, wie man weiß, die Ämter der amerikanisch-ukrainischen Konzerne.

Quelle Voice of Russia, 18.5. 
Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/2014_05_18/Die-Ukraine-und-die-Oligarchen-vorwarts-zum-entwickelten-Feudalismus-2325/