Ukrainischer Oligarch Achmetow baut  im Osten Privatarmee auf 

 Deutsche Mainstream-Medien vermelden Erfolge bei der Kooperation der Berliner Außenpolitik der Groko  mit dem mächtigsten ukrainischen Oligarchen im Osten des Landes.
 
Wie es nach dem Zusammentreffen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dem Multimilliardär Rinat Achmetow heißt, der beträchtliche Teile der Industrie im ostukrainischen Donbass besitzt, ist es Achmetow in den vergangenen Tagen angeblich gelungen, mit Hilfe neu aufgestellter "Fabrikmilizen" aus seinen riesigen Betrieben die Stadt Mariupol unter Kontrolle zu bekommen.
 
In Mariupol hatten am Freitag regimetreue Kräfte zahlreiche Regimegegner erschossen, die seit April gegen das Kiewer Umsturzregime protestierten; danach war es zu neuen Unruhen gekommen. Wie es heißt, will Achmetow das Modell auf weitere ostukrainische Städte übertragen.
 
Der Oligarch ist durch seine wirtschaftlichen Interessen an den Fortbestand der Ukraine gebunden; Berlin und die EU haben sich schon vor Beginn des Machtkampfs um das Land im November bemüht, ihn aus seiner partiellen ökonomischen Abhängigkeit von Russland zu lösen. Mit ihm gelingt es einem weiteren Oligarchen, seine in der Bevölkerung verhasste Macht in Kooperation mit Berlin in der prowestlich gewendeten Ukraine zu konsolidieren. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass alle Oligarchen  außer Timoschenko eine Schaukelpolitik betreiben, die mal zugunsten von Rusßland und mal zugunsten des Westens ausschlägt ( eigene Anmerkung).
Oligarch Nummer eins im Osten 
 
Rinat Achmetow ist - darin stimmen sämtliche Experten überein - der reichste und wohl auch mächtigste Oligarch der Ukraine. Kern seines Konzernimperiums ist die Firma "System Capital Management" (SCM), das größte Unternehmen des Landes. Über die MetInvest Holding, die zu beinahe drei Vierteln zu SCM gehört, kontrolliert Achmetow rund 40 Prozent der gesamten ukrainischen Stahlproduktion.
 
Über die DTEK (Donbass Fuel-Energy Company), die sich gleichfalls im Besitz von SCM befindet, sorgt er für fast die Hälfte der ukrainischen Kohleproduktion und für rund 30 Prozent der Stromerzeugung. Ganz wie andere ukrainische Oligarchen besitzt Achmetow außerdem einen Fernsehsender sowie Zeitungen. In seinen Betrieben arbeiten um die 300.000 Menschen. Vor allem in der Ostukraine ist seine Position dominant. In Mariupol an der Küste des Schwarzen Meeres gehören ihm die Iljitsch Stahl- und Eisenwerke sowie Asowstal, zwei riesige Fabriken, die alleine etwa 46.000 Menschen beschäftigen; Mariupol hat rund 500.000 Einwohner. Entsprechend stark ist Achmetows politischer Einfluss.
Nicht prorussisch
Achmetow galt stets als dem gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch überaus eng verbunden. Seine Wirtschaftsmacht konnte er von Donezk aus vor allem während der Zeit aufbauen und mehren, zu der Janukowitsch als Gouverneur der Oblast Donezk (1997 bis 2002) und als Ministerpräsident (2002 bis Anfang 2005) tätig war. "Prorussisch" im Sinne eines Bemühens um eine engere Anbindung der Ukraine an Russland ist er nie gewesen. Dies liegt daran, dass er - wie im Grunde alle ukrainischen Großindustriellen - die Übermacht der weitaus stärkeren russischen Oligarchen fürchtet und zum Schutz seiner ökonomischen Position auf eine zuverlässige Eigenständigkeit der Ukraine bedacht ist. Vor einigen Jahren hat er sogar einen offenen Konflikt mit russischen Firmen riskiert. 2009 gelang es einer russischen Investorengruppe, die Mehrheit der "Industrial Union of Donbass" (ISD) zu übernehmen, eines der größten Konzerne des Landes; 2010 gingen die Iljitsch Stahl- und Eisenwerke und Saporischstal, die Nummern zwei und vier unter den Stahlfabriken des Landes, in russischen Besitz über. Achmetow gelang es, die Übernahme der ersteren für ungültig erklären zu lassen und den Betrieb zu übernehmen sowie 2011 eine Mehrheit an Saporischstal zu erwerben.[1] Damit war seine Macht wieder konsolidiert. Bisher war Achmetow jedoch stets bemüht, die Konflikte mit Moskau keinesfalls eskalieren zu lassen - nicht zuletzt, weil seine Fabriken energieintensiv sind: Der Erdgasbedarf seiner Industriebetriebe wird auf bis zu sechs Milliarden Kubikmeter pro Jahr geschätzt.
Abhängigkeiten lösen
Berlin und Brüssel haben bereits vor der Eskalation des Machtkampfs um die Ukraine versucht, Achmetows Abhängigkeit vom Erdgas und damit von erträglichen Beziehungen zu Russland zu mindern - um die Einbindung der Ukraine in das deutsch-europäische Hegemonialsystem zu erleichtern. Unter dem Label "Umweltschutz" unterstützte die Bundesregierung Kiew etwa dabei, die Energieeffizienz der ukrainischen Industrie zu steigern; in der Tat ist es Berichten zufolge gelungen, den Erdgasverbrauch der ukrainischen Stahlwerke von 2005 bis 2012 annähernd zu halbieren.[2] Als nach ersten Versuchen Ende 2012 dann im vergangenen Jahr die Lieferungen von Erdgas aus dem Westen in die Ukraine ausgeweitet wurden - insbesondere durch die deutsche RWE (german-foreign-policy.com berichtete [3]) -, da gehörte zu den Abnehmern auch Achmetows DTEK.
In schwieriger Lage
Anknüpfungspunkte für den Westen waren also vorhanden, als sich die Lage für Achmetow zuzuspitzen begann - in mehrfacher Hinsicht. Zunächst verlor er mit Janukowitsch seinen wichtigsten Interessenvertreter in der nationalen Politik. Sodann erstarkten in der ostukrainischen Bevölkerung die Bestrebungen dramatisch, per Föderalisierung, Sezession oder sogar Anschluss an Russland den politischen Abstand zum Kiewer Umsturzregime zu vergrößern; dies wird nach den Donbass-Referenden vom Wochenende selbst im Westen als authentische Bewegung eingestuft.
 
 
Von den Vertretern der Volksrepublik wird er deshalb sicherlich als Konterrevolutionär betrachtet, der die Vorherrschaft Kiews in der Ost-Ukraine wieder herstellen will. 
 
 
Weil Achmetows Industrie-Imperium auf die Eigenständigkeit der Ukraine gegenüber Russland angewiesen ist, hat er kein Interesse an einer Sezession - und kommt prinzipiell als Verbündeter Berlins und Brüssels gegen die ostukrainischen Separationsbestrebungen in Betracht. Machtmittel besitzt er zur Genüge. "In Achmetows Schächten wird man entlassen, wenn man Versammlungen besucht", wird exemplarisch ein Arbeiter aus einer seiner Firmen zitiert.[4] Der Mann regiert sein Wirtschaftsimperium diktatorisch.  
 
In der aktuell äußerst aufgeheizten Atmosphäre muss der Oligarch allerdings vorsichtig operieren. Seine Lage wird nicht eben erleichtert dadurch, dass sein Milliardärs-Rivale Ihor Kolomojskij von Dnipropetrowsk aus bewaffnete Aggressionen irregulärer Milizen im Donbass unterstützt (german-foreign-policy.com berichtete [5]) - und dadurch die Polarisierung in Achmetows unmittelbarem Einflussbereich auf die Spitze treibt.
 
"Freundlich, jungenhaft"
In dieser Situation ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag mit Achmetow zusammengetroffen - schon zum zweiten Mal. Bereits nach der ersten Zusammenkunft am 22. März hatte sich der Tonfall deutscher Medienberichte gegenüber dem Oligarchen deutlich gewandelt. War in den letzten Jahren etwa berichtet worden, Kritiker behaupteten, "Achmetow sei ... der Kopf der organisierten Kriminalität im Land" [6], so hieß es nun, der 47-Jährige "mit dem jungenhaften Gesicht und den grauen Haaren" wirke "in seinem blauen Anzug unauffällig"; er habe Außenminister Steinmeier "lächelnd" empfangen [7]. Nach dem Treffen am Dienstag hieß es dann, Achmetow sei diesmal hinsichtlich der erwünschten Schritte zur Stabilisierung der Ukraine "konkreter" geworden; zur Präsidentenwahl in zehn Tagen habe er sich zustimmend geäußert und die Unruhen in der Ostukraine als kontrollierbar eingestuft.[8]
Fabrikmilizen
Tatsächlich hat Achmetow mittlerweile begonnen, die ostukrainischen Proteste systematisch einzudämmen. Seit geraumer Zeit ist zu hören, er finanziere gemäßigte Anhänger einer Föderalisierung der Ukraine - und versuche damit, die Unruhen in kontrollierbare Kanäle zu steuern. Wie inzwischen berichtet wird, protestiert er jetzt außerdem öffentlich gegen die bewaffneten Aggressionen des Militärs, der neuen "Nationalgarde" und irregulärer Milizen gegen die ostukrainischen Regimegegner; zugleich hat er begonnen, aus der Arbeiterschaft seiner Unternehmen "Fabrikmilizen" zu bilden, um "Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen. Ein Testlauf ist in den vergangenen Tagen in Mariupol gestartet worden. Dort waren am Freitag zahlreiche Menschen beim Angriff regimetreuer Kräfte erschossen worden; weitere Unruhen folgten. Seit einigen Tagen laufen nun Achmetow-Arbeiter gemeinsam mit Polizisten in Mariupol Streife. "Schon nach zwei Tagen war Schluss mit Plünderungen, und es gab keine Bewaffneten mehr in der Stadt", wird der Direktor der Iljitsch Stahl- und Eisenwerke zitiert; die Lage habe sich "deutlich beruhigt".[9] Achmetow wolle das Modell der "Fabrikmilizen" auch an seinen sonstigen Betirebsstandorten anwenden, heißt es - also in großen Teilen der Ostukraine.
"Ein Hoffnungsschimmer"
Ob es Berlin und dem Westen gelingt, die Ostukraine unter dem doppelten Feuer einerseits der von Kolomojskij unterstützten Bürgerkriegsverbände [10], andererseits der fragwürdigen Fabrikmilizen von Achmetow unter Kontrolle zu bekommen, ist derzeit nicht absehbar. Erkennbar ist jedoch, dass es auch dem wohl mächtigsten Oligarchen der Ukraine gelingt, seinen Einfluss in der prowestlich gewendeten Ukraine zu wahren. Für die Majdan-Proteste, die sich zunächst gegen die finsteren Machenschaften der Oligarchen wandten, ist das eine herbe Niederlage. Anders beurteilen, von den geostrategischen Interessen Berlins ausgehend, deutsche Leitmedien die Lage. "Der Oligarch, der bislang aus dem Hintergrund agierte, will Verantwortung übernehmen?", heißt es exemplarisch in der Süddeutschen Zeitung: "Es wäre, immerhin, ein Hoffnungsschimmer."[11]