Wolfgang Gehrcke (Die Linke MdB)  verurteilt Bundeswehrmission in der Ukraine scharf  

Über das europäische Märchen inmitten des Ukrainekonfliktes

Zuerst hatte sich Wolfgang Gehrcke selber täuschen lassen und er berichtete auf seiner Facebook-Seite  von gefangenen OSZE Beobachtern, deren Freilassung er forderte - nicht wissend, dass er da böse getäuscht worden war. 

Über Illusion und Wirklichkeit

 

Von Wolfgang Gehrcke, Leiter des Arbeitskreises Internationale Politik

 

Es war einmal …  so beginnen fast alle Märchen, auch das europäische.

Die Meldungen aus der Ukraine überschlagen sich, bald stündlich. Was als sozialer und demokratischer Protest in Kiew begann, wurde rasch von den USA ferngesteuert, von der EU instrumentalisiert und von Faschisten erobert. Der Maidan wurde gewalttätig, militärisch durchdrungen und Opfer des Rechten Sektors. Medien bejubelten die Besetzung von amtlichen Gebäuden, zeigten Verständnis für die Bewaffnung von Demonstranten und es gab keinen Widerspruch, dass ein gerade geschlossenes Abkommen zu einem wertlosen Fetzen Papier gemacht wurde. Der ukrainische Präsident flüchtete nach Russland. Die bürgerliche Gesellschaft begrüßte eine „Revolution“, die sich eben nicht immer nach der Verfassung richten könne.

Es war einmal ein Land, tief gespalten – sozial, kulturell und politisch. Ein Teil des Landes entschied sich für die russische Föderation, die Krim, dort steht die Russische Schwarzmeerflotte. In einem anderen Teil, der Ost-Ukraine, rebellierten viele Menschen, besetzten Gebäude und bauten Barrikaden. Sie hatten vom Maidan gelernt. Aber jetzt plötzlich waren Demonstranten „Terroristen“, bestenfalls „pro-russische Separatisten“. Eben die, die auf dem Maidan gestanden hatten, setzten nun Armee ein, im eigenen Land und es gab Tote. Kein EU-Außenminister fand kritische Worte, zweierlei Maß galt als staatliche Vernunft, gerade geschlossene Vereinbarungen wurden dreist umgefälscht. Ein Beispiel: In der Genfer Vereinbarung heißt es, „alle illegal bewaffneten Gruppen müssen entwaffnet werden“. Im ZDF wird behauptet, „Russland hat einer Entwaffnung der Separatisten im Osten“ zugestimmt.

Es war einmal ein Zustand, da behauptete der ukrainische „Regierungschef“ Jazeniuk, Russland hätte einen dritten Weltkrieg begonnen und eine seiner Vorgängerinnnen, Julia Timoschenko, den russischen Präsidenten eigenhändig mit einer Kalaschnikow in den Kopf schießen wollte.

Es war einmal eine Zeit, in der für mich feststand, in Europa wird es keinen Krieg mehr geben. Ich kämpfte dafür, NATO und Warschauer Pakt abzuschaffen und die Armeen gleich mit.

Es war einmal ein Land in der Mitte Europas, dass sich als Großmacht etablierte. Ein Land, dass sich über allen anderen wähnte, und zwei Weltkriege vom Zaun brach. Ein Land, dass die Verantwortung für die Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden trägt, dass 25 Millionen Menschen der Sowjetunion das Leben raubte und seine eigene Opposition in KZ und Zuchthäuser brachte. Viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sagten 1945, nachdem sie von dieser Schreckensherrschaft befreit wurden, „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ Es war einmal …

Fünf Jahre später führten die Westmächte einen Teil des Landes in das Militärbündnis NATO. Der ärmere Teil im Osten wurde von seiner Großmacht in das Militärbündnis Ost, den Warschauer Vertrag, gebracht. Schwer bewaffnet und zur gegenseitigen Vernichtung fähig, standen sich beide lange Zeit gegenüber.

Es war einmal ein Wahlkampf, der die lange Regierenden von CDU/CSU und FDP in die Minderheit brachte. Rot-Grün kam an die Regierung. Ich freute mich und verspürte Aufbruchstimmung. Wie naiv war ich! Rot-Grün, Schröder-SPD und Fischer-Grüne haben das Land verändert – tief zu seinem Negativen. Deutschland führte wieder Krieg, mit der NATO gegen Jugoslawien. Auch bei anderen Kriegsabenteuern, so in Afghanistan, war Deutschland dabei.

Es war einmal ein russischer Staatsmann, Gorbatschow, der schlug ein „Gemeinsames Haus Europa“ vor. Alle Völker und Staaten sollten ein Zimmer haben, inklusive einer gemeinsamen Teeküche und einer Kaffeebar, so etwas wie eine Wohngemeinschaft Europa. Wieder wurde nichts daraus. Statt eines gemeinsamen Hauses gibt es neue Spaltungen. Wieder steht man sich feindlich gegenüber. Jetzt an der Grenze Russlands, in der Ukraine. Soll dieser Irrsinn immer weiter gehen? Märchen enden meist: „… und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.“ Vielleicht geht es dieses Mal gut aus – in einem anderen, einem besseren und friedlichen Europa.

In einem Interview mit der Jungen Welt hat der linke Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke den Einsatz der verhafteten deutschen Soldaten als dumm bezeichnet. 

Die Linke will wissen, welchen Auftrag die in Slowjansk festgesetzte NATO-Patrouille wirklich hatte.

Nach Meinung der JW war das keine offizielle Delegation der OSZE   

Wolfhang Gercke erwägt, welche Motive dahinter stecken könnten: 

Die Lage war vorher schon eskaliert, und zwar deswegen, weil die illegale Regierung der Ukraine auf Gewalt setzt. Ich weiß nicht, was diese sieben Soldaten, drei davon Bundeswehroffiziere, beobachten sollten – ihre Entsendung ist jedenfalls unglaublich dumm. Und damit ist die Bundesregierung in der Verantwortung.

Dringlichste Aufgabe aller Beteiligten – also auch Deutschlands – wäre es doch, um Deeskalation zu ringen. Und in dieser Situation schickt Berlin Militärbeobachter in die Ostukraine! Wer so etwas macht, hat nur die Absicht, Öl ins Feuer zu gießen. Oder er nimmt das Risiko einer weiteren Eskalation mit unübersehbaren Folgen in Kauf.

Ohne Zustimmung der Bundeswehr und der zuständigen Ministerien läuft so ein Einsatz nicht. Damit will ich nicht behaupten, daß die gesamte Aktion von der Bundeswehr oder in Ministerien durchgeplant war. Ich könnte es auch nicht beweisen.

Wenn Kiew tatsächlich die Inspektion laut Wiener Dokument von 2001 angefordert hat, hätte Berlin ablehnen und statt dessen alles tun müssen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.

 Die dann noch bei ihrer Festnahme ihre Neugierde mit »touristischem Interesse« begründen?

Das ist doppelbödig und verlogen, wenn die Soldaten "touristischhes Interesse" bei ihrer Verhaftung angeben.  Wenn es nur »naiv« wäre, (so Gehrcke)  könnte man es ja noch damit entschuldigen, daß die möglichen Konsequenzen nicht durchdacht wurden. Vielleicht war es aber auch Absicht: Wir schicken die mal dort hin; mal sehen, was passiert. 

Die gesamte Aktion war verantwortungslos. Und ein Skandal ist es auch, daß die Regierung die zuständigen Obleute der Bundestagsfraktionen erst informiert hat, nachdem der Einsatz gründlich daneben gegangen ist.

Ich möchte gerne wissen, wie der konkrete Auftrag lautete: Sollten sie Skizzen anfertigen? Sollten sie Informationen über die Aufständischen sammeln? Dazu wird die Bundesregierung Auskunft geben müssen, auch im Hinblick auf die Bundestagsfragestunde, die nächste Woche zu diesem Thema stattfindet.

Wir werden das im Bundestag thematisieren, auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird sich nicht vor seiner Mitverantwortung drücken können. Seit Beginn des Konflikts haben wir immer wieder Vorschläge zur Deeskalation gemacht. Wir haben scharfe Worte zum Vorgehen der illegalen Regierung der Ukraine gefunden und mit Härte darauf bestanden, daß man sich nicht mit Faschisten zusammensetzen darf. Wenn jetzt davon geredet wird, Rußland wolle den dritten Weltkrieg anfangen, macht einen das fassungslos. Als einzige Partei im Bundestag fahren wir den klaren Kurs, daß die europäische Sicherheit nur mit und nicht gegen Rußland garantiert ist.

Wir wehren uns auch dagegen, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Es geht nicht an, die Besetzer und Barrikadenkämpfer auf dem Maidan von Kiew als »Freiheitskämpfer« zu feiern – und wenige Tage später, diejenigen als »Terroristen« herunterzumachen, die in der Ostukraine Gebäude besetzen, .

 

http://www.jungewelt.de/2014/04-29/012.php