Heike Hänsel Linke MdB zu 15 Jahre  völkerrechtswidriger  Kosovo-Krieg der Nato

15 Jahre nach dem Überfall der NATO auf Jugoslawien gesteht der deutsche Kriegskanzler Gerhard Schröder Völkerrechtsbruch ein. Und jetzt? Die Verantwortlichen nach Den Haag!

Erklärung von Heike Hänsel. Linke MdB 

Heute jährt sich der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffkrieges der Nato gegen das ehemalige Jugoslawien zum fünfzehnten Mal. Die damalige rot-grüne Bundesregierung führte damit Deutschland zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in eine aktive Kriegsbeteiligung. Insgesamt sind bei den rund 38.000 Luftangriffen zwischen dem 24. März und 10. Juni 1999 nach Angaben der jugoslawischen Behörden zwischen 400 und 600 Zivilisten ums Leben gekommen. Die NATO selbst hat keine Zahlen über Opfer der Luftangriffe veröffentlicht. Eine strafrechtliche Verfolgung der Luftangriffe wird vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bis heute abgelehnt. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international führt dagegen an, dass es 90 Angriffe der NATO gegen Zivilisten und zivile Ziele gegeben hat, bei denen schätzungsweise 500 unbewaffnete Menschen getötet wurden und dies eindeutig Kriegsverbrechen sind. Dazu gehört die Bombardierung des serbischen Fernsehsenders RTS am 23. April 1999 in Belgrad, die Bombardierung der Kleinstadt Varvarin am 30. Mai, sowie Angriffe auf zahlreiche Eisenbahn- und Autobrücken. Der Einsatz von geächteten Streubomben und die Verwendung von abgereichertem Uran mit seinen Langzeitfolgen. In Folge der Militärintervention kam es zu einer völkerrechtswidrigen Abspaltung des Kosovo, das bis heute von den Vereinten Nationen nicht als selbständiger Staat anerkannt ist.


"Während aktuell die EU und Nato Rußland Völkerrechtsbruch in der Krim-Frage vorwerfen, werden eigene Kriegsverbrechen und massive Verletzungen des internationalen Rechts tabuisiert, daher ist diese einseitige Außenpolitik zutiefst unglaubwürdig und trägt nicht zur internationalen Entspannung bei, im Gegenteil", kritisiert Heike Hänsel, Vorsitzende des Unterausschusses für die Vereinten Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung. "Nur eine Abkehr von internationalen Doppelstandards in der Einhaltung von Völkerrecht und eine aktive Außenpolitik des Interessenausgleichs, verbunden mit vertrauensbildenden Maßnahmen, können zu einer friedlicheren Welt beitragen", so Hänsel.

Kanzler Schröder:  Ich hab diese Art Völkerrechtsbruch  wie jetzt auf der Krim selber praktiziert - deshalb kann ich nicht vermitteln! 

Am 9. März 2014 äußerte Gerhard Schröder, siebenter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland (1998–2005), auf einer Veranstaltung der Wochenzeitung Die Zeit: »Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, etwas, was auch Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Aber wissen Sie, warum ich ein bißchen vorsichtiger bin mit ’nem erhobenem Zeigefinger? Ich muß nämlich sagen: Weil ich es selbst gemacht habe.«


Schröder war gefragt worden, warum er nicht als Vermittler in Sachen Ukraine auftreten wolle, und er – wohl schlecht vorbereitet oder taktierend oder auch einfach zu selbstsicher und geschichtsvergessen – gestand in seiner schnoddrigen Art den Völkerrechtsbruch ganz nebenbei, im Grunde genommen abgehakt: »Als es um die Frage ging, wie entwickelt sich das in der Bundesrepublik Jugoslawien, Kosovo-Krieg, da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der NATO einen souveränen Staat gebombt – ohne daß es einen Sicherheitsratsbeschluß gegeben hätte.« Völlig unerwartet, aber doch Klartext geredet – und nun?

Das letzte Kapitel im Buch mit dem Titel »Jugoslawien« wurde ab dem 24. März 1999 geschrieben. Am Abend dieses Tages, exakt um 20 Uhr MEZ, drangen Kampfflugzeuge der NATO in den Luftraum der Bundesrepublik Jugoslawien ein, unter ihnen auch vier »Tornados ECR« der Bundeswehr, Radaraufklärer. Den Deutschen fiel die militärlogistisch bedeutende Aufgabe zu, das Flugabwehrsystem der jugoslawischen Armee auszuschalten und so den Weg für die nachfolgenden Bomber freizumachen. Das geschah.

Am selben Tag zur Tagesschau-Zeit ließ Schröder, Kanzler einer SPD-Grünen-Bundesregierung, vom Bundespresseamt eine kurze Erklärung verbreiten. Daß er gerade einen an sich unfaßbaren Tabubruch begangen hatte, kam darin nicht vor. Statt dessen bedauerte der Kanzler lieber seine Regierung. Diese habe »sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, schließlich stehen zum erstenmal nach Ende des Zweiten Weltkrieges deutsche Soldaten im Kampfeinsatz«.

Dort, wo die Naziwehrmacht einst gewütet hatte, wo 1,7 Millionen Jugoslawen während der Okkupationsjahre von 1941 bis 1944 getötet wurden, wo Konzentrationslager errichtet und Hunderttausende deportiert wurden, mordeten nun wieder deutsche Krieger mit deutschen Waffen. Nein, zur Geschichte kein Wort. Statt dessen das Thema »Menschenrechte« und »Demokratie« beschworen, das ab sofort für Angriffskriege herhalten mußte: »Heute abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern.«

»Das Morden im Kosovo zu beenden«, flog die NATO-Luft-Armada 78 Tage und vor allem Nächte hindurch etwa 35000 Einsätze – allein die USA hatten zeitweise tausend Bomberjets im Einsatz –, feuerte 20000 Tonnen Bomben, Raketen oder Marschflugkörper ab. Schröder: »Die internationale Staatengemeinschaft kann der (…) menschlichen Tragödie in diesem Teil Europas nicht tatenlos zusehen. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.«

Im Namen des Vaters, des Sohnes und der »internationalen Staatengemeinschaft« – in diesem Fall bestand sie aus den zehn beteiligten NATO-Staaten. Kein UN-Beschluß, nichts. Und natürlich führten die Interventen keinen Krieg, sondern setzten lediglich mit militärischer Gewalt eine »friedliche Lösung« durch. Wie danach in Afghanistan, Irak, Libyen, Côte d’Ivoire.

Gegen Saddam Hussein, gehenkt nach vorheriger Fotosession in Unterhosen, Muammar Al-Ghaddafi und Sohn, gepfählt, gelyncht, skalpiert, verscharrt die Leichname; Saadi Al-Ghaddafi, ein anderer Sohn, bei seiner Festnahme vor kurzem öffentlich Haare und Bart geschoren, ein Spektakel. Die Ivorer Laurent und Simone Gbagbo, geprügelt und nach Den Haag verschleppt von den Siegern um Alassane Ouattara, eine vormalige Spitzenkraft des Internationalen Währungsfonds, heute Gbagbo-Nachfolger als Präsident. Mord und Totschlag in den Ländern, in denen »die humanitäre Katastrophe verhindert« werden sollte, Fehden um Öl und Geld. Libyen im freien Zerfall, der Irak zerrissen von religiöser und ethnischer Zwietracht. »Mad Max«-Untergangsstimmung inklusive Propagierung des Faustrechts in größeren Teilen des arabischen und subsaharaischen Afrika.

Schröder lieferte am 24. März 1999 die Blaupause für alle Kriege seitdem. Die NATO-Attacke »richtet sich nicht gegen das serbische Volk. Dies möchte ich gerade auch unseren jugoslawischen Mitbürgern sagen. Wir werden alles tun, um Verluste unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.« Brücken wie am Markttag in Varvarin angegriffen, gerade errichtete Wohnhäuser gezielt vernichtet oder aus Versehen, wie den Eisenbahnzug – war wohl Munition an Bord, Geheimtransport im Abteil. Alles »Kollateralschäden«.

Als solche gelten die vorgeblich unbeabsichtigten Treffer aus der Luft. Die von Krankenhäusern, Altersheimen, Geburtskliniken, Schulen, Wohnhäusern – alles bevorzugte Objekte des Zufalls. Von militärischen Zielen weit entfernte Kleinstädte oder Dörfer wurden oft gleich mehrmals von den Bombengeschwadern heimgesucht und Flüchtlingstracks, als Feindobjekte identifiziert, ausgeschaltet. »Wo es für angebracht gehalten wurde«, schrieb Werner Pirker zum fünften Jahrestag des Krieges (jW vom 24.3.2004), »bewiesen die NATO-Bomber durchaus ihre Fähigkeit zu ›chirurgischen Eingriffen‹. Öffentliche Gebäude in Belgrad wurden auf den Meter genau getroffen, weshalb die unzähligen Zerstörungen ziviler Objekte nicht unbeabsichtigt gewesen sein können. Die Zivilbevölkerung wurde bewußt terrorisiert, um ihren Widerstandsgeist zu brechen. Doch blieb die Moral der Bevölkerung bis zuletzt intakt, berichtet die JW.«

Geschichtlicher Abriss: 

 

Am 24.03.1999 beginnen die NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien. Der erste NATO-Krieg hat begonnen. Am 10.06.1999 akzeptiert die jugoslawische Führung die Bedingungen der NATO und zieht alle bewaffneten Kräfte aus dem Kosovo ab.

Die Bilanz des ersten NATO-Krieges liest sich folgendermaßen:

Es wurden laut NATO-Schätzung ca. 10.000 jugoslawische Soldaten getötet oder verletzt. Dazu kommen 1.500 getötete und 5.000 verletzte Zivilpersonen (Schätzungen der jug. Behörden). Mehr als 855.000 Menschen sind aus dem Kosovo seit Beginn der Luftangriffe vertriebene worden oder geflohen (nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR). Mehr als tausend Splitterbomben, auch Streubomben genannt, hat die NATO während des Kosovo-Krieges abgeworfen. 450 Kilogramm wiegt eine Streubombe, sie besteht aus 202 Behältern mit Einzelsprengsätzen, die jeweils 1.800 extrem scharfe Metallsplitter in sich tragen. Rund 10% dieser Behälter , das wären mindestens 20.000 Minibomben, sind nicht explodiert, räumen Experten der NATO ein. Die Minengefahr im Kosovo ist heute weitaus größer als in Kambodscha, Bosnien oder Afghanistan, die bislang zu den am stärksten verminten Ländern der Erde gehören.

Für die deutschen Medien steht die Schuld von Milosovic außer Zweifel. Schnell waren sich die Seiten mit den gewohnten Beleidigungen gefüllt: „Der Schlächter von Belgrad“ (Berliner BZ), das „Balkanmonster ... sieht aus wie eine Bulldogge ohne Knochen“ (Bild), „Horst Mahler vergleichbar“ (taz), das „Ungeheuer“ (Freitag). „300.000 Tote klagen Milosovic an“ lautet die Headline der Münchner Abendzeitung, der Spiegel schrieb tags darauf hanseatisch zurückhaltend von „nahezu 300.000“. Damit sind alle Opferrekorde gebrochen. Die Differenz zwischen den angeblich im Kosovo ermordeten Albanern, laut Kriegsverbrechertribunal in Den Haag genau 11.334, und den nach 13 Monaten intensiver Suche gefundenen Toten, laut Den Haag 2.788, ist doch recht groß.

Völkermord – Genozid ist das neue Schlagwort geworden. Und dem Genozid muß mit einer humanitären Intervention, wobei es zu Kollateralschäden kommen kann, abgeholfen werden. Aber was ist dieser Genozid?

Der Begriff des Genozids bzw. Völkermord, muß auch angesichts dessen, was dort im Kosovo jetzt zutage gefordert wird, als das denunziert werden was er ist, ein Kampfbegriff der NATO, die selbst Massenmörder in ihren reihen hat und zu anderen Massenmördern außerordendlich gute Kontakte pflegt. Ja, es hat im Kosovo Massenmord, Vergewaltigung und Vertreibung gegeben. Aber diese Begrifflichkeiten wie KZ’s, Milosovic’-SS, Deportationen, Selektion und Joschka Fischer mit seinem „nicht nur nie wieder Krieg, sondern auch nie wieder Auschwitz!“ sind zu Weißwäschern der deutschen Geschichte geworden. Bei soviel Vergleichen mit den deutschen Nazi-Verbrechen konnte man schnell den selben Eindruck haben, den Susan Sonntag am 17.4.99 in der FAZ beschrieb

„Und vielleicht stimmt es ja, und die deutschen Tornados bombardieren nicht die Serben, sondern die deutsche Wehrmacht.“

 Ja, das schreckliche Wort vom Genozid. Genozid ist immer noch Völkermord, so wie es die Türken mit den Armeniern probiert haben, so wie die deutschen Nazis das jüdischen Volk in Europa fast ausgelöscht hätten. Aber Männer waren und sind kein Volk. Auch wenn sie es sind, die all die begangenen Völkermorde zu verantworten haben. Aber der Mord an hauptsächlich bosnischen und kosovo-albanischen Männer ist ein Kriegsverbrechen, ein Massenmord, aber deswegen noch kein Genozid. Eine schreckliche männliche Ungenauigkeit !

Wenn man im nachhinein feststellt, daß diese humanitäre Katastrophe gar nicht so katastrophal war, wie behauptet - muß man dann nicht die Verantwortlichen in ihrer Funktion ernst nehmen und zur Verantwortung ziehen? Oder ist der Kampfbegriff der bürgerlichen Menschenrechte nichts anderes als ein Klassenrecht? Warum ist die Vertreibung von 200.000 (viele Quellen sprechen eher von 300.000, und, was noch besser ist, für dieses Kriegsverbrechen sind bis heute keine Verantwortlichen zu Rechenschaft gezogen worden) Kraijna-Serben in wenigen Wochen, wobei auch noch ca. 2.000 von ihnen getötet wurden, keine humanitäre Katastrophe? Weshalb kann man nach 6 Wochen Kriegsende erst eine liste von 450 Namen zusammenstellen, die man als Kriegsverbrechen oder als Verbrechen gegen die Menschlichkeit Herrn Milosovic und den anderen glorreichen fünf anlastet? Wenn das Kosovo doch gepflastert sein müßte mit den Leichen dieser fünf Outlaws? Wenn diese katastrophale Humanität auch nur ein wenig Schritt halten möchte mit dem Kraijna-Vergleich, müßten 6.000 bis 8.000 Tote her. Zehn Jahre Kurdistan-Konflik hat 30.000 Menschen das Leben gekostet, Hunderttausende KurdInnen sind in die ganze Welt geflohen. Dörfer wurden zerstört und die Bevölkerung vertrieben - aber hier sagt das bürgerliche klassenmenschenrecht - es ist keine humanitäre Katastrophe zu erkennen, nur Terrorismus. Jetzt sind über 136.000 Serben, Roma, Montenegriner und andere vertrieben worden (Berliner Zeitung vom 13/7/99) - Hunderte geschlagen, gedemütigt, vergewaltigt, gefoltert, vertrieben und ermordet. An der Gesamtzahl der Serben und anderer Minderheiten im Kosovo gemessen - eine unter NATO-Schutz und mit der Verteidigung der menschenrechte legitimierte reinrassige ethnische Säuberung.

Der Krieg

Es war ein sauberer Krieg. So sauber, dass es noch nicht mal mehr Ziviltote gab – Kollateralschaden nannte man es jetzt. Der hiesigen Bevölkerung wurde der NATO-Krieg als chirurgisches Operation mit intelligenten sauberen Waffen verkauft. Intelligente Waffen deswegen, weil sie nur böse Serben suchen und ausschalten. Es wurde ausgeschaltet, zerstört, vernichtet – aber niemals getötet oder gemordet. Mit jedem Tag, an dem kein durchgreifender Erfolg zu verzeichnen war, wurden die Angriffe grausamer, die Ziele beliebiger.

Immerhin sollen fast 10.000 Serben/Albaner in den drei Monaten getötet oder verletzt worden sein. Ziviltote in Bussen, Bahnen, in Flüchtlingstrecks - aber trotzdem bleibt der Krieg sauber. Nie werden die Toten direkt gezeigt. Eher romantische Kerzenscheinstimmung in den Krankenhäusern in Serbien, die ohne Strom operieren müssen, weil die NATO die Stromversorgung zerbombt hat. Und dann noch Bomben am Weltnichtrauchertag auf eine jugoslawische Tabakfabrik, zum Glück wurden ein Tag später am internationalen Kindertag keine Kindergärten bombardiert. Populistische Kriegspolitik im Rahmen der Propagierung von „unveräußerlichen Menschenrechten“.

Und, was noch schöner ist – die BRD ist endlich wieder voll dabei. Absolut keine Hemmungen mehr, wenn es darum geht, daß deutsche Soldaten zum dritten mal hintereinander in diesem Jahrhundert - zum zweiten mal mit der Unterstützung der SPD einen Angriffskrieg auf den Balkan losgetreten haben. Nichts erschreckt mehr – selbst wenn auf den Tag genau, nur 58 Jahre später, wieder deutsche Kampfflugzeuge Belgrad bombardieren (6.4.41 begann das Unternehmen Marita, der deutsche Angriffskrieg gegen Jugoslawien. 484 deutsche Stukas bombardieren Belgrad und töten 1500 Menschen) Diesmal sind es deutschen Tornados – aber selbst Parallelität erschreckt kaum noch jemanden. Erschreckend!

 

Globalstrategie

Das Ende des Kosovo-Krieges besiegelt auch das Ende der alten Ordnung der Welt. Ein Krieg der NATO, der gegen das Völkerrecht und die UN-Charta verstieß, um Menschenrechte durchzusetzen, wurde vom UNO-Sicherheitsrat postum legalisiert. Damit haben die Vereinten Nationen ihren jahrzehntelang gehegten Anspruch auf ein Gewaltmonopol faktisch aufgegeben. Konkret bedeutet die Selbstmandatierung der NATO eine Relativierung des Völkerrechts in seiner jetzigen form. Das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes ist abgelöst worden vom Prinzip der humanitären Intervention. Der Kovovo-Konflikt hat gezeigt, das es für die NATO heute möglich ist, gegen den Willen der Großmächte Rußland und China einen Krieg zu führen, ohne das Ende der Welt zu riskieren. Der bisherige völkerrechtliche Konsens ist damit obsolet. In der neuen Weltordnung, die durch den zerfall der Blöcke entstanden ist, hat sich die NATO unter Führung der USA als alleinige Ordnungsmacht etabliert. Der Kosovo-Krieg war lediglich die Probe auf Exempel.

Die neue stärke der USA geht einher mit der schwäche Rußlands. Auch hierfür war der Kosovo-Krieg eine Probe, die ergeben hat, daß aus der einstigen Gestaltungsmacht eine klassische Vetomacht geworden ist.

Die Berliner Zeitung beschrieb am 15/6/99 noch ein paar andere Gründe für den Kosovo-Krieg „Russische Geopolitker verwiesen von Beginn an darauf, daß es die NATO bei ihrer Kosovo-Aktion darauf abgesehen hatten, die Kontrolle über die reichhaltigen vorkommen an Chrom, Wolfram, Nickel und Blei im Nordkosovo zu erringen. Insgesamt 35% der Weltvorräte an Chrom liegen in Albanien und Kosovo. Chrom, Wolfram und Ferrochrom haben zentrale Bedeutung für die internationale Rüstungsindustrie. Die Weltbank hat in einem Memorandum als Ziel formuliert, Möglichkeiten für eine internationale Ausbeutung zu schaffen, heißt es in Moskau.

Allerdings ist der Verweis auf die Weltbank fadenscheinig. Rußland ist nicht weniger an den Rohstoffen interessiert. Seit Anfang der 90er Jahre unterschrieben Moskau und Belgrad einige Abkommen über deren Förderung und Aufbereitung. Jugoslawien plante den Export von Chrom und Chromlegierungen nach Rußland. Insgesamt hätte Rußland mit der gemeinsamen Ausbeutung nach Schätzungen von Wirtschaftsfachleuten jährlich eine bis anderthalb Milliarden Dollar einnehmen können. Für Jugoslawien ist der Norden die wichtigste Einnahmequelle für Devisen. Ein russischer KFOR-Sektor dort ist somit nicht nur eine psychologisch wichtige Garantie für die serbischen Bevölkerung, ihre Klöster und Kirchen, sondern auch für die ökonomischen Interessen Belgrads und Moskaus.“

 

Ölspuren

Jugoslawien spielte auch immer eine Rolle im neuen „Great Game“. Der Neuverteilung strategischer Rohstoffe, vor allem der Ölvorkommen. Da Jugoslawien über keine nennenswerten Ölvorkommen verfügt, auch wenn dort Vorkommen vermutet werden, so war es als Transitland von Bedeutung. Verschiedene Ölmultis planten eine Pipeline durch Jugoslawien oder den Transit per Öltanker über die Donau. Vom georgischen Schwarzmeer-Hafen Supsa geht das Kaspi/Kaukasusöl per Tanker durch den Bosporus in die weite Welt. Das Öl könnte auch in bulgarischen Raffinerien verarbeitet und auf der Donau durch Jugoslawien nach West-Europa gelangen. Noch besser wäre eine Pipeline.

Im Februar 1998 vereinbarte die bulgarische Regierung mit der italienischen ENI, eine "Machbarkeitsstudie für eine Pipeline vom Hafen Constanta nach Triest, über Ungarn (...) und Serbien" zu erstellen, die "auch von den USA mit 650 000 Dollar gefördert" wird. "Mehrere US-Firmen" haben sich "um den Bau der Pipeline beworben (...). Pferdefuß der lukrativen Trasse" sei "der Teilabschnitt durch Serbien". "Der Transit" könne nur "durch eine internationale Garantie" (Handelsblatt, 13. Oktober 1998) gewährleistet werden. Das klingt eindeutig. Trotzdem wird es Zufall sein, daß der Bundestag etwa in dieser Zeit den Krieg gegen Jugoslawien beschloß.

Die geostrategische Lage und der hegemoniale Wettstreit haben Jugoslawiens Schicksal besiegelt. Die "geoökonomische Verknüpfung der westlichen Schwarzmeerküste (...) für den Transport russischer, kaukasischer oder auch zentralasiatischer Energieträger" und die "Versorgung Südost- und Mitteleuropas auf dem Land bzw. Flußwege" (FAZ, 27. Mai 1999) verlangte "politische Stabilität" auf dem Balkan.

 

Heute vor 15 Jahren begann der völkerrechtswidrige NATO-Bombenkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.

 

Bild 1
 

Angegriffen wurden vor allem zivile Ziele wie die Sendezentrale des serbischen Rundfunks RTS, die »Zastava«-Autofabrik in Kragujevac, eine Brücke in Varvarin und die chinesische Botschaft. Die NATO sprach zynisch von Kollateralschäden. Die Verantwortlichen wurden bis heute von keinem Gericht belangt. Zum Beispiel:

Gerhard Schröder

• Von 1998 bis 2005 Kanzler der Bundesrepublik Deutschland (SPD)

• Befahl den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur »Verteidigung« von »Freiheit, Demokratie und Menschenrechten«. Er ist geständig


Joseph »Joschka« Fischer

• Von 1998 bis 2005 ­Außenminister der Bundesrepublik ­Deutschland (Grüne)

• Rechtfertigte den NATO-Bombenkrieg mit den Sätzen: »Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.«


Rudolf Scharping

• Von 1998 bis 2002 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland (SPD)

• Legitimierte den Krieg mit der angeblichen Existenz eines serbischen Plans zur Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo, dem sogenannten Hufeisenplan, einer Propagandalüge


William »Bill« Clinton

• Von 1993 bis 2001 ­Präsident der Vereinigten Staaten ­(Demokratische Partei)

• Trug maßgebliche Verantwortung für den »Operation Allied Force« genannten Einsatz von US-Streitkräften gegen Jugoslawien – ohne jegliche Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat


Madeleine Albright

• Von 1997 bis 2001 Außenministerin der Vereinigten Staaten (Demokratische Partei)

• Äußerte 1993: »Wozu haben wir eigentlich dieses großartige Militär, (…) wenn wir es nicht einsetzen können?« Geständig seit 2013: »Was wir dort taten, war nicht legal, aber richtig.«


Anthony »Tony« Blair

• Von 1997 bis 2007 Premierminister des Vereinigten Königreichs (Labour-Partei)

• Spielte als Scharfmacher eine besondere Rolle und forderte wiederholt und nachdrücklich den Einsatz von Bodentruppen in Jugoslawien (was Clinton für den »Notfall« akzeptierte)


Jacques Chirac

• Von 1995 bis 2007 Staatspräsident Frankreichs (RPR/UMP)

• Führte Frankreich in den Krieg gegen Jugoslawien, drohte »­Terrorstaaten« mit französischen Atomwaffen. Die Strategie der NATO im Kosovo-Konflikt sieht er als gerechtfertigt an


José Maria Aznar

• Von 1996 bis 2004 Ministerpräsident Spaniens (Volkspartei PP)

• Soll die Anregung zur Bombardierung des staatlichen Rundfunks RTS gegeben haben. Er gehörte zusammen mit George W. Bush und Anthony Blair vier Jahre später zu den treibenden Kräften des Angriffskrieges gegen den Irak


Javier Solana

• Der Spanier war von 1995 bis 1999 Generalsekretär der NATO

• Gab den Befehl zur Bombardierung Jugoslawiens, angeblich um »die sich im Kosovo entwickelnde humanitäre Katastrophe zu stoppen«. Er erklärte damals, es gebe keine Alternative zum »militärischen Eingreifen«


Jamie Shea

• Der Brite ist seit 1980 für die NATO tätig, 1999 als ihr ­Sprecher in Brüssel

• Legitimierte den Angriff und prägte als stets lächelndes TV-Gesicht des Krieges die ­Berichterstattung und das Wort »Kollateral­schäden« für zivile Opfer


Zusammenstellung: junge Welt

http://www.jungewelt.de/2014/03-24/057.php

http://www.jungewelt.de/2014/03-24/016.php

http://www.oelspuren.net/Kriege/DERKOS_1/derkos_1.HTM