Wird die Linkspartei zu einer Kaste von Funktionären mit Ost-Dominanz?

Gemäß neuem Delegiertenschlüssel kommen ca. zwei Drittel der Delegierten aus den neuen Bundesländern und nur noch etwas mehr als ein Drittel aus den alten Bundesländern. Es wurde ein Durchmarsch der Ost-Verbände befürchtet.

Der Parteitag der LINKEN vom 15./16. Februar in Hamburg verdient deshalb einen Blick in den Bericht der Mandatsprüfungskommission.

Von 499 Delegierten, die entsprechende Fragebögen ausgefüllt hatten, waren 224 parlamentarische Mandatsträger der verschiedenen Ebenen. 82 waren Beschäftigte bei Abgeordneten oder Fraktionen und 13 waren hauptamtlich bei der Partei beschäftigt. 

Die Mehrheit der Delegierten waren also keine einfachen Mitglieder der Basis sondern Mandatsträger und Funktionäre und Mitarbeiter derselben.  

 

 
Wer diese Zahlen analysiert wird schnell das „Geheimnis“ lüften, warum die Parteitagsregie so funktionierte, wie sie funktioniert. Die Partei nähert sich auch in ihrem inneren Gefüge beschleunigt der SPD an, wo die Parteitage nur noch der Selbstbestätigung der Funktionäre dienen. Schaut man auf die Redelisten – trotz der Tatsache, dass ein Teil davon gelost wird – und Grußworte, Berichte usw., dann wird das Übergewicht der Parteielite noch deutlicher. Die breite Mitgliedschaft hat nicht mehr viel zu sagen, sondern wird in dem Prozess, der sich „Programmdiskussion“ nennt, sorgfältig ausgeschaltet. Dass es diesmal besonders dreist war, weil die eigentlichen Texte zur Abstimmung erst kurzfristig quasi als Gabi-Zimmer-Papiere ohne Kenntnis des Inhaltes durch viele Delegierte als Tischvorlage in letzter Minute kamen, sei ebenso klar und deutlich erwähnt, führt Thiess Gleiss auf "Scharflinks" aus. 
 
Es war ein echtes Husarenstück, das einer Gruppe um die Europaabgeordnete Gabriele Zimmer, den Berliner Landesvorsitzenden Klaus Lederer und die Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich und Dietmar Bartsch da gelungen ist. Das Resultat ihrer kurz vor Beginn des Linke-Parteitags in Hamburg gestarteten Aktivitäten: Am Samstag abend beschlossen die rund 540 Delegierten das Programm zur Europawahl am 25. Mai, dessen – komplett neu formulierte – Präambel weitgehend den Vorstellungen des »Reformerflügels« entsprach. Der neue Einleitungstext war ihnen erst am Samstag morgen vorgelegt worden. Während der Versammlung entschieden sie mit deutlicher Mehrheit, diesen nicht noch einmal zu diskutieren und nur über bereits vorher zum »restlichen« Programm eingereichte Änderungsanträge zu entscheiden, schreibt die Junge Welt.
 
Das Ganze hatte schon putschartige Züge. Die Delegierten wurden überrumpelt. 
 
Diether Dehm schätzt das Ergebnis des Europa-Parteitages etwas anders ein: 
 
Die "junge Welt" wird nicht dadurch noch röter und kostbarer, wenn sie DIE LINKE schwärzer malt und ihre marxistisch/gewerkschaftlich orientierten Strömungen noch vergeblicher. Der Hamburger Parteitag war mitnichten ein Durchziehen der "Reformer"! Ich habe zwar auch dem finalen Europawahlprogramm nicht auf dem Parteitag und nicht im Parteivorstand zugestimmt, möchte aber sehr deutlich sagen, dass gerade die scharfe Kritik der EU in Sachen Militarismus nicht zurückgenommen, sondern am Ende wieder hinein gestimmt werden konnte, wie auch weitere Teile des Alternativentwurfs von Wolfgang Gehrcke und mir. Meine ursprüngliche Formulierung, dass die EU ein militaristisches und neoliberales ...Regime ist, wurde durch meine folgende Formulierung ersetzt, die genau dasselbe besagt: "In ihrer bestehenden vertraglichen Verfasstheit und Politik ist die EU weder auf Frieden und Abrüstung ausgerichtet, noch auf soziale Gerechtigkeit. Nur starke außerparlamentarische Kämpfe und eine starke Linke in den Parlamenten können den Neustart schaffen: für ein friedliches, soziales, demokratisches und ökologisches Europa." Weder die "junge Welt", noch DIE LINKE, noch ich als Urheber beider Formulierungen sind so phantasielos, dass wir das Wort "militaristisch" nicht auch an Wahlkampf-Infoständen gelegentlich durch andere, z.B. die eben genannte Formulierung, ersetzen können. Das Wahlprogramm bleibt aber schwer leserlich und beinhaltet auch einige unüberlegte Formulierungen, doch das kommt in den besten Zeitungen und Parteiprogrammen gelegentlich vor.

Abgesehen davon wird ein Aspekt in der "jungen Welt" vernachlässigt: vor fünf Jahren gelang es den gewerkschaftlich-marxistischen Kräften innerhalb der Linken, noch bei tiefer Mitführung durch Oskar Lafontaine NICHT, mehr als zwei Vertreter ihrer Strömungen auf der Europaliste durchzusetzen. Damals hatten die westlichen Landesverbände in etwa gleich viele Delegierte wie die Ost-Landesverbände. Jetzt war dieses satzungsmäßige Privileg weggefallen und der Westen hatte in etwa 130 und der Osten 280 Parteitagsdelegierte. Nur wenige Vertreter der marxistischen und gewerkschaftlich orientierten Strömungen waren mit großer Hoffnung nach Hamburg gefahren. Nun ist das Ergebnis aber in der Summe dasselbe, dass nämlich Sabine Lösing (frühere attac-Geschäftsführerin) und Fabio di Masi (ein marxistischer Ökonom), durchgesetzt werden konnten. Auch sonst ist die Liste eher differenzierter geworden. Mich persönlich schmerzt, dass die konsequente Gewerkschafterin Sabine Wils, die in den Auseinandersetzungen um die Hafenrichtlinie eine herausragende Rolle gespielt hat, der Vertreter der Friedensbewegung Tobias Pflüger und andere talentierte Europapolitiker nicht durchgesetzt werden konnten. Aber weder gemessen am letzten Europaparteitag, noch an den Erwartungen, ist das Ergebnis eine Schwächung der marxistisch-gewerkschaftlich orientierten Strömungen.
 
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Auszüge  aus "Junge Welt" und "Scharflinks" zum Europaparteitag 
http://www.scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=42599&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=3c46d12a6c
http://www.jungewelt.de/2014/02-17/042.php?sstr=Europa%7CParteitag