Geburtsstunde der deutschen Linken als Massenpartei links der SPD: Gründung der KPD am 1.1. 1919 vor 95 Jahren 

Am 1. Januar 1919 wurde die Spaltung der Sozialdemokratie endgültig und dauerhaft vollzogen.

 

Vorher hatten sich nur Bünde und Gruppen  wie der Spartakusbund und die USPD  von der SPD aus Protest der Zustimmung der  Mehrheitsozialdemokraten  zu den kaiserlichen Kriegskrediten des imperialistischen Deutschland   abgespalten.

 

Geburtsstunde der Linken als Massenpartei links der SPD: Gründung der KPD am 1.1. 1919 vor 95 Jahren 

Bereits am 4. August 1914 jährte  sich das wohl verhängnisvollste Datum in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Am 4. August 1914 genehmigte die SPD-Fraktion im Reichstag die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg. Mit den berühmt-berüchtigten Worten ihres Vorsitzenden Hugo Haase, "wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich", stellte sich die SPD in der bisher blutigsten Massenschlächterei der Weltgeschichte hinter Kaiser Wilhelm II und seine Regierung.

 

Die Zustimmung zu den Kriegskrediten bedeutete einen beispiellosen Verrat an den eigenen Grundsätzen und Prinzipien. "Noch nie, seit es eine Geschichte der Klassenkämpfe, seit es politische Parteien gibt, hat es eine Partei gegeben, die in dieser Weise, nach fünfzigjährigem unaufhörlichem Wachstum, nachdem sie sich eine Machtstellung ersten Ranges erobert, nachdem sie Millionen um sich geschart hatte, sich binnen vierundzwanzig Stunden so gänzlich als politischer Faktor in blauen Dunst aufgelöst hatte wie die deutsche Sozialdemokratie," charakterisierte Rosa Luxemburg das Ereignis. Und sie zog den Schluss: "Am 4. August 1914 hat die deutsche Sozialdemokratie politisch abgedankt, und gleichzeitig ist die sozialistische Internationale zusammengebrochen."

Über vier Jahrzehnte lang hatte die SPD die Arbeiter im Sinne der internationalen Solidarität und der Feindschaft gegen den Imperialismus erzogen. Noch im November 1912 hatte sie eine führend Rolle auf dem Internationalen Sozialisten-Kongress in Basel gespielt, der die europäischen Arbeiter nachdrücklich zum Widerstand gegen den Krieg aufrief.

Im abschließenden, von allen großen sozialistischen Parteien Europas unterzeichneten Manifest hieß es: "Der Kongress... fordert die Arbeiter aller Länder auf, dem kapitalistischen Imperialismus die Kraft der internationalen Solidarität des Proletariats entgegenzustellen." Das Manifest drohte den "herrschenden Klassen aller Staaten" im Kriegsfall mit revolutionären Konsequenzen und warnte sie: "Es wäre Wahnwitz, wenn die Regierungen nicht begreifen würden, dass schon der bloße Gedanke der Ungeheuerlichkeit eines Weltkrieges die Entrüstung und Empörung der Arbeiterklasse hervorrufen muss. Die Proletarier empfinden es als ein Verbrechen, aufeinander zu schießen zum Vorteile des Profits der Kapitalisten, des Ehrgeizes der Dynastien oder zu höherer Ehre diplomatischer Geheimverträge."

Das Bekenntnis zur "Vaterlandsverteidigung" war eine radikale Abkehr von diesen Grundsätzen. Übertragen auf die Internationale bedeutete es, dass die Arbeiter jedes Landes nun verpflichtet waren, zur Verteidigung des eigenen "Vaterlandes" die Arbeiter der gegnerischen "Vaterländer" abzuschlachten. Es bedeutete das Todesurteil für die Sozialistische Internationale.

Das Bekenntnis zur Vaterlandsverteidigung hatte zur Folge, dass die SPD ins Lager des deutschen Imperialismus überwechselte und jede Opposition gegen den Krieg unterdrückte. Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten ging das Bekenntnis zum Burgfrieden einher - zur Einstellung des Klassenkampfs in all seinen Formen, solange "das Vaterland in Gefahr" war. Reichskanzler Bethmann Hollweg konnte nach Haases Rede mit Befriedigung und unter dem jubelnden Beifall der Rechten verkünden, dass nun das ganze deutsche Volk, "einig bis auf den letzten Mann", hinter Armee und Flotte stehe. Die sozialdemokratische Parteiorganisation und Parteipresse stellten sich in den Dienst der Kriegspropaganda und betrieben eine geifernde, chauvinistische Hetze.

Die SPD hatte sich aus einer Gegnerin der herrschenden Ordnung in eine ihrer Stützen verwandelt. Nur vier Jahre später sollte sie die Verantwortung dafür übernehmen, aus den Trümmern des Wilhelminischen Reichs zu retten, was sich retten ließ - die Militärkaste, mit der sie sich gegen die revolutionären Arbeiter verbündete; die marodierenden Freikorps, aus denen später Hitlers SA hervorging; der Obrigkeitsstaat mit seiner Beamten- und Justizbürokratie; der junkerliche Grundbesitz; und das kapitalistische Privateigentum der großen Industriebarone, Banken und Trusts. Alle demokratiefeindlichen Kräfte und Institutionen, über die später so mancher sozialdemokratischer Historiker seufzend schreiben sollte, verdankten der SPD ihr Überleben. Sie deckte sie mit dem Mantel der Weimarer Verfassung zu, unter dem sie unbehelligt fortlebten, bis sie in den dreißiger Jahren zum Nationalsozialismus überliefen.

 

Viel wichtiger als die kurzfristigen waren die langfristigen Auswirkungen des sozialdemokratischen Verrats. Eine mutige Stellungnahme gegen den Krieg hätte die SPD vielleicht vorübergehend isoliert und staatlichen Repressionsmaßnahmen ausgesetzt, aber ihre moralische und politische Autorität wäre ungeheuer gewachsen. Hätte sie den Krieg als das bezeichnet, was er war - ein imperialistischer Raubkrieg, für den Deutschland die Hauptverantwortung trug -, anstatt ihn als Verteidigung des Vaterlands zu beschönigen, sie hätte die politischen Voraussetzungen für eine mächtige sozialistische Bewegung geschaffen, die nicht nur den Krieg selbst, sondern die ganze reaktionäre Gesellschaftsstruktur, aus der er erwachsen war, hinweggefegt hätte.

Die anfängliche Kriegsbegeisterung der Massen konnte nur von kurzer Dauer sein. Der Krieg selbst tat alles, um sie zu zerstören. Das sinnlose Gemetzel an den erstarrten Fronten, die Not und das Elend im Hinterland untergruben den nationalistischen Taumel und die Träume vom schnellen Sieg. Bereits ein Jahr nach Kriegsausbruch schrieb Leo Trotzki, der die Stimmung der europäischen Massen aufmerksam beobachtete: "Wenn die sozialistischen Parteien, auch wenn sie nicht in der Lage waren, den Krieg zu verhindern oder in seiner ersten Phase die Regierenden zur Verantwortung zu ziehen, von Anfang an jegliche Verantwortung für das weltweite Völkergemetzel abgelehnt hätten... - wie groß wäre jetzt die Autorität des internationalen Sozialismus, zu dem die Massen, betrogen vom Militarismus und niedergedrückt von Trauer und wachsender Not, immer stärker ihre Blicke wenden würden wie zu einem wahren Hirten der Völker!... Und jenes Befreiungsprogramm, das jetzt einzelne Sektionen der zerschlagenen Internationale am Ende des Stabstrosses durch den blutigen Schmutz ziehen, würde zur machtvollen Realität bei der internationalen Offensive des sozialistischen Proletariats gegen alle Kräfte der alten Gesellschaft."

Der Verrat der Sozialdemokratie zog nicht nur den Krieg unnötig in die Länge. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass auch das restliche 20. Jahrhundert völlig anders verlaufen wäre, hätte die Sozialdemokratie am 4. August nicht kapituliert. Wäre in Deutschland nach dem Krieg eine gesunde, lebendige Demokratie auf sozialistischer Grundlage entstanden anstatt jenes Zwitterwesen namens Weimarer Republik, in dem die Kräfte der Reaktion unter einem fadenscheinigen demokratischen Deckmantel munter gediehen, hätten Hitlers braune Horden keine Chance gehabt, jemals an die Macht zu gelangen.

Die Folgen des Verrats der SPD blieben nicht auf Deutschland beschränkt. 

Die russischen Marxisten, strikte Kriegsgegner und Internationalisten, taten 1917 das, was die deutschen Sozialdemokraten versäumten. Sie begnügten sich nicht damit, den Thron des Zaren hinwegzufegen, sondern beseitigten auch die gesellschaftlichen Strukturen, auf die er sich gestützt hatte. Sie errichteten den ersten Arbeiterstaat der Weltgeschichte. Das war eine Tat von beispielhaftem Mut und Kühnheit, die aber im nationalen Rahmen keinen Bestand haben konnte. Die führenden Bolschewiki rechneten fest mit internationaler Unterstützung. Für sie war die Oktoberrevolution lediglich der erste Schritt auf dem Weg zur sozialistischen Weltrevolution. Die Revolution im Westen und vor allem in Deutschland würde ihnen helfen, die ererbte wirtschaftliche und kulturelle Rückständigkeit zu überwinden.

Aber die Revolution in Deutschland wurde von der SPD abgewürgt. Die Sowjetunion blieb isoliert. Die KPDSU dominierte auch die Parteien der Kommunistischen Internationale und setzte ihren Kurs durch . Die Spaltung der Linken führte zur Machtergreifung Hitlers, die von den Erzkonservativen im Lande in den Sattel der Macht gehoben worden waren.   

Die SPD stellte sich als Regierungspartei auch gegen  die Volksbewegung der Linken und letztendliuch auch gegen die basisdemokratischen Räterepubliken des Landes.

1918 hatte die SPD die bürgerliche Republik und Karl Leibknecht hatte zeitglich die sozialistische republik ausgerufen . Di eLinken wollten Basisdemokratie udn die SPD setzte sich für die bürgerlich- parlamentarische Demokratie ein und  sie stützte sich auf die alten Mächte.

Die Gründung der KPD war seit etwa Anfang Dezember 1918 geplant und erfolgte dann als direkte Reaktion auf die Ereignisse des 24. Dezember in Berlin. Dabei wurde die Absicht Friedrich Ebertsunübersehbar, kaiserliches Militär gegen Revolutionäre einzusetzen und diese zu entmachten. Bald darauf erfuhren die Linken die Gewaltbereitschaft der SPD-Führung: Es kam zum Einsatz der Freikorpsgegen Teile der Berliner Bevölkerung, die die Revolution unter Mitwirkung und teilweiser Führung der Spartakisten fortsetzen wollten. Seit Jahresbeginn 1919, besonders aber seit der Niederwerfung des sogenannten Spartakusaufstands und der durch Eduard Stadtler initiierten Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 kam es reichsweit zu bürgerkriegsähnlichen politischen Unruhen.

Die KPD verstand sich wegen dieser Erfahrungen von Beginn an als Gegensatz und Gegengewicht zur SPD. Sie wollte deren ursprüngliches Ziel, den Sozialismus, weiterverfolgen und damit den deutschen Arbeitern eine revolutionäre Alternative zum Bürgertum angepassten Reformismus anbieten. Sie verstand sich als Massenpartei und wollte die sozialistische Räterepublik von der Betriebsebene aus verwirklichen, die durch die SPD und Gewerkschaftsführungen verhindert und durch die USPD nicht energisch genug angestrebt worden war.

Am 29. Dezember 1918 beschloss der Spartakusbund die Trennung von der USPD und die Gründung einer eigenen Partei. Dies geschah bereits einen Tag später am 30. Dezember im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses, wo der bis zum 1. Januar 1919 andauernde Gründungsparteitag der KPD begann.

Auf dem Gründungsparteitag wählten die Delegierten aus dem Reich einen Parteivorstand, dem die Führungspersönlichkeiten der wichtigsten Teilgruppen angehörten: von den Bremer Linksradikalen Otto Rühle, von den Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) Johann Knief und Paul Frölich, vom Spartakusbund Hermann DunckerKäte DunckerHugo EberleinLeo JogichesPaul LangePaul Levi,Karl LiebknechtRosa LuxemburgErnst MeyerWilhelm Pieck und August Thalheimer.

 

Obwohl Karl Liebknecht sich in Verhandlungen um einen Eintritt auch der Revolutionären Obleute in die KPD bemüht hatte und dafür eigens der Gründungsparteitag unterbrochen wurde, kam eine Verbindung der beiden Strömungen nicht zustande.

Wenige Tage nach der blutigen Niederschlagung des Januaraufstands verhafteten am 15. Januar 1919 in Berlin Freikorpssoldaten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division die untergetauchten Führer desSpartakusbunds, ( genauer gesagt der KPD , die am 1. Januar 1919 gegründet worden war)  Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

 

Sie verschleppten die beiden Köpfe der revolutionären Bewegung in das Hauptquartier des Freikorps im Hotel Eden und verhörten sie dort unter schweren Mißhandlungen. Anschließend erschossen sie Liebknecht im Tiergarten mit drei Schüssen aus nächster Nähe. Luxemburg wurde ebenfalls von ihren Bewachern heimtückisch ermordet. Ihre Leiche warfen sie in den Landwehrkanal, wo sie erst Ende Mai 1919 gefunden wurde.

Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in der Nacht des 15. Januar 1919 ist der folgenschwerste politische Mord in der deutschen Geschichte. Gleichwohl werden die Umtände dieser Bluttat immer noch in seltsames Grau gehüllt, liest und hört man in den Medien nur etwas von nicht näher bestimmten »Angehörigen eines Freikorps« oder »Soldateska«.

 Wer waren die Freikorps? In wessen Auftrag handelten sie? Geschah alles irgendwie beiläufig, ohne Plan und Ziel? Oder war es ein Komplott, das vielleicht bis ganz nach »oben« reichte? Diese Fragen stellte ich mir, als ich vor neun Jahren zu recherchieren begann. Bald versank ich in einem Meer aus Fälschungen, Vertuschungen und Lügen. Und doch filterte sich die Wahrheit heraus ... »Schießen, auf jeden, der vor die Flinte läuft« Kaum hatte die Revolution die Reichshauptstadt Berlin erfaßt, verbündete sich am 10. November 1918 Generalleutnant Groener von der Obersten Heeresleitung mit dem frisch gekürten neuen Reichskanzler Friedrich Ebert (SPD) zum Zwecke der »Bekämpfung des Bolschewismus«.

Schon seit Mitte November hatte man »unter der Decke« die Bildung von Freikorpstruppen abgemacht. Daß sich Ebert, das Radieschen - »außen rot und innen weiß!« (Tucholsky) - damit gegen seine Parteibasis stellte, die Konterrevolution absegnete, ficht ihn nicht an.

Ende Dezember, nachdem sich die alten kaiserlichen Truppen und mit ihnen Ebert mehrfach gegen das revolutionäre Berlin blamiert hatten, intensivierte Groener den Ausbau der Freikorpseinheiten zu riesigen Verbänden. Dies geschah nicht nur mit Zustimmung Eberts, sondern wurde bald in Person seines Freundes Gustav Noske von einem SPD Oberbefehlshaber geleitet. Noske hatte bereits Anfang November in Kiel konterrevolutionäre Offiziersbrigaden gefördert, die sich, an' der Geburtsstätte der demokratischen Revolution, eben zu ihrer Bekämpfung gebildet hatten. Eine dieser Einheiten wurde von Kapitänleutnant Horst von Pflugk-Harttung befehligt. Sie nannte sich Marineoffiziers Eskadron beim 5. Ulanenregiment.  

Pflugk-Harttung hatte einflußreiche Freunde. Einer hieß Waldemar Pabst, Hauptmann und faktischer Befehlshaber der Garde-Kavallerie-Schützen-Division. Aus dieser ex-kaiserlichen Elitetruppe schweißte er ein schlagkräftiges, haßerfülltes und zu allem entschlossenes Freikorps zusammen. Ihm unterstellte sich die kleine Marineeinheit von Pflugk-Harttung. Und Pabst unterstellte sich Noske, wurde sein »rührigster Helfer«, wie dieser selbst zugab.

Am 27. Dezember 1918 gab Noske in einer Kabinettssitzung unter Zustimmung seines Parteigenossen Heine die Leitlinie der SPD-Freikorpspolitik bekannt: »Schießen ... und zwar auf jeden, der der Truppe vor die Flinte läuft.«

Die ersehnte Stunde der Abrechnung kam Anfang Januar. Die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) waren wegen Eberts Kungelei mit den alten Mächten aus dem Kabinett ausgetreten, worauf die rechte SPD-Rumpfregierung nun auch den Polizeipräsidenten Eichhorn (USPD) entließ. Der weigerte sich jedoch zu gehen und fand Unterstützung in den Massen. Hunderttausende strömten auf die Straße. Es bildete sich ein Revolutionsausschuß unter Liebknechts Leitung, der die Regierung Ebert/Scheidemann für abgesetzt erklärte - dafür aber keine entsprechenden Schritte einleitete. Teile des Berliner Proletariats dagegen handelten und besetzten den sozialdemokratischen »Vorwärts« und andere Zeitungsredaktionen. Eine prekäre Situation. Während Karl Kautsky (USPD) zu vermitteln suchte und auch einen Waffenstillstand aushandelte, bewies Ebert erneut seine Janusköpfigkeit. Er versicherte in schönstem sozialdemokratischen Deutsch, »von der Waffe keinen Gebrauch zum Angriff« zu machen und beauftragte gleichzeitig Noske, zum »Säubern« zu blasen. Der legte nur zu gern los.

»Einer muß der Bluthund sein.«

Es begann, was man als Einführung der Schreckensherrschaft in die deutsche Politik des 20. Jahrhunderts bezeichnen kann ...

In der Nacht des 15. Januar 1919 klingelte im Hauptquartier der Pabst-Division im Eden-Hotel das Telefon. Pabsts »Bürgerwehr« in Wilmersdorf meldete sich. Sie war in ein Haus eingedrungen und hatte Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht rechtswidrig festgesetzt. Der kleine Hauptmann erkannte die Chance seines Lebens. Endlich konnte er Rache nehmen dafür, daß eine »hochbegabte Russin« (Scheidemann) und ein »Psychopath« (Noske) die Massen faszinierten. Pabst dachte kurz nach. Um beide ohne großes Aufsehen zu liquidieren, benötigte er Profis: Die kleine Marineoffizierseinheit Pflugk-Harttungs. Pabst forderte das Killerkommando sofort an.

»Deutschland muß zur Ruhe kommen«

Getrennt wurden Luxemburg und Liebknecht ins Hotel gebracht. 1700 Mark erhielt ein jeder der braven Bürger aus Wilmersdorf für die Festsetzung und Ablieferung. Inzwischen war die »Marinespezialeinheit« herangeholt: Zur Tarnung trugen die Herren Offiziere Uniformen einfacher Soldaten. Man ging nach oben zu Hauptmann Pabst. Es wurde beschlossen, Liebknecht in den dunklen Tiergarten zu fahren, dort eine Autopanne zu markieren und ihn »auf der Flucht« zu ermorden. So geschah es. Von drei Schüssen in Rücken und Hinterkopf getroffen, brach Liebknecht tot zusammen. Abgedrückt haben die Offiziere Heinz von Pflugk-Harttung, Ulrich von Ritgen, Heinrich Stiege und Rudolf Liepmann.

Für Rosa Luxemburg dachte man sich »lynchende Masse« aus, denn »Erschießen auf der Flucht« erschien bei einer hinkenden Frau nicht angebracht. Leutnant Souchon sollte die Volksmenge spielen, auf den Wagen an der Ecke warten, aufspringen und schießen. Gesagt, getan. Lange hat man Oberleutnant Vogel verdächtigt, den tödlichen Schuß auf Rosa Luxemburg abgegeben zu haben. Doch Dieter Ertel vom Süddeutschen Rundfunk entdeckte Ende der 60er Jahre Souchon als den wahren Täter. Sein Informant war der unbehelligt in der BRD lebende Waldemar Pabst. Ertel verwertete diese Neuigkeit in einem Fernsehspiel (Wiederholung in 3sat am 17. und 24. Januar) , und prompt klagte der ebenfalls noch lebende Souchon, der nicht als alleiniger Missetäter dastehen wollte. Souchons damaliger Anwalt hieß Kranzbühler. Ein alter Marinerichter, der in den Nürnberger Prozessen Dönitz vor dem Galgen gerettet hatte.

Kranzbühler traf sich mit Pabst, wollte von ihm, quasi von Offizier zu Offizier, wissen, was damals Sache war. Pabst plauderte. In einem Interview 1990 schilderte mir Kranzbühler das Treffen mit Pabst: »Dann hat er angefangen, eine ausführliche Schilderung zu geben von seiner Rolle damals, die wirklich eine entscheidende Rolle war... Schilderte auch, wie für ihn überraschend sowohl Liebknecht wie Rosa Luxemburg zu ihm gebracht wurden in sein Stabsquartier und wie er dann selbst die Entschlüsse gefaßt habe oder habe fassen müssen, was mit ihnen zu geschehen sei.« Auf meine Frage, was dies für Beschlüsse waren, gab Kranzbühler Pabst so wieder: »Die sahen so aus, daß sie beide zu erschießen seien. Das war ganz klar.« Pabst habe dann über seine Kontakte zu Noske gesprochen.

Zur gleichen Zeit gelang es mir als erstem, den vollständigen Nachlaß Pabsts im Militärarchiv Freiburg einzusehen. Obwohl die für mich wichtigen Teile damals noch unter Verschluß standen, hatte ich sie bestellt - und man hat sie mir (aus Versehen) vorgelegt. Ich fand ein unveröffentlichtes Manuskript seiner Memoiren.- Pabst darin zur Ermordung: »Daß sie durchgeführt werden mußte, darüber bestand bei Herrn Noske und mir nicht der geringste Zweifel, als wir über die Notwendigkeit der Beendigung des Bürgerkrieges sprachen. Aus Noskes >Andeutungen< mußte und sollte ich entnehmen, auch er sei der Ansicht, Deutschland müsse so schnell wie möglich zur Ruhe kommen.«

Als ich dies in einer Fachzeitschrift veröffentlichte, reagierte Kranzbühler mit einem Brief. Diesmal enthüllte er, wohl durch meine Definition des Mordes als »Offizierskomplott« provoziert, was er mir bei unserem Treffen verschwiegen hatte: Pabst hatte in der Mordnacht Noske in der Reichskanzlei angerufen! Ergänzt man Pabsts Memoiren-Hinweis mit der Aussage Kranzbühlers, ergibt sich folgendes nächtliches Telefongespräch:

Pabst: »Ich habe Luxemburg und Liebknecht. Geben Sie entsprechende Erschießungsbefehle.« Noske: »Das ist nicht meine Sache! Dann würde die Partei zerbrechen, denn für solche Maßnahmen ist sie nicht und unter keinen Umständen zu haben. Rufen Sie doch Lüttwitz an, er soll den Befehl geben.« Pabst: »Einen solchen Befehl kriege ich von dem doch nie! « Noske: »Dann müssen Sie selber wissen, was zu tun ist.«

Eine sensationelle Entdeckung, die nicht nur die allgemeine Verantwortung der SPD-Regierung für Freikorpsterror und politischen Mord untermauerte, sondern im Speziellen Noske für den bestialischen Doppelmord mitschuldig machte. Als ich dies in einem Buch (1) veröffentlichte, sah ich mich heftigen Angriffen von seiten der selbstgerechten SPD ausgesetzt. Tilmann Fichter, ein gewendeter Alt-68er, bezeichnete meine Forschungen als »Räuberpistole«. Und Heinrich August Winkler, ein Schlachtroß rechter SPD-Geschichtsschreibung, rügte mich, »ohne jeden quellenkritischen Vorbehalt« vorgegangen zu sein; inzwischen werde ich von ihm als ein von der PDS mißbrauchter »Filmemacher« tituliert.

Doch zurück zu Pabst und Noske. Beide verstanden sich, beide waren sie der Meinung, Deutschland gerettet zu haben. Pabst in einem Brief 1969 zum Mord: »Dafür sollten diese deutschen Idioten Noske und mir auf den Knien danken, uns Denkmäler setzen und nach uns Straßen und Plätze genannt haben! Der Noske war damals vorbildlich.« Einem Verbrecher, so hört man oft, könne man auch am Ende seines Lebens nicht glauben. Nun, Aussagen von Offizieren werden immer dann bezweifelt, wenn man sie nicht gebrauchen kann, so auch schon geschehen mit den Groenerschen Offenbarungen über seine Zusammenarbeit mit Ebert. Es wurde auch immer wieder Pabsts Aussage in Frage gestellt, daß Canaris, später Abwehrchef Hitlers, als Richter des nach dem Mord installierten Kameradengerichts (!) Vogel zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen habe. Ich konnte beweisen, daß Canaris gar 30 000 Mark für das »Exil« der Mörder übergeben hatte.

Pabst erklärt in seinen Memoiren, daß die Industriellen Albert Minoux und Hugo Stinnes ihn finanziert hätten. Auch dies wurde angezweifelt. Tatsächlich aber gibt es eine Liste, die Minoux als Finanzier der von Pabst gegründeten »Gesellschaft zum Studium des Faschismus« ausweist. Pabst behauptet desweiteren, am Tag nach den Morden in die Reichskanzlei zu Ebert und Noske zitiert worden zu sein: Beide gaben ihm die Hand. Dies bestätigt eine eidliche Aussage des ehemaligen Kriegsgerichtsrats Kurtzig 1928.

Die Aussagen von Kranzbühler wiederum fand ich in einem Brief von Pabst belegt, in dem dieser betont, daß er den Mord »ohne die Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte«.

»Ich habe ausgemistet und aufgeräumt« Handlungen und Äußerungen Noskes im Verlauf des Jahres 1919 bekräftigen seine Mitschuld am Verbrechen in der Nacht des 15. Januar. Er hat Befehle zur Gefangenentötung erlassen. Und er äußerte, daß er der letzte wäre, »der hinter einem kleinen Leutnant wegen einer vielleicht nicht ganz gerechtfertigten Erschießung herlaufen und ihm den Prozeß machen würde«.

Vor den Nazis schließlich brüstete er sich: »Und ich habe ausgemistet und aufgeräumt in dem Tempo, das damals möglich war.« Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind nicht - wie von Scheidemann (SPD) behauptet - Opfer ihrer eigenen, sondern Opfer sozialdemokratischer Politik geworden. Pabst hat die Mordbefehle gegeben und Noske hat sie gebilligt. Der Mord an Karl und Rosa war direkt in der Reichskanzlei abgesegnet worden.  Der Sarg von Luxemburg mußte daher leer bleiben, als er symbolisch mit 31 weiteren Opfern des Januaraufstands, unter ihnen Liebknecht, am 25. Januar auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde zu Grabe getragen wurde.

Den Leichenzug nutzten die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zu einer beeindruckenden Massendemonstration. Für die Beerdigung Luxemburgs am 13. Juni 1919 mußten aufgrund des großen Andrangs sogar Eintrittskarten ausgegeben werden.

 

Die Ermordung der beiden Kommunisten, von denen es in der Presse tags darauf hieß, Liebknecht sei auf der Flucht erschossen und Luxemburg von einer aufgebrachten Menge gelyncht worden, riefen auch im Bürgertum Empörung hervor. Mit Verständnislosigkeit reagierten weite Teile der Öffentlichkeit, als ein Kriegsgericht die maßgeblich an den Morden beteiligten Offiziere im Mai 1919 freisprach. Unterzeichnet wurde das auf scharfe Kritik stoßende Urteil vom sozialdemokratischen Reichswehrminister Gustav Noske. Das Gerichtsurteil vertiefte nach dem Januaraufstand und den Morden noch einmal erheblich den Graben zwischen der radikalen Linken und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die als Regierungspartei für die Geschehnisse verantwortlich gemacht wurde.

Doch die Anbiederung der SPD an die Mächtigen war kein Einzelfall. So meldete 1933 der Vorsitzende der SPD den Nazis Stolz, dass der Vorstand  der SPD jetzt judenfrei sei. So wollte man ein Verbot der SPD durch die Nazis verhindern. 

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