Demo gegen Erdogan in der Türkei 

 

In Istanbul ist die Polizei hart mit Wasserwerfer und Plastikgeschossen gegen Demonstranten vorgegangen.

 

Ausgerechnet ein Islamist fordert Erdogan heraus. 

Wasserwerfer und Plastikgeschosse gegen regierungskritische Proteste.  Justiz stoppt Eingriffe der Regierung in Aufklärung des Korruptionsskandals.

Erdogans Sohn ist ins Visier der Ermittler geraten.

 Die Sicherheitskräfte setzten schon vor dem geplanten Beginn der Demonstration Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung. Sie skandierten außerdem wie bereits bei den Protesten im Sommer: »Überall ist Taksim, überall ist Widerstand«. Vereinzelte Protestierer warfen Steine auf Wasserwerfer.

Die Oppositionellen im Lande hatten angesichts des Bestechungsskandals zu einer Demonstration auf dem zentralen Taksim-Platz und in allen Großstädten des Landes aufgerufen.

Die Polizei hinderte die Demonstranten am Zugang zu dem Taksim-Platz. Auf der zum Taksim-Platz führenden Einkaufsmeile ging die Polizei dann gegen etliche Gruppen von Demonstranten vor und verfolgte sie in bis in die Seitengassen der Millionenmetropole am Bosporus. Vom Gezi-Park am Taksim-Platz waren im Sommer die landesweiten Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ausgegangen.

Der Bestechungsskandal bewegt die Türkei seit ca 2 Wochen und hat bisher zum Rücktritt von zehn Ministern geführt. Einer davon hatte auch Erdogan zum Amtsverzicht aufgefordert. Erdogan hatte am Mittwoch zehn seiner 26 Kabinettsposten neu besetzt. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem darum, ob gegen Schmiergeld illegale Baugenehmigungen erteilt und Handelssanktionen gegen den Iran unterlaufen wurden.

 
Im Zuge der Ermittlungen soll nun auch Erdogans Sohn Bilal Ziel sein, schreibt die oppositionsnahe Zeitung Cumhuriyet am Donnerstag. Dabei gehe es um Bauaufträge an eine Nichtregierungsorganisation, die Verbindungen zu dem Politikersohn unterhalte. Der Istanbuler Staatsanwalts Muammer Akkas, der gegen Erdogans Umfeld ermittelt habe, wurde daraufhin von seinen Untersuchungen abgezogen.
 

Am Freitag hat die Regierungspartei ein Parteiausschlussverfahren gegen drei kritische Abgeordnete eingeleitet. Dem früheren Kulturminister Ertugrul Günay sowie den Abgeordneten Erdal Kalkan und Haluk Özdalga werde vorgeworfen, Partei und Regierung mit ihren Bemerkungen geschadet zu haben, wietürkische Medien am Freitag berichteten.

Özdalga hatte im Korruptionsskandal an Präsident Abdullah Gül appelliert, sich in die Krise einzuschalten. Kalkan hingegen kam dem Ausschluss zuvor, indem er selbst seinen Austritt aus der AKP erklärte. "Unser Volk ist nicht dumm", soll er auf Twitter geschrieben haben.

In den türkischen Großstädten wie Istanbul und Ankara hat die Opposition nun zu Großdemonstrationen aufgerufen und den Rücktritt des Premiers gefordert. Für Erdogan wird allerdings auch demonstriert. In Istanbul fanden sich Unterstützer in der Innenstadt ein.

Der Korruptionsskandal in der Türkei erschüttert auch das Vertrauen der Finanzmärkte in das aufstrebende Schwellenland. Besonders deutlich zeigte sich dies am Wert der türkischen Lira, die am Freitag nach Meldungen im Handel mit dem US-Dollar auf ein Rekordtief rutschte. Am Freitag musste für einen US-Dollar zeitweise 2,1761 türkische Lira gezahlt werden und damit so viel wie noch nie.

Ein Teil des weitreichenden Korruptionsskandals sollen die umstrittenen Gold-Geschäfte der türkischen Halkbank mit dem Iran bilden. Zahlreichen Angehörigen der politischen Elite des Landes, darunter Ministersöhnen, wird vorgeworfen, einem kriminellen Ring angehört zu haben, der die Bestechung von Politikern organisiert haben soll, unter anderem, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen.

Unterdessen hat die türkische Justiz weiteren Eingriffen der Regierung in die Aufklärung des massiven Korruptionsskandals einen Riegel vorgeschoben: Der Staatsrat stoppte am Freitag ein hoch umstrittenes Dekret, mit dem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Kontrolle über die Polizei ausweiten wollte. Die EU-Kommission warf seiner Regierung vor, die Korruptionsermittler zu behindern.

 

Erdogan wollte mit dem Dekret vom vergangenen Sonntag sicherstellen, dass Polizisten ihre Vorgesetzten informieren, bevor sie Anweisungen der Staatsanwaltschaft ausführen. Für den Staatsrat war das offenbar ein Manöver, um weitere Verdächtige aus dem Umfeld der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (APK) vor dem Zugriff der Justiz zu schützen. Die oberste Justizbehörde des Landes erklärte, die Anwendung des Dekretes würde dem Staat »irreparable Schäden« zufügen.

Die Regierung hat hingegen eine "Verschwörung" für die Korruptionsermittlungen verantwortlich gemacht, die darauf abziele, Erdogans Kabinett zu Fall zu bringen.

 

Als Widersacher Erdogans im Ausland wird Fetullah Gülen genannt. Gülen sitzt als Imam in den USA und gilt als Drahtzieher der Enthüllungen. Er gilt  aber auch als Handlanger des US Imperialismus.  

Er hat Millionen Anhänger und ein einflussreiches Netzwerk in der Türkei, zu dem hohe AKP-Kader sowie Top-Leute unter den Sicherheitskräften sowie in der Justiz zählen.

Er kontrolliert  auch türkische TV Stationen und Zeitungen in der Türkei.

Lange kämpften Erdogan und der islamische Prediger für die gemeinsame Sache: gegen das türkische Militär und die säkularen Kräfte. Heute sind sie erbitterte Rivalen, wenngleich Gülen jede Verwicklung in die aktuelle Politkrise dementiert.

Vom Erdogan-Verbündeten zum großen Rivalen

 

Es war 1999, als die damalige Regierung in Ankara Fethullah Gülen vorwarf, einen islamischen Staat in der Türkei etablieren zu wollen. Seither lebt der Prediger in den USA und zieht von dort seine Fäden – in der ganzen Welt. Seine Millionen Anhänger betreiben Schulen, Krankenhäuser, Unternehmen, Medien. Allein in Deutschland werden 300 Gülen-nahe Vereine vermutet. Das Hauptaugenmerk des heute 72-Jährigen liegt auf Bildung. Es soll eine schlagkräftige islamische Elite herangezogen werden.

In der Türkei kämpften Absolventen der Kaderschmieden erfolgreich Seite an Seite mit Erdogans Mannen, um die Macht der Militärs und der säkularen Kräfte zu brechen – bis es zwischen den Islam-Streitern selbst zum Bruch kam. Gülen-Schüler waren dem Premier zu einflussreich geworden, vor allem im Polizei- und Justizapparat. Wichtige Beamte verloren ihre Posten. Und Mitte Dezember ließ der Regierungschef Nachhilfe-Zentren des in der Osttürkei geborenen Gülen schließen. Das kam einer Kriegserklärung für die Bewegung gleich, da diese Zentren eine wichtige Finanzquelle darstellten.

Dann der Gegenschlag: Gülen zündete die Korruptionsbombe und könnte noch weitere Waffen im Schrank haben.

Ein Militärputsch ist trotz der prekären politischen Lage aber noch ausgeschlossen.