SAHRA WAGENKNECHT Merkels EU hat keine Zukunft

Von Sahra Wagenknecht, Erste stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 


Die Europäische Union gleicht der Titanic: Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Präsident Mario Draghi sowie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zerren am Steuerrad, während die Finanzhaie auf dem Sonnendeck eine Party feiern. Auf den unteren Etagen – bei den Steuerzahlern, Arbeitnehmern, Rentnern und Arbeitslosen – wird es indes immer ungemütlicher.

Die „Euro-Rettung“ bzw. der giftige Cocktail aus Bankenrettung sowie Kürzungsdiktaten und Depression war nur der Anfang von Merkels Himmelfahrtskommando. Im Windschatten der Krise entwirft die Bundeskanzlerin Pläne für eine EU, die Demokratie und Sozialstaat dauerhaft versenkt. Bis zur Wirtschafts- und Finanzkrise lehnte die Bundeskanzlerin jede engere Koordination der Wirtschaftspolitik (Economic Governance) ab, weil sie Maßnahmen gegen das deutsche Lohndumping fürchtete.

Als die Euro-Krise tobte, änderte die Bundeskanzlerin den Kurs. Denn in der Krise hat Merkel die Hosen an:  Mit den Bankenrettungsmilliarden der Steuerzahler kann sie die Politik im Rest Europas diktieren. Deutschland ist nun die unbestrittene Supermacht in Europa. Merkels Ziel: Europa soll im Interesse der deutschen Exportkonzerne permanenten Druck auf die Löhne ausüben, um „Made in Germany“ in die ganze Welt zu verkaufen. Darüber hinaus will Merkel auch die Banken zu Global Playern im Weltmaßstab machen, die faulen Eier in den Bilanzen der Zombie-Banken werden daher mit freundlicher Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die Steuerzahler abgewälzt.

Die EU ist der größte Binnenmarkt der Erde. Eine Billiglohnstrategie schadet daher nicht nur der Mehrheit der etwa 500 Millionen Menschen in der EU, sondern auch Europas Wirtschaft. Dies ficht die Bundeskanzlerin jedoch nicht an. Die Merkel-EU ist auf dem Vormarsch: Ein permanenter Bankenrettungsschirm – der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) – wurde eingerichtet. In den nationalen Verfassungen der Mitgliedstaaten wurden Schuldenbremsen verankert bzw. der Fiskalpakt vereinbart. Das EU-Verfahren zur Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichgewichte, der Euro Plus Pakt, das Europäische Semester sowie der geplante Wettbewerbspakt runden die Angriffe auf Löhne und Sozialstaat bis hin zum Streikrecht ab. Auch die Bankenunion – eine Lebensversicherung für Zombie-Banken – steht vor Vollendung. Der EU-Kommissionspräsident Barroso nannte diese Entwicklung zu Recht eine „stille Revolution“. Denn vieles davon spielte sich außerhalb der EU-Verträge ab, weil die Regierungen auf dem Höhepunkt der Krise Volksabstimmungen fürchteten.

Seit der Bundestagswahl prescht Merkel nun weiter vor: Brüssel soll direkt in die nationalen Haushalte eingreifen dürfen, die Rentensysteme und Arbeitsmärkte sollen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit EU-weit zerstört werden. Dazu will die Bundeskanzlerin nun auch die EU-Verträge andern. Sie will über Brüssel in Europa durchregieren. Der Vorteil? Wenn Technokraten in Brüssel, bei der EZB in Frankfurt oder dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Demokratie und Sozialstaat abwickeln, werden Parlamente machtlos und die Menschen resignieren. Denn die EU-Verträge lassen sich nur mit Zustimmung aller 28 EU-Mitgliedstaaten ändern.

Merkel will ein Europa der Ohnmacht. Doch sie vergisst: Das Grundgesetz ist laut Verfassungsgericht eine demokratische Schranke. Wer das Grundgesetz über die EU-Verträge entsorgt, muss diese auch in Deutschland einer Volksabstimmung unterziehen. DIE LINKE fordert daher die Ermöglichung von Volksabstimmungen – auch in Deutschland.

Wir wollen überdies eine „neue EU“ mit demokratischen und sozialen Verträgen, die in allen Mitgliedstaaten Volksabstimmungen unterworfen werden müssen. Wir sind uns sicher: Eine Mehrheit in Europa lehnt die Zerstörung von Demokratie und Sozialstaat ab. DIE LINKE wird Oppositionsführerin gegen das Europa der Banken und Konzerne sein, um den Kurs der Titanic zu ändern, bevor die EU den Eisberg rammt.

 

http://linksfraktion.de/kolumne/merkels-eu-keine-zukunft/