Große Querfront-Koalition will Finanztransaktionssteuer light einführen 

Union und SPD haben in ihren Fachgesprächen zur Bildung einer neuen Regierung erste Ergebnisse in der Europapolitik erzielt. "Wir haben uns geeinigt, dass wir die Finanztransaktionssteuer durchsetzen wollen", sagte SPD-Verhandlungsführer Martin Schulz nach rund vierstündigen Beratungen der Unterarbeitsgruppe Europa und Bankenregulierung in Berlin.

Sein Kollege Herbert Keul von der CDU pflichtete bei: "Das ist Konsens." Deutschland und zehn weitere EU-Länder waren grundsätzlich für die umstrittene Abgabe auf Börsengeschäfte. Die Verhandlungen in Brüssel stocken aber seit langem. Grund dafür sind auch rechtliche Bedenken.

Der US-Wirtschaftsprofessor James Tobin schlug 1972 vor, internationale Devisengeschäfte mit einer Umsazsteuer in Höhe von 0,5 bis ein Prozent zu belegen. Mit dieser Maßnahme wollte er kurzfristige Spekulationen auf Währungsschwankungen eindämmen. Fast 40 Jahre später greifen viele Politiker mit ihrer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer auf dieses Konzept zurück. Doch dieses Mal geht es nicht nur um Devisenspekulationen. Die Steuer soll auch auf den Handel mit Aktien, Anleihen, Finanz- und Rohstoffderivaten fällig werden. Befürworter argumentieren, dass ein minimaler Steuersatz zwischen 0,01 und 0,1 Prozent viele kurzfristige Spekulationsgeschäfte, die kleinste Kursschwankungen ausnutzen, unattraktiv macht.

Zudem brächte eine Steuer dem Staat Milliardeneinnahmen. Laut einer Schätzung des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung könnte allein Deutschland bei einem Satz von 0,05 Prozent mit Einnahmen in Höhe von 0,7 bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts rechnen. Das wären etwa zwischen 17 und 37 Milliarden Euro.

Die EU-Kommission hatte geschätzt, dass durch die Steuer EU-weit 57 Milliarden Euro pro Jahr eingenommen werden können – für die kleinere Gruppe von elf Ländern fehlen bisher genaue Zahlen.

Die EU-Finanzminister haben bereits im Januar mehrheitlich der Einführung einer Finanztransaktionssteuer  zugestimmt. Die Steuer solle aber nicht in der gesamten EU gelten, sondern in einer Gruppe von elf Ländern um Deutschland und Frankreich , sagten EU-Diplomaten. Nach bisherigen Plänen soll die Steuer im nächsten Jahr kommen.

Die Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte in der gesamten EU war nach monatelangen Verhandlungen im vergangenen Jahr gescheitert. Die Staatengruppe um Deutschland und Frankreich beschloss daher, im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit voranzuschreiten. Weitere Staaten können sich dem Vorhaben noch anschließen. Mit dabei sind bereits Österreich, Belgien Spanien  Estland, Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei und Slowenien. Die Niederlande hat EU-Diplomaten zufolge Interesse signalisiert. Schärfste Gegner der Steuer sind seit Beginn der Verhandlungen GB und Schweden.

Bisherige Pläne der EU Kommission sehen eine Steuer auf Geschäfte mit Aktien und Anleihen in Höhe von 0,1 Prozent vor, der Satz für den Derivatehandel soll bei 0,01 Prozent liegen. Eine Abgabe soll die Bankenbranche nicht nur an den Kosten des Kampfes gegen die Schuldenkrise beteiligen, sondern auch Methoden wie den Hochfrequenzhandel bremsen, in dem Kritiker einen Grund für Börsenturbulenzen sehen.

Zudem sind sich beide Seiten einig, das die Bundesrepublik in seiner Führungsrolle die europäische Integration vorantreiben und die EU-Finanzen stärker auf Wachstum, Beschäftigung und Innovationen ausgerichtet werden sollten.

Für den Gesamtstaat aus Bund, Ländern Gemeinden und Sozialkassen wird angestrebt, den Schuldenberg von jetzt rund 80 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung binnen zehn Jahren unter die eigentlich in der EU geltende 60-Prozent-Marke zu drücken.