»Wagenknecht und Gysi sollten neue Fraktion führen«

Ungeachtet aller Avancen an SPD und Grüne: Die Linke bleibt Antikriegspartei im Bundestag. Ein Gespräch mit Tobias Pflüger

Interview: Rüdiger Göbel Tobias Pflüger ist Mitglied im Bundesvorstand der Partei Die Linke. Er kandidierte auf Platz 6 der Landesliste in Baden-Württemberg.

Glückwunsch kann man nicht sagen, Sie haben den Einzug in den Bundestag knapp verfehlt. Wie bewerten Sie das Ergebnis Ihrer Partei bei der Bundestagswahl 2013 insgesamt?

Ich bin zuerst einmal mit dem Ergebnis in meinem Wahlkreis sehr zufrieden. Es ist das beste in Baden-Württemberg. 9,2 Prozent in der Stadt Freiburg, 7,9 im Wahlkreis gegen eine links blinkende SPD.

Darüber hinaus ist es sehr interessant, daß wir in einzelnen Regionen ein ordentliches Ergebnis erzielen konnten. In anderen haben wir richtige Einbrüche erlebt. Das hat im Wesentlichen mit der Präsenz der Partei vor Ort zu tun und damit, wieviel von den inhaltlichen Fragen in den Regionen bei den Menschen ankommt. Die Wahlkampange hat nicht begeistert, war aber okay und auf die richtigen Fragen konzentriert. Die Auseinandersetzungen mit den anderen Parteien sind inhaltlich geführt worden. Und in unserer Partei gab es während des Wahlkampfes keine Hakeleien.

Im Vergleich zu 2009 hat Die Linke 3,3 Prozent verloren. Im Osten aber dramatisch mehr, in Mecklenburg-Vorpommern 7,5 Prozent, in Brandenburg mehr als sechs Prozent. Wie ist das zu erklären?
Man muß differenzieren. In Berlin hat Die Linke 1,7 Prozent verloren. Es ist aber so, daß wir in einzelnen Westteilen zugelegt haben. Meine Erfahrung im Wahlkampf war, daß die Leute klar wissen wollten, was sie mit der Linken bekommen. Wenn das Profil klar ist, wissen die Wählerinnen und Wähler, ob sie sich dafür oder dagegen entscheiden können. Gerade das NRW-Ergebnis oder das in Baden-Württemberg zeigt doch, daß man mit klaren Positionen überzeugen kann.

War es eine richtige Entscheidung, Sahra Wagenknecht nicht als zweite Spitzenkandidatin neben Gregor Gysi zu stellen und sie statt dessen mit einem »Achter« quasi zu ummauern, einem sogenannten Spitzenteam, das medial praktisch nicht wahrgenommen wurde?

Sahra war faktisch zweite Spitzenkandidatin. Sie hat eine starke Präsenz in den Medien und eine enorme Resonanz bei der Bevölkerung.

Wagenknecht hat der Linken in Nordrhein-Westfalen zu einem über dem Durchschnitt liegenden Ergebnis verholfen. Mit zehn Abgeordneten stellt das Flächenland die größte Landesgruppe in der neuen Fraktion. Wird sich das auch auf die Fraktionsspitze auswirken? Wird Wagenknecht zusammen mit Gregor Gysi die Fraktion führen?

Ich wäre dringend dafür, weil das auch tatsächlich die Außenwahrnehmung ist. Typische Reaktion im Straßenwahlkampf war: »Ich will, daß Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi der Merkel ordentlich was einschenken.« Man muß rein objektiv feststellen, das sind die zwei Personen, die in der Öffentlichkeit für Die Linke stehen. Es wäre die klügste Entscheidung, beide zu gleichberechtigten Fraktionsvorsitzenden zu wählen. Selbstverständlich muß das aber die Fraktion entscheiden.

 

Kurz vor der Wahl wurden Papiere lanciert, wonach Die Linke ihre Position in der Frage von Kriegseinsätzen aufweichen könnte. »Militärinterventionen mit UN-Mandat halten die Partei-Realos für möglich«, ist im neuen Spiegel unter der Überschrift »Abkehr vom Pazifismus?« zu lesen …

Es gilt das Bundestagswahlprogramm. Auf dem Parteitag in Dresden sind genau solche Anträge abgestimmt und mit 90 Prozent der Stimmen abgelehnt worden. Eingebracht hatte die unter anderem Gerry Woop, der jetzt mit »neuen Überlegungen« hausieren geht. Die Mehrheiten in diesem Punkt sind völlig klar. Wer da etwas ändern will, muß einen Programmparteitag einberufen. Punkt. Aus.

Die Position zur NATO etwa ist doch völlig klar. Die Linke tritt für die Auflösung der NATO und einen Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen ein. Genau diese Formulierung steht auch im Programm zur Bundestagswahl. Ich kann da nichts von einer »Transformation der NATO« zu einem »transeuroasischen kooperativen Sicherheitssystem« oder anderes Geschwurbel finden.

 

Warum sagt dann Die Linke nicht einfach: Wenn SPD und Grüne mit uns regieren wollen, müssen sie sich ihrer Wurzeln besinnen?

Meine persönliche These ist ja, Eingangsvoraussetzung für eine Bundesregierung in Deutschland ist die Zustimmung zu einem Kriegseinsatz. Dazu waren SPD und Grüne 1999 bereit. Sie haben den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien möglich gemacht und mit geführt. Die Antikriegsposition der Linken steht nicht zur Disposition. Wenn da jemand etwas verändern oder rütteln will: Ich verlasse mich da auf die Mitgliedschaft der Partei, die ist da völlig klar.

Erschienen in: Junge Welt, 24. September 2013

http://www.antikapitalistische-linke.de/article/710.knapp.html