Luxemburg-Liebknecht-Demo und Gelbwesten  mit Hammer und Sichel 

Vor  über 100 Jahren wurden die Linken-Führer und KPD-Vorsitzende Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch rechtsradikale Freikorps bei Duldung und gar Befürwortung durch die Ebert-SPD-Regierung ermordet.  

Tausende gedenken in Berlin Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, viele in gelben Westen. Vorbild "Gilets Jaunes" - auch mit  Legitimation des Widerstandsrechtes gegen  unverhältnismässige staatliche Gewalt? 

Blut-Rote Fahnen, rote Transparente, rote Schals und Mützen.

Die Farbwahl bei linken Demonstrationen ist eigentlich gesetzt.

Doch beim Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in diesem Jahr in Berlin ist eine neue Farbe hinzugekommen:

Signalwestengelb und Rotwesten bzw. Gelbwesten mit revolutionssymbolen.

Viele bei der Demonstration, an der in diesem Jahr deutlich mehr Menschen teilgenommen haben als manches Mal zuvor, zeigen ihre Solidarität mit den "Gilets Jaunes", dem Protest der "Gelbwesten" in Frankreich.

Sie sind nicnjht die Mehrheit, aber sie fallen auf.

Einen großen Protest, einen Aufbruch, müsse es auch in Deutschland geben, so die einhellige Meinung. Die Frage aber, wie weit diese Solidarität gehen darf, ob auch Gewalt eine Rolle spielen darf, orientiert sich eng an der Konfliktlinie, die unter Linken an Tagen wie heute immer wieder hervortritt: wie umgehen mit der Geschichte von Kommunismus und Sozialismus?

Anton ist ein älterer Herr knapp über 70. Er hat die DDR erlebt und er findet nicht alles schlecht was in der  DDR war.  Über seinem Wintermantel trägt er eine gelbe Warnweste und er läuft ganz vorne bei der Kundgebung. Er sei immer wieder "beeindruckt" von der Protestkultur in Frankreich, sagt er.

"Die lassen sich nichts gefallen." Der Protest dort sei ein Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit. Ganz im Sinne des sozialistischen Revolutionsgedanken?

Ja, so könne man das sehen. Angesprochen auf die Gewalt in Frankreich, inzwischen sind dort bei Krawallen mehrere Menschen ums Leben gekommen, sagt er, so etwas sollte vermieden werden. Einen lauten Protest der Straße, der Zehntausende mobilisiert, wünscht er sich auch in Deutschland. .

Je weiter der Protestzug vorbeizieht, desto drastischer werden Symbole und Parolen. Ein Wagen der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) rollt heran.

Durch Megafone wird gefordert, den Sozialismus in Kuba zu unterstützen. "Viva Cuba Socialista!" Das EU-Parlament wird als "Aushängeschild des kapitalistischen Systems EU", als "Feigenblatt" bezeichnet.

Besetzen will es die DKP nach der kommenden Europawahl freilich dennoch und nutzt den Gedenkmarsch für den Wahlkampf: "Es spricht zu Ihnen der Vorsitzende der DKP", wird Patrik Köbele angekündigt.

Die Menschen rund um den Wagen antworten mit "Viva el Presidente!" Kurz dahinter läuft der Block der SDAJ, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und dort wird deutlich, dass besonders viele junge Menschen gelbe Westen tragen.

Die Gewalt hat doch auch "etwas bewirkt"

Francesca ist eine von ihnen und wünscht sich "unbedingt" auch einen Protest wie den der "Gilets Jaunes" in Deutschland.

Ganz im Sinne des Anlasses glaubt sie, dass Luxemburg und Liebknecht an Tagen wie diesen auch auf die Straße gehen würden. Es war vielleicht die Frage, mit der sich die beiden ermordeten Vordenker vor über 100 Jahren auseinandersetzten: gesellschaftliche Veränderung durch das Wort der Straße oder durch angepasste Arbeit in den Parlamenten?

"Luxemburg und Liebknecht wären bei uns und bei den Gelbwesten", sagt Francesca. Und was ist mit den Todesfällen, die es in Frankreich gab? "Ja, es hat aber auch was bewirkt", sagt sie und geht weiter.

Einige Teilnehmer haben ihre gelben Westen mit Hammer und Sichel bemalt oder bedruckt.

Ein wieder entdecktes Symbol? Das will einer von ihnen, der seinen Namen lieber nicht verraten will, unterstreichen . "Hammer und Sichel stehen für die Arbeiterbewegung", sagt er.

Ob der Protest in Frankreich nicht auch problematisch sei wegen der Gewalt?

"Das ist die Gewalt des Staates."

Dass Hammer und Sichel die längste Zeit der Geschichte für repressive, Regime standen, sehen  viele Linke heute nicht mehr so.

Auch Shahin trägt eine große rote Flagge mit dem Revolutionssymbol. Vor ihm prangt ein Banner mit der Aufschrift: "Das 21. Jahrhundert gehört dem Sozialismus". Auch in Venezuela oder Kuba? Sollte man diese Regime unterstützen? "Ja, klar", sagt Shahin.

Manchem Teilnehmer reicht es jedoch nicht, sozialistische Regierungen  im Ausland zu unterstützen, sie wünschen sich auch den deutschen sozialistischen Staat zurück. "Alle Macht dem Proletariat, die DDR war unser Staat", skandiert ein Block, der gerne Block bleiben möchte.

Auf die Frage, ob sie sich auch Mauer und Schießbefehl zurückwünschen, entgegnen die überwiegend sehr jungen Teilnehmer, die Presse dürfe gerade nicht stören.

"Wir müssen aufpassen, dass unsere Linien geschlossen bleiben, sorry", sagt einer freundlich aber bestimmt und macht die "Linie" wieder zu.

Dann eine andere Parole: "Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten - und die Linkspartei". Sie schwenken DDR-Flaggen, spielen die Hymne der letzten deutschen Sozialismusstaates -  während sich der Gedenkzug dem Friedhof in Friedrichsfelde nähert, wo die Gedenkstätte für Luxemburg und Liebknecht liegt.

"Das war ja wieder sehr würdevoll"

Dort wird der Zug ruhiger, Fahnen und Banner werden eingerollt und die Menschen legen Hunderte, vielleicht Tausende rote Nelken nieder. Einige Meter von dem Erinnerungsort an sozialistische Legenden entfernt liegt noch eine andere Gedenkstätte. 

Ein Stein, der an Millionen von Menschen erinnern soll, die im Stalinismus ihr Leben gelassen haben. Dort liegen auch rote Nelken, einige Dutzend.

Mehrere Ordner der Partei Die Linke, die den Gedenkmarsch organisiert, passen auf, dass es keine unschönen Szenen gibt. Diskutiert wird hier traditionell. Gibt es auch Pöbeleien und Gewalt? "Naja, deswegen sind wir ja hier, um genau das zu verhindern", sagt einer von ihnen. Auf einer Ölkerze an dem Gedenkstein steht "Nie wieder Kommunismus". "Wir wollen gewährleisten, dass das hier ein würdevolles Gedenken bleibt", sagt der Aufpasser. "Es ist ja auch immerhin ein Friedhof".

 

Dann erreicht auch die Gruppe der Anfang-Zwanziger, die gerne die DDR zurückhätten, den Friedhof.

Auf dem Weg zur Gedenkstätte für Luxemburg und Liebknecht bleiben sie nahe des Gedenksteins für die Stalinismus-Opfer stehen. Sie brüllen, der Stein sei eine Schande, der Stein gedenke Hitler und der SS. Sie schreien jene an, die dort stehen, dass es Stalin gewesen sei, der die Wehrmacht zerschlagen habe.

Dann gehen sie still weiter. "Ja, das war ja wieder sehr würdevoll", sagt einer, der den Parolen mit einem Kopfschütteln zugehört hat.