OECD – Bericht: Multinationale Konzerne zahlen so gut wie keine Steuern

Die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) hat bereits im  Februar einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass große multinationale Konzerne nur verschwindend geringe Steuern zahlen.

So hatte beispielsweise Google nach Aussage des Berichts 2011 nur 3.2 % Steuern gezahlt, General Electric sogar gar keine Steuern - ungeachtet der Tatsache, dass diese Unternehmen im selben Jahr geschätzte 10 bzw. 14 Milliarden Dollar Gewinn erzielten.

Nach Aussage des Generalsekretärs der OECD, Angel Gurría, ist das ein verheerendes Resultat, das Systemversagen und Unzulänglichkeit des internationalen Steuerrechts offenbare.

 

Denn: Auch wenn die Ergebnisse intuitiv absurd erschienen, seien die Handlungen, die zu ihnen führten, absolut legal und mit geltenden Steuerrechten vereinbar. Gurría forderte dringend Kooperation auf internationaler Ebene um in Zukunft die verlorenen Steuern für die Staaten zu sichern.

Die enormen Löcher, die dadurch in den Staatshaushalten entstünden, würden in letzter Instanz vor Allem von mittelständischen Unternehmen und Privatpersonen getragen.

Auf der Website der OECD heißt es: „Nur globale Ansätze können dauerhaft verhindern, dass Steuersysteme multinationale Unternehmen bevorzugen und kleine Betriebe sowie die Bürger das Nachsehen haben.“

"Doppelte Nicht-Besteuerung"

OECD-Generalsekretär Angel Gurría legte noch einmal nach:

In einem Interview mit dem "Handelsblatt" kritisiert er den fiskalpolitischen Missstand, den die Industrieländer durch lückenhafte Steuerabkommen selber geschaffen hätten.

"Wir in einem Zustand angekommen, den man doppelte Nicht-Besteuerung nennen muss", schimpfte er.

"Wir müssen die Gesetze ändern. Und zwar auf gemeinsam vereinbarte und abgestimmte Weise." Seinen Dringlichkeitsappell untermauerte Gurría mit dramatischen Worten.

"Wir stehen vor einem riesigen gesellschaftlichen Problem", sagte er dem "Handelsblatt". "Der Zorn über die ungerechte Lastenverteilung wächst.

Das Vertrauen sehr vieler Bürger in die Institutionen zerbricht. Ich fürchte: Wenn wir nicht handeln, könnte es zu Ausschreitungen in den Innenstädten kommen."

Deutsche Weltkonzerne zahlen auch wenig Steuern

Trotz eines Profits von ca. 22 Mrd €uro zahlte der VW Konzern zuletzt nur etwa 5 Mrd. €uro an Steuern und davon 3 Mrd Euro im Inland und 2 Mrd Euro im Ausland. Damit liegt VW aber bei den Ertragssteuern aber auch schon an der Spitze der DAX Unternehmen.

Auf dem zweiten Platz folgt BASF mit rund 3,5 Milliarden Euro. Der Anteil der ausländischen Ertragsteuern im Durchschnitt der vergangenen vier Jahren lag bei rund 80 Prozent, teilte der Chemieriese mit.

Auf Platz drei rangiert BMW mit rund 2,5 Milliarden Euro. Rund 50 Prozent seiner Ertragsteuern zahlt der Autobauer nach eigenen Angaben in Deutschland.

2012 führten die 20 untersuchten Konzerne laut der Aufschlüsselung von Ernst & Young rund 28 Milliarden Euro Ertragssteuern ab.

Insgesamt sind die Körperschaftsteuereinnahmen zwischen 2008 und 2012 gegenüber dem Zeitraum 1998 und 2002 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf diesem niedrigen Niveau relativ konstant geblieben. Hinzu kommen Gewerbesteuer-Einnahmen.

manager magazin online hat die nun vorliegenden Bilanzen der Dax-Konzerne untersucht. Demnach haben die 30 Aktiengesellschaften zusammengenommen im vergangenen Geschäftsjahr den Finanzämtern weltweit 22,3 Milliarden Euro gutgeschrieben, noch knapp 24 Prozent ihrer Vorsteuergewinne.

Die effektiven Unternehmensteuern sind die große Unbekannte

Auch hochprofitable Konzerne wie Volkswagen weisen zudem enorme latente Steuern aus (in diesem Fall auf der Aktivseite der Bilanz brutto fast 17 Milliarden Euro). Diese obskure Kategorie, die laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers regelmäßig den Bilanzprüfern am meisten Kopfzerbrechen bereitet und laut Betriebswirten der Universität Münster in manchen Firmen sogar das bilanzielle Eigenkapital übersteigt, ist ein zentraler Hebel der Ergebnissteuerung.

Als "zahlungswirksamen Steuersatz" in Deutschland nennt das Unternehmen Infineon etwa 12 Prozent statt der nominell als Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer anfallenden 29 Prozent, weil "nur 40 Prozent der inländischen Einkünfte der Besteuerung unterliegen".

Dies werde auch "so lange auf diesem Niveau bleiben, bis die steuerlichen Verlustvorträge aufgebraucht sind". Und das kann dauern, denn so viel zu verrechnender Gewinn ist lange nicht in Sicht.

Die deutschen Verlustvorträge kennen, anders als etwa in China oder den USA, kein Verfallsdatum.

Als aktive latente Steuern, also wahrscheinlich nutzbare Verlustvorträge, bilanziert Infineon nur 262 Millionen Euro, immerhin fast ein Siebtel der langfristigen Vermögenswerte.

Unterm Strich verbuchte Infineon für das vergangene Geschäftsjahr sogar einen "tatsächlichen Ertrag aus Steuern vom Einkommen und vom Ertrag" von 30 Millionen Euro, dank einiger Subventionen und Wertberichtigungen auf latente Steuern.

Schück ist der Autor der Dokumentation "Flucht in die Karibik", die bereits vor vier Wochen im Fernsehen lief.

Er beleuchtete darin die legalen Steuertricks der Konzerne.

"Man hört ja immer so: Starbucks und Apple und Google, die zahlen so wenig Steuern.

Und sein Team hat sich angeschaut, was eigentlich deutsche Top-Konzerne machen?

Und sie haben uns mal Dax-Konzerne angeschaut und sind eben darauf gestoßen, dass quasi jeder Konzern der Welt die gleichen Steuervermeidungsstrategien fährt wie amerikanische zum Beispiel", erkärte der Journalist.

"Gewinne werden verschoben"

Die Firmen unterhielten ein weitverzweigtes Geflecht von Tochterfirmen in Steueroasen, und dadurch gelinge es ihnen, "Gewinne so zu verschieben, dass sie in bestimmten Oasen weniger Steuern zahlen müssen".

Das heiße, so Schück, Gewinne würden nicht dort versteuert, "wo sie eigentlich anfallen".

Interessant sei, dass dabei nicht nur die bekannten Steueroasen in der Karibik, die Schweiz oder Liechtenstein eine Rolle spielten, sondern auch ein Staat wie die Niederlande, sagte Jo Schück.

Dort liefen "jedes Jahr - geschätzt - zwölf Billionen Euro hinein und gleichzeitig wieder heraus, weil es auf bestimmte Arten von Gewinnen keine Steuern zu zahlen gibt in den Niederlanden".

So habe jeder Konzern in der Welt auch eine Holding in den Niederlanden und "so Geld einsammelt, um es dann wieder weiterzuverschiffen, zum Beispiel in die Karibik".

Delaware: 800.000 Einwohner, 900.000 Firmen

Auch in den USA gebe es solche Steueroasen, so etwa der US-Bundesstaat Delaware, sagte Schück.

Dort lebten 800.000 Einwohner, und zugleich seien dort 900.000 Firmen registriert. "Wir haben dort ein Haus gefunden, das ist ungefähr so groß wie ein Zweifamilienhaus (...), und dort sind 200.000 Firmen registiert", berichtete der Jounalist.

Nicht nur Apple, Google und Facebook seien darunter, sondern auch 22 von 30 deutschen Dax-Konzernen.

Als Beispiele zählte Schück unter anderem Siemens, Deutsche Telekom, Allianz, Adidas, Daimler, BMW und Volkswagen auf.

Dies sei eine legale Vorgehensweise, betonte der Journalist. "Innerhalb des internationalen Steuerrechts agieren die Firmen alle auf legalem Wege.

Das heißt, es ist so eine Art Steuervermeidungsindustrie entstanden". Die Firmen "vermeiden auf diese Art und Weise Billionen von Steuern".

"Steuerrecht muss an globalisierte Welt angepasst werden"

Auf internationaler Ebene müssten die "Gesetze so verändert werden, dass das internationale Steuerrecht angepasst wird an eine globalisierte Welt", so die Forderung des Journalisten. "Denn das Steuerrecht ist eigentlich rund 100 Jahre alt und damit eigentlich gar nicht gemacht für Multis in einer globalisierten Welt."

Diese Studie ist Wasser auf die Mühlen der Wall-Street-Besetzer: Wie die Interessengruppe „Citizens for Tax Justice“ (Bürger für Steuergerechtigkeit) herausgefunden hat, zahlen die großen US-Konzerne weit weniger Einkommenssteuern als sie eigentlich sollten.

Besonders Finanzfirmen schaffen es demnach immer wieder, massive Steuervergünstigungen für sich herauszuschlagen, aber auch Telekommunikations-, Energie- und Ölmultis drücken sich gerne.

Mc Intyre und sein Team hatten sich die Geschäftsberichte von 280 der profitabelsten US-Unternehmen aus den Jahren 2008 bis 2010 angeschaut und dabei Ernüchterndes festgestellt.

„Diese 280 Unternehmen haben Steuervergünstigungen über annähernd 223 Milliarden Dollar erhalten“, sagte McIntyre.

Während der bundeseinheitliche Steuersatz für Firmen in den USA eigentlich bei 35 Prozent liegt, hätten die Unternehmen im Schnitt tatsächlich lediglich 18,5 Prozent abgeführt. 30 Unternehmen hätten in den drei Jahren sogar keinen einzigen Cent gezahlt, obwohl sie zusammen 160 Milliarden Dollar vor Steuern verdient hätten.

Lobbyisten drängen die Regierung in Washington immer wieder, den Steuersatz für Unternehmen zu senken mit dem Argument, nur so könnten die US-Firmen international wettbewerbsfähig bleiben.

Die Bewegung „Occupy Wall Street“ verlangt genau das Gegenteil: eine höhere tatsächliche Besteuerung der Wohlhabenden und der Konzerne.

Auch in Deutschland und anderswo auf der Welt demonstrieren Menschen seit Jahren für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft.

„Das ist verschenktes Geld, das man dafür hätte nutzen können, die staatliche Krankenversicherung abzusichern, Arbeitsplätze zu schaffen und das Staatsdefizit zu senken“, sagte der federführende Studienautor Robert McIntyre in Washington.

Während der bundeseinheitliche Steuersatz für Firmen in den USA eigentlich bei 35 Prozent liegt, hätten die Unternehmen im Schnitt tatsächlich lediglich 18,5 Prozent abgeführt. 30 Unternehmen hätten in den drei Jahren sogar keinen einzigen Cent gezahlt, obwohl sie zusammen 160 Milliarden Dollar vor Steuern verdient hätten.