Geheimhaltungsgrund: TTIP, Ceta und  Co. sollen Wirtschafts-Nato konstituieren 

Von Heinz Michael Vilsmeier 

Wer sich die Frage stellt, warum TTIP, TISA und CETA unter größter Geheimhaltung verhandelt werden, sollte nicht darauf hoffen, von Leuten wie Sigmar Gabriel oder Angela Merkel eine ehrliche Antwort zu erhalten.

Glücklicherweise ist das gar nicht notwendig. US-amerikanische Regierungsquellen sind da wesentlich offener und direkter. Die wirtschaftliche Bedeutung von TTIP für den Handel zwischen EU und USA und für die gegenseitigen Investitionen erscheint darin eher als marginal. TTIP hat aus Sicht der USA vielmehr eine strategische Bedeutung. Folgerichtig bezeichnete die frühere Außenministerin Hillary Clinton TTIP als ”economic NATO”. Der US-Botschafter in Schweden, Francis Brzezinski, zitiert seine frühere Chefin mit diesem Satz und merkt an: "Die NATO ist viel mehr als die Summe ihrer Teile. Und wie die NATO ist TTIP direkt verknüpft mit der Hauptfrage unserer Zeit, was heute die zentrale Mission des Westens in der Welt ist. Wir haben die außergewöhnliche Gelegenheit, eine gemeinsame Vision der Zukunft zu entwickeln. TTIP ist eine gemeinsame amerikanisch-europäische Vision der Zukunft, die, wenn sie vollzogen wird, unsere Bande über Jahre vertiefen, erweitern und diversifizieren wird. Es ist eine strategische Vision eines revitalisierten Westens, der Beginn einer transatlantischen Wiedergeburt, von der die ganze Welt Nutzen ziehen wird. Ein TTIP Übereinkommen für das 21ste Jahrhundert, das die Messlatte hoch legt, wird Maßstab für künftige Verträge mit anderen Handelspartnern sein."

Aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums in den USA und in der EU, verglichen beispielsweise mit den BRIC-Staaten, ist absehbar, dass "der Westen" innerhalb der nächsten zwanzig Jahre seine globale ökonomische Führungsrolle verlieren wird. Der Aufbau einer Wirtschafts-NATO als Pendent zur NATO ist der Versuch, diese Entwicklung um jeden Preis zu verhindern. Die Unterordnung demokratisch verfasster Staaten unter die mit TTIP, TISA und CETA entstehenden supranationalen Strukturen, beispielsweise "Schiedsgerichte", wird von den, an den Verhandlungen beteiligten Regierungen billigend in Kauf genommen.

Die Bundesrepublik Deutschland ist laut GG 20 (1) ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. GG 20 (2) legt fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. "Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt." GG 20 (3) lautet: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."

Die Bundesregierung beteiligt sich aktiv an der Schaffung einer Wirtschafts-NATO, die die grundgesetzlich garantierte Ordnung der Bundesrepublik Deutschland aushebelt, allein schon dadurch, dass die Rechtsprechung in wichtigen Belangen, die die demokratischen Rechte "des Volkes" berühren, "Schiedsgerichten" überlassen werden soll, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.

GG 20 (4) lautet: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." - Der Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu zerstören, ist somit rechtlich abgesichert. Es ist strittig, wann dieses Recht greift. Nach einer Meinung greift es bereits, noch bevor die Ordnung gefährdet worden ist; schon die Vorbereitungen zu einem solchen Umsturz dürfen bekämpft werden. - Wie siehst Du es, greift das Widerstandsrecht bereits?

Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA hat viele Kritiker - in der Öffentlichkeit, aber auch im Bundestag. Wirtschaftsminister Gabriel weiß das, auf dem heutigen Parteikonvent muss er seine SPD-Genossen überzeugen.
VON TAGESSCHAU.DE