LINKEN-Chef Riexinger lehnt Erklärung der 14 MdB-LINKEN für UNO-Unterstützung des bewaffneten Kampfes ab

Eindeutige und überfällige Distanzierung des Parteivorsitzenden Riexinger vom Vorstoß von 14 VertreterInnen des Forums demokratischer Sozialismus in der LINKEN für eine UNO-Unterstützung des bewaffneten Kampfes der KurdInnen in Syrien/Irak: "Die Aufgabe der LINKEN ist es nicht, in den Chor der Befürworter eines neuen militärischen Abenteuers einzustimmen."

Auch die stellvertretende Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, lehnt die Erklärung strikt ab.

 

 

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat dem Aufruf von 14 Reformern in Partei und Fraktion nach dem Einsatz militärischer Mittel zum Schutz der Kurden in und um der nordsyrischen Stadt Kobane vehement widersprochen.

Sahra Wagenknecht
Sahra WagenknechtBild: über dts Nachrichtenagentur

"Wer den Islamischen Staat stoppen will, muss ihn von Waffen und Munition abschneiden und nicht noch mehr Waffen und Militär in die Region bringen", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Wer stattdessen einen Militäreinsatz befürwortet, geht entweder naiv den Lügen der US-Propaganda auf den Leim oder muss sich den Verdacht gefallen lassen, dass es ihm weniger um das Leid der Menschen im Nahen Osten geht als darum, die friedenspolitischen Positionen der Linken als Eintrittsbillett für eine künftige- rot-rot-grüne Bundesregierung zu schleifen." 14 Reformer hatten am Dienstag eine Erklärung unter der Überschrift "Kobane retten" veröffentlicht.

 

Die Lage im Norden Syriens und des Iraks ist dramatisch und spitzt sich täglich weiter zu. Unter dem Eindruck des Vormarschs der unter dem Namen "Islamischer Staat" firmierenden Terrorbanden, angesichts schockierender Gewalttaten und einer Flüchtlingswelle, die droht, zu einer humanitären Katastrophe zu werden, und nicht zuletzt wegen der Unfähigkeit zweier gescheiterter Staaten, die brutalen Exzesse auf ihrem Staatsgebiet einzudämmen, fragen sich viele Menschen zu Recht, welche Mittel die internationale Gemeinschaft in der Hand hat, um der Gewalt ein Ende zu setzen.
Wir warnen vor der Vorstellung, dass es eine schnelle militärische Lösung dieses Konflikts gibt. Die mit den militärischen und oft genug völkerrechtswidrigen Interventionen des Westens verbundenen Allmachtsfantasien haben wesentlich dazu beigetragen, dass die arabische Welt heute von Krieg und Gewalt überzogen ist. Die militärische Interventionspolitik der Nato in Verbindung mit der gezielten und von geopolitischen Interessen geleiteten Destabilisierung und Atomisierung von immer mehr Staaten ist im Irak und in Syrien spektakulär gescheitert. Ein dritter Irakkrieg ist ebenso wenig eine Lösung, wie eine neue kriegerische Intervention des Westens in Syrien.
Die Politik des Westens ist angesichts der Katastrophe in alten Mustern gefangen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Türkei den Nato-Bündnisfall herbeiführen will, um die Nato als Bündnispartner für einen Krieg gegen Syrien zu gewinnen. Die türkische Regierung bekämpft lieber die Kurden im eigenen Land und im Norden Syriens, als die Grenzen für die IS-Terroristen zu schließen. Für den bekennenden Islamisten Erdogan ist der IS kein Feind, solange er nur die Kurdinnen und Kurden massakriert und das syrische Assad-Regime bekämpft. Es ist ebenso offensichtlich, dass die USA kein strategisches Interesse daran haben, den Kurdinnen und Kurden im Norden Syriens zu helfen, weil ihre primären Interesse nach wie vor der Sturz des Assad-Regimes und die politische Kontrolle über den Irak sind. Die maßgeblichen Nato-Akteure in der Region haben kein Friedensinteresse, sondern verfolgen einmal mehr eigene geopolitische Interessen auf dem Rücken von hunderttausenden Menschen. Der auch in Deutschland immer lauter werdende Ruf nach einer kriegerischen Einmischung des Westens führt in die Irre, weil er beständig die verheerenden Folgen der vergangenen Interventionen ignoriert. Die Aufgabe der LINKEN ist es nicht, in den Chor der Befürworter eines neuen militärischen Abenteuers einzustimmen. Mit der Mehrheit der Bevölkerung plädieren wir für einen Kurs der zivilen Intervention. Für DIE LINKE steht es außer Frage, dass die Region weder neue Waffen noch neue Soldaten braucht, sondern eine abgestimmte Politik der internationalen Gemeinschaft, die auf den Säulen Flüchtlingsschutz, humanitäre Hilfe und Austrocknung des Terrors aufbaut. Wir schlagen ein Paket nichtmilitärischer Maßnahmen vor, für deren Planung und Umsetzung den Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung zukommt:
Der Schutz der Flüchtlinge und der Zivilbevölkerung muss oberste Priorität haben. Alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Selbstverteidigungskräfte der gegen IS kämpfenden Kurdinnen und Kurden zu schwächen, sind insbesondere von der Türkei zu unterlassen. Die Türkei muss endlich die Grenzen zu den kurdischen Gebieten in Nordsyrien öffnen und die Grenze zu den IS-Gebieten schließen. Das würde den Menschen in Kobane am wirksamsten helfen, auch bei ihren Verteidigungsbemühungen. Für die Aufnahme und den Schutz der Flüchtlinge in der Grenzregion muss die internationale Gemeinschaft unter Führung der UN eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen. Die betroffenen Anrainerstaaten dürfen nicht länger allein gelassen werden.

Die kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens muss endlich als legitimer demokratischer Entwicklungspfad für die dort lebenden Menschen anerkannt werden. Wir wollen eine Aufhebung des PKK-Verbots.

Die humanitäre Hilfe für die aus Syrien und dem Irak geflüchteten Menschen muss massiv verstärkt werden. Die Vereinten Nationen sollten zu diesem Zweck die Überwachung des Grenzgebiets zu Irak und Syrien übernehmen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk muss direkten Zugang zum Grenzgebiet haben. Die westlichen Staaten müssen ein Vielfaches der derzeit zugesagten Zahl von Flüchtlingen aufnehmen, um die direkten Anrainerstaaten zu entlasten. Dazu müssen auch in Deutschland die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Kommunen brauchen entsprechende finanzielle Unterstützung.

Der IS muss von seinen Finanziers in der arabischen Welt und vom Handel mit Rohstoffen und Waffen effektiv abgeschnitten werden. Banken, die direkt oder indirekt an der Abwicklung des Zahlungsverkehrs des IS beteiligt sind, muss mindestens die Banklizenz für die gesamte EU entzogen werden. Länder, aus denen der IS direkt oder indirekt unterstützt wird, müssen mit Sanktionen belegt werden. Das Nato-Land Türkei muss dazu gezwungen werden, die Grenzen für die IS-Terroristen vollständig zu schließen und die Unterstützernetzwerke im Land zu beseitigen. Andernfalls gibt es keinerlei Grundlage für einen EU-Beitritt des Landes. Ein Land, das seine Nato-Bündnispflichten im Umgang mit dem IS so eklatant verletzt wie die Türkei, kann auch keinen Anspruch auf Beistand geltend machen. Deshalb sind die in der Region stationierten Patriot-Raketen der Bundeswehr abzuziehen, um den Druck auf Erdogan zu erhöhen.
Die internationale Gemeinschaft muss zu einem gemeinsamen Handeln finden. Dazu ist es notwendig, dass sich die beiden globalen Supermächte USA und Russland dazu bereit finden, ihre Konflikte beizulegen und über die Ausläufer des Kalten Krieges hinaus zu wachsen. Es gibt keine sinnvolle Alternative zu einem von den Vereinten Nationen getragenen Friedensplan.

 


http://www.neues-deutschland.de/artikel/948391.linke-abgeordnete-offenbar-fuer-militaereinsatz-gegen-is.html

Auch die linke Fraktionschefin Janine wissler verurteilt die Erklärung der 14  scharf:

Janine Wissler

Angesichts der dramatischen Lage in Kobane gibt es die Forderung, dass es einen Militäreinsatz geben müsse, um die Kurdinnen und Kurden zu schützen.

Ich frage: Wer bitte soll den denn führen?

Die türkische Armee, die so viel mehr Kurden getötet hat als der IS? Die einen Krieg gegen die Kurden führte, der über 30.000 Tote gefordert hat, und alles tut, um ein unabhängiges Kurdistan zu verhindern? Die Proteste von Kurden in der Türkei gewaltsam unterdrückt und die Grenzen für Flüchtlinge und Hilfsgüter zeitweise abriegelt?

Die USA, die damals im UN-Sicherheitsrat ihr Veto einlegten, als es um die Verurteilung des Giftgasanschlags auf die Kurden in Halabdscha ging? Die für den Irak-Krieg, die Besatzung und die Gräueltaten von Abu Ghuraib verantwortlich sind und damit die aktuelle Situation erst verursacht haben? Die die Kräfte, die jetzt für den IS kämpfen, mit Waffen ausgerüstet hat, um Assad in Syrien zu bekämpfen?

Oder Deutschland, das die Türkei mit dem Militärgerät ausgerüstet hat, mit dem die Kurden bekämpft wurden? Das den IS-Freund Saudi-Arabien mit Panzern beliefert, wo alleine im August 40 öffentliche Enthauptungen stattfanden? Das die Sache der Kurden nie unterstützt und die PKK verboten hat?

Die NATO - und allen voran die Türkei, die USA und Deutschland – sind leider Teil des Problems und nicht der Lösung.

Auch Ulla Jelpke Linke MdB protestiert: 
 

 

Wo ich mich aus voller Überzeugung anschließen möchte.

 

Das Problem ist allerdings, wie sich die unterzeichnenden Genossinnen und Genossen diese Solidarität mit dem belagerten Kobani vorstellen. Sie fordern neben richtigen Dingen wie einer Ausweitung der zivilen Hilfe und dem Start einer Spendenkampagne, dass der UN-Sicherheitsrat „wirksame Kollektivmaßnahmen“ beschließen solle – mit anderen Worten – einen UN-mandatierten Kriegseinsatz gegen den IS bei Kobani.

 

Ich lehne den Einsatz ausländischer Bodentruppen – ob mit oder ohne UN-Mandat – für Kobani strikt ab. Ich finde es falsch, dass jetzt einige Genossinnen und Genossen die Notlage der Kurdinnen und Kurden in Kobani dafür ausnutzen wollen, antimilitaristische Grundsätze der Partei DIE LINKE über Bord zu werfen.

 

Diejenigen Genossinnen und Genossen, die hier letztlich einer militärischen UN-Intervention das Wort reden, halten es offenbar gar nicht für nötig, sich mit der kurdischen Seite auseinanderzusetzen. Denn von den kurdischen Verteidigern von Kobani wird ausdrücklich keine ausländische Intervention durch Bodentruppen gefordert. Ich verweise hier auf  den Co-Vorsitzenden der in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) führenden kurdischen Partei PYD, Salih Muslim. Muslim stellte heute klar, dass die Verteidiger von Kobani keinen Einsatz ausländischer Bodentruppen wünschten. “Wir fordern schwere Waffen und keine ausländischen Bodentruppen. Die Bevölkerung von Kobanê ist bereit ihre Heimat gegen den IS zu verteidigen, doch wir sind waffentechnisch unterlegen“, zitiert das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad den PYD-Vorsitzenden. Muslim fordert zudem, dass Ankara kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG aus den beiden anderen Kantonen von Rojava den Durchmarsch über türkisches Territorium nach Kobani ermöglicht.

 

In diesem Zusammenhang muss auch das Embargo der Türkei und der Kurdischen Regionalregierung im Nordirak gegen Rojava thematisiert werden. Denn dieses verhindert die Versorgung der Selbstverwaltungsregion mit humanitären Gütern ebenso wie die Beschaffung von Waffen für die Selbstverteidigung.

 

Es sollte uns darum gehen, die Fähigkeit der Kurdinnen und Kurden und der anderen Volksgruppen in Rojava zur Selbstverteidigung zu stärken, anstatt ihr Schicksal dem UN-Sicherheitsrat anzuvertrauen. Denn die darin versammelten Großmächte entscheiden nicht anhand humanitärer Überlegungen sondern nach eigenen ökonomischen und machtpolitischen Interessen. Zudem sind im Sicherheitsrat mit den USA, Großbritannien und Frankreich genau jene Mächte versammelt, die mit der Aufrüstung syrischer Oppositionsgruppen erst zur heutigen Stärke des IS beigetragen haben.