LINKEN-Fraktionschef und Oppositionsführer Gregor Gysi lehnt Bezeichnung der DDR als Unrechtsstaat ab

Gregor Gysi hält den Begriff DDR-Unrechtsstaat für falsch. Vom linken Flügel gibt es sogar Warnungen vor einem Kotau zum Zweck, einen linken Ministerpräsidenten zu ermöglichen. 

Gysi: Der Begriff "DDR-Unrechtsstaat" ist falsch

Gregor Gysi 1982

Auch der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag,  Gregor Gysi, hat Einwände gegen den Begriff "DDR-Unrechtsstaat". Nach der Verständigung in Thüringen erklärte er: "Es gab in der DDR Unrecht, aber sie war kein Unrechtsstaat." Und weiter: "Meine Auffassung bleibt, dass der Begriff falsch ist." Im MDR sagte Gysi, er werde den Begriff nicht verwenden. Die Bildung dieses Staates sei "kein Unrecht", doch anschließend sei "viel Unrecht geschehen". Die DDR Unrechtsstaat zu nennen hieße, der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg das Recht zur Gründung der DDR abzusprechen, "das können wir uns schon aus historischen Gründen nicht leisten". Er betonte: "Aber wir müssen immer klar sagen: Es gab Unrecht."

 

Gregor Gysi war selber der letzte Vorsitzende der SED der DDR, die sich personell und politisch neu orientierte und in Partei des Demokratischen Sozialismus umbenannte und es geht auch um die Entwertung seiner Biografie, die er so nicht hinnehmen kann und will. Er war zudem auch Vertreter und sozusagen Sprecher der DDR-Rechtsanwältekammer. Immer wieder hatte Gregor Gysi gesagt, dass es in der DDR zwar Unrecht gab, die DDR aber dennoch kein Unrechtsstaat war - beispielsweise auch 2009. 

GREGOR GYSI, BERLINER KURIER

>>Es gab Unrecht, aber die DDR war kein Unrechtsstaat<<

Pünktlich zum Mauerfall-Jubiläum wird die Frage diskutiert, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. War sie?

Nein. Die DDR war zwar eine Diktatur ohne demokratische Kontrolle und kein Rechtsstaat. Es gab in ihr auch Unrecht, sie war aber kein Unrechtsstaat. Altbischof Schönherr begründete dies damit, dass von ihr niemals ein Krieg und keine Massenmorde ausgingen. Außerdem kannte sie soziale Grundrechte, die es heute nicht gibt.

 

http://www.linksfraktion.de/im-wortlaut/ddr-war-kein-unrechtsstaat/

 

Die Kommunistische Plattform in der Linkspartei, deren Wortführerin lange Jahre die heutige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht gewesen ist, erklärte dazu, der Wahlerfolg der Linken in Thüringen sei nicht zuletzt Genossen zu verdanken, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR "mit Überzeugung für eine nicht vom Kapital dominierte Gesellschaft" gearbeitet hätten. "Nun sollen sie akzeptieren, dass sie nützliche Idioten in einer Art illegitimen Bananenrepublik gewesen sind." Wagenknecht selbst hat die SPD in Thüringen nach der Landtagswahl zum Regierungswechsel ermuntert.

Die Beschreibung der DDR, die in die Präambel des Thüringer Koalitionsvertrages aufgenommen werden solle, sei "durch und durch denunziatorisch", so die KPF weiter. Es handele sich nicht um Kritik an der DDR, "sondern die diffamierende Absage an die Legitimität ihrer Existenz von Anbeginn". In der Erklärung, für die Bundessprecherrat und Landessprecherrat der Kommunistischen Plattform verantwortlich zeichnen, wird betont, ein solcher Umgang mit "unserer Geschichte" sei eine demütigende Zumutung nicht nur für Thüringer Linkspartei-Mitglieder, sondern auch für deren "ungezählte" Wähler. "Noch ist es Zeit, von dieser Art des Umgangs mit der Geschichte Abstand zu nehmen und sich auf das Parteiprogramm der Linken zu besinnen. Wir erwarten vom Thüringer Landesvorstand und von der Landtagsfraktion der Linken, auf den für den Koalitionsvertrag geplanten Kotau zu verzichten."

"Neues Deutschland": Bigotte Geste

Auch die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Ina Leukefeld kritisierte die Übereinkunft der drei potenziellen Koalitionspartner zum Thema DDR-Unrecht. Sie postete am Donnerstag auf Facebook einen Kommentar des parteinahen "Neuen Deutschlands", in der das Bekenntnis zur DDR als "Unrechtsstaat" als "bigotte Geste" bezeichnet wird. "Sorry, aber so ist es!", schrieb Leukefeld in dem Netzwerk. In dem "ND"-Kommentar heißt es: "Das Problem ist, dass die DDR kein Unrechtsstaat war, obwohl es Unrecht gab und nicht zuletzt staatliches." Doch bediene die Thüringer Linke vor allem nun "alle Vorurteile, was ihre Bereitschaft angeht, Prinzipien für Macht zu opfern. Ein schlechtes Omen."

Die Wortmeldung von Leukefeld hat besondere Bedeutung, weil sie wegen ihrer früheren Tätigkeit im DDR-Sicherheitsapparat - sie arbeitete für das Kommissariat I der DDR-Kriminalpolizei - zu den Personen gehört, die keine Position in der Regierung übernehmen soll. 

Thüringische Linke kritisieren DDR Bashing und Kotau vor der 12-Punkte-SPD

DDR: Flagge der SED

Offener Brief an den Landesvorstand und die Landtagsfraktion der Thüringer LINKEN

 

Auf Kotau verzichten - (Kein Kniefall, Red.) 

Der großartige Wahlerfolg der Thüringer LINKEN ist nicht zuletzt – organisatorisch und finanziell – Genossinnen und Genossen zu verdanken, die nach dem vom deutschen Imperialismus entfachten grauenhaften II. Weltkrieg mit Überzeugung für eine nicht vom Kapital dominierte Gesellschaft in der DDR gearbeitet haben.

Nun sollen sie akzeptieren, dass sie nützliche Idioten in einer Art illegitimen Bananenrepublik gewesen sind. Was anders ist unter der nachfolgenden, durch und durch denunziatorischen Beschreibung der DDR zu verstehen, die in die Präambel des Koalitionsvertrages aufgenommen werden soll?

 

 

»Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte. Weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn es einer der kleinen oder großen Mächtigen so wollte. Weil jedes Recht und Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.«

 

Dies ist keine Kritik an der DDR, sondern die diffamierende Absage an die Legitimität ihrer Existenz von Anbeginn. Ein solcher Umgang mit unserer Geschichte ist eine demütigende Zu-mutung nicht nur für Thüringer LINKS-Partei-Mitglieder. Er ist gleichermaßen demütigend für ungezählte Wählerinnen und Wähler unserer Partei. Noch ist es Zeit, von dieser Art des Umgangs mit der Geschichte Abstand zu nehmen und sich auf das Parteiprogramm der LINKEN zu besinnen.

 

Wir erwarten vom Thüringer Landesvorstand und von der Landtagsfraktion der LINKEN, auf den für den Koalitionsvertrag geplanten Kotau zu verzichten.

 

Bundessprecherrat und Landessprecherrat Thüringen der KPF

 

Ebenso haben weiter Zeitgenossen immer wieder diese Bezeichnung der DDR als Unrechtstaat abgelehnt.

Die DDR war kein Rechtsstaat 

Im Interview mit dem Tagesspiegel vom 17.5.2009 bin ich zu diesem Thema befragt worden. Ich möchte Sie auf die gesamte Passage des Interviews verweisen – dieses Thema lässt sich nicht auf einen einzelnen Satz verkürzen. Es liegt für mich auf der Hand, dass die DDR kein Rechtsstaat war und dies Willkür und Ungerechtigkeit zur Folge hatte.

Tagesspiegel: Sie haben kürzlich dafür plädiert, den Begriff Unrechtstaat aus der Debatte über die DDR zu verbannen. War das ein Entgegenkommen in Richtung Linkspartei?

Gesine Schwan: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe die DDR in keiner Weise beschönigt, wie vielleicht mancher meinen könnte, der eine kurze Zusammenfassung der Debatte gelesen hat, die ich in Mecklenburg-Vorpommern mit der Linkspartei geführt habe. Ich habe dort gesagt: Die DDR war kein Rechtsstaat. Es gab keine Gewaltenteilung. Sie war ein Staat, in dem Willkür und Unsicherheit begünstigt wurden. Die Justiz war ausdrücklich ein Instrument der SED und damit nicht unabhängig. Das hat zu einer allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung geführt. Das heißt aber doch nicht, dass jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war. Es heißt ja auch nicht, dass in unserem Rechtsstaat ( der Bundesrepublik) jede einzelne Handlung dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht oder unanfechtbar gerecht ist.

Es gibt systemische Probleme, wenn sich die Einen vorzügliche Rechtsanwälte leisten können und die anderen nicht. Aber die entscheidende Wasserscheide ist: Wo kein Rechtsstaat ist, wird Willkür begünstigt.

Tagesspiegel: Warum lehnen Sie den Begriff Unrechtsstaat ab?

Gesine Schwan: Weil Unrechtsstaat ein diffuser Begriff ist. Er impliziert, dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.

Auch die CDU der DDR hatte das DDR-System mitgetragen und auch der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maiziere, (CDU), behart auf der Feststellung, das die DDR eben kein Unrechtsstaat war.

Deutsche GeschichteLothar de Maizière: "DDR war kein Unrechtsstaat"Lothar de Maizière.

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Lothar de Maizière. - Der letzte DDR-Ministerpräsident zieht nach 20 Jahren eine positive Bilanz der Einheit. Die Verwendung des Begriffs "Unrechtsstaat" für die DDR lehnt Lothar de Maizière allerdings ab.
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"Ich halte diese Vokabel für unglücklich", sagte Lothar de Maizière der "Passauer Neuen Presse" anlässlich des 20. Jahrestags des Volkskammer-Beschlusses zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. "Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat. Aber sie war auch kein Unrechtsstaat. Der Begriff unterstellt, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, Unrecht war."

Wenn die DDR ein Unrechtsstaat gewesen wäre, hätte im Einigungsvertrag nicht vereinbart werden können, dass Urteile aus DDR-Zeiten weiter vollstreckt werden können, sagte der CDU-Politiker. "Auch in der DDR war Mord Mord und Diebstahl Diebstahl", sagte de Maizière dem Blatt."Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit." 20 Jahre nach der Einheit zieht der einzige frei gewählte DDR-Ministerpräsident eine positive Bilanz. Zwar seien sich manche Vertreter seiner Generation fremd geblieben, aber "für die jungen Menschen, die heute an den Universitäten studieren, spielt Ossi oder Wessi gar keine Rolle mehr", sagte de Maizière. 

http://www.tagesspiegel.de/politik/deutsche-geschichte-lothar-de-maiziere-ddr-war-kein-unrechtsstaat/1909334.html

Präsidentenkandidatin der LinkenLuc Jochimsen: DDR war kein „Unrechtsstaat“

Nach juristischer und staatsrechtlicher Definition sei die DDR kein Unrechtsstaat gewesen, sagt die Kandidatin der Linken für das Bundespräsidentenamt. Gleichwohl sei „unverzeihliches Unrecht“ begangen worden.

 

Derartige Definitionen sollten „juristisch und staatsrechtlich haltbar“ sein, begründete Jochimsen, „der Begriff Unrechtsstaat ist es nicht.“

 

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hielt der Linken-Kandidatin entgegen: „Jochimsen ist nicht in der Lage, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war: ein Unrechtsstaat, der mit Mauer, Stacheldraht und Stasi-Terror das Volk unterdrückt hat.“ Die Linken- Abgeordnete „verhöhnt damit die Opfer des DDR-Unrechtsregimes. Besonders zynisch ist es, sich ausgerechnet am 17. Juni so zu äußern.“

 

Jochimsen sagt: Sie sei „jederzeit“ bereit, auch mit dem Präsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, über die DDR  zu reden. „Leider will Gauck nicht mit mir diskutieren“, sagte Jochimsen. Gauck war Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde. Vor allem in dieser Funktion machte er sich bei Mitgliedern der SED-Nachfolgepartei PDS unbeliebt. Aus der PDS ging vor drei Jahren nach einer Fusion mit der WASG die Partei DIE LINKE. hervor.