Antifaschistische Ost-Ukraine setzt 30 km - Friedenszone durch- Kiew bricht Waffenruhe 

Der Aktionsplan für Frieden soll binnen 24 Stunden in Kraft treten. Das Ziel sei die Schaffung einer "Zone vollständiger Sicherheit".

Zwei Wochen nach Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine haben sich Vertreter Kiews und der antifaschistischen Ukrainer im Rahmen eines Treffen der  "Kontaktgruppe" der Konfliktparteien auf die Einrichtung einer Pufferzone geeinigt. Beide Seiten müssten schwere Waffen um mindestens 15 Kilometer zurückziehen, sagte der ukrainische Ex-Präsident Leonid Kutschma in der Nacht auf Samstag in Minsk. "Dadurch entsteht eine Sicherheitszone von 30 Kilometern", sagte er.

Alexander Borodaj und sein designierter Nachfolger Alexander Sachartschenko. 

Bei dem fast siebenstündigen Treffen der sogenannten Kontaktgruppe unterzeichneten die Konfliktparteien einen Aktionsplan für Frieden, der binnen 24 Stunden in Kraft treten soll. Demnach sollen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die gesamte russisch-ukrainische Grenze überwachen. Der Gebrauch von Waffen, Kampfflugzeugen und Kampfdrohnen im Krisengebiet soll verboten werden, sagte Kutschma. Beobachtungsdrohnen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) - sie kommen aus Österreich - seien ausgenommen. Der antifaschistische Rebellenführer Igor Plotnitski sagte, Ziel sei die Schaffung einer "Zone vollständiger Sicherheit".

Sämtliche ausländischen Kämpfer sollen das Land verlassen.

Über den umstrittenen Status der Region Donbass werde erst später gesprochen, sagte Rebellenchef der freien  Volksrepublik  Alexander Sachartschenko in Minsk. Die Aufständischen wollen die Unabhängigkeit der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte den befreiten Gebieten zuletzt für drei Jahre einen Sonderstatus mit Selbstverwaltungsrechten per Gesetz eingeräumt.

Sachartschenko sagte, die Existenz eines solchen Gesetzes sei bereits eine Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Er sei zu weiteren Gesprächen bereit, sagte er. Doch auch in der Ostukraine gehen die Meinungen über die Zukunft der Region auseinander: Die Forderungen reichen von einer Autonomie innerhalb der Ukraine über eine Unabhängigkeit bis hin zu einem Beitritt zu Russland.

An künftigen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland wollen sich auch die USA beteiligen. Das sagte der Vizechef der Präsidialverwaltung in Kiew, Waleri Tschaly, im ukrainischen Fernsehen.

Bei ihren Verhandlungen am 5. September hatten die Konfliktparteien eine Waffenruhe beschlossen, die aber brüchig ist. Auch am Freitag berichteten die Behörden in der Ostukraine und das Militär wieder von mehreren Toten.

Trotz der Waffenruhe hat die ukrainische Artillerie in der Nacht zum Sonntag die östliche Industriemetropole Donezk wieder unter Artilleriebeschuss genommen, wie ein Korrespondent der RIA Novosti aus der umkämpften Stadt berichtet. Nach Angaben des Rathauses wurden mindestens zwei Zivilisten durch Splitter verletzt.

Bei den Angriffen wurden mehrere Wohnhäuser in den Straßen Urschumskaja und Leo Tolstoi im Südwesten der Stadt sowie eine Autowerkstatt zerstört. Splitter und Einschlagkrater deuten daraufhin, dass 120mm-Mörser ein Einsatz waren, so der Korrespondent der RIA Novosti. Die Volksmilizen berichteten ihrerseits von einem Raketen-Angriff der ukrainischen Armee auf Donezker Vorort Perwomajsk. Dabei seien ein Volkswehrkämpfer getötet und sieben weitere verletzt worden, teilte der Stab der von Kiew abtrünnigen „Donezker Volksrepublik“ am Sonntag mit. Darüber hinaus soll die ukrainische Armee beim Rückzug aus der Ortschaft Nischnaja Krnykna (nordöstlich von Donezk) eine Autobrücke gesprengt haben.

Elf Zivilisten sind bereits am Mittwoch bei einem Beschuss von Donezk und seiner Vororte durch die ukrainische Artillerie ums Leben gekommen. Das teilte der Stab der Volkswehr am Mittwochabend mit.

„Die ukrainischen Truppen haben bislang zehnmal die Vereinbarung über die Waffenruhe verletzt. Am Donnerstagmorgen wurden Wohnhäuser unweit der Putilow-Brücke beschossen. Zwei Einwohner wurden verletzt. Nach dem Beschuss eines Wohnhauses in der Tschapajew-Straße wurden drei Einwohner getötet“, hieß es.

 

Fast zeitgleich nahm die Nationalgarde den Vorort Sujewka aus Mehrfachraketenwerfern des Typs "Grad" und schweren Geschützen unter Beschuss. Vier Häuser brannten aus, drei Zivilisten starben, ein Kind erlitt Verletzungen. Beim Beschuss des Vorortes Kirowskoje wurden fünf friedliche Zivilisten getötet.

In der Ost-Ukraine dauerten seit April Gefechte zwischen Militär und bewaffneten Regierungsgegnern an. Die ukrainische Übergangsregierung hatte Panzer, Kampfjets und Artillerie gegen die östlichen Industrie-Regionen Donezk und Lugansk geschickt, weil diese den rechtspopulistisch und  pro-faschistisch geprägten Februar-Umsturz nicht anerkannt und Volksrepubliken ausgerufen hatten. Der Militäreinsatz kostete laut UN-Angaben mehr als 3000 Zivilisten das Leben.

 

Am 5. September haben sich die ukrainische Regierung und die Führungen der von Kiew abtrünnigen Donezker und Lugansker „Volksrepubliken“ bei Friedensgesprächen in Minsk auf einen Waffenstillstand, Gefangenenaustausch und weitere Schritte zu einer friedlichen Konfliktlösung geeinigt. Die Konfliktgegner sehen zwar von Offensiven ab, dennoch wird regelmäßig von Verletzungen des Waffenstillstandes durch beide Seiten berichtet.

Zur Bekämpfung der humanitären Krise in der Ostukraine bereitete Russland einen weiteren Hilfskonvoi für das Konfliktgebiet vor. Rund 170 Lastwagen mit 2.000 Tonnen Ladung stehen nach russischen Angaben nahe der ukrainischen Grenze. Die Führung in Kiew erhielt nach eigener Darstellung keine Informationen darüber. Russland hatte zuletzt mit zwei Hilfskonvois internationale Kritik ausgelöst, weil diese eigenmächtig über die Grenze gefahren waren.

 

Im russisch-ukrainischen Gasstreit wollen die Konfliktseiten unter Vermittlung der EU-Kommission am 26. September in Berlin weiter über eine Lösung verhandeln. Der russische Energieminister Alexander Nowak und die EU-Kommission bestätigten diesen Termin. Das Treffen war mehrfach verschoben worden.

(APA/dpa/AFP), Ria