Von Orangener zu Brauner Revolution

ein Kommentar von Ralph T. Niemeyer

Platon in Phaidon 66c/d spricht: "Denn über den Besitz von Geld und Gut entstehen alle Kriege." Von daher ist einer der großen Leitsätze für einen guten Journalisten der, nach dem Nutznießer einer Entwicklung zu fragen: "Cui bono?"
In manchen Konflikten ist es einfach, die eigentlichen  Beweggründe zu erkennen, für die dann natürlich mithilfe einer großen Zahl von Nebelkerzen entweder religiöse, sozio-kulturelle oder gar völkische (im modernen Sprachgebrauch "ethnische") Vordergründe geschaffen werden, die einfach gestricktere Geister zu glauben haben. Im Falle des Palästina- Konfliktes kann man die Fakten leicht recherchieren: 130km vor der Küste von Haifa befindet sich das Leviathan Gasfeld, welches schätzungsweise 450 Milliarden Kubikmeter beinhalten soll und 90km vor Gaza werden 240 Milliarden Kubikmeter Gas im Tamar-Feld vermutet. Nach internationalem Recht gehören alle Bodenschätze innerhalb der 200 Seemeilen-Zone (370,4km) dem jeweiligen Staat. Im Falle Palästinas ist dies ungünstig, denn der Staat wurde zwar von der überwiegenden Mehrheit der UN Mitglieder anerkannt, aber nicht von den Verbündeten Israels.

Im Oslo-Abkommen von 1993 vereinbarten Arafat und Rabin die gleiche Aufteilung aller Resourcen der beiden Staaten. Das Abkommen wurde von Israelischer Seite mit der Erschießung von Präsident Rabin de facto begraben. Danach begann wieder das uralte Spiel von Aktion und Reaktion, Siedlungsbau, Landraub, Selbstmordattentate, Entfürhungen, Bombardierungen mit jeweiligen gegenseitigen Schuldzuweisungen, die man im Detail nicht mehr nachvollziehen kann und natürlich auch nicht soll.

Das Ziel ist erreicht, wenn die Zwei-Staatenlösung auf Dauer verhindert werden kann und dazu tragen die Israelischen Hardliner ebenso bei, wie die Hamas, die es vermutlich gar nicht gäbe, oder ohne nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung, wenn das Oslo-Abkommen umgesetzt worden wäre. Mehr ist zu diesem Konflikt inhaltlich nicht zu sagen, man kann höchstens Leser mit ausführlichen langatmigen pseudohistorischen Analysen und Religionsgedöns langweilen.

In der Ukraine ist es auch nicht viel anders, denn wenn man sich nüchtern die Entwicklung ansieht, dann kann man feststellen, daß die EU, getrieben von den USA, in eine Sackgasse gelaufen ist. Das gestern geschlossene Abkommen, zeitgleich, wie immer hervorgehoben wird, weil man stolz darauf ist, daß die Videoschaltung zwischen Kiev und Strasbourg funktioniert hat, als handele es sich um eine gemeinsame Mars-Mission,  ist eigentlich das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. Erstens tritt es erst in 13 Monaten in Kraft, zweitens wird es noch verwässert, denn die 2007 von EU Parlamentspräsident Buzek und EU Kommissionspräsident Barroso mit Yuschchenko ins "Assozierungsabkommen" unter Artikel 3 eingetragene Militärbündniszugehörigkeit (NATO - Mitgliedschaft) dürfte sich erst einmal erledigt haben, wobei Yuschchenko mir seinerzeit eh' verkaufen wollte, daß sich die NATO-Mitgliedschaft nicht gegen Rußland richten würde

(siehe Video hier: https://www.youtube.com/watch?v=9_G-uebdSdQ )

und drittens hätte man das Ganze auch vor einem Jahr und mit 4500 Toten weniger erreichen können. Aber gut, man wollte es halt versuchen und hat Faschisten an die Macht geputscht, die auch den neuen Oligarchen an der Spitze des Staates gehörig an die Kandarre zu nehmen verstehen, wie man daran sieht, daß laut FAZ vom 18. August 2014 Innenminister Arsen Awakow von den offen faschistisch auftretenden Herren des "Rechten Sektors", Boris Berjosa und Dmitri Jarosch gezwungen wurde seinen Stellvertreter Wladimir Jewdowkinow wegen "konterrevolutionärer Umtriebe" zu entlassen.  

Das Sanktionsgerassel der EU in Folge der "Krim-Krise" bei der Präsident Putin einfach die Gunst der Stunde genutzt hat und das Ganze noch recht demokratisch hat aussehen lassen, soll die Niederlage des "freiheitlich-demokratischen Westens" kaschieren, denn auch hier ist die Geopolitik zu betrachten. Im Schwarzen Meer befinden sich Bodenschätze des Ausmaßes der Nordsee. Auch hier gilt die 200 - Meilen - Zone und durch die Tatsache, daß die Krim wieder zu Rußland gehört, ist für die Ukraine fast nichts mehr zu holen.

 

Der Amerikanische Konzern Exxon hatte laut Bloomberg News über 10 Jahre mehr als 780 Millionen US-Dollar in die Erforschung der Öl- und Gasfelder vor der Küste der Ukraine investiert. Da Exxon auch in Rußland 6 Join-Ventures mit Gazprom laufen hat unter anderem im arktischen Meer, hätten die USA eine wunderbare Möglichkeit bei Präsident Putin mithilfe von Sanktionen die Daumenschrauben anzulegen, oder würde man sich dann ebenso wie die EU vielleicht doch selber ins Knie schießen?

 

Es ist indes sicherlich auch den US-Amerikanern klar, daß keine "Gefahr" besteht, daß Präsident Putin Rußland den Rest der russisch geprägten Ukraine einverleiben möchte, denn erstens sind schon über eine Million Menschen von dort nach Rußland geflohen und haben dort Wohnung und Arbeit zugewiesen bekommen, etwas, was Deutschland mit ein paar tausend Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und Irak vor unlösbare Aufgaben zu stellen scheint, und zweitens gehören die Filetstücke der Donbass-Industrie längst über Luganskteplovos - Holding russischen Oligarchen, nachdem die Privatisierungswelle nach der "Orangenen-Revolution" von 2004 über 500 Betriebe unter den Hammer kommen ließ, von denen sich Petro Poroshenko unter anderem eine Munitionsfabrik unter den Nagel reißen konnte, während  Oligarchen-Kollegen Igor Kolomoysky, Rinat Achmetow und Viktor Pintchuk sich den Rest aufteilten. Der einzige für den Westen noch interessante Teil des Kuchens wurde in Form der Stahlhütte Krivorishstal, die zuvor an den früheren Präsidenten Leonid Kuchma verkauft wurde, nachdem der Deal von Julia Tymoshenko für illegal erklärt wurde, schließlich zum vierfachen Preis an den indisch-niederländischen Stahlmagnaten Lakshmi N. Mittal verhökert.

Und die als unschuldiger Engel erscheinende Frau Tymoshenko? Sie ging keineswegs leer aus. Als sie am 6. März 2009 in Brüssel mit EU Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Ukraine-EU - Energiekonferenz abhielt und ich die Beiden fragte, wie man denn eine Energiekonferenz ohne Rußland abhalten könne, bekam ich von Beiden zur Antwort, daß dies alles ja nicht gegen Rußland gerichtet sei und man auch nur über die Wartung und den Ausbau der Leitungen reden würde. Aber Leitungen ohne Gas?!
Das dazugehörige Video mit meinen Fragen wurde zu Beginn der Ukraine-Krise von der offiziellen Homepage der EU Kommission gelöscht:

http://ec.europa.eu/avservices/video/player.cfm?ref=55591

Eine Kopie findet sich freilich hier:
https://www.facebook.com/photo.php?v=60950067121&l=736512491550006984

Diese Konspiration könnte ihren Grund auch in der Tatsache haben, daß Frau Tymoshenko und ihr Ehemann Oleksandr keine weißen Westen haben, da sie verdächtigt wurden, die 30% Rabatt, die Rußland der Ukraine gewährt, nicht an die Staatskasse weitergegeben zu haben, sondern in Form von komplexen Transferpreisstrukturen mit offshore Firmen in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben.

Der einzige Politiker der rechtsgerichteten Euro-Maidan Bewegung, der nicht korrupt sein dürfte, ist der jetzige Bürgermeister von Kiev Vitali Klitschko, mit dem ich über zwei Stunden gesprochen habe. Er scheint wirklich daran zu glauben, daß er gegen korrupte Strukturen kämpft. Zugleich erkennt er nicht, daß er durch die Konrad Adenauer und Bertelsmann Stiftung gesteuert wird.

 

Auf der Europäischen Volkspartei-Konferenz in Dublin am 6. März 2014 sollte er eine Rede halten. Ich sah, wie der deutsche EU-Abgeordnete und Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok ihm den Redetext gab.  

Klitschko zog sich in eine Ecke zurück, wo ich bereits saß, und erbat einen Stift. So lieh ich ihm meinen Füller. Da er die Rede auf Deutsch halten sollte, was ihm wohl Mühe bereitete, wandte er sich ab und zu an mich und fragte nach der Bedeutung einiger Begriffe. Es endete damit, daß ich mit ihm den Text durchging und ihm an einigen Stellen riet, den reaktionären Stil abzuschwächen. Er schien langsam zu merken, daß er auf ein dünnes Eis geführt werden sollte. An einer Stelle sagte ich zu ihm, daß wenn er sich nicht diplomatischer äußere, er einen Krieg auslösen könne. Sichtlich erschrocken blickte er mich an. Als ich sagte "Klitschko, wenn Du im Ring bist, was würdest Du mit einem Amateur machen?". Er zuckte die Achseln und antwortete "Naja, es wäre wohl schnell zu Ende", woraufhin ich erwiderte "siehst Du, das hier sind die Profis und die machen mit einem politischen Amateur, gerade wenn er ehrlich ist, was ein Boxweltmeister mit einem Amateur im Ring nun einmal macht."

Nachdem Klitschko seine entschärfte Rede gehalten hatte, kam Bertelsmann-Brok wieder auf ihn zu und meinte, das sei nicht gut gewesen, daß er sie verändert habe. Dabei warf er mir einen vielsagenden Blick zu. Wir kannten uns aus 10 Jahren Brüssel nur zu gut und waren auch an diesem Morgen wegen seiner Maidan-Interpretation, von wegen die Schüsse kämen von Janukowitsch-Getreuen, aneinandergeraten.

Später bei der Pressekonferenz tat ich ebenfalls etwas, was ich als Journalist sonst nie tue, indem ich Klitschko im Aufzug meine Einstiegsfrage mitsamt der erwarteten Antwort verriet, damit er einen Einstieg hat. Schließlich half ich noch mit Übersetzung aus, denn seine Antworten waren äußerst unschlüssig und verwirrten die anwesenden Kollegen. Zum Glück kündigte sich mit heftigem Gepolter hinter der Bühne Frau Tymoschenko an, die dann Klitschko's unglückliche Pressekonferenz zu seiner Erleichterung ein Ende setzte.

Diese Anekdote mag verdeutlichen, was die EU und vor allen Dingen deren "Thinktanks" mit der Ukraine treiben. Zwar ist Vitali Klitschko sicherlich ein konservativer Politiker, aber er ist kein Faschist und nicht korrupt.

Vitali Klitschko (links) am 6. März 2014 in Dublin bei der EVP-Konferenz

Ganz anders als Klitschko agieren die Oligarchen, die wie oben erwähnt das Land ausplündern. Die Ukraine wäre nicht arm, wenn diese Bande nach Recht und Gesetz behandelt würde.

Die Tragik liegt darin begründet, daß eben nicht Leute wie Klitschko sich durchsetzen, die es subjektiv wenigstens ehrlich meinen, auch wenn sie einer vereinfachten und sehr konservativen Weltsicht anhängen, sondern windige Geschäftemacher wie Tymoschenko und Poroschenko, die sogar am Krieg verdienen.

Nicht nur diese Fakten sind bedeutend für den Konflikt in der Ukraine, sondern natürlich auch die Leiden der Bevölkerung, die den Wechsel von einem Oligarchen zum nächsten sich nicht als Resultat der Maidan-Proteste erträumt hatten, immerhin ist das Land in einen Bürgerkrieg ("Stasis") gerutscht, der, so Platon, schlimmer sei, als der Krieg mit Feinden "Polemos".