Es geht im Kern der Europadebatte darum, ob die EU kapitalistisch und kriegerisch oder sozialistisch und friedlich ist - Streit um Linken-EU-Wahlprogramm
In der Präambel des Europawahlprogramms der Linkspartei soll prägnant festgestellt werden, dass die EU heute eine neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht ist.
Die EU habe "nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursacht". Viele hätten mit der Gemeinschaft mehr internationale Solidarität verbunden. "Herausgekommen sind mehr faschistische Parteien, rechtspopulistische Hetzer und mehr Menschenjagd in und an den Grenzen der EU", heißt es dort.
Es gibt noch ein weiteres und noch kämpferisches Papier, dass in der Sprache so klar und deutlich ist, dass es sogar von Jean Ziegler gelobt wurde.
Beide Papiere gehen davon aus, dass Europa so wie existent nicht tragbar ist und es einen Neustart für die EU geben muss. Ideal wäre eine sozialistische statt eine neoliberale Verfassung und es ist die Frage, ob dieses Europa der Oligopolkonzerne und der Kapitaloligarchen sowie der Großbanken, dass auf Neoliberalismus und Deregulierung z B der Trinkwasserversorrgung setzte, überhaupt reformierbar ist.
Jetzt fordert eine Gruppe um Axel Troost, der eher einen keynesikanistischen Ansatz statt eines sozialistischen oder marxistischen Ansatzes vertritt, die strittige Passage aus der Präambel des Wahlprogramms zu streichen. Der Satz stehe schon inhaltlich besser ausgeführt an anderer Stelle im Programm.
Darum geht es aber in einer Präambel nicht, dass eher als Vorwort des Programms zu interpretieren ist, dass den eigentlichen Inhalt und zur schnellen Information des Lesers und Interessierten der Linkspartei - Mitglieder und Fans in Kurzform vorwegnimmt. Es dient auch der schnellen Information der Öffentlichkeit.
Aber es kann in Europa auch nicht nur um Keynesianismus und Flickschusterei des Kapitalismus gehen, was sowieso sinnlos und zum Scheitern verurteilt wäre, sondern um eine grundsätzlich andere Verfasstheit -angesichts eines Parlamentes, dass nicht einmal echte legislative und gesetzgeberische Funktionen und eine Kommission hat, die ohne weitgehende demokratische Legitimation agiert.
Das Europa der Global Player, Großkonzerne und Großbanken ist ein Europa der Lobby der Top-Wirtschaft und eben kein Europa der Menschen von unten - Zudem ist die EU zentralistisch-dirigstisch und zu wenig basidemokratisch und zu wenig kommunalistisch nach innen und zu abschottend und zu militaristisch nach außen. Die direkte und indirekte Beteiligung an auch völkerrechtswidrigen Kriegen in Lybien und Mali oder heimlich gegen Syrien, beispielsweise im Rahmen der Nato, gaben darauf einen Vorgeschmack.
Der Antrag gegen diese Passage wird eingebracht von den beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden Caren Lay und Axel Troost sowie von Thomas Nord, viele Jahre Landesvorsitzender in Brandenburg und Mitglied des Bundesparteivorstandes.
Die Medien im Mainstream behaupten zudem, dass die strittige Passage von Sarah Wagenknecht eingebracht wurde. Das behauptete auch Markus Lanz vom ZDF gestern wieder. Diese Behauptung ist aber sachlich falsch.
Gregor Gysi hat übrigens auf Nachfrage betont, dass die Formulierung nicht falsch sei . Sie sei vielmehr richtig. Sie würde die EU aber nicht umfassend und gänzlich beschreiben. Aber genau das wird im weiteren Verlauf des Leitantrages auch präzisiert und genauer ausgeführt!
Auf Nachfrage eines Parteigenossen aus NRW präzisiert der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, dass er die Bezeichnung der EU als neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht als Forderung im EU Wahlprogramm für die Europoawahlen 2013 nicht falsch findet.
Die EU sei darüber hinaus sogar ein Garant gegen die imperialen Globalinteressen der USA. Gregor Gysi bestätigt hiermit seine anti-imperialistische Grundposition!
Zitat Gregor Gysi auf Nachfrage :
Was ist falsch an diesem Satz im Leitantag des PV zur Europawahl?
"Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer
neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht"?
Gysi: "Nichts. Er charakterisiert aber so allein nicht die EU und deren
Politik. Die EU ist mehr. Sie ist z.B. auch ein Mittel für einheitliche
Sozialgesetzgebung, für abgestimmte Artbeitnehmerinteressen, für
Umweltschutz, für wirtschaftliche Entwicklung strukturschwacher
Regionen. Sie ist mit dem Europäischen Gerichtshof Hoffnung für viele
Opfer. Sie ist Möglichkeit und Chance für eine friedliche Entwicklung in
Europa und Mittel einer abgestimmten Außenpolitik der europäischen
Staaten. Und sie ist auch der wohl einflussreichste und stärkste Widerpart
gegen die Globalinteressen der USA. All diese Möglichkeiten müssen wir
bei der ganz sicher notwendigen Kritik sehen. Auch deshalb ist eine
weitere Diskussion um unsere internationale Politk im Vorfeld des
Europaparteitages dringend nötig. Und diese Diskussion will ich
anstoßen. Lass sie uns also gemeinsam mit und an der Basis führen."
Am Wochenende war Wagenknecht in einem Interview mit dem Tagesspiegel vorsichtig auf Distanz gegangen zu dem Programmabschnitt. Sie sagte: "Man muss die EU nicht mit dem Begriff militaristisch verbinden." Allerdings betonte sie auch: "Richtig ist auf jeden Fall, dass die EU immer stärker militarisiert wird. Im Lissabon-Vertrag gibt es ein Aufrüstungsgebot."
In einem Interview mit bürgerlichen Leitmedien meldet sich Oskar Lafontaine zu Wort und er attackiert CDU und SPD schwer.
"Wer Völker in die Verarmung treibt, wie es die Bundesregierung seit Jahren tut, der ist ein Feind Europas", sagte Lafontaine. Kanzlerin Angela Merkel reagiere beleidigt, wenn man sie mit ihrer Verantwortung für Europas Krise konfrontiere. Diejenigen, die wie Merkel für Lohndumping und Sparpolitik verantwortlich sein, werde man "im Wahlkampf als europafeindlich geißeln". Lafontaine kritisierte insbesondere das Hartz-IV-Gesetz von Rot-Grün und den Fiskalpakt als "europafeindliche Gesetze".
Ebenso kritisierte Sahra Wagenknecht in einem Interview mit dem Tagesspiegel den Missbrauch der EU durch nationale Regierungen: "Die EU ist auch ein Hebel zur Zerstörung von Demokratie. Sie wird von den nationalen Regierungen teilweise bewusst genutzt, um unpopuläre Entscheidungen auf Brüssel abzuwälzen und sie damit durchzusetzen: Sozialkürzungen, Ausverkauf öffentlichen Eigentums." Sie verwies auf die Politik der EU-Kommission und die EuGH-Entscheidungen der vergangenen 20 Jahre. Durch Vereinbarungen wie den Fiskalpakt würden nationale Parlamente zunehmend entmündigt.
Die wachsende Europa-Skepsis in der Bevölkerung entstehe durch das Handeln der europäischen Institutionen, sagte Sahra Wagenknecht beim Jahresauftakt der Europäischen Linken. Um anti-europäischen Ressentiments entgegenzuwirken, müsse DIE LINKE sich für andere europäische Verträge und eine andere europäische Integration einsetzen. "Diese heutigen Verträge setzen auf einen Dumping-Wettlauf – immer schlechtere Sozialstandards immer niedrigere Steuern für große Konzerne, immer schwächere Regulierung von Banken.
Dass die EU eine neoliberale Politik im Interesse großer Konzerne und Banken macht, ist spätestens seit den Maastrichter Verträgen offensichtlich. Wir haben einen ständigen Druck in Richtung Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung. Bis heute. Man muss die EU nicht mit dem Begriff militaristisch verbinden, aber richtig ist auf jeden Fall, dass die EU immer stärker militarisiert wird. Im Lissabon-Vertrag gibt es ein Aufrüstungsgebot. Beim letzten EU-Gipfel wurde wieder über eine bessere Rüstungskooperation und höhere Rüstungsausgaben verhandelt – als hätten wir keine anderen Probleme, so Sarah Wagenknecht..
Besonders lustig ist auch die Diskussion um Nationalismus versus Internationalismus unter Linken Mitgliedern und Funktionären.
Seit Karl Marx und Lenin ist die Linke internationalistisch. Und auch die Trennung der Linken von der SPD in den Jahren 1914 bis 1919 basierte auch auf der Entwicklug der SPD zu einer nationalistischen Partei, die nicht mehr als "vaterlandslose Gesellen" geltend wollend, die Kriegskredite des deutschen Kaisers für den 1. Weltkrieg bewilligt hatte.
Wenn ausgerechnet Rechtsreformer in der Partei sich als proletarische Internationalisten und Marxisten outen, ist das allerdings mehr als belustigend. Linke sind in Mitteleuropa Internationalisten ud das ist gut so.
Das Alternativpapier des Parteivorstandes zum Europawahlprogramm ist äusserst gut gelungen und es stellt in Wahrheit und Klarheit auch das erste Wahl-Programm des Parteivorstandes in den Schatten. Immerhin votierten 11 Vorstandsmitglieder für das kämpferischere Europawahlprogramm und gegen den Entwurf der Parteivorsitzenden. Und auch Jean Ziegler lobt den Entwurf.
Die Linke zieht aber in beiden Entwürfen mit radikalen Forderungen in den Europawahlkampf. In ihrem Programmentwurf fordert sie Strafen für Deutschland, die Auflösung von Hedgefonds und die Enteignung privater Großbanken
Gefordert wird darin unter anderem die Enteignung aller privaten Großbanken, die Auflösung von Hedgefonds sowie eine Direktfinanzierung der Euro-Länder durch die Europäische Zentralbank.
"Die öffentliche Kreditaufnahme muss von den Finanzmärkten befreit werden", heißt es in dem Entwurf. Die EZB solle die Staaten der Euro-Zone "in einem festgelegten Rahmen" direkt finanzieren. Als erster Schritt für eine Direktfinanzierung soll eine europäische Bank für öffentliche Anleihen gegründet werden.
Der Vorschlag würde die derzeitige Konstruktion des Euro-Raums auf den Kopf stellen. Die EZB ist gerade deshalb politisch unabhängig, damit Länder sich nicht per Notenpresse – und damit über Inflation – aus ihrem Schuldensumpf befreien können.
Außerdem sollen gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Staaten eingeführt werden.
In dem von Kipping und Riexinger getragenen, auch auf Diskussionen einer strömungsübergreifend besetzten »Beratungsgruppe« beruhenden Papier gibt sich die Partei auf, ein »soziales, demokratisches und solidarisches Europa« aus »dem Klammergriff der Finanzmärkte und der Kürzungspolitik« zu befreien. Wobei betont wird, dass man sich nicht auf eine Entscheidung »zwischen einer neoliberalen EU und einem neoliberalen Nationalstaat« einlassen werde. Man bekennt sich dazu, »die falschen Grundlagen der Europäischen Union von Anfang an kritisiert« zu haben und verlangt »einen Neustart« der EU.
Dehms Gegenentwurf richtet sich unter anderem gegen die »Sprechblasenfacharbeiter« in Brüssel, gegen das »Europa der Eliten« und den »EU-Bürokratismus«. Die Linkspartei will darin ebenfalls »einen Neustart der EU«, bezeichnet eine Stimmabgabe für die LINKE bei den Europawahlen im Mai 2014 allerdings als »Stimme für unser gutes Grundgesetz«. In einer internen Stellungnahme der Strategieabteilung beim LINKEN-Vorstand heißt es, ein solcher »Verfassungspatriotismus« verharmlose in der jetzigen Situation die Realität in der Bundesrepublik. Dehms Entwurf sei zudem von der Form her »eher ein Pamphlet«.
Kritik hat auch die Vorlage der beiden Vorsitzenden geweckt. In einem Papier, zu dessen Unterzeichnern auch Dehm gehört, wird von einem »Europäismus« des Entwurfs gesprochen. Dieser grenze sich »nicht von euronationalistischen Vorstellungen anderer Parteien ab« und enthalte stattdessen »eine Absage an den Nationalstaat«, der für eine Mehrheit immer noch »Ort der Demokratie und der Volkssouveränität« sei.