Nachrichtenagenturen als selektives Werkzeug weniger Kapitaloligarchen 

Unsere heutige Landschaft der “Qualitätsmedien” hat schon seit langem ihren Nimbus von Unabhängigkeit, Aufklärung, Neutralität und Glaubwürdigkeit verloren. Die Vielzahl an diametralen Meinungen der Leser in diversen Kommentaren spricht Bände, dass die Erwartungen an eine unabhängige und neutral Presse nicht mehr erfüllt werden.

 

Stattdessen finden wir eine gleichgeschaltete Berichterstattung vor, die zum großen Teil – aus Gründen der Kosten, Personalstruktur oder Recherchemöglichkeiten – auf die Inhalte der vier großen Nachrichtenagenturen Reuters, Associated Press, Agence France-Presse und Deutsche Presse-Agentur beruht.

Damit versorgen vier Nachrichtenkonzerne/-unternehmen den Großteil der Zeitungen, Magazine, Nachrichtensendungen und andere Presseerzeugnisse mit Informationen – egal ob in Deutschland, in Europa, in den USA oder sonstwo auf der Welt.

Doch wer steckt eigentlich hinter diesen Agenturen. Wem gehören sie? Wer besitzt die Anteile und hat damit (in)direkten Einfluss auf die Nachrichten, die wir täglich vorgesetzt bekommen?

Anhand des Beispiels Reuters soll versucht werden, etwas Licht hinter die “Nachrichtenfassade” zu bekommen, da es exemplarisch zeigt, dass wenige Menschen bestimmen, was Nachrichten sind, wann wir diese erhalten und darüber entscheiden, ob wir sie überhaupt lesen dürfen.

Reuters selbst wurde 1851 in London gegründet und war bis 2008 Teil der Reuters Group plc. Diese wurde eben 2008 mit der Thomson Corporation fusionert, deren Sitz in Stamford, Connecticut war, und beide bilden seitdem die Thomas Reuters Corporation, New York City.

Hauptanteilseigner mit 55% (Stand April 2013) von Thomas Reuters Corporation ist The Woodbridge Company, Toronto, Kanada. Diese wiederum ist eine private Unternehmung der kanadischen Thomson Familie. David Thomson und Peter Thomson sind die derzeitigen Vorsitzenden von Woodbridge, gleichzeitig Eigentümer und damit die kontrollierenden Personen hinter Reuters. Präsident, CEO und Direktor ist zur Zeit der 55-jährige David Binet.

David Thomson, 56, ist laut Forbes-Liste die Nummer 26 der reichsten Menschen der Welt mit einem Vermögen von 22,7 Milliarden US-Dollar (Stand 15. April 2014). Er unterhält intensive Kontakte zu

  • Deryck Maughan von Kohlberg Kravis Roberts & Co. (einer Private Equity Firma bei der wiederum David Petraeus, Ex-CIA-Chef involviert ist)
  • Mary Cirillo-Goldberg von Deutsche Bank Trust Corporation
  • Pehr Gyllenhammer von N M Rothschild & Sons Ltd.
  • und anderen Persönlichkeiten aus dem Finanzbereich.

Peter Thomson, der jüngere Bruder von David, ist Gründer des Wagniskapitalgebers Thomvest, dessen Vorsitzender er ebenfalls ist. Nach eigenen Angaben ist Thomvest ein 250 Millionen schwerer Spieler auf dem Spielfeld der Venture Capital Funds mit Sitz in Silicon Valley. Unterstützt werden hauptsächlich Firmen/-gründungen aus dem IT-Bereich wie Axcientoder iPass.

Die restlichen 45% der Aktien befinden sich im Streubesitz.

Reuters besitzt derzeit einen Markanteil von 33,3% bei deutschen Tageszeitungskunden und setzt ca. 350 Meldungen pro Tag ab. Damit nimmt Reuters eine Schlüsselstelle in unserem Mediensystem ein und schafft es, dass die eigenen Berichte von den Redakteuren meist 1:1 übernommen werden. Konsequenz daraus ist, dass sich die Inhalte der verschiedenen“Qualitätsmedien” kaum mehr unterscheiden und ein “Einheitsbrei” veröffentlicht wird, der einer Gleichschaltung gleich kommt.
Fehlerhafte Reuters-Berichte werden dann auch fehlerhaft in deutschen Medien weiterverbreitet. Doch was viel ausschlaggebender ist, ist, dass Reuters als “Vorfilter” bereits Informationen aussortiert und diese ihren Weg in die Öffentlichkeit nicht finden. Als problematisch ist auch die Quellentransparenz von Reuters zu bezeichnen, die gerade bei kritischen Themen nicht im ausreichenden Masse vorhanden ist.

Reuters, dpa und Co. fungieren in unserer heutigen Zeit als “Informationssammelstellen”“Vorfilter” und somit “Meinungsmacher”. Der Großteil der Nachrichten, die wir täglich konsumieren müssen, stammen von Nachrichtenagenturen, immer weniger sind durch hauseigene Journalisten selbst recherchiert und aufbereitet. Sei es aufgrund von Kostengründen, einem fehlenden Korrespondentennetzes oder reiner Bequemlichkeit. Doch genau hier ist die “Steuerbarkeit” unseres Informationswesens zu finden, weil immer wieder die Frage gestellt wird, wie wolle man den Informationen, Inhalte und Themen steuern, da doch zu viele Menschen in der Medienwelt involviert sind, die als “Regulativ” fungieren.

Es reicht die Nachrichtenagenturen – ergo, die Besitzer, Hauptanteilseigner und die Vorsitzenden – zu steuern. Der Rest kommt dann von ganz alleine.

Quellen:
Wikipedia – Reuters
Wikipedia – Thomson Corporation
Wikipedia – Thomson Reuters
Wikipedia – The Woodbridge Company
Thomson Reuters – Fact Book 2013
Forbes -  The World’s Billionaires #26 David Thomson & family
Wikipedia – David Thomson, 3rd Baron Thomson of Fleet
Bloomberg Businessweeek – Thomson Reuters Corp (TRI:Toronto Stock Exchange)
Wikipedia – Kohlberg Kravis Roberts
Wikipedia – Peter Thomson
Thomvest – Our Team
Thomvest – Our Fund
Thomvest – Investments
Philipp Grüll – Die Qualität der Nachrichtenagenturen aus Sicht ihrer Kunden

http://konjunktion.info/2014/04/qualitaetsmedien-wenn-die-nachrichtenagenturen-den-inhalt-vorgeben/

22.08.2014 / Thema / Seite 10 Inhalt

»Unverständlicher Krieg«

Dokumentation. Interview der Ukrainskaja Prawda mit Generaloberst Wladimir Ruban von den Ukrainischen Streitkräften über die Lage in der Ostukraine

»Wenn das Kriegsrecht ausgerufen wird, dann verlieren die
»Wenn das Kriegsrecht ausgerufen wird, dann verlieren die ­Zivilisten an der Macht diese womöglich an das Militär« (W. Ruban, hier im Interview mit dem Onlinemagazin Politnavigator, am 26.7.2014)
Am 20. August wurde in der ­Ukrainskaja Prawda ein Interview der Journalistin ­Jekaterina Sergazkowa mit Wladimir Ruban veröffentlicht. Ruban hat als Generaloberst den gleichen militärischen Rang wie der Verteidigungsminister. Seine Worte haben also einiges Gewicht. Das Kiewer Regime ernannte ihn zum Beauftragten für den Austausch von Gefangenen im Bürgerkrieg. jW dokumentiert das Gespräch in voller Länge. (jW)
 

Wie viele Menschen haben Sie schon herausgeholt?

Mehr als 100. Beim hundertsten haben wir aufgehört zu zählen.

Und wie viele Anrufe bekommen Sie täglich von Menschen, die Angehörige vermissen?

Ungefähr 300.

Nehmen Sie die selbst entgegen?

Nein, dafür haben wir eine Abteilung mit Fachleuten für solche Fragen. Vorher hatte sich bei uns eine zehnköpfige Gruppe mit dem Arbeitstitel »Offizierskorps« mit der Befreiung von Geiseln beschäftigt. Die Leute sammelten Informationen, aber es war kein System darin.

Was ist Ihre Rolle in dieser Struktur? Ich weiß, daß Sie der einzige professionelle Verhandlungsführer sind und daß alles letztlich auf Sie zuläuft. Mit Ihnen hat das alles ja auch angefangen. Wie geht es jetzt weiter?

Genau wie bisher. Ich leite dieses Zentrum schließlich.

Es beruht also alles auf Ihrer persönlichen Autorität?

Anders geht es an der Front auch gar nicht. Da beruht alles wirklich auf persönlicher Autorität. Wenn man sein Wort hält, wird mit einem zusammengearbeitet. Hält man es nicht, erfährt man Mißtrauen.

Und die Leute, mit denen Sie zusammenarbeiten – wird denen dort vertraut? Arbeiten sie autonom?

Nein. Für die Gespräche bin nur ich zuständig und führe sie persönlich. Es gibt ein Schlüsselwort, so etwas wie die Parole, die wirkt wie ein Handschlag, und dann beginnen wir mit der Arbeit: das Offiziersehrenwort. Wenn ich mein Offiziersehrenwort gebe, dann ist die Abmachung getroffen. Die andere Seite weiß dann, daß meine Mitarbeiter und ich alles tun werden, um unser Wort zu halten. Und so machen wir es auch, egal unter welchen Umständen. Wir können unser Ehrenwort auf keinen Fall brechen.

Da haben Sie ja viel zu tun. Denn in letzter Zeit hat die Zahl der Gefangenen zugenommen.

Das stimmt. Aber jetzt unterstützt uns auch die Präsidentenverwaltung und der Präsident (Petro Poroschenko; jW) persönlich, der Sicherheitsdienst und das Verteidigungsministerium haben alle verstanden, daß diese Arbeit notwendig ist. Sie haben gesehen, daß sie Erfolge bringt, und das hat sie von deren Nützlichkeit überzeugt.

War das früher anders?

Da gab es Zweifel. Es hat eine Weile gebraucht. Die meisten sind schließlich neu auf ihren Posten. Ein neuer Verteidigungsminister, eine neue Präsidialadministration, ein neuer Präsident.

Aber das Problem hat es doch schon im März auf der Krim gegeben. Damals lag diese ganze Arbeit auf den Schultern von Journalisten und freiwilligen Aktivisten. Wir fuhren dorthin und versuchten, die Menschen freizubekommen. Das war schwierig, weil wir auf diese Aufgabe nicht vorbereitet waren und wahrscheinlich viele Fehler begangen haben. Damals gab es, realistisch gesehen, keinen einzigen Menschen, der diese Rolle hätte ausfüllen können.

Bei uns in der Hochschule des SBU (Sicherheitsdienst der Ukraine; jW) gab es einen Lehrstuhl, wo Verhandlungsführer ausgebildet wurden. Wo sie jetzt sind, weiß niemand, ich auch nicht. Bei der Polizei gibt es … (Ruban korrigiert sich, Anm. der Autorin) sollte es eine besondere Abteilung für die Arbeit mit Geiselnehmern und für Verhandlungen in Krisensituationen geben. Aber wahrscheinlich hat das niemand für erforderlich gehalten, und deshalb sind diese Fachleute heute nicht vorhanden.

Das heißt, sie sind ausgebildet worden, aber es gibt keine derartige Dienststelle?

Vielleicht gibt es sie auch, aber dann ist sie gut getarnt.

Und Ergebnisse ihrer Arbeit sehen wir auch nicht.

Ja, und genau deshalb finden wir diese Leute ja auch nicht. Aber inzwischen ist immerhin auf beiden Seiten die Erkenntnis herangereift, daß es notwendig ist, Gefangene freizulassen. Das erleichtert nebenher viele Aufgaben, denn es ist mit einigem Aufwand verbunden, Gefangene zu versorgen. Wenn Leute ausgetauscht werden, schaue ich sie mir an. Ich bringe unsere Gefangenen mit, und wir nehmen kritisch unter die Lupe, wie sie bei uns ernährt wurden. Wir haben vereinbart, daß mit Gefangenen ordentlich umgegangen wird.

Alles fing damit an, daß wir verabredet haben, freizulassenden Gefangenen irgendwelches Schuhwerk zu geben und sie nicht barfuß oder auf Socken auszutauschen. Dann haben wir uns die Ernährungsbedingungen angesehen: Wer hat zu essen bekommen, wer nicht. Und wir haben verabredet: Gefangene bekommen zu essen. Weiter ging es mit der medizinischen Behandlung. Heute werden auf beiden Seiten Gefangene, die ärztliche Hilfe brauchen, medizinisch betreut.

In Lugansk gab es so einen Fall. Um einem Offizier die verletzte Hand zu retten, haben die Ärzte verlangt, ihn sofort stationär aufzunehmen. Bei dem Patienten begann schon der Wundbrand, die Behandlung war aus ärztlicher Sicht kompliziert. Ich konnte nicht rechtzeitig aus Kiew anreisen, um ihn zurückzuholen, so ist er nach Rußland gebracht worden. Dort ist das Leben des Gefangenen gerettet worden.

Und danach haben sie ihn zurückgegeben?

Noch nicht. Die Behandlung dauert noch an. Ich weiß nicht, wie sein weiteres Schicksal aussehen wird, ob sie ihn freilassen. Aber das Wichtigste ist, daß Gefangene nicht erschossen werden, sondern für den Austausch bereitgehalten werden.

Es gibt verschiedene Arten von Gefangenen: Zivilisten und Soldaten. Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sie als Geiseln genommen werden. Vielfach sollen sie sich einfach freikaufen. Wie gehen Sie mit solchen Banden um, die Leute wegen des Lösegeldes entführen und nicht, um sie auszutauschen?

Dann muß man das Geld finden und diese Menschen freikaufen.

Aber das ist doch nach internationalen Kriterien nicht ganz human, weil die Entführer für dieses Geld nur wieder Waffen kaufen und weiter Menschen umbringen …

Hier muß man es so machen wie die Israelis. Israel hat sich lange gerühmt, daß es mit Terroristen nicht verhandelt und in solchen Situationen kein Lösegeld zahlt. Inzwischen haben sie verstanden, daß diese Taktik falsch ist, und haben ein Zentrum für Verhandlungen mit Geiselnehmern eingerichtet, wo man auf verschiedene Situationen bei der Befreiung von Gefangenen eingerichtet ist, auch darauf, sie freizukaufen. Solch eine Variante muß als Absicherung immer eine Option sein. Wenn die Geiselnehmer einen Handel vorschlagen und sagen, sie geben einen Menschen nur gegen Geld frei, dann muß man halt auf dieser Ebene mit ihnen arbeiten und das Geld bereitstellen.

Aber wenn diese Leute in irgendeiner Weise der Führung der Donezker oder Lugansker Republik unterstehen, dann habe ich Möglichkeiten, die Gefangenen ausfindig zu machen, selbst Angebote zu machen und das dann der Führung mitzuteilen. Dann werden die Geiseln im Austausch gegen andere Gefangene freigelassen, ohne daß Geld fließt.

Wir haben anfangs vereinbart, daß wir uns an Lösegeldverhandlungen nicht beteiligen und keine Menschen freikaufen und nicht um sie feilschen. Diese Möglichkeit haben wir.

Und welchen Vorteil hat die Führung der Volksrepubliken davon?

Sie zeigen auf diese Weise gegenüber der eigenen Bevölkerung, daß ihnen das Schicksal der eigenen Leute in Gefangenschaft nicht gleichgültig ist. Genauso, wie es für unseren Präsidenten nützlich ist, dies zu demonstrieren. Auch er zeigt Fürsorge für seine Staatsbürger, und das ist richtig so. Die Wähler haben ihm die Macht anvertraut, auch diejenigen, die gefangengehalten werden, und er sollte sie dort herausholen. Genauso sieht es die Führung in Donezk und Lugansk hinsichtlich ihrer eigenen Leute. Sie würden am liebsten »alle gegen alle« austauschen, und das ist menschlich gesehen korrekt und verständlich.

Aber ist das möglich?

Sicher.

Das Endziel ist also, alle Gefangenen auszutauschen?

Das ist das Maximalprogramm. Meine Arbeit besteht darin, einzelne Menschen beider Seiten freizubekommen.

Erklären Sie mir bitte, worin der Unterschied zwischen der Befreiung von zivilen und militärischen Gefangenen besteht und was schwieriger ist. Verstehe ich Sie richtig, daß es mit Zivilisten schwieriger ist?

Da gibt es keinen besonderen Unterschied. Es gab nur zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr zivile Aktivisten als Soldaten unter den Gefangenen. Etwas einfacher ist es mit Soldaten, da werden keine besonderen Nachfragen gestellt, man tauscht sie halt aus. Wenn der Gefangene aber Zivilist ist, muß ich Nachforschungen anstellen und prüfen, ob es gerechtfertigt ist, ihn einseitig freizulassen, ihn auszutauschen oder die andere Seite zu überzeugen, ihn ohne Gegenleistung laufenzulassen.

Vor kurzem hat die Frau eines Gefangenen bei uns angerufen und erzählt, daß drei Mähdrescherfahrer abends von der Arbeit kamen, einen Kontrollpunkt passierten, wo sie für Spione gehalten und zum Verhör festgenommen wurden. Dabei haben sie jedem von ihnen ins Knie geschossen. Und in Gefangenschaft mit durchschossenem Knie gibt mancher zu, »Spion« zu sein. Sogar Anwohner.

Auch ohne durchschossenes Knie …

Ja, auch ohne durchschossenes Knie. Es hat sich bei diesen dreien herausgestellt, daß sie tatsächlich Mähdrescherfahrer waren, und man hat sie freigelassen. Solche Fälle kommen auf beiden Seiten vor; das ist nicht in Ordnung, das muß aufhören.

Und wie ist es mit den politisch motivierten Aktivisten, die in den Volksrepubliken festgehalten werden? Sind ihre Fälle schwieriger zu bearbeiten? Ist ein ziviler Aktivist, der für die Einheit der Ukraine eintritt, schwieriger loszueisen als ein Mähdrescherfahrer?

Das ist tatsächlich schwieriger. Er muß ausgetauscht werden. Wenn es ein Freiwilliger war, der Lebensmittel für die Soldaten gebracht hat, ist es verhältnismäßig einfach. Wenn er kugelsichere Westen oder Literatur transportiert hat oder gar allein mit Waffen unterwegs war, dann ist es schwieriger.

Es gibt eine delikate Frage: Wenn ein Mensch vermißt wird, wie sollten die Medien und die Blogger sich dann verhalten, um keinen Schaden anzurichten? Viele haben gesagt, es erschwere die Bemühungen um seine Freilassung, wenn die Sache breit publiziert wird.

Kauf am Kiosk!

Das ist unterschiedlich. Manchmal erschwert es die Arbeit des Unterhändlers, manchmal die Lebenssituation des Gefangenen. Man muß die Informationen dosiert verbreiten, aber ohne Ungenauigkeiten. Manchmal heißt es in der Presse, es sei ein Aktivist des »Rechten Sektors« gefangengenommen worden, und der Junge weiß überhaupt nicht, was der »Rechte Sektor« ist. Vielleicht hatte er eine schwarz-rote Fahne, aber das heißt noch nicht, daß er auch Aktivist ist. Für die Gegenseite aber sind solche Meldungen Anhaltspunkte dafür, den Gefangenen länger festzuhalten und härter zu foltern.

Aber die Gefangenen selbst müssen sich auch vernünftig verhalten. Ich hatte einen Fall zu bearbeiten, da haben sie dem Mann, den wir austauschen wollten, angekündigt, daß sie ihn freilassen würden. Und dann gesagt: Na, nun erzähl mal, was du wirklich gemacht hast. Und er hat dann viel Überflüssiges erzählt. Es führte dazu, daß er drei Wochen länger einsaß.

War das so eine Falle des Gegners?

Das war wohl keine bewußte Falle, sie haben einfach gefragt, und er hat sich so um Kopf und Kragen gequasselt. Sehr viele Gefangene verfallen in diesen Fehler, sich wichtiger zu machen, als sie waren, um zu überleben. Ihnen scheint es, daß sie sowieso gleich erschossen werden, und dann wollen sie lieber als Märtyrer sterben. Zum Beispiel erzählen sie, sie seien Artilleriebeobachter. Von denen werden ungefähr zehn in Donezk festgehalten. Keiner von denen hat eine Ahnung, was ein Artilleriebeobachter treibt.

Und wie sollten sich Gefangene verhalten?

Schwierig zu sagen. Das muß jeder Gefangene nach den Umständen und nach seiner Verfassung selbst entscheiden.

Aber sollte man ehrlich sein?

Das ist besser, solange man kein Soldat und kein professioneller Aufklärer ist.

Vor zwei Tagen sind Leute auf mich zugekommen und haben mitgeteilt, daß in Makijiwka (östlich von Donezk; jW) ein Blogger festgehalten worden sei, der angeblich das ukrainische Artilleriefeuer gelenkt habe. Seiner Mutter haben sie gesagt, daß sie ihn erschießen würden. Wie soll man sich in einer solchen Situation verhalten?

Erstens: unbedingt unser Zentrum verständigen. Wir sind in der Lage, sofort mit dem Menschen Verbindung aufzunehmen, der ihn festhält, oder mit seinen Vorgesetzten. Dann können wir das Problem besprechen. Niemand wird »am Dienstag um 12 Uhr« erschossen, und niemand kann die Bedingung stellen, jemanden bis Samstag abend freizulassen. So läuft das nicht. Genau dafür gibt es Unterhändler, daß sie die Verfahren bei der Freilassung erläutern und mit der anderen Seite sprechen.

Solche Drohungen sind ein Trick, um sich in die Position des Stärkeren zu bringen. Aber man muß verstehen, daß wenn der Kommandeur die Leute einfach austauscht, dann wird diese Position übernommen. Wenn der Kommandeur sagt, daß er den Gefangenen am Dienstag erschießt, dann wird er automatisch zum Terroristen, weil er das Leben eines Gefangenen bedroht.

Wissen Sie, wie viele Menschen in dieser ganzen Zeit in Gefangenschaft erschossen worden sind?

Ich kenne eine ungefähre Größenordnung, aber ich werde sie nicht nennen.

Können Sie sagen, wo es zur Zeit am gefährlichsten ist? Wo am härtesten gefoltert wird?

Solche Unterscheidungen nach »viehisch« und »weniger viehisch« oder »am gefährlichsten« sind Unsinn. Wir arbeiten seit drei Monaten, und die Haftbedingungen sind im Prinzip überall gleich. Es gibt seltene Fälle von Übergriffen, aber die gibt es immer und in allen Kriegen. Dem einen gehen die Nerven durch, der andere ist vielleicht sowieso psychisch daneben. Jemand will Gefangene erschießen und läuft mit der MP herum, ein anderer will eine Handgranate in den Raum mit den Gefangenen werfen, um sich an ihnen zu rächen. Das sind in der Regel Leute mit niedrigem moralischen Niveau, ungebildet, die das große Wort führen. Oder die durch ihren psychischen Zustand oder nach Alkoholgenuß auf solche Ideen kommen.

Was sind das für Menschen, mit denen Sie verhandeln? Was für einen Charakter haben sie? Wofür tun sie das? Wahrscheinlich haben Sie sich ein Bild von ihnen machen können.

Und zu welchem Zweck macht die ukrainische Armee Gefangene? Was sind das für Menschen in der ukrainischen Armee und in den Freiwilligenbataillonen?

Das heißt, für Sie sind die einen wie die anderen?

Für Sie nicht? Sind für Sie sechs Millionen Bewohner der Region um Donezk und Lugansk plötzlich zu Feinden geworden?

Nein, friedliche Anwohner sind keine Feinde.

Und die 15000, die bewaffnet sind – sind das für Sie Feinde?

Alles in allem schon. Das sind schließlich Leute, die Leben und Gesundheit friedlicher Bürger bedrohen.

Jede Armee bedroht Leben und Gesundheit friedlicher Bürger. Dafür gibt es sie. Offiziere, die die Militärakademie abgeschlossen haben, sind professionelle Mörder, oder ist Ihnen das neu? Haben Sie das nicht gewußt? Das sind keine Leute, die auf Paraden Flaggen tragen, das sind Leute, die im Schützengraben andere Menschen umbringen. Das ist der Inhalt ihrer Ausbildung, so wie ich von meiner Ausbildung Jagdflieger bin. So ein schönes Wort, klingt so harmlos. Nehmen Sie das Wort »Flieger« weg, und es bleibt Jagd. Was ist mein Job? Zu jagen und zu töten.

Für mich sind diese Menschen dort keine Feinde. Ihnen fällt das leicht, sie aus Ihrer Position als Feinde zu betrachten. Aber ich kenne diese Leute seit langem. Unter ihnen sind Offiziere, Afghanistan-Veteranen, mit denen wir gemeinsam gegen (den geputschten Präsidenten Wiktor; jW) Janukowitsch protestiert haben. Dort gibt es Leute, mit denen wir auf dem Maidan gestanden haben. Auf dem Euromaidan. Aber wir haben ihn nicht so genannt.

Was meinen Sie mit »dort«?

Auf der anderen Seite. Die mit den Georgsbändchen, in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

Diese Leute haben also mit Ihnen auf dem Maidan gestanden?

Ja, und jetzt kämpfen sie gegen die ukrainische Armee. Es gibt jetzt zwei Seiten.

Aber warum tun sie das?

Und warum hat der »Rechte Sektor« »das« auf dem Maidan getan? Oder warum haben die Leute auf dem Maidan gestanden?

Wenn sie auf demselben Maidan waren, warum stellen sie sich jetzt gegen dieselben Menschen, mit denen sie Seite an Seite gestanden haben?

Weil die Leute, die auf dem Maidan waren, sich mit der Absetzung Janukowitschs zufriedengegeben haben. Weiter ist bisher keine einzige Forderung von damals erfüllt worden. Und die Leute im Donbass haben entschieden, bis zum Schluß zu kämpfen. Ihnen hat es nicht gereicht, daß Janukowitsch weg war, sie wollen reale Veränderungen im Land. Die meisten Punkte, die sie fordern, sind dieselben, die auch auf dem Maidan vorgetragen wurden.

Das sieht aber ganz anders aus.

Dafür muß man sich bei den Journalisten bedanken und bei all den anderen, die sie als Terroristen verschrien haben. Auch diejenigen, die sich den Begriff »Antiterroroperation« haben einfallen lassen, statt »Krieg« zu sagen.

Aber Rußland erkennt das nicht als Krieg an …

Was hat Rußland damit zu tun?

Sind Sie etwa der Meinung, Rußland sei an diesem Konflikt nicht beteiligt?

Haben Sie dort russische Truppen gesehen?

Ich habe Soldaten aus Rußland gesehen.

Haben Sie die Beteiligung russischer Truppen gesehen?

Offiziell nicht.

Sie werden sie auch inoffiziell nicht sehen, weil es dort keine gibt. Und sogar, wenn Sie irgendeinen Russen oder irgendeinen Soldaten gesehen haben, ist das noch keine Beteiligung Rußlands.

Wie soll man das denn sonst nennen?

Wie Sie wollen. Wissen Sie, daß auf beiden Seiten Söldner kämpfen?

Ja.

Auf beiden Seiten. Auf der ukrainischen und auf der Lugansker und Donezker Seite. Sagen Sie jetzt auch, daß Polen oder Schweden auf unserer Seite kämpfen? – Es gibt so einen traurigen Witz: »Rußland kämpft mit Amerika bis zum letzten Ukrainer.« Das kommt der Wahrheit sehr nahe. Aber das ist Geopolitik, und da werden die Entscheidungen ganz woanders getroffen. Spezialisten für nationale Sicherheit können lange darüber diskutieren.

Wir arbeiten direkt an der Front und bedienen uns unserer Erfahrung und unseres Wissens. Wir sind gewöhnt, die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn dort russische Waffen geliefert werden, ist es das eine. Putin kann da vieles verbieten, das ist eine andere Frage. Wenn da russische Offiziere sind, ist es eine dritte. Das ist keine offizielle Beteiligung Rußlands als Kriegspartei.

Wie soll man das denn nennen?

Waren Sie dort?

Ich beschäftige mich das letzte halbe Jahr mit nichts anderem.

Und, sind alle Offiziere dort Russen? Am Ende noch Tschetschenen?

Nicht alle, aber der harte Kern. Die Anführer der Bewegung.

Gott sei mit Ihnen. Russen mit ukrainischen Pässen?

Mit vollkommen russischen Pässen.

Das sind sogenannte »Berater«.

Ausbilder.

Wir sind schon zu Sowjetzeiten als »Bergleute zum Erfahrungsaustausch« in andere Länder gefahren und waren Militärberater. Genauso sind bei uns heute Spezialisten aus verschiedenen Ländern als Ausbilder tätig. Nicht deswegen, weil ihr Land sie schickt, sondern weil unsere Seite darum gebeten hat. Nehmen Sie an, wir wollen zusammen ein nettes kleines Ding drehen, aber wir wissen nicht, wie das geht. Was machen wir? Wir laden uns irgendeinen Banditen als »Spezialisten« ein, damit er uns berät, wie man in die Bank und wieder herauskommt.

Aber die Leute, die »sagen, wie es geht«, kommen alle aus Rußland. Wie soll man denn von einer inneren Auseinandersetzung reden, wenn sie von außen gesteuert wird?

Nennen Sie es, wie Sie wollen.

Nein, ich versuche mir darüber klarzuwerden.

Dann werden Sie sich mal klar. Ich habe Ihnen meine Meinung gesagt. Alle Fragen werden innerhalb der Ukraine entschieden. Jede Seite hätte schon mehrmals den Krieg gewinnen können.

Aber?

Wenn man hätte gewinnen wollen und nicht den Krieg in die Länge ziehen. Man hätte ja wohl innerhalb von drei Monaten das Feuer einstellen und sich einigen können. Das kann man immer, in jeder Situation.

Und warum passiert das dann nicht?

Es gibt Leute, die sind an einem Ende des Krieges nicht interessiert. Ich bin das nicht, ich kann mich mit der anderen Seite einigen.

Und werden Sie das tun?

Ja. – Wir haben ja offiziell keinen Krieg. In Kiew fürchtet man den Kriegszustand, und niemand weiß, was das bedeutet. Die Zivilisten an der Macht fürchten sich vor den Militärs, denn wenn das Kriegsrecht ausgerufen wird, dann verlieren die Zivilisten an der Macht diese womöglich an das Militär. Das Ergebnis ist, daß die gesamte Infrastruktur vor die Hunde geht und die Menschen leiden.

Sind Sie der Meinung, man müßte das Kriegsrecht einführen?

Wenn Krieg herrscht, muß man das Kriegsrecht einführen. Den Dilettanten unter den Journalisten muß man verbieten, über den Krieg zu schreiben, weil sie keine Ahnung haben, was er bedeutet. Über den Krieg schreiben dürften nur Spezialisten. Es muß deshalb eine strikte Zensur geben, damit kein Schaden entsteht. Ich bin ein Gegner der Zensur, aber ich sage das auf der Grundlage dessen, was ich weiß.

Die Steuern müssen ordentlich eingezogen werden, nicht so von Fall zu Fall, wie das (Ministerpräsident Arseni; jW) Jazenjuk beim Parlament zusammenbettelt: ein neues Gesetz, eine neue Steuer.

Im Krieg ist alles sehr einfach. Es herrscht Krieg, es müssen Probleme gelöst werden, es gibt ein Ziel: den Sieg. Bei uns weiß man nicht, was das Ziel ist.

Kiew versucht einfach, den Krieg zu ignorieren und zu leben wie im Frieden.

Die Kiewer sind darum bemüht. Aber auch die Regierung?

Vom Kriegszustand hat doch niemand Vorteile. In der Westukraine hat man den Eindruck, daß es keinen Krieg gäbe.

Und was passiert mit Ihrer Wohnung, wenn in der Küche der Kriegszustand herrscht? Ist dann im Schlafzimmer alles in Ordnung? Das ist schließlich Ihre Wohnung, die müssen Sie als Ganzes betrachten. Deshalb muß der Kriegszustand sowohl im Schlafzimmer als auch in der Küche ausgerufen werden.

Ob es der Westukraine gefällt oder nicht: sie hat Teil am Krieg, sie schickt ihre Kinder dorthin. Ich sehe sie, wenn ich sie aus der Gefangenschaft heraushole, sie können kein einziges Wort Russisch. Die sind so etwas von betroffen vom Krieg. – Das ist keine Antiterroroperation. Das ist ein Krieg.

Was für ein Krieg?

Ein neuer, unverständlicher, hybrider Krieg. Beinahe ein Bürgerkrieg.

»Beinahe« … Warum gibt es die »Berater«?

Berater gibt es immer. Ich habe von einem »Beinahe-Bürgerkrieg« gesprochen, weil beide Seiten ideologisch kaum zu unterscheiden sind. Beide kämpfenden Seiten wollen ordentlich leben. Sie wollen vernünftige Straßen und daß ihre Familien gut ernährt sind. Für sie macht es keinen großen Unterschied, ob die Ukraine in Richtung Rußland oder EU gleitet oder ob sie allein bleibt. Alle wollen besser leben, und alle, beide Seiten, sind durch diese Führungsfiguren ins Elend gestürzt worden.

Aber der Krieg beschleunigt das doch nur.

Der Krieg ist immer eine Quelle des Fortschritts und der Klärung – in den Seelen und hinsichtlich der Zukunft. Die Ukraine ist ein reiches Land, sie wird niemals ins Elend stürzen. Ich denke, der Krieg nimmt irgendwann ein Ende, und die Leute werden wohlhabender.

Gemeinsam mit dem Donbass?

Gemeinsam.

Es wird also kein »Transnistrien 2« geben?

Nein. Die Infrastruktur ist zerstört, ein solches Transnistrien 2 könnte sich nicht halten. (1990 hatte sich die überwiegend russische und ukrainische Bevölkerung in dem hauptsächlich östlich des Dnjestr/Dnister gelegenen Industriegebiet von Moldawien abgespalten und die Republik Transnistrien [Eigenbezeichnung: Pridnestrowische Moldauische Republik] ausgerufen; jW)

Die Ukrainer sind ein fleißiges Volk und können gescheit arbeiten. Unsere Ingenieure sind erstklassig, und in Donezk steht eine der besten Technischen Hochschulen des Landes.

Gerade ist der Bau von einer Granate getroffen worden …

Das ist eine interessante Frage, woher die Granate gekommen ist. Es gibt eine »dritte Seite« – wir nennen sie jetzt so –, die diese Granaten verschießt und die Schuld der einen oder anderen Seite zuschreibt.

Wer ist diese »dritte Seite«?

Ich weiß es noch nicht, ich habe keine entsprechenden Informationen. Wir nennen das, als Arbeitstitel, »dritte Seite«. Besler von den Aufständischen nennt sie so, und die Leute in Donezk sagen es auch. Nach diesen Leuten wird gefahndet, um herauszubekommen, wer diese Saboteure geschickt hat.

Sie sagen, daß die Leute auf beiden Seiten gleich sind. Und dann haben Sie die Situation einer Mutter, der mitgeteilt wird, daß ihr Sohn erschossen werden soll. Die Kämpfer haben den Henker und einen Geistlichen zu ihm gebracht, und sie ist bereit, auf den Knien dorthin zu rutschen, um die Aufständischen anzuflehen, daß sie ihren Sohn statt ihn zu erschießen, wenigstens Schützengräben ausheben schicken. Ist das in Ordnung?

Ja, das ist in Ordnung, wenn die Verwandten sich um ihre Angehörigen kümmern, die in Gefangenschaft sind. Dafür gibt es die Familie. Die Mutter hätte nicht gedankenlos abstimmen dürfen, und beim nächsten Mal wird sie mit dem Herzen abstimmen und dabei berücksichtigen, was sie erlebt hat. Und ihr Sohn wird auch die richtige Wahl zu treffen wissen.

Das heißt, wir sind auf einem Weg der Selbstreinigung?

Ja. Wir haben aufgehört, zu unseren Eltern zu fahren und häufig an sie zu denken.

Und die Aufständischen – werden die »mit dem Herzen abstimmen«? Können sie lernen, in solchen Kategorien zu denken?

Die Aufständischen sind genau solche Ukrainer wie Sie und ich. Sie sind nicht aus anderem Teig gebacken, sie haben dieselben Blutgruppen, ihr Blut ist genauso rot wie unseres. Sie haben dieselben Schulen besucht wie wir und gemeinsam mit uns die Schulbank gedrückt.

Aber ihre Lage ist etwas anders. Sie sind in der Minderheit.

Was heißt hier Minderheit? Wie viele Menschen soll man denn umbringen, damit der Donbass als ukrainisch durchgeht? Hundert- oder zweihunderttausend?

Am besten keinen einzigen.

Eben. Deshalb muß man verhandeln und sich einigen. Man muß lernen zuzuhören. Ein guter Unterhändler redet wenig und hört viel zu.

Glauben Sie, daß die Leute aus dem Donbass, die sich in der Vergangenheit politisch und im Leben immer alles haben bieten lassen, etwas lernen werden?

Selbstverständlich. Sie haben schon einiges gelernt. Nach dem Maidan ist die Ukraine nicht mehr dieselbe, und nach diesem Krieg erst recht nicht. Wir sind jetzt alle andere Menschen geworden.

Übersetzung aus dem Russischen von Reinhard Lauterbach

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/08-22/024.php

Wir bleiben dabei: Nein zu Waffenexporten!

Erklärung des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform

»Keine Waffen in Spannungsgebiete« – dies gilt nun seit dem 20. August 2014 in der BRD auch offiziell nicht mehr. Die entsprechende Entscheidung der Bundesregierung wurde nicht zuletzt mit medialem Trommelfeuer vorbereitet: Da war von einer Ausnahmesituation die Rede, in der nicht darüber zu debattieren sei, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und welche Konsequenzen Waffenlieferungen in Zukunft haben könnten. Eine Ausnahmesituation, in der es nur ein Gebot gibt: Den Kurden Waffen zu liefern.

Man sei grundsätzlich bereit, so verkündeten es Steinmeier und von der Leyen am 20. August 2014, Waffen und Munition für den Kampf gegen die Islamistenmiliz IS im Irak zur Verfügung zu stellen. Und sogleich war in den Mainstream-Medien nicht mehr in erster Linie von der Ausnahmesituation die Rede, sondern von einem Gezeitenwechsel, sogar von einem Tabubruch. Deutschland habe mit seiner Entscheidung, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, seine Außenpolitik grundlegend geändert. Die Bundesregierung sei umgeschwenkt.

Diese scheinbar widersprüchlichen Aussagen beweisen nur eins: Ausnahmesituationen werden gerne zum Tabubruch benutzt. Die Gauck-Linie ist auf dem Vormarsch und DIE LINKE muss sich entscheiden, ob sie diese Linie unterstützen will, oder nicht. Mit anderen Worten: Sie muss sich entscheiden, ob sie bleibt, was sie ist: Eine Antikriegspartei. Dabei sollte niemand in erster Linie an die Menschenrechtsheuchelei jener Atlantikbrückenjournalisten denken, die die ISIS in Syrien kaum zur Kenntnis nahmen, sondern vor allem an die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Die ist gegen Waffenlieferungen in den Nordirak.

Die Äußerungen Gregor Gysis am 13. August 2014 im rbb-radioeins, Deutschland solle die kurdischen und irakischen Kräfte unterstützen, »Aber nicht mit eigenen Soldaten, sondern indem wir dann vielleicht mal einen Waffenexport genehmigen« und eine ähnliche Aussage von ihm in der TAZ waren nicht hilfreich. Er hat dies später mehr oder weniger zurückgenommen. Doch Irritationen sind geblieben. Umso wichtiger ist Gregor Gysis jüngste klare Ablehnung einer von den Grünen und der CSU geforderten Sondersitzung des Bundestags, auf der offensichtlich die Entscheidung der Bundesregierung die höhere Weihe erhalten soll. Er forderte die Beratung des Parlaments über »gravierende gesetzliche Einschränkungen« für Rüstungsexporte.

Wir alle stehen unter ungeheurem medialen Druck. Die in den Mainstream-Medien verwandten Argumentationsketten sind nicht neu; aber dem Druck, der entfaltet wird, müssen wir jedes Mal neu standhalten. Für diejenigen, die vor den Fernsehkameras stehen, ist das, auch mit gutem Willen, nicht einfach. Skizzieren wir noch einmal die an die schrecklichen Realitäten anknüpfende mediale Logik: Menschen werden abgeschlachtet, gefoltert, vergewaltigt und vertrieben, so gegenwärtig durch den IS. Der Ruf nach Waffenlieferungen an Gegenkräfte – hier vor allem an die Kurdische Peschmerga – wird laut. Dieser Ruf wird humanitär begründet. Wie stehen dann diejenigen da, die in dieser Situation Waffenlieferungen ablehnen, weil diese in ein Kriegsgebiet gingen, oder gar aus generellen Erwägungen? Die Gegner der Waffenlieferungen werden als die ideologisch Verblendeten denunziert, denen ihre Grundsätze wichtiger sind als Menschenschicksale. Wenn die derart Stigmatisierten dann vielleicht noch Fragen stellen, dann gelten sie selbst beinahe schon als Monster. Solche Fragen sind z.B.: Wo liegen die tieferen Gründe für die Verwerfungen im Irak und welchen Anteil daran haben die USA und der Westen? Warum wurde die IS nicht bereits für ihre nicht minder grausamen Verbrechen im syrischen Bürgerkrieg verurteilt? Warum ließ und lässt der NATO-Partner Türkei der IS logistische Unterstützung angedeihen? Warum wurde jahrelang darüber geschwiegen, dass die Vertrauten des Westens Saudi-Arabien und Katar die IS finanzieren? Als besonders unpassend gelten Fragen nach den eigenen Interessen des nach deutschen Waffen rufenden kurdischen US-Verbündeten Barsani, oder ob es riskiert werden könne, den Zerfall des Irak und Syriens zu beschleunigen, ob es riskiert werden dürfe, dass – wie schon so oft – die Waffen in die Hände derer geraten, die bekämpft werden sollen.

Aber – gerade diese Fragen müssen gestellt werden, und sie bewegen weitaus mehr Menschen als die in der LINKEN organisierten. Denken wir nur an die jüngsten warnenden Worte von Papst Franziskus, mit denen er besonders das Vorgehen der USA in Frage stellte. Er fürchtet wohl wie viele andere Prominente weltweit, der Dritte Weltkrieg könnte ausbrechen. Immer häufiger ist diese Warnung zu hören, denn es brennt an zu vielen Stellen in der Welt.

Und gerade in dieser Situation ist es im wohl einflussreichsten EU-Staat Deutschland enorm wichtig, dass nicht die sogenannten Atlantiker alleine bestimmen, wie deutsche Außenpolitik auszusehen hat. Die gemäßigten Kräfte unter den Herrschenden in der BRD bleiben nur unter zwei Voraussetzungen gemäßigt: Wenn die US-Hörigen maßgebliche Kreise der deutschen Wirtschaft stören und wenn die deutsche Wählerschaft gegen militärische Abenteuer ist. Letzteres hat sehr viel mit dominierenden Stimmungen in der Bevölkerung zu tun. Diese sind untrennbar mit unserer Partei verbunden, die als einzige in den Parlamenten klare Antikriegspositionen bezieht. Wenn deutsche Spitzenjournalisten – die den Eindruck erwecken, sie können den Dritten Weltkrieg kaum erwarten – pausenlos versuchen, Protagonisten der LINKEN Aussagen abzupressen, die einem Bruch unserer Positionen in puncto Rüstungsexporte gleichkämen, dann, um die Friedensposition der LINKEN unglaubwürdig zu machen. Darum geht es denen, und nicht um Humanität.

Das heute auszusprechen, erfordert Courage. Die ganze Macht der veröffentlichten Meinung steht dagegen und diskreditiert jene, die sich der Verlogenheit und Heuchelei der Mainstream-Propaganda auch in einer schwer durchschaubaren Situation nicht beugen. Ist uns das Schicksal der Verfolgten und gequälten Menschen im Irak gleichgültig? Natürlich nicht. Wir sind für umfangreiche humanitäre Hilfe und dafür, Flüchtlinge in unserem Land großzügig aufzunehmen und solidarisch zu behandeln. Kämpfen wir dafür und weichen wir nicht dem medialen Druck. Sonst würden wir uns von den mehr oder weniger bellizistischen Parteien dieses Landes nicht mehr unterscheiden.

 

Quelle: http://www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform-der-partei-die-linke/dokumente/wir-bleiben-dabei-nein-zu-waffenexporten/

Der Aufstieg des IS wurde erst durch die US Weltmachtpolitik möglich 

 Westliche Aggressionen in Nah- und Mittelost und Hilfen wichtiger regionaler Verbündeter des Westens haben den Aufstieg der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) erst möglich gemacht. Dies zeigen Beobachtungen von Experten. Wie ein Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erläutert, hat sich der IS-Vorläufer "Al Qaida im Irak" erst nach dem US-geführten Überfall auf den Irak ("Befreiung von Saddam") zu einer "schlagkräftigen Organisation" entwickeln können. Erst die Zerrüttung Syriens in dem auch von Deutschland befeuerten dortigen Krieg ("Befreiung von Assad") hat es dem IS-Vorläufer "Islamischer Staat im Irak und der Levante" (ISIL) ermöglicht, ganze Landstriche unter Kontrolle zu bekommen und sich eine Machtbasis für die weitere Expansion zu schaffen. Ohne finanzielle und logistische Hilfen aus Saudi-Arabien und der Türkei, also von zwei engen Verbündeten des Westens, hätte der IS seine heutige Stärke nicht erlangen können. Wie die SWP berichtet, gebe es sogar "Hinweise darauf, dass der Grenzverkehr zwischen dem IS-Territorium in Syrien und der Türkei" - also mutmaßlich auch die Lieferung von Nachschub - noch heute "sehr ausgeprägt" sei. Westliche Regierungen bereiten unterdessen einen "langen Militäreinsatz" gegen den IS vor. Selbst zwei Grenzübergänge in der Türkei nach Syrien werden von dem Nato-Mitglied und US-Verbündeten der IS überlassen, die so die IS selber aktiv unterstützt. Das erläuterte der Nahostexperte  Lüders jüngst im TV. ( eigene Anmerkung) 

 
Die Zerstörung des Irak
In dem blutigen Vormarsch der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) kulminiert eine Entwicklung, die aufs Engste mit den Interventionen des Westens in Nah- und Mittelost verbunden ist und mit der Zerstörung des Irak durch den US-geführten Überfall am 20. März 2003 begann. Die Zahl der Kriegstoten ist bis heute umstritten. Eine Studie der renommierten medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" bezifferte sie bereits im Jahr 2006 auf 655.000; kritische Beobachter gehen davon aus, dass sie mittlerweile auf bis zu eine Million Menschen angewachsen ist.[1] Hinzu kommt die Zerrüttung der gesellschaftlichen Strukturen des Landes, die die innerirakische Gewalt in die Höhe getrieben hat und einen Ausweg kaum noch erkennen lässt. Stellte sich Deutschland 2003 öffentlich gegen den Überfall auf den Irak, so ist heute bekannt, dass Berlin der US-Koalition tatsächlich in vielerlei Hinsicht kriegswichtige Zuarbeit geleistet hat. So vermittelte der BND den US-Diensten einen angeblichen Zeugen für die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen ("Curveball"), dessen erlogene Aussagen als Kriegslegitimation dienten.[2] Der BND war noch während des Krieges in Bagdad präsent und konnte dem westlichen Bündnis wichtige Informationen liefern.[3] Die US-Truppen nutzten Stützpunkte in Deutschland für den Krieg; deutsche Soldaten übernahmen zur Entlastung kämpfender Einheiten den Schutz von US-Kasernen. Entsprechend trägt auch die Bundesrepublik Mitverantwortung für die Zerstörung des Irak.
Die Zerstörung Syriens
In ähnlicher Weise wie die irakische ist auch die syrische Gesellschaft in höchstem Maße durch den Krieg zerrüttet, der 2011 begann und mittlerweile rund 170.000 Todesopfer gefordert sowie bis zu zehn Millionen Menschen auf die Flucht getrieben hat. Berlin hat den Krieg unterstützt - durch umfangreiche politische, geheimdienstliche und humanitäre Hilfe für die Aufständischen (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Diese Unterstützung wurde gewährt, obwohl Kritiker von Anfang an warnten, sie könne maßgeblich zur Zerstörung des Landes beitragen und nicht zuletzt salafistische Milizen, womöglich sogar Terroristen stärken. Schon Anfang Februar 2012 ließ sich der griechisch-melkitische Erzbischof von Aleppo mit der Warnung vernehmen, unter den zahlreichen Söldnern, die "von der Türkei, dem Irak, Jordanien, Libyen oder Pakistan aus nach Syrien ein(sickerten)", befänden sich viele "Extremisten", die "Tod und Entsetzen" säten.[5] Den Westen, auch die Bundesrepublik, hat das bis heute nicht davon abgehalten, den Krieg in Syrien durch die Unterstützung der Aufständischen weiter zu befeuern.
Im Irak-Krieg erstarkt
Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) verdankt ihre Entstehung und ihre blutigen Erfolge zunächst der Zerstörung Syriens sowie des Irak. Entstanden ist sie letztlich aus dem Netzwerk, das der Terrorist Abu Musab al Zarqawi nach Saddam Husseins Sturz im Irak aufbaute und 2004 in "Al Qaida im Irak" umbenannte. Krieg, Besatzung und Widerstand schufen einen Nährboden, der nicht zuletzt militant-salafistische Zusammenschlüsse aufblühen ließ. "Al Qaida im Irak" habe sich "im Kampf gegen die amerikanischen Truppen" zu einer "schlagkräftigen Organisation" entwickeln können, erläuterte bereits vor Jahren Guido Steinberg, ein Mittelost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Für die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus" sei der Irak-Krieg deshalb "ein schwerer Rückschlag" gewesen.[6] "Al Qaida im Irak" gab sich im Oktober 2006 den Namen "Islamischer Staat im Irak" (ISI); im Mai 2010 übernahm Abu Bakr al Baghdadi, der heute dem IS als "Kalif" vorsteht, die Führung der Organisation. Der ISI konnte sich im Irak stabilisieren; ihm fehlte jedoch noch das Potenzial, ganze Gebiete unter Kontrolle zu bekommen.
Im Syrien-Krieg konsolidiert
Die Chance, dieses Potenzial zu erlangen, erhielt der IS Ende 2011, als Syrien unter den Schlägen der vom Westen unterstützten Aufständischen zu zerfallen begann. Ende 2011 beschloss ISI-Führer Al Baghdadi, Kämpfer seiner Organisation nach Syrien zu schicken, um das dort entstehende Vakuum zur Erweiterung seines Terrornetzes zu nutzen. Bereits am 6. Januar 2012 wurde in Damaskus ein erster Suizidanschlag mit mindestens 26 Todesopfern verübt; weitere Attentate folgten. Auch der Aufbau einer terroristischen Organisation machte in zahlreichen Gebieten, die staatlicher Kontrolle entrissen worden waren, Fortschritte. Zunächst in Form der "Al Nusra-Front" in Syrien präsent, erweiterte sich der ISI aufgrund innerer Zerwürfnisse mit dieser im April 2013 zum "Islamischen Staat im Irak und der Levante" (ISIL), dem es rasch gelang, im zerfallenden Nordosten Syriens ganze Landstriche unter seine Kontrolle zu bekommen. Die Herrschaft über weite Gebiete dort bildete die Grundlage dafür, dass der ISIL zu Jahresbeginn 2014 erstmals die Herrschaft über Territorien im Irak erobern konnte - in der Region um die Großstadt Fallujah. Im Juni 2014 startete er dann den Vormarsch auf den Nordirak, benannte sich in IS um und rief ein "Kalifat" aus - begleitet von furchtbaren Massakern.
Aus Saudi-Arabien finanziert
Haben die westliche Aggression gegen den Irak und die westliche Befeuerung des Syrien-Krieges den Weg für den IS zunächst prinzipiell freigemacht, so haben enge Verbündete des Westens die materiellen Voraussetzungen für die Stabilisierung seiner Herrschaft geschaffen. Dies gilt etwa für Saudi-Arabien. Experten haben oft darauf hingewiesen, dass Teile des saudischen Establishments nicht nur - wie es auch die Staatsführung in Riad tut - salafistische Milizen allgemein, sondern speziell auch salafistische Terrorbanden wie die Al Nusra-Front und den ISIL unterstützen oder zumindest unterstützt haben. Ziel ist es, schiitische Kräfte in Syrien, im Libanon und im Irak zu eliminieren; damit richten die Aktivitäten sich faktisch gegen tatsächliche oder potenzielle Kooperationspartner Irans und zielen auf eine saudi-arabische Hegemonie in Mittelost. "Während die Kämpfer" des ISIS bzw. des IS "aus zahlreichen arabischen und europäischen Ländern kommen, kommen finanzielle Hilfe, religiöse Führung und Training mehrheitlich aus Saudi-Arabien und Kuwait", berichtete etwa im Februar 2014 das "Institute for National Security Studies" (INSS) aus Tel Aviv. Der Herrscherclan in Riad drücke dabei ein Auge zu, "um einen kurzfristigen Gewinn gegenüber der schiitischen Achse zu realisieren".[7]
Aus der Türkei unterstützt
Auch die Türkei hat dem ISIL wichtige Unterstützung zukommen lassen. Das Land sei seit Anfang 2012 "ein Hauptkanal für den Zustrom von Menschen, Waffen und logistischer Unterstützung" zunächst für die Al Nusra-Front gewesen, bestätigte im Juni 2014 exemplarisch die renommierte US-Zeitschrift "Foreign Affairs".[8] Der türkischen Regierung seien "ausländische Kämpfer willkommen" gewesen, "um das Assad-Regime und den lokalen PKK-Ableger in Syrien" - kurdische Einheiten, die zur Zeit mit aller Kraft gegen den IS kämpfen - "zu schwächen", urteilt SWP-Experte Guido Steinberg: "Mit der islamistischen Nusra-Front hat sie bis Anfang 2013 regelrecht kooperiert"; es gebe sogar "Hinweise darauf, dass der Grenzverkehr zwischen dem IS-Territorium in Syrien und der Türkei" noch heute "sehr ausgeprägt ist".[9] So transportiert der IS laut Berichten Öl aus syrischen Quellen mit Tanklastern in die Türkei und verkauft es dort. Immer wieder ist sogar von Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an den IS die Rede.[10]
Weiter am Werk
Mit Blick auf die saudisch-türkische Unterstützung für den IS forderte kürzlich ein bekannter Mittelost-Experte: "Jene Staaten sollten zur Rechenschaft gezogen werden, die frühe Paten des 'Islamischen Staats' in der Absicht waren, so das syrische Regime zu stürzen."[11] Solange diese Staaten die westliche Nah- und Mittelostpolitik stützen, geschieht das nicht. Ohnehin nicht zur Rechenschaft gezogen werden die westlichen Mächte, die 2003 bzw. 2011 die Zerstörung zweier Kernstaaten der Region einleiteten bzw. vorantrieben und damit erst die Voraussetzungen für den Aufstieg des IS schufen. Sie sind in Nah- und Mittelost vielmehr weiter am Werk: US-Präsident Barack Obama hat einen "langen Militäreinsatz" gegen den IS in Aussicht gestellt; über die Form der Beteiligung Deutschlands daran wird gegenwärtig diskutiert.[12]
 
Weitere Informationen zum Vormarsch des IS finden Sie hier: Vormarsch auf Bagdad und Das feine Gespür der Öffentlichkeit.

 

Der Propaganda- und Informationskrieg bezüglich der Ukraine Krise ist im vollen Gange. Das bestätigt die ARD in mehreren Berichten. Doch dass das erste deutsche Fernsehen auch selbst darin involviert ist zeigt ein neuer Bericht in den Tagesthemen über die “Esst Äpfel!” Aktion vieler Polen. In Kriegsmanier hagelt es eine kämpferische Durchhalteparole nach der Anderen. Ein neuer Tiefpunkt des öffentlich-rechtlichen Journalismus.

Ab Minute 04:52 der Tagesthemen vom 17.08.14 beginnt ein Bericht der ARD zum Sanktionskrieg zwischen Russland und dem Westen und wie dieser das Land Polen belastet. Doch statt auf die verheerend Folgen der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen einzugehen gibt es drei Minuten “patriotische” Durchhalteparolen in Kriegsmanier.

Die Tagesthemen Sprecherin Caren Miosga beginnt:

“Und in diesem Konflikt wird auch wirtschaftlicher Druck ausgeübt. Es ist gerade zehn Tage her, dass Russland als Reaktion auf schärfere Sanktionen des Westens nun seinerseits keine Lebensmittel mehr aus der EU importiert. So will Putin zurückschlagen. Doch die benachbarten Polen zum Beispiel denken gar nicht daran sich unterkriegen zu lassen. Sie haben beschlossen, jetzt erst recht kraftvoll zuzubeissen. Durch den Boykott bleibt Polen, der größte Apfelexporteur der Welt, mitten in der Erntezeit auf 700.000 Äpfeln sitzen. Doch bauernschlau beissen die Polen nun selbst in den sauren Apfel. ‘Wischt Putin eins aus! Esst Äpfel!’, so lautet die patriotische Parole der viele Polen jetzt folgen. Wie die Polen jetzt Putin veräppeln zeigt Marion Kerstholt.”

Aber Marion Kerstholt zeigt eben nicht nur wie die Polen “Putin veräppeln” sondern auch wie katastrophal ein Bericht des deutschen “Qualitätsjournalismus” ablaufen kann.

Es folgt ein ARD Bericht, der u.a. eine Polin auf dem Markt präsentiert, die – obwohl sie zuhause eigene Apfelbäume hat – nun auf dem Markt Äpfel kauft. Weiter geht es mit einer Aktion einer jungen Polin die in ihrem Restaurant Äpfel verschenkt. Im ganzen Beitrag nur lächelnde Polen, die – so will es die ARD präsentieren – “patriotisch” der Bedrohung aus dem Osten entgegentreten. Das Ganze wird natürlich von der polnischen Regierung forciert und gipfelt in der hoffnungsvollen Erkenntnis, dass auf dem arabischen und chinesischen Markt zweifarbige Äpfel angeblich eine Rarität seien. Dann werden die Chinesen sicherlich Liebhaberpreise zahlen, wenn sie endlich polnische Äpfel bekommen!

Der Beitrag erinnert an Durchhalteparolen aus NS-Zeiten. Statt über die Sinnhaftigkeit dieses Wirtschaftskrieges nachzudenken und Argumente Pro und Contra gegenüberzustellen, wird im Modus der Aktuellen Kamera gute Laune verbreitet. “Alles nicht so schlimm!” ist die Botschaft mit der die Regierungspolitik den Bewohnern schmackhaft gemacht werden soll, “Esst Äpfel! Putin zum Trotz!” ist das Motto.

ORGINALARTIKEL: http://www.neopresse.com/medien/ard-bericht-kriegsmanier-esst-aepfel-putin-zum-trotz/

QUELLEN:

http://propagandaschau.wordpress.com/
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-3125.html