Ukrainische Nazis schänden das Denkmal für die ermordeten Juden in Kiew

 
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Ukrainische Faschisten haben ein Denkmal für die ermordeten Juden "Menorah", in Babi Jar geschändet. . Dies wurde von der Verwaltung der jüdischen Gemeinde der Stadt Kiew berichtet.

  
Auf das Denkmal wurde ein Hakenkreuz geschmiert.  

 

Die jüdische Gemeinde betonte, dass die Nazis das Denkmal am Vorabend des jüdischen Neujahrsfest - Rosch Haschana und dem Jahrestag der Massenhinrichtung von Juden in Babi Yar. geschändet haben - 

Unterdessen berichteten ukrainische Medien, dass die Polizei in Kiew sich weigerte ein entsprechendes Protokoll anzufertigen und Anzeige entgegenzunehmen. Das Hakenkreuz konnte angeblich nicht gefunden werden.

 

Babi Yar wurde weltweit als Ort der Massenerschießungen von Zivilisten, vor allem Juden, Roma, Kiew Karäer und sowjetischen Kriegsgefangenen von den deutschen Besatzungstruppen und ukrainische Kollaborateure 1941 bekannt.

 

Insgesamt wurde hier mehr als hunderttausend Menschen erschossen. Nach Ansicht der Wissenschaftler der Ukraine, in Babi Yar, die Zahl der ermordeten Juden beträgt sogar 150.000  Opfer.

http://tvzvezda.ru/news/vstrane_i_mire/content/201409241219-17zf.htm

Mögliche Koalition in ThüringenGysi: DDR war kein Unrechtsstaat

 

Linksfraktionschef Gregor Gysi sieht die DDR nicht als Unrechtsstaat. Der Vorsitzende der Linken-Abgeordneten im Bundestag kritisierte in einem Interview der "Super Illu" eine entsprechende Formulierung in einem Papier von SPD, Grünen und Linken in Thüringen.

"Wir sind uns einig, diese Bezeichnung nicht zu verwenden", sagte Gysi. "Wenn ich die DDR als Unrechtsstaat bezeichne, dann erkläre ich, dass die drei Westmächte das Recht hatten, die Bundesrepublik zu gründen, die Sowjetunion aber als Antwort nicht das Recht hatte, die DDR zu gründen.

Gregor Gysi im Bundestag | Bildquelle: AFP
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Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken im Bundestag

"Grobes Unrecht" auch in der DDR

"In Anbetracht von 20 Millionen Toten in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg sei dies indiskutabel. "Allerdings muss betont werden, dass es Unrecht, auch grobes Unrecht, in der DDR gab und dass die Opfer endlich bessergestellt werden müssen."

SPD, Linke und Grüne in Thüringen hatten in der vergangenen Woche in ihren Sondierungsgesprächen über eine mögliche Regierungsbildung ein Papier mit dem Titel "Die Würde des Menschen ist unantastbar - Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte" verfasst.

Darin heißt es: "Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, weil jedes Recht und Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat." Ein Bekenntnis der Linken zur DDR als Unrechtsstaat ist für die Grünen in Thüringen Bedingung für eine rot-rot-grüne Regierung.

Auch in Länder der Bundesrepublik beteiligen sich zuletzt nur ca. 50 % der Wähler an den Wahlen - in Brandenburg sogar unter 50 % und somit die Mehrheit der Menschen nicht mehr. 

Kann man da noch  von "struktureller Legitimation durch Wahlen" reden oder ist die BRD deshalb jetzt auch ein Unrechtsstaat?  Nach dieser Logik schon! 

 

Rot-Grüne Lobbyismus-Heuchelei
ein Kommentar von Ralph T. Niemeyer

Die Aufregung von SPD und GRÜNEN über Ex-Minister Bahr's Wechsel zu seinen Auftraggebern ist heuchlerisch, sind doch deren ehemaligen Rot-Grüne Minister und MdBs allesamt ebenfalls gut untergekommen. Es zeigt, daß es sich um "Machterhaltungsganoven" handelt, die sich wie ferngesteuerte Psychopathen verhalten, wenn sie öffentlich kritisiert werden und noch nicht mal zu Schamgefühlen fähig sind.


Natürlich sind Ex-Kanzler Schröder (Gazprom, Nordstream-Pipeline) und sein Außenminister Fischer (Nabucco Pipeline, für die der Teilabschnitt Serbien von Bedeutung war und wohl der wahre Grund für den Kosovo-Krieg war) nur die berühmtesten aber nicht unbedingt die dreistesten Fälle von Nachamtsmißbrauch.

Ebenfalls bekannt ist nach wie vor der Fall des Ex-SPD Kanzlerkandidaten Steinbrück, der nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesfinanzministers, welches er genutzt hatte, um die CUM-EX Geschäfte zu ermöglichen, die dem Steuerzahler einen Milliardenschaden verursachten, wie DIE WELT berichtete, zahlreiche Honoraraufträge mit einer fürstlichen Vergütung von knapp einer Million Euro von eben jener auf Banken spezialisierten Anwaltskanzlei, die sein Ministerium mit hochdotierten Studien beauftrag hatte, angenommen.


Ein fast schon vergessener Fall war der des "Super" Wirtschafts-Arbeitsministers Clement, der Leiharbeit flächendeckend einführen ließ und danach durch die größte deutsche Zeitarbeitsfirma einen hochvergüteten Vorstandsposten zugeschanzt bekommen hat.
 
Clements Vorgänger als Arbeitsminister, der frühere Gewerkschaftsfunktionär Walter Riester ließ sich nach dem Ausscheiden aus dem Amt für Vorträge bei den Maschmeyer's und anderen Versicherungsdrückerkolonnen, die seine nur für Allianz & Co lukrativen Riester-Rentenprodukte, vertreiben, herumreichen und wurde damit ebenfalls steinreich.


Von Maschmeyer hatte der damalige Niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Kanzlerkandidat Schröder schon vor seiner Zeit als Kanzler Geldwerte Vorteile in Millionenhöhe entgegengenommen, nämlich für die PR-Kampagne für seine Wahl: "Ein Niedersachse muß Kanzler werden!"


Der damalige Oppositionsführer in Niedersachsen, Christian Wulff von der CDU muß das alles für normal gehalten haben und wollte es seinem Amtsvorgänger gleichtun. Er 'lieh' sich jedoch das Geld für sein Einfamilienhaus von einem Unternehmer. Ein Alpha-Tier wie Schröder hätte es sich schenken lassen.


Am deutlichsten tritt aber heute Zutage, welchen Schaden der Ex-Innenminister des rot-grünen Kabinetts, Otto Schily angerichtet hat, indem er hoheitliche Aufgaben zunehmend auf private Sicherheitsfirmen übertrug und indirekt für die Skandale in Unterkünften für Flüchtende im rot-grün regierten NRW verantwortlich ist. Schily wurde nach Ausscheiden aus dem Ministeramt von privaten Sicherheitsdiensten belohnt.


Lobbycontrol stellte fest, daß vom  "rot-grüne Kabinett in der zweiten Legislaturperiode bestehend aus 63 Minister/innen und Staatssekretär/innen (incl. Bundeskanzler und Staatsminister) 19 davon auch nach dem Regierungswechsel 2005 als Minister oder Staatssekretäre im Amt geblieben sind, wobei von den 44 übrigen, die ihren Posten nach der Neuwahl abgegeben haben, 22 weiterhin in politischen Institutionen oder der öffentlichen Verwaltung tätig sind. Von denen, die ihre politische Laufbahn verlassen haben, sind nach unserer Zuordnung 12 klar in Lobbytätigkeiten oder Tätigkeiten mit starkem Lobbybezug gewechselt. Drei weitere üben Tätigkeiten aus, die unserer Beurteilung nach Lobbyaspekte beinhalten, auch wenn es keine primären Lobbytätigkeiten sind. Es verbleiben sieben, die sonstigen Tätigkeiten nachgehen bzw sich als Pensionäre zurückgezogen haben."


Ebenfalls unter Rot-Grün begann sich die Lobby-Drehtüre auch in die andere Richtung immer rascher zu drehen. Banker wurden plötzlich im Bundesministerium für Finanzen als Berater gesehen und schrieben am ESM und an Bankenrettungspaketen mit. Auch in anderen Ministerien wurden den "echten" Beamten plötzlich privatwirtschaftliche Berater vor die Nase gesetzt. Etliche Gesetze wurden direkt im Sinne der betreffenden Industriezweige geschrieben.  

Angesichts der "neuen Qualität" seit Rot-Grün in Sachen Lobby-Politik-Lobby - Drehtüren sollte man nicht eine Karenzzeit von 3 Jahren fordern, sondern schlichtweg solche Wechsel generell verbieten, denn mit den üppigen Übergangsgeldern von Bundesregierung und Bundestag lassen sich bei normaler Lebensführung etliche Jahre problemlos überbrücken. Das Vertrauen der Bevölkerung muß schon nachhaltiger zurückgewonnen werden. Die "Abkühlphase" von 3 Jahren, wie GRÜNE und Lobbycontrol sie fordern, wüde eher das bestehende System zementieren und schlimmer noch für die Demokratie: legitimieren.

 

 

Linksjugend-Solid-Aktivist Lukas Müller kritisiert den Laden scharf

Der hier veröffentlichte Text, ist eine Kritik von Lukas Müller, einem langjährigen [´solid]-Mitglied, an seiner eigenen Organisation. Lukas ist seit einiger Zeit auch mit unserer Organisation in Kontakt. Der Grund dafür ist, wie er auch in dem folgenden Text schreibt, dass er eine tiefergehende Kritik an der reformistischen Politik [´solid]´s entiwckelt hat und den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation heute für zentral hält. Er plant den Text in Kürze auch als kleine Broschüre zu veröffentlichen. Wir unterstützen den Text und seine Schlussfolgerungen und möchten zu einer Debatte in und außerhalbs [´solid]´s über die Frage revolutionärer Einheit und Umgruppierung unter Jugendlichen anstoßen.

 

 

Die Linksjugend ['solid] war mein Einstieg in die Politik, über das Thema Antifaschismus wurde ich politisiert. Mit Ende 15 trat ich der Gruppe bei. Schnell war meine Begeisterung für die Theorien von Marx und Engels geweckt. Ich begann, hauptsächlich privat, ihre Texte zu lesen.

 

Für mich war bald klar: Ich bin Sozialist. Marx’ revolutionäre Ideen zeigen einen Weg auf, den Sozialismus zu verwirklichen. Doch je mehr ich mich mit diesen Ideen und ihrer Geschichte beschäftigte, desto mehr begann ich zu bezweifeln, ob wir den Ansprüchen eines sozialistischen Verbandes auch gerecht werden.

 

Einige Jahre und bundesweite Veranstaltungen, in denen ich Struktur, politische Theorie und Kräfteverhältnisse des Verbandes näher kennenlernte, dauerte es, bis mir endgültig klar wurde: ['solid] wird nie eine Rolle in einer sozialistischen Bewegung spielen, geschweige denn eine solche aufbauen und anführen.

 

Ich habe mich nach längeren und eingehenden Diskussionen dafür entschieden, den schwierigen, aber notwendigen Weg zu gehen – Einen offenen politischen Kampf für eine revolutionäre Alternative zu führen, anstatt still und ohne ein Wort auszutreten.

 

Ich habe den Text also nicht geschrieben, damit sich alle, die nicht in [´solid] sind, sich wohlgefällig zurücklehnen können, um zu sagen „Wir haben es euch ja schon immer gesagt.“ Genauso wenig möchte ich aber einen Text schreiben, der uns Linke in [´solid] bestätigt, damit wir uns etwas schlauer aber immer noch wohlgefällig zurücklehnen. Ich möchte eine Diskussion unter den revolutionären Jugendlichen innerhalb [´solid]s über die Perspektiven unserer Organisierung im Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Kraft anregen.Warum genau – das möchte ich nun etwas detaillierter darlegen.

 

 

 

['solid] ist der größte linke Jugendverband“

 

Wer über die Politik von ['solid] diskutiert, wird sehr schnell mit dem „Argument“ konfrontiert werden, ['solid] wäre der größte Linke Jugendverband. Und tatsächlich, in so ziemlich jedem Bundesland hat ['solid] Landesverbände, die allerdings sehr unterschiedlich geprägt sind. Der Landesverband in NRW zum Beispiel ist für seine eher antiimperialistischen und allgemein linkeren Positionen im Bundesverband bekannt. So lehnen sie u.a. die EU in ihrer jetzigen Form ab. Auch Hamburg zählt zu den fortschrittlicheren Landesverbänden. Doch gerade in Hamburg traten erst vor kurzem vier Mitglieder aus [´solid] und der LINKEN aus1. Sie wollten damit gegen die reformistische Politik2 und den Rechtsruck nach dem Hamburger EU-Parteitag protestieren.

 

Die absolute Mehrheit stellen hingegen Landesverbände wie Bayern, Sachsen oder Berlin, die dem rechten Flügel von [´solid] angehören. Sie sind oft besonders eng an die offiziellen Positionen der LINKEN gebunden, insbesondere in Ostdeutschland, wo die Partei an Landesregierungen beteiligt ist/war. Im besten Falle vertreten sie ausgewaschene, diffus linke Positionen. Im schlechtesten Fall sind sie selbst an einer bürgerlichen Regierungsbeteiligung interessiert oder stramm antideutsch, nicht allzu selten auch gerne beides.

 

Trotz dieser Uneinheitlichkeit und der Passivität der Organisation hat ['solid] theoretisch an die zehntausend Mitglieder. Der übergroße Teil dieser Mitglieder sind allerdings Karteileichen. Von den „aktiven“ Mitgliedern sind viele nur zu Aktionen oder Veranstaltungen mobilisierbar. Sie entsprechen eher einem Kreis von SympathisantInnen, die auf die Politik der Organisation und die Perspektiven unseres Kampfes wenig direkten Einfluss nehmen. Wirkliche AktivistInnen, vorwärtstreibende Kräfte sind die wenigsten der eingetragenen Mitglieder.

 

Ja, [´solid] ist der größte Jugendverband nach den JuSos, der sich als „sozialistisch“ bezeichnet. Doch er ist wohl auch der Jugendverband, der gemessen an seiner Größe die kleinste Aktivität entfaltet, in seiner Gesamtheit politisch rechts der radikalen Jugend steht und dessen Mitgliedschaft in bürokratischen Grabenkämpfen zerrieben wird. Das zeigt auch die Entwicklung der aktiven Mitgliedszahlen, die bundesweit seit langem sinken.

 

Die zehntausend Jugendlichen, die sich einmal als Mitglieder eingetragen haben, stehen beispielhaft für das revolutionäre Potential, dass die Jugend in sich birgt. Eine Organisation, die gezielt versuchen würde dieses Potential in die aktive Teilnahme an dem inneren Organisationsleben und dem Eingreifen in den Klassenkampf unter einem revolutionären Programm zu verwandeln, könnte Berge versetzen. Doch [´solid] ist nicht diese Organisation. Viele ihrer FührerInnen haben kein politisches oder soziales Interesse eine solche Organisation aufzubauen. Einige wenige würden gerne, haben aber kein politisches Konzept.

 

[´solid] ist der erste Anlaufpunkt für radikale Jugendliche“

 

Das zweite Argument ist, [´solid] sei der erste Anlaufpunkt für linke Jugendliche. Auch dieses „Argument“ klingt zuerst verlockend. Und es ist im übrigen ein Argument, das normalerweise gegen linke und revolutionäre KritikerInnen an [´solid] ins Feld geführt wird.

 

Doch meine Kritik bezieht sich auf die Politik und nicht die Größe von [´solid]. Wenn viele [´solid] als ersten Anlaufpunkt sehen, dann drückt das nur die Alternativlosigkeit aus, die viele Jugendliche verspüren. Das bedeutet auch den Mangel einer revolutionären Alternative. Genau diese gilt es aufzubauen. Insofern wird die Tatsache, dass eine Organisation mit reformistischer Politik und Organisationsstruktur aktuell der „erste Anlaufpunkt“ für Jugendliche ist, zu einem Problem vom Standpunkt sozialistischer Politik aus gesehen.

 

Das [´solid] der erste Anlaufpunkt für viele Jugendliche ist, entspricht auch der Tatsache, dass die LINKE einen großen Apparat, viel Geld und Aufmerksamkeit genießt, der auch auf [´solid] abfärbt. Ganz davon abgesehen hat die LINKE auch ein Interesse daran neue, junge Funktionäre für ihre Partei zu gewinnen.

 

Für mich als Sozialist und Revolutionär ist die erste Frage, wie ich Jugendliche für den Sozialismus und eine Organisation, die ihn auch erkämpfen kann, gewinne. Ich will, dass revolutionäre Politik zum ersten Anlaufpunkt wird. Eine reformistische Organisation dafür als „strategisches Vehikel“ zu nutzen ist nicht nur unlogisch, sondern auch prinzipienlos. So als wäre [´solid] ein Auto, in das sich jeder setzen könnte, um dann die Richtung zu bestimmen. Das Problem ist nur: die Autoschlüssel und die Fahrzeugpapiere für dieses „spezielle Vehikel“ liegen klar in den Händen der ReformistInnen in [´solid].

 

[´solid] ist keine Organisation, die klar für den Sozialismus eintritt. In den meisten Fällen wird ein schwammiger „demokratischer Sozialismus“, ein nicht genau definierter „Antikapitalismus“ oder einfach ganz offen reformistische Politik vertreten. [´solid] ist keine revolutionäre, klassenkämpferische Organisation mit AktivistInnen, die zur regen Debatte über die Perspektiven der Organisation ermutigt und politisch geschult werden. Nur so könnte die Mitgliedschaft befähigt werden die eigene Organisation demokratisch zu führen, entschlossen nach außen aufzutreten, Widerstand zu organisieren und eine revolutionäre Bewegung anzuführen.

 

Die AktivistInnen, die ihr mit diesem Anspruch beitreten, werden allzu oft durch ihre Erfahrungen in [´solid] demoralisiert, verlassen die Organisation und nicht selten auch die Politik. Nur „links“ zu sein und in [´solid] zu sein, weil es der vermeintlich erste Anlaufpunkt wäre, ist keine Antwort auf dieses Problem. Dieser Politik und ihren Konsequenzen kann nur eine eindeutige revolutionäre, programmatisch eigenständige Alternative entgegenwirken. Es gibt keinen „reformistischen Umweg“ oder „notwendigen Zwischenschritt“ von Jugendlichen auf dem Weg zu einem revolutionären Programm – nur Sackgassen.

 

Man kann Jugendliche nicht direkt mit revolutionärer Politik gewinnen“

 

Gleich im Anschluss daran wird gerne dieses Argument gegen unabhängige RevolutionärInnen ins Feld geführt wird, die sich für eine eigenständige und klar sozialistische Politik aussprechen. Es wird in der Regel vom linken Flügel in [´solid] selbst artikuliert, der sich um linkere ReformistInnen oder Organisationen wie die SAV oder Marx21 gruppiert, die „tiefen Entrismus“ 3in der Organisation betreiben.

 

Doch die Aussage ist vollkommen widersprüchlich und kann nur zu Verwirrung und Verlegenheit führen. Natürlich sind aktuell nicht alle Jugendlichen unmittelbar für eine revolutionäre Organisation gewinnbar. Das liegt durchaus an der gesamten politischen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland. Wichtiger aber, es liegt auch daran, dass es Jugendliche gibt, die kein soziales Interesse danach verspüren. Jugendliche, die z.B. der Jungen Union oder der Grünen Jugend beitreten, tun dies relativ bewusst und sind für uns, zumindest momentan, sicher nicht gewinnbar. Der zweite und für unsere eigene Politik entscheidendere ist aber der „subjektive Faktor“. Revolutionäre Ideen sind schwach, eine revolutionäre Massenjugendorganisation gibt es nicht. Das führt scheinbar dazu, dass Jugendliche „zuerst“ zu einer reformistischen Jugendorganisation gehen.

 

Etliche Jugendliche, die sich bei [´solid] organisieren, wären aber durchaus für eine revolutionäre Organisation direkt gewinnbar. Auch viele der Jugendlichen, die zersplittert in linksradikalen Gruppen und Antifas organisiert sind, wollen eine solche Organisation aufbauen oder wären dafür gewinnbar. An sie wollen wir uns in erster Linie wenden. Sie werden aber nur direkt für eine revolutionäre Organisation gewinnbar werden, wenn wir eine solche aufbauen. Es ist gerade das, was der „linke“ Flügel in [´solid] versäumt – nämlich eine ernsthafte revolutionäre Opposition darzustellen, die ein erster Keim für eine solche Organisierung darstellen könnte. Sie sind vielmehr das „linke Gewissen“ von [´solid] und der LINKEN. Wie viel das praktisch zählt, sehen wir an der Regierungspolitik der LINKEN, der sinkenden Aktivität von [´solid] auf der Straße, den Beschlüssen auf den Bundeskongressen und dem wachsenden Einfluss der Rechten im Verband. Im Zweifelsfall profitiert die rechte Führung der Organisation sogar von dieser Politik, weil sie die Früchte des Aktivismus der Linken erntet, während sie gleichzeitig einen schonungslosen Kampf gegen ihre Ideen führt.

 

Das „Argument“ eine revolutionäre Organisation würde auch nur gebetsmühlenartig vom Sozialismus reden, ist nicht wahr. So wie ja auch eine reformistische Organisation nicht nur gebetsmühlenartig vom Reformismus redet. Das Ziel ist natürlich ein anderes, aber auch der Weg, den eine revolutionäre Organisation einschlägt.

 

RevolutionärInnen sollten immer in der ersten Reihe im Kampf für fortschrittliche Reformen sein – meist sind sie das auch heute schon. In diesen Kämpfen, ob um höhere Löhne, gegen Kürzungen in der Bildung oder gegen den Abbau demokratischer Rechte, müssen RevolutionärInnen die Ursachen des Problems aufgreifen, sozialistisches Bewusstsein schaffen und die ArbeiterInnen und Jugendlichen anregen sich selbstständig zu organisieren. Ich denke, man muss die Tageskämpfe von der Perspektive der Revolution aus betrachten, nicht umgekehrt. Wir müssen uns die Frage stellen, was die Jugendlichen und die ArbeiterInnen brauchen und nicht, was der Staat und die KapitalistInnen geben wollen. Sonst wird man immer gezwungen sein, sich der kapitalistischen Logik unterzuordnen – auch in den Tageskämpfen. Das erklärt auch, warum der Reformismus und seine Organisationen in Deutschland, obwohl sie sehr groß und stark sind, keine Kämpfe für diese Tagesforderungen führen. Wir wollen das tun, insofern sind wir eindeutig für den entschlossensten Kampf auch für die unmittelbaren Forderungen der ArbeiterInnen und Jugendlichen. So wird jeder Sieg, wenn er von RevolutionärInnen geführt wird, die Moral, die Organisation, als auch das Vertrauen in die eigene Kraft und die Revolution unter den ArbeiterInnen und Jugendlichen stärken.

 

Doch von theoretischen Betrachtungen4 abgesehen, stellt sich ganz praktisch die Frage, warum gerade [´solid] eine attraktive „Einsteigerorganisation“ für Jugendliche sein sollte. Viele der Jugendlichen, die dem Verband beitreten, suchen ja gerade nach einer Alternative zu den bestehenden Verhältnissen und zum Kapitalismus. Auch wenn nur die wenigsten bereits bewusste RevolutionärInnen sind, viele wären dazu bereit, über revolutionäre Politik zu diskutieren. Doch [´solid] demoralisiert diese AktivistInnen, anstatt ihrem Kampfgeist eine reale Perspektive zu bieten. Deswegen lohnt es sich einen genaueren Blick auf die Art der Organisierung innerhalb [´solid]s zu werfen.

 

Bürokratischer Föderalismus oder demokratischer Zentralismus?

 

Neben den einzelnen Landesverbänden gibt es innerhalb von ['solid] Bundesarbeitskreise (BAK´s) und Landesarbeitskreise (LAK´s). In ihnen vernetzen sich die Mitglieder zur Arbeit an spezifischen Themen. Neben unterschiedlichen Arbeitskreisen u.a. zum Thema Krise, Feminismus und Antifa, gibt es den BAK AuF (Antimilitarismus und Frieden) und den BAK Shalom. Ersterer ist die Plattform, in der sich KriegsgegnerInnen und InternationalistInnen zusammengeschlossen haben. Letzterer ist die Plattform von antideutschen Kräften, die mit Erfolg versuchen, die politische Arbeit des Verbandes zu sabotieren und neokonservative Positionen salonfähig zu machen. Dazu gehören auch das Befürworten von Kriegen, die Legitimation von kapitalistischen Staaten oder anti-muslimischem Rassismus5. Der BAK Shalom schafft es dabei, sowohl innerhalb von ['solid], als auch medial und in die Partei hinein, einer der einflussreichsten BAK´s zu sein. Immer wieder werden linke Positionierungen, z.B. auf dem Bundeskongress, dem höchsten Gremium, verhindert.

 

Ein großer Teil der eigentlichen Arbeit und der politischen Entwicklung ist also föderal von unterschiedlichen Arbeitskreisen organisiert. Eine Arbeit und Politik, die sich gegenseitig oft genug widerspricht. Gleichzeitig findet keine theoretische, sowie natürlich auch praktische-organisatorische Schulung der einzelnen Mitglieder statt. Sowohl auf Landesebene, wie auf Bundesebene gibt es kaum Fortbildungen. Weder das Auseinandersetzen mit „Klassikern“, noch mit aktuellen Texten spielt eine ernstzunehmende Rolle. Wenn es doch einmal Veranstaltungen mit Workshops gibt, so bleibt auch dort in der Regel Basiswissen, über das jede/r SozialistIn verfügen sollte unerwähnt. Wer sich nicht selbstständig oder sogar entgegen der offiziellen Positionen weiter schult, wird kaum in der Lage sein eigenständige Postionen zu entwickeln, oberhalb der Ortsgruppenebene eine Rolle spielen, geschweige denn eine revolutionäre Programmatik entwickeln können.

 

Sicherlich ist das ein wichtiger Grund, warum der BAK Shalom und seine Wortführerinnen in der Lage sind ihre reaktionären Positionen, trotz fadenscheiniger Argumentationen, im Verband durchzubringen, wie zuletzt die massiven Angriffe gegen die GenossInnen in Essen beweisen, die vollkommen zurecht eine Demonstration gegen Imperialismus und in Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand organisierten. Der Einfluss des BAK Shalom, auch auf Mitglieder die sich selber überhaupt nicht als Antideutsche sehen, stützt sich genau auf die Desinformation der Mitglieder, den vermeintlichen Föderalismus der Organisation. Dieser Föderalismus gilt aber in gewisser Art und Weise nur für „die Basis“ der Organisation.

 

Denn auf den Bundeskongressen reden immer dieselben Personen. Es ist der rechte Flügel, der die entscheidenden Führungspositionen innehat. In der Außenwahrnehmung der Organisation gibt es keinen linken Flügel. Wenn der doch einmal wie in Essen in Erscheinung treten sollte, wird er von der bürokratischen Führung denunziert und angegriffen.6

 

Eine solche Politik muss unweigerlich dazu führen, dass viele Menschen die aus Sympathie mit dem Verband Mitglied geworden sind, nicht überzeugt und motiviert werden, die politisch-praktische Arbeit auch tatsächlich aufzunehmen. Das Resultat ist eine große passive Masse, die durch die aktuelle Führung daran gehindert wird, sich revolutionär zu organisieren. Wenn es dann Kritik an dieser Führung geben sollte, wird sie sich immer auf ihre passive Basis berufen mit den Worten: „Wir würden ja gerne, aber unsere Basis ist leider zu inaktiv (oder zu rechts).“

 

Die Organisation ist zerstritten, ihr politisches Programm ist diffus und gibt auf zentrale Fragen keine Antwort, die Aktivität ist sehr gering, viele der Mitglieder sind passiv und die meisten Landesverbände und der Bundesverband werden vom rechten Flügel, mit Unterstützung der Antideutschen geführt. Diese Situation ist letztlich eine Konsequenz der gesamten reformistischen Politik von [´solid] nicht nur eine „Kinderkrankheit“.

 

Auch in einer revolutionären Organisation wird es offene, kontroverse und sicherlich auch einmal heftige Debatten geben. Aber bürokratische Grabenkämpfe und Inaktivität sollten ihr fremd sein. Wenn Entscheidungen aus der gemeinsamen und freien Debatte entstanden sind, sollte auch von der gesamten Organisation verlangt werden, diese zu tragen. Nur so kann die Richtigkeit oder Falschheit von Positionen wirklich erfasst und vor allem schlagkräftige Aktionen organisiert werden. Oder wie Lenin den demokratischen Zentralismus beschrieb „Freiheit in der Kritik, Einheit der Aktion“7.

 

[´solid] ist ein pluralistischer Verband“

 

Falls man AktivistInnen in [´solid] von den bisherigen Punkten überzeugen konnte, bleiben immer noch zwei „Totschlagargumente“, die vermeintlich alles bisher gesagte Aushebeln, „['solid] ist eben ein pluralistischer Verband mit unterschiedlichen Meinungen, und auch deine hat dort ihren Platz“ und „stimmt ja alles gar nicht, [´solid] ist doch unabhängig von der LINKEN (ergo von Reformismus und Bürokratismus)“.

 

Auf die erste Aussage kann man mit Ja und Nein antworten, je nach dem, wie sie gemeint ist.

 

Ja, ['solid] ist ein Sammelbecken für viele Menschen, die sich selbst irgendwie als „links“ bezeichnen. Innerhalb des Verbandes können die Mitglieder sich dann nicht nur in Strömungen zusammenschließen, um mehr Einfluss zu haben. Einzelne Ortsgruppen, Landesverbände oder Arbeitskreise können völlig unabhängig vom Rest des Verbandes Positionen entwickeln und propagieren, auch wenn diese bei Bundeskongressen nicht annähernd mehrheitsfähig sind.

 

So kommt es, dass die einzelnen Teile des Verbandes oft gegeneinander arbeiten und verschiedene, widersprüchliche Positionen nach außen getragen werden. Der Verband ist nicht in der Lage, an einem Strang zu ziehen und als Gesamtorganisation klare Losungen zu bestimmten Themen herauszugeben, als auch die Arbeit an diesen gemeinsam zu organisieren und anzugehen. Dadurch werden Kräfte und Geld massiv vergeudet.

 

Das führt unweigerlich zu einer Praxis, in der die Rechten ohne Furcht vor Konsequenzen offen gegen das Programm und die Beschlüsse des höchsten Gremiums nach außen agieren, natürlich mit Verbandsgeld, während die Linken mit dem „demokratischen Zeigefinger“ oder gleich über medialen Druck von der eigenen Organisation zurück in ihre Bedeutungslosigkeit gewiesen werden – denn bei ihnen wird durchaus sehr genau verfolgt, was sie tun. Beim BAK Shalom und dessen Umfeld z.B. ist es Gang und Gebe Krieg und Militär zu verherrlichen8, obwohl sich der Verband im Programm eigentlich antimilitaristisch positioniert9. Zudem ignoriert dieser Arbeitskreis einen Beschluss des Bundeskongresses zur Distanzierung von der Kampagne für einen Krieg gegen den Iran – ohne jegliche Konsequenzen. Die Konsequenzen, die AntiimperialistInnen in der Organisation zu befürchten haben, selbst wenn sie ganz formell auf den Beschlüssen der Organisation stehen – wie in NRW/Essen – kennen wir alle10.

 

Insofern ist [´solid] tatsächlich sehr „pluralistisch“, in gewissen Fragen ist die Organisation wahrscheinlich politisch und auch praktisch zersplitterter und zerstrittener, als Teile der „radikalen Linken“.

 

Der Pluralismusbegriff suggeriert, die Integration von verschiedenen Ideen und Konzepten. Praktisch bietet er aber den unterschiedlichen Kräften lediglich eine Spielwiese, ohne dabei Druck zu erzeugen, eine gemeinsame, ergebnisorientierte Debatte zu führen oder die verschiedenen Positionen auf die Probe zu stellen und im Kampf zu vereinen. Aber wer entscheidet denn dann eigentlich über die gesamte Politik der Organisation?

 

Und hier setzt das oben erwähnte „Nein“ ein, denn bei offenen oder zentralen Fragen setzt sich letztlich immer die Fraktion durch, die am besten in der Organisationsstruktur verankert ist und den besten Zugriff auf Ressourcen hat. Das ist in der Regel der rechte Flügel und die reformistische Führung von [´solid], flankiert von den Antideutschen. Im Zweifelsfalle werden dafür auch gerne einmal ganze Ortsgruppen, die zu links sind oder eine Bedrohung der reformistischen Politik darstellen, diffamiert, zerrieben oder zur Auflösung gedrängt.

 

Durch die kaum vorhandenen kollektiv durchgeführten Diskussionen und kaum vorhandene bindende Entscheidungen bietet der „Pluralismus“ der Führung von [´solid] (aber auch anderen reformistischen Organisationen, wie SYRIZA, der Front de Gauche, Podemos etc.) sehr viele Freiheiten und Fläche zum manövrieren. Sie sind die Profiteure dieses Organisationsmodell, nicht die Basis und auch nicht die RevolutionärInnen.

 

Die Praxis beweist das, denn der Abstand zwischen Basis und Führung gleicht sich nicht an, ganz im Gegenteil. Die Passivität der Basis, Karteileichen und stark unterschiedlicher Bildungsstand der Mitglieder sind einige Beispiele dafür. Gleichzeitig führt der Pluralismus dazu, dass durch das Gewähren dieser Freiheiten innerhalb des Verbandes die zunehmende Bürokratisierung verschleiert wird. Dabei spielt auch der BAK Shalom eine wichtige Rolle. Unter dem Deckmantel der Heterogenität toleriert, obwohl dieser in bestimmten Punkten die Grundsätze des Verbandes ignoriert, verhindert dieser zuverlässig eine Bewegungen von links, welche die Führung in Bedrängnis bringen könnte.

 

[`solid] ist eine unabhängige Jugendorganisation“

 

['solid] bezeichnet sich selbst als unabhängig von der LINKEN. [´solid] stehe in einem kritisch-solidarischen Verhältnis. Auch ich glaube, dass sich die Jugend selbständig organisieren, eigene Beschlüsse fassen und selbst Erfahrungen sammeln sollte. Diese Unabhängigkeit sollte aber nicht bedeuten, dass die Jugend den Aufbau und den Kampf einer sozialistischen ArbeiterInnenpartei nicht aktiv unterstützen sollte.

 

Die Jugend ist, anders als die älteren Generationen, noch nicht Jahrzehnten bürgerlicher Ideologie und Reformismus innerhalb der ArbeiterInnenbewegung ausgesetzt oder musste so viele entmutigende Ereignisse im Klassenkampf erleben. Sie ist außerdem im Kapitalismus ganz besonders von Ausbeutung und Unterdrückung betroffen. Daher werden proletarische und prekarisierte Jugendliche sehr oft der radikalere Teil der Klasse sein. Ihnen kommt eine wichtige Rolle darin zu eine revolutionäre Partei zu schaffen und die Gewerkschaften auf einen revolutionären Kurs zu drängen und zu halten. Dafür müssen sie politisch unabhängig von den Apparaten der Gewerkschaften und des Reformismus sein, solange es eine solche revolutionäre Partei noch nicht gibt. Organisatorisch sollten sie generell unabhängig sein, damit die Jugend eigenständig Erfahrungen in der Tagespolitik sammeln kann.

 

Nun, wenn wir uns die Politik von [´solid] anschauen, kann man allerdings kaum behaupten, dass sie unabhängig vom Reformismus der LINKEN wäre. Ein praktisches Beispiel beweist das recht gut. Während der Bundesverband in den letzten Jahren in große Lethargie verfallen ist, gibt es immer wieder ein Event, an dem er sich „aufrappelt“: Wahlen.

 

[´solid] behauptet natürlich die LINKE kritisch bei den Wahlen zu unterstützen. Sicherlich ist es richtig, dass viele an der Basis von [´solid] links von der LINKEN-Führung um Kipping, Riexinger und Gysi stehen. Aber es gibt kein politisch unabhängiges, alternatives Programm. Die „kritische Wahlunterstützung“ bedeutete daher auch in der Wahlkampfbroschüre „If nothing goes right go left“11 die zentralen strategischen Worte Sahra Wagenknecht zu überlassen, einer „linken“ Bürokratin der Partei, die seit 20 Jahren tief mit dem Apparat der PDS und dann der LINKEN verankert war. Der Rest der Broschüre war eine unzusammenhängende Darstellung der Arbeit der [´solid]-Verbände, ohne eine klare Positionierung zur Bundestagswahl, der Politik und der Organisierung die notwendig wäre, um die nächste Regierung des Kapitals (allen war klar, dass Schwarz-Rot gewinnen würde) herauszufordern. Es gab nicht einmal eine klare Ablehnung an einer bürgerlichen Regierung, die durchaus von der Mehrheit der LINKEN-Führung auch schon vor der Wahl klar artikuliert wurde.

 

Doch auch organisatorisch ist ['solid] nur auf dem Papier unabhängig. Die führenden Köpfe der Organisation sind eng mit dem bürokratischen Apparat der LINKEN verbunden. Die Personen, die sich immer wieder um Funktionen und Gremien gruppieren, sind ganz überwiegend auch Parteimitglieder, sind in der Partei sozialisiert und geschult worden und unterhalten natürlich auch beste Kontakte zu ParteifunktionärInnen. In Berlin gibt es viele LandessprecherInnen, die schon einmal stolz erzählen, wie oft sie sich auf einen Kaffee mit Gysi im Karl-Liebknecht Haus treffen. Auch finanziell ist der Jugendverband alles andere als unabhängig. Das meiste Geld bekommen die Landesverbände von der Linkspartei – je besser die Zusammenarbeit, desto mehr Geld.

 

Wenn das Verhältnis zwischen Landesverband und Partei schlecht ist, wird der Geldhahn zugedreht (Geld, welches hauptsächlich für sinnlose Materialschlachten ausgegeben wird, statt für politische Arbeit, aber das ist eine andere Geschichte)12.

 

Gerade wenn eine Jugendorganisation in Zusammenarbeit und Diskussion mit einer reformistischen Partei steht, ist es wichtig politisch und finanziell unabhängig zu sein, um nicht an radikaler Energie einzubüßen, einen möglichen Anpassungskurs mitzumachen, sondern in der Basis der Partei das Gegenteil zu bewirken. Doch ['solid] diskutiert mit der Partei sowieso nicht auf Augenhöhe. Beschlüsse und Positionierungen des Verbandes werden in der Partei kaum wahr, geschweige denn ernst genommen. Ein reger Austausch und rege Diskussionen finden nicht statt. ['solid] hat keinen wirklichen Einfluss auf die Linkspartei, ist aber dennoch abhängig. Der beste Praxistest dafür ist die Aktivität und Politik von [´solid] in Ländern, wo die LINKE an der Regierung ist. Dort sind die Landesverbände praktisch tot, zumindest sehr inaktiv, rechts und stützen die (jugend- und arbeiterinnenfeindliche) Politik der Regierung – natürlich ganz „kritisch“.

 

Solange [´solid] von einer reformistischen Partei abhängig ist, wird der Jugendverband selber reformistisch bleiben. Für mich bedeutet Unabhängigkeit eine von der bürgerlichen Politik, vom Reformismus unabhängige, eigenständige revolutionäre Politik für Jugend und ArbeiterInnenklasse zu betreiben. Denn die Frage der Unabhängigkeit ist in erster Linie eine politische Klassenfrage, erst in zweiter Linie eine formal organisatorische Frage. Aktuell brauchen wir eine Jugendorganisation, die beiden Kriterien gerecht wird, damit die Jugend eigenständige Erfahrungen machen kann und sich vom Reformismus befreien kann!

 

[`solid] ist eine reformistische Jugendorganisation“

 

Ich glaube schon seit längerem nicht mehr, dass [´solid] eine sozialistische Jugendorganisation ist. Aber ich glaube, dass es nach wie vor AktivistInnen in [´solid] gibt, die den Sozialismus als ein Ziel ansehen, für den es sich zu kämpfen lohnt. Aber aufgrund der ganzen Politik von [´solid] wird überhaupt nicht vermittelt, was das bedeutet und wie man dafür kämpft. Heißt: Wie die Organisation aussehen muss, die diesen Widerstand bündeln und anleiten kann. Das ist nicht nur schlecht für unseren gemeinsamen Kampf, sondern immunisiert auch gegen Kritik – weil sie oft auf Unverständnis und Unwissenheit trifft. Wenn viele von uns nicht einmal wissen, was der Landesverband oder die Ortsgruppe gleich um die Ecke tun, wie kann dann überhaupt eine richtige Kritik an der generellen Politik der eigenen Organisation entstehen?

 

Deshalb möchte ich noch einmal genauer auf zentrale politische Fragen und einige konkrete Beispiele eingehen, die meine Kritik womöglich ein wenig greifbarer machen.

 

Das Programm13 von [´solid] beschreibt durchaus eine gewisse Kritik am Kapitalismus. Auch wenn wahrscheinlich viele Mitglieder von [´solid] das Programm wohl nie gelesen haben, was eindeutig ein Problem für sich ist. Allerdings ein Problem, wofür weniger die individuellen Mitglieder, sondern vielmehr eine Organisation, die eine solche Kultur des programmatischen Desinteresses schafft, Schuld tragen. Im übrigen ein eigener Grund warum viele Jugendliche überhaupt nicht verstehen, warum [´solid] mit ihrer Politik scheitert, weil sie nie gelernt haben, diese Ursachen in der Programmatik der Organisation zu suchen.

 

Das Programm selbst ist recht dünn und an vielen Stellen nicht konkret genug. Aber immerhin werden wichtige Punkte, wie Lohnarbeit, Privateigentum, Bildungspolitik, Kriege, Umweltzerstörung und das bestehende Geschlechterverhältnis kritisiert.

 

Doch nur die (recht grobe) Analyse der bestehenden Verhältnisse alleine reicht nicht aus. Ein alternativer Weg muss aufgezeigt werden. Ein Weg, wie die aktuellen Tageskämpfe erfolgreich geführt und mit dem Sturz des Kapitalismus verbunden werden können. Ein Weg, wie die Aktivität und das (Selbst-) Bewusstsein der Jugendlichen und ArbeiterInnen in der konkreten Auseinandersetzung gehoben werden können, um eine Grundlage für Revolutionen und den Aufbau einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft zu legen.

 

Das Programm bleibt daher beschreibend und eine Auflistung von guten Willensbekundungen. Es wird immer schwammiger oder hört auf, wo die Praxis anfängt. Man muss sich oft den Vorwurf als RevolutionärIn machen lassen, die eigene Politik wäre „abstrakt“ und „utopisch“. Doch wenn ich mir das Programm von [´solid] ansehe, kann ich diese Kritik gerne zurückgeben.

 

In dem Programm von [´solid] heißt es auch, Reformismus und Revolution seien kein Widerspruch. Veränderungen fänden schwerpunktmäßig außerhalb der Parlamente statt. Wie das Zusammenspiel vom Erkämpfen von Reformen und revolutionärer Praxis aussehen soll oder was ['solid] überhaupt unter revolutionärer Praxis versteht, bleibt völlig unbeantwortet. Auch welche Rolle die Linkspartei dabei genau spielt und ob sich ['solid] die Überwindung des Kapitalismus als abrupten Bruch oder langsames Hinüberwachsen vorstellt, bleibt unklar.

 

Wie stürzen wir denn aber jetzt die Herrschaft des Kapitals, wie genau sollen die Herrschenden enteignet und die Klassengegensätze aufgelöst werden, wenn Veränderungen doch maßgeblich nicht in den Parlamenten passieren? Wie bekämpfen und schützen wir uns vor dem Widerstand der KapitalistInnen und was ist eigentlich mit dem bürgerlichen Staat?

 

Über all solche Fragen verliert ['solid] als Gesamtorganisation kein Wort. Doch gerade solche Fragen müssen von einem sozialistischen Jugendverband aufgeworfen und diskutiert werden. Es müssen Antworten gefunden werden, um ein klares Konzept zu haben, für das gekämpft werden kann.

 

Ein solches Konzept zur Umwälzung der bestehenden Gesellschaft, welches der Verband versuchen könnte umzusetzen, existiert aber nicht. Konkret bietet das Programm lediglich einige Reformvorschläge, um den Kapitalismus „sozialer“ zu machen, verbunden mit der illusionären Vorstellung, dieser würde schon irgendwie verschwinden. Die Vorstellung der Bolschewiki und RevolutionärInnen wie Trotzki14, dass das Programm die verarbeitete Erfahrung der bisherigen Klassenkämpfe und die Schlussfolgerung für die notwendigen Perspektiven im Klassenkampf widerspiegeln müsse – damit auch überprüfbar werde – spielt in [´solid] keine Rolle.

 

Ich denke in diesem Zusammenhang, dass die ArbeiterInnenklasse das einzige Subjekt ist, welches es vermag, das Privateigentum der herrschenden Klasse durch Generalstreiks, Betriebsbesetzungen und Produktion unter Ausschluss der KapitalistInnen zu bekämpfen. Sie ist auch die einzige Klasse, die ein direktes Interesse daran hat. Dafür muss sie sich aber politisch organisieren, sich eine eigene Partei schaffen und letztlich den bürgerlichen Staat zerschlagen, um ihn durch die “Diktatur des Proletariats”15 zu ersetzen. Das muss klar, auch in dem Programm einer revolutionären Jugendorganisation, benannt werden. Auf diese Einfluss zu nehmen, diese zu organisieren und für den Kampf fit zu machen, sollte auch für einen Jugendverband eine zentrale Aufgabe sein.

 

Bei ['solid] ist aber das Gegenteil der Fall: Die Mitglieder setzen sich überwiegend aus GymnasiastInnen und Studierenden zusammen. Diese werden später sicher auch fast alle lohnabhängig beschäftigt sein und ich bin auch dafür diese zu organisieren. Aber es gibt bei [´solid] als Gesamtorganisation überhaupt kein Konzept, wie die ArbeiterInnenjugend, MigrantInnen und Jugendliche aus prekären Verhältnissen für die Organisation gewonnen werden können. Eine Aufgabe die systematisch betrieben werden muss und nicht dem Zufall überlassen werden darf.

 

[´solid] versucht nicht konkret diese zu gewinnen und arbeitet theoretisch wie praktisch kaum zum Thema Ausbildung/Beruf. Auch die Gewerkschaften oder mögliche Arbeit vor und in den Betrieben werden völlig ignoriert. Das hat auch eine gewisse politische Logik, denn die strategische Politik in den Gewerkschaften und im Bezug auf die ArbeiterInnenklasse überlässt man der LINKEN, das heißt man überlässt sie dem Reformismus und der „linken“ Gewerkschaftsbürokratie um Figuren wie Bernd Riexinger oder Klaus Ernst.

 

Somit hat ['solid] quasi gar keinen Einfluss auf die Jugend der ArbeiterInnenklasse. Dass der Verband dieses für SozialistInnen so wichtige Themenfeld so stark vernachlässigt, liegt wie bereits gesagt eben daran, dass der Verband selber keinen klaren Klassenstandpunkt hat.

 

Hier und da wird zwar mit dem Klassenbegriff hantiert, letzten Endes bezieht sich ['solid] aber nicht auf die Lohnabhängigen als Klasse, die der Klasse der KapitalistInnen gegenübersteht und diese stürzen und enteignen muss um sich zu befreien. Im Programm fällt zwar auch einmal das Wort „ArbeiterInnenklasse“, in Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen, aber es ist dort vielmehr von „sozialen Bewegungen“ die Rede. Eine Jugendorganisation, die die ArbeiterInnenklasse nicht als die (!) Macht zur Umwälzung sieht und organisiert, wird in einer sozialistischen Bewegung keine Rolle spielen können.

 

Gruppen, die sich, wie die Linksjugend, auf die Ideen von Marx und Engels beziehen, sollte dies eigentlich völlig klar sein. Doch bei ['solid] wird leider wenig bis gar nicht mit den Theorien von Marx und Engels gearbeitet. In den vier Jahren meiner Mitgliedschaft habe ich nie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Texten dieser beiden Theoretiker miterlebt. Dabei begründen doch diese die zentralen Ideen eines/r jeden SozialistIn. Das Lesen theoretischer Texte spielt bei ['solid] leider fast gar keine Rolle. Und Marx hat viel mehr Arbeit geleistet, als die bestehende Gesellschaft lediglich zu analysieren und zu kritisieren. Über seine Kritik hinaus will aber, von einer linken Minderheit abgesehen, niemand etwas wissen. Dabei ist gerade die selbstständige Schulung und Bildung der Jugendlichen mit sozialistischen Ideen eine zentrale Aufgabe einer revolutionären, sozialistischen Jugendorganisation. Das dies nicht geschieht, führt dann auch zu dem unklaren Klassenstandpunkt und der diffusen Vorstellung, wie der Kapitalismus überwunden wird. Die Konsequenz davon ist, dass die Politik der gesamten Organisation und der meisten Gliederungen in der Praxis deutlich rechter ist, als das, was selbst im Programm steht.

 

Dieses Verständnis von Politik und Programm drückt sich auch in der politischen Praxis und den konkreten Auseinandersetzungen aus. Gerade bei der zentralen Frage des konsequenten Kampfes gegen den Imperialismus16 – Seite an Seite mit den von ihm Unterdrückten – mangelt es in [´solid]. Zwar ist sogar im Programm noch von „imperialer Neuaufteilung der Welt“ die Rede, allerdings hat ['solid] nicht die Analyse, dass es sich bei dieser um die höchste Stufe des Kapitalismus handelt, bei der die Bourgeoisien, um die totale wirtschaftliche Kontrolle der schwächer gestellten Länder und die immer wiederkehrende Neuaufteilung der Welt kämpfen. Im Zuge der Überakkumulation von Kapital sind die Grenzen des Nationalstaats „zu eng“ geworden, das Kapital will expandieren. Im internationalem Wettkampf können die herrschenden Klassen von wirtschaftlich und militärisch schwächeren Ländern aber nicht mithalten, deshalb kommt es zu Monopolbildung und Großkonzernen, welche andere Länder von sich abhängig machen, natürlich militärisch unterstützt von ihren Regierungen.

 

Die Schlussfolgerung die SozialistInnen daraus ziehen, ist für die Niederlage des Imperialismus in den Auseinandersetzungen auf globaler Ebene einzutreten, sich mit den Unterdrückten Völkern zu solidarisieren und ihren Widerstand zu unterstützen. Nur im entschlossenen Kampf gegen die ökonomische, politische und bewaffnete Macht des Imperialismus können fortschrittliche und revolutionäre Ideen in der ArbeiterInnenklasse und unter der Jugend der halbkolonialen Länder verbreitet werden, als auch die notwendige Idee unter den ArbeiterInnen in den imperialistischen Ländern, dass „der Hauptfeind im eigenen Land steht.“17

 

Bei ['solid] ist es aber in den meisten Landesverbänden nicht einmal möglich einen Positionierungsantrag, Flyer oder Sticker durchzubringen, der das Wort (Anti)Imperialismus auch nur enthält, auf Bundesebene schon gar nicht. Im besten Falle verdammt sich [´solid] damit auf eine rein moralische und pazifistische Position, die der Gewalt der KapitalistInnen und ihrer Kriege, keinen Widerstand sondern nur gut gemeinte Ratschläge entgegenstellen kann.

 

In vielen Fällen führt es allerdings direkt zu Positionen, die einen reaktionären Charakter haben. Das beste Beispiel ist der Palästina-Konflikt, wo die Mehrheit des Bundesverbandes es vorzieht entweder zu schweigen oder offen auf der Seite der israelischen Panzer zu stehen. In solchen Fragen zeigt sich, dass die Positionen in [´solid] nicht einfach nur „plural“ sind. Sie beruhen letztlich auf unterschiedlichen (Klassen-)standpunkten. Jede/r RevolutionärIn, der/die für die Aufrechterhaltung eines solchen Status quo in der eigenen Organisation und gegen einen Bruch mit diesen Kräften argumentiert, schaufelt sich letztlich sein/ihr eigenes politisches Grab. Die gezielten Attacken des rechten Flügels in [´solid] gegen Linke, wie in Essen gegen die Demonstration gegen den Gaza-Krieg, zeigen das deutlich. Wir sollten aus den Erfahrungen von RevolutionärInnen wie Rosa Luxemburg lernen, die zu spät auf einen Bruch mit dem Reformismus hin arbeiteteten. Allerdings war es der verdienst dieser RevolutionärInnen, jederzeit klar die programmatische Feindschaft zu den Rechten in der SPD zu artikulieren. Zumindest diese klare programmatische und personelle Abgrenzung zu den bürokratischen FührerInnen und den reformistischen Fraktionen von [´solid] und der Linkspartei wäre der erste nötige Schritt für SozialistInnen.

 

Denn aufgrund des verstärkten Anpassungskurses der Partei DIE LINKE an die rechtere sozialdemokratische Partei SPD, findet auch eine Entradikalisierung in [´solid] statt. Langfristig sollen die Mitglieder auf eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen vorbereitet werden.

 

Das war auch der Grund für die öffentlichen Austritte aus der Linkspartei und dem Jugendverband in Hamburg. Die AktivistInnen trafen einen wahren Kern, als sie in ihrem Austrittsschreiben erklärten, dass es „vermutlich nicht eine andere parteinahe Jugendorganisation in der Bundesrepublik [gibt], die einen weniger radikalen Kurs verfolgt als ihr Mutterschiff. Während die Junge Union konservativer als die CDU auftritt, die Jusos sich zumindest in den meisten Bundesländern sozialdemokratischer gerieren als die SPD usf., hat sich Linksjugend ['solid] zu einer Basis der Rechtsentwicklung in der Partei gemausert.“

 

Dies hat sich zuletzt auch auf dem Bundeskongress in Frankfurt wieder bestätigt, wo die überwiegende Mehrzahl linker Anträge abgeschmettert wurde. Hier gab es z.B. einen Positionierungsantrag, welcher die Generalüberwachung des Internets, der Telefone durch die NSA aufgriff. Dieser wurde durch antideutsche Kräfte attackiert und schließlich auch ersetzt. Andere Länder würden ja auch Daten abgreifen, somit sei dieser Antrag verkürzt und „antiamerikanisch“. Diese Begründung war im Verband tatsächlich mehrheitsfähig.

 

Ein anderes Beispiel war die ersatzlose Streichung eines Antrages, der sich nicht nur mit Flüchtlingen solidarisierte und eine Intervention des Verbandes forderte, sondern auch klar aufzeigte, welche Ursachen die notgedrungene Flucht von Abertausenden in Afrika hat: der Imperialismus der USA, Chinas oder der europäischen Bourgeoisien, welcher durch die Ausbeutung der Rohstoffe, Schüren von Konflikten und kriegerischen Interventionen, den dort lebenden Menschen immer wieder ihre Lebensgrundlage entzieht.

 

Die Zustände, die zur Flucht geführt haben, offen zu legen und dagegen zu agieren, ist nicht im Sinne derer, die innerhalb von ['solid] den Ton angeben. In Berlin führte das sogar so weit, dass die LandessprecherInnen von [´solid] eine Einheitsfront für einen Schulstreik für die Forderungen der Refugees ablehnten. Ihr „Argument“ – im persönlichen Gespräch mit den SchulstreikaktivistInnen, formell sahen sie sich gar nicht verpflichtet überhaupt zu antworten – war, dass die Aktion sowieso unbedeutend sei und man mit „so kleinen Gruppen wie REVOLUTION und Red Brain“, die zu der Initiative aufriefen, nicht zusammenarbeiten würde. Der Schulstreik brachte 4´000 SchülerInnen auf die Straße. Doch nach einem Streik mit 4´000 SchülerInnen, der Räumung des Oranienplatzes und der drohenden Räumung der Ohlauerstraße sah sich der Verband als Gesamtorganisation nach wie vor nicht in der Pflicht eine gemeinsame Mobilisierung zu tragen. Zwar brachte der LandessprecherInnenrat einige Tage vorher einen kurzen Aufruf heraus, aber nur eine von sieben Ortsgruppen beteiligte sich tatsächlich an der Mobilisierung.

 

Insgesamt nicht nur ein Trauerspiel, sondern auch symptomatisch für die gesamte Logik und Mentalität der FührerInnen von [´solid], aber auch exemplarisch für die (relative) Passivität, in die jede reformistische Organisation gezwungen ist.

 

Revolutionäre sollten bei den Massen sein“

 

Ich glaube, und deswegen habe ich den Text verfasst, dass es viele GenossInnen in [´solid] gibt, die ein offenes Ohr für meine Kritik haben. Es gibt auch einige GenossInnen, die in vielen Fragen bereits eine ähnliche Einschätzung haben. Die entscheidende Frage aber ist „Was tun?“ Viele, die diese Kritik in einigen Punkten teilen, sagen, dass „Revolutionäre bei den Massen sein sollten.“ Deshalb müsse man in jedem Falle in [´solid] arbeiten.

 

Dem ersten stimme ich voll und ganz zu. RevolutionärInnen sollten in jedem Kampf in den ersten Reihen stehen, die entschlossensten und aufopferungsvollsten AktivistInnen sein. Nur so können sie das Vertrauen „der Massen“ gewinnen und eine Alternative zur bestehenden Politik des Reformismus in unserer Bewegung aufzeigen. Doch ich frage jede/n, ist [´solid] der beste Ort, um eine solche Arbeit und Aktivität zu entfalten? Ich glaube nicht. Ich glaube auch, dass die sehr gute und aufopferungsvolle Arbeit, die viele Linke in [´solid] leisten nicht auf ihr Konto geht, sondern dass lediglich die Führung und die LINKE davon profitiert – nur, um es diesen AktivistInnen danach mit politischen Rügen, wie in Essen geschehen, zu danken.

 

Als ich vor kurzem nach Kassel zog, gab es bereits keine aktive [´solid]-Gruppe mehr. Und das, obwohl hier vor einigen Jahren noch dutzende AktivistInnen in [´solid] aktiv waren – wohl gemerkt eine damals sehr linke [´solid]-Gruppe. Das war der Punkt, an dem ich endgültig die Entscheidung getroffen habe, nicht erneut unter der Schirmherrschaft einer reformistischen Organisation eine Ortsgruppe aufzubauen.

 

Deshalb bin ich der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION beigetreten. Innerhalb eines Semesters ist die Gruppe von Null auf fünf Mitglieder angewachsen. Das ist zwar noch keine Massenorganisation, aber eine Basis auf der man eine revolutionäre Organisation aufbauen kann. Außerdem beweist es, dass man Jugendliche auch direkt mit kommunistischer Politik ansprechen kann. Außerdem ist die politische Unterstützung, Schulung, Besuche, bundesweite Kampagnen und Aktivitäten, die diese verhältnismäßig kleine Organisation mir bieten, weitaus mehr als [´solid] in 4 Jahren meiner Mitgliedschaft geleistet hat. Das und ihr Programm haben mich davon überzeugt, dass diese kleine Organisation das Potential hat zu einer bedeutenden revolutionären Kraft zu werden.

 

Doch ich fühle mich nichtsdestotrotz mit den linken und revolutionären Jugendlichen in [´solid] verbunden. Meine Empfehlung an die GenossInnen, die noch in [´solid] sind, ist daher auch nicht individuell und unabhängig voneinander aus [´solid] auszutreten und den Aufbau einer revolutionären Organisation dem Zufall zu überlassen. Wäre das mein Ziel, hätte ich diesen Text nicht schreiben müssen. Es passiert auch ohne mich Tag für Tag.

 

Ich denke, dass alle, die meine Kritik teilen, sich in einem ersten Schritt, in [´solid] zu einer revolutionären Fraktion zusammenschließen sollten, die sich auch offen als solche erklärt. [´solid] ist nicht einfach zu „reformieren“. Dafür gehen die Positionen von RevolutionärInnen und dem rechten Flügel und ihrer Führung viel zu weit auseinander.

 

Aber eine solche Fraktion könnte ein alternatives Programm zu dem bestehenden reformistischen [´solid] Programm entwerfen oder zumindest eine Diskussion darüber beginnen. Es müsste klar umreißen, wie der Kampf gegen die aktuelle Bundesregierung und ihre Angriffe geführt werden können. Es müsste deutlich sagen, wie die Jugend auch praktisch Widerstand gegen Bildungsabbau, Prekarisierung und Ausbildungsnot organisieren kann.

 

Ein ökonomisch sinnvolles Programm müsste vorgelegt werden, indem Jugendlichen gut und verständlich erklärt wird, welche unmittelbaren Maßnahmen RevolutionärInnen vorschlagen ( z.B. 35 Stunden Woche, 12 Euro Mindestlohn, Mindesteinkommen auch für Azubis, SchülerInnen, StudentInnen, Verstaatlichung aller Betriebe, die Entlassungen oder Schließungen ankündigen unter ArbeiterInnenkontrolle stellen etc.) und wie diese mit der Revolution und dem Aufbau einer demokratischen Planwirtschaft verbunden wären.

 

Und vor allem: Es müsste auch dem deutschen Imperialismus auf internationaler Ebene klar den Kampf ansagen. Dieses Programm müsste eine klare Widerstandsperspektive gegen die Krise in Europa und die imperialistische EU entwickeln, die auch die notwendigen Kampfmittel benennt: der Aufbau von klassenkämpferischen Basisoppositionen in den (Jugend-)Gewerkschaften, international koordinierte Proteste, die von europaweiten Delegiertenkonferenzen beschlossen werden und nicht wie bisher von den FührerInnen der Gewerkschaften und Linksparteien in den Hinterzimmern ausgehandelt werden, und vor allem die Frage des unbefristeten Generalstreiks.

 

Fragen wie die aktuelle Zuspitzung in der Ukraine, als auch zwischen Russland, den USA und Deutschland, sowie Japan und China, die damit einhergehende zunehmende internationale Militarisierung, die barbarische nationale Unterdrückung beispielsweise der PalästinenserInnen und der KurdInnen, als auch die Kriege in Afrika, Asien oder im Nahen- und Mittleren Osten, die zu hunderttausenden Flüchtlingen führen, von denen viele an den EU-Außengrenzen sterben, sollten nicht nur in diesem Programm beschrieben und beantwortet werden – sie sollten auch klar machen, dass die jetzige Führung und Politik von [´solid] keine Antworten darauf gibt. Welches Stehvermögen hätte diese Führung, wenn es zu derartigen Erschütterungen in Deutschland selbst kommt? Und diese Erschütterungen werden kommen.

 

Und hier ist der Knackpunkt. Sollten diese Fragen offen von RevolutionärInnen thematisiert werden, mit dem klaren Ziel die gesamte Politik der Organisation zu verändern, die Führung der Organisation auszuwechseln und Schluss mit dem vorherrschenden Bürokratismus zu machen, wäre es schnell vorbei mit „Pluralismus“, „Unabhängigkeit“ und der „Offenheit“ der Organisation. Der rechte Flügel, die Antideutschen und die Führung von [´solid] wissen, dass ihre Politik unvereinbar mit der Politik von RevolutionärInnen ist. Die RevolutionärInnen sollten es auch wissen. Früher oder später wird ein Bruch unvermeidbar sein. Das eigenständige Auftreten einer solchen Fraktion ist deshalb von Beginn an unbedingt notwendig. Das bedeutet nicht, dass ich mir per se Spaltungen wünsche. Unser Ziel sollte es sein revolutionäre Einheit anzustreben. Mit dem entschlossen reformistischen Flügel in [´solid] wird dies allerdings kaum möglich sein.

 

Der Aufbau einer revolutionären Fraktion erscheint daher als schwer. Er ist es auch. Aber er ist die einzige Möglichkeit, dem politischen Bankrott, wenn schon nicht der gesamten Organisation, so doch wenigstens der klassenkämpferischen Jugendlichen in ihr, entgegenzuwirken. Sollen die aktuellen FührerInnen mit dem sinkenden Schiff der Linkspartei untergehen, die sich immer mehr auf Regierungsbeteiligung einstellt. Aber warum sollte das all diejenigen, die Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft wollen, ebenfalls dazu verdammen auf diesen Untergang zu warten?

 

Ein revolutionäres Programm und der Aufbau einer kommunistischen Jugendorganisation ist jetzt notwendig und nicht erst 2017 (Bundestagswahl) oder am St. Nimmerleinstag. Eine revolutionäre Fraktion in [´solid] müsste sich daher auch die Frage stellen, wie sie in die Debatte mit anderen sozialistischen Jugendorganisationen über Politik und praktische Zusammenarbeit tritt, um vereint gegen Krieg, Krise, Faschismus und Bildungsabbau zu kämpfen. Ich und meine GenossInnen von REVOLUTION sind dazu jederzeit bereit. Doch die Führung von ['solid] ist nicht gewillt eine solche Diskussion zu führen oder aktiv in Bewegungen einzugreifen – das ist letztlich die zentrale Erfahrung meiner politischen Arbeit in [´solid].

 

Ich schlage daher einen Diskussionsprozess vor, der über die Organisationsgrenzen von [´solid] hinausgeht und eine gemeinsame politische Praxis einschließt. Ich fordere alle revolutionären Jugendlichen in [´solid] dazu auf sich mir anzuschließen. Den sich als revolutionär und sozialistisch verstehenden Ortsgruppen in [´solid] schlage ich vor, eine gemeinsame Debatte über die Perspektiven revolutionärer Einheit, die Schaffung einer tatsächlich kommunistischen Jugendorganisation und wie wir dafür eintreten können, zu führen.

 

Der Aufbau einer internationalistischen, kommunistischen Jugendorganisation ist dringend nötig. Er ist aber auch möglich. Das ist die Einheit die wir brauchen: Kämpfen wir gemeinsam dafür!

 

Ein Artikel von Lukas Müller

 

1 http://www.redglobe.de/deutschland/opposition/9518-dokumentiert-austrittserklaerung-aus-der-linkspartei

2Für genauere Betrachtungen zum Charakter des Reformismus siehe: Thesen zum Reformismus, Revolutionärer Marxismus 44, global red, Berlin: 2012, S. 107 ff.

3 Die Theorie des „tiefen Entrismus“ oder Entrismus sui generis, wurde von unterschiedlichen Strömungen, die sich auf den Trotzkismus berufen, entwickelt. Die Begründungen oder die genaue taktische Umsetzung können sich unterscheiden, die verschiedenen Organisationen, die ihn anwenden, betreffend. In allen Fällen ist das Ziel möglichst lange in der (reformistischen) Organisation zu verweilen mit dem Ziel sie zu einer sozialistischen Organisation zu „transformieren“, die Führung immer weiter nach links zu drücken oder im Falle einer revolutionären Situation „schon bei den Massen“ zu sein. Diese Politik führt unweigerlich dazu, die eigene Organisation zu verstecken, das revolutionäre Programm abzuschwächen und keinen entschlossenen Kampf gegen den Reformismus zu führen – jederzeit zu einem Bruch bereit zu sein, um das Programm zu verteidigen. Wir lehnen revolutionären Entrismus, als Taktik, in der RevolutionärInnen offen für ihr Programm eintreten und die Konfrontation mit der Bürokratie suchen, um ArbeiterInnen und Jugendliche vom Reformismus zu brechen, nicht ab. Aber wir lehnen die Politik des „tiefen Entrismus“ entschieden ab. Sie ist eine Entstellung des Trotzkismus und der revolutionären Strategie.

4Rosa Luxemburg, Sozialreform oder Revolution?

5Aufruf, den der Bak Shalom auf facebook geteilt hat: https://www.facebook.com/bakshalom/posts/903637682989340

6http://solid-berlin.org/archive/568

7W. I. Lenin, Freiheit der Kritik, Einheit der Aktion, LW 10, S. 447

8z.B. tragen BAK Shalom Mitglieder T-Shirts der „Israel Defence Force“, so auch auf dem vergangenen Bundeskongress

9http://www.linksjugend-solid.de/positionen/programm/#post-1130-4-5-konsequent-gegen-krieg-eine-friedliche-welt-ist-moeglich

10http://www.jungewelt.de/2014/07-21/036.php

11http://www.linksjugend-solid.de/wp-content/uploads/2013/08/Magazin_go_left_2013.pdf

12Bei uns in Hessen wurden z.B. einmal durch mangelnde Beteiligung am Wahlkampf und eine schleifende Zusammenarbeit mit der Partei Gelder von der Linken gestrichen.

13http://www.linksjugend-solid.de/positionen/programm/

14Russischer Revolutionär und Mitglied der Bolschewiki ab 1917. Er war maßgeblich an der Oktoberrevolution beteiligt, u.a. verantwortlich für den Aufbau der Roten Armee und ein wichtiger marxistischer Theoretiker.

15W. I. Lenin, Staat und Revolution, LW 25, S. 393-507

16W. I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, LW 22, S. 1919-309

17 https://www.marxists.org/deutsch/archiv/liebknechtk/1915/05/feind.htm

 

IZ-History: Wider den Zeitgeist - Gedanken über die DDR 

Rechtsanwalt Dr. Friedrich Wolff, Berlin

 

Der Zeitgeist ist mächtig. Er dringt unmerklich in uns ein, bestimmt unser Denken und Fühlen. Er hat ehemals die Deutschen verleitet, ihr Unglück in den Juden zu sehen, ihren Führer, ihre Fürsten und den Ausbruch von Kriegen zu bejubeln. Der deutsche Zeitgeist war selten ein guter Berater. Seine Väter – er hatte und hat Väter – verfolgten eigene Ziele, selten die Ziele des Volkes. Der moderne Zeitgeist empfiehlt Marktwirtschaft, Globalisierung, New Economy, Menschenrechte (wo es ihm paßt) und "schlanken Staat". Er verdammt Sozialismus, Planwirtschaft, "soziale Hängematte" und natürlich auch die DDR. Der Versuch, sich vom Zeitgeist zu befreien, wird häufig keinen "totalen" Erfolg haben. Wir tragen mehr von dem Geist in uns als wir erkennen. Dennoch soll er unternommen werden.

Die Sprache ist das bevorzugte Medium der Väter des Zeitgeistes, um die Hirne der Zeitgenossen zu lenken. Was die DDR anbelangt, lassen sie sagen "ehemalige DDR", wo immer von der DDR die Rede ist. Nie heißt es ehemaliges Drittes Reich, nie ehemalige Weimarer Republik. Wäre ja auch sprachlich wie ein weißer Schimmel. Bei der DDR ist das anders. "Ehemalig" suggeriert, die DDR ist tot, wirklich mausetot, kommt nicht wieder. Und mit ihr der Sozialismus. Da endet die Parallele zum Dritten Reich, die durch die Schlagworte "Totalitarismus", "Diktatur" beschwört werden. Nur von dem Sozialismus soll man sich verabschieden, nur vor ihm hat man Angst. Er ist endgültig gescheitert, sagt man. Der Kapitalismus, jetzt Marktwirtschaft genannt, gilt als Ende der Geschichte, als der Weisheit letzter Schluß. 

"Vollkommen gescheitert" sagt auch André Brie. Das könnte man auch von der Französischen Revolution und von der 48er Revolution sagen, sagt man aber nicht. Ihre Ideen leben weiter, auch bei André Brie. Das soll bei der DDR angeblich anders sein. Es ist aber nicht anders. Das Gerede vom "vollkommenen Scheitern" ist der Beweis. Man würde kein Wort mehr über die DDR verlieren, wenn es wirklich so wäre. Und was heißt in Bezug auf die DDR "vollkommen gescheitert"? Die DDR ist als Staat untergegangen, niemand bestreitet es, niemand muß es betonen. Mit dem Scheitern ist in Wirklichkeit der "real existierende Sozialismus" gemeint, letztlich der Sozialismus überhaupt. Man spricht es nicht aus, man suggeriert es. Das ist unangreifbarer und wirkungsvoller zugleich. 

An der DDR war nichts Gutes, darf nichts Gutes gewesen sein. Der Antifaschismus war "verordnet", die Arbeitslosigkeit war "verdeckt". Nur zu der Tatsache, dass es in der DDR keine Obdachlosigkeit gab, ist dem Zeitgeist noch kein passendes diskriminierendes Schlagwort eingefallen, etwa verordneter Wohnungszwang. Die DDR ist eben nicht nur "ehemalig", nicht nur "vollkommen gescheitert", sie war auch böse, gehörte dem "Reich des Bösen" an. Auch das ist eine der Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Wiedergeburt des Sozialismus. Die DDR war ein "Unrechtsstaat". 

Was ist ein "Unrechtsstaat"? Im dreibändigen Münchener Rechtslexikon ist der Begriff nicht zu finden. Es ist kein Rechtsbegriff, sondern ein Propagandaschlagwort. Die BRD ist dagegen ein Rechtsstaat. Dieser Begriff findet sich im besagten Lexikon. Er ist also ein Rechtsbegriff – in der BRD. Wohltuend hebt sich der Rechtsstaat vom Unrechtsstaat ab. Aber recht objektivierbar ist weder der eine noch der andere Begriff. So sagte Frau Limbach: "Unser etwas großzügiger oder leichtfertiger Umgang mit dem Gegensatzpaar Rechtsstaat – Unrechtsstaat darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Begrifflichkeit keine klare Grenzlinie bezeichnet, jenseits derer das Unrecht beginnt." (Neue Justiz 1995, Seite 283) Eigene Überlegungen scheinen angesagt. - Mir fällt ein, als wir Rechtsstaat wurden, kaufte ich mir, gleich allen meinen Nachbarn, eine einbruchshemmende Tür. Vorher hatten wir sie nicht vermißt. Soviel Unrecht wie im Rechtsstaat gab es im "Unrechtsstaat" nicht. Nicht soviel Mord und Totschlag, nicht soviel Untreue und Korruption bis in höchste Kreise. Merkwürdig. 

Der Zeitgeist sagt weiter, die DDR war die zweite deutsche Diktatur. Das suggeriert, bis Hitler herrschte in Deutschland eitel Demokratie. Der Zeitgeist hält uns für dumm, und er hat anscheinend Recht, denn auch diese These hat weite Verbreitung gefunden. Wir sind deshalb wieder stolz auf Preußen, auf die Hohenzollern und ihr Schloß. Es schert den Zeitgenossen nicht, daß der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. im März 1848 auf die Berliner mit Kanonen schießen ließ, weil sie für die Einheit Deutschlands waren und ihn zum Kaiser von Deutschland machen wollten. Es wird ihm auch nicht angerechnet, daß er neben vielen anderen den Studenten Fritz Reuter zum Tode verurteilen ließ – er hat ihn ja später zu lebenslänglich begnadigt. Für uns zählt nur, wie Honecker und Ulbricht mit ihren Dissidenten umgingen. Wir sind voll mit den Ereignissen auf dem Tienanmen-Platz beschäftigt und kämpfen gegen das Vergessen des DDR-Unrechts. Friedrich Wilhelm IV. bewahren wir ein ehrendes Andenken, war er doch der Romantiker auf dem Thron. Es bleibt also bei zweiter deutscher Diktatur. 

Und die Mauer ... Die DDR war ein Gefängnis, die Menschenrechte wurden abgeschafft, sagt der Zeitgeist. Wenn Porsch sagt, damit wurde der Frieden gerettet, ist das unverantwortliches, zynisches Geschwätz. Als die Zeiten noch andere waren, war auch ihr Geist ein anderer. Franz Josef Strauß muß ein verkappter Kommunist gewesen sein, als er 1987/88 in seiner Autobiographie schrieb: "Mit dem Mauerbau war die Krise, wenn auch in einer für die Deutschen unerfreulichen Weise, nicht nur aufgehoben, sondern eigentlich auch abgeschlossen" (S. 390). Zuvor hatte Strauß die politische Lage dieser Jahre unter anderem mit folgendem Detail illustriert: "Auf den Flugplätzen, auf denen Atomwaffen der Amerikaner gelagert waren, standen jeweils zwei deutsche Jagdbomber, atomar munitioniert, 365 Tage rund um die Uhr startbereit; sie hatten deutsche Piloten." Strauß schildert sodann, daß die Bombenziele zunächst unbekannt gewesen seien, bis er Generalmajor Schnez nach Paris zur NATO schicken durfte. Strauß fährt dann fort: "Er kam zurück und berichtete mir voller Entsetzen: ‚Um Gottes Willen, da bleibt im Falle des Falles nichts mehr übrig. Nicht nur die Zahl der Ziele, sondern auch die Wiederholung der Angriffe auf bestimmte Ziele – es ist furchtbar! Es bleibt nichts mehr übrig von Deutschland. Das ist nicht zu verantworten‘" (S. 377). Und Der Spiegel überschrieb am 26. Juli 1961 einen Bericht Walter Lippmanns über ein Gespräch mit Chruschtschow mit: "Wenn es Krieg gibt, dann um Berlin". Am 2.8.1961 schrieb das gleiche Magazin: "Meinungsforscher meldeten, 71% der Amerikaner seien bereit, für Berlin in den Krieg zu ziehen." So war also die Lage aus der Sicht des führenden CSU-Politikers und des führenden Nachrichtenmagazins. Beide sagen nicht, dass die SED für diese Lage verantwortlich war. Sie erwähnen nur die Politiker und Militärs der USA und der Sowjetunion. Bundesdeutsche kommen auch vor. Heute sagt der Zeitgeist, die PDS soll sich für den Mauerbau entschuldigen und Gorbi erhält den Friedensnobelpreis. So bewältigt der Zeitgeist die Geschichte. Er überläßt sie nicht den Historikern. Im Gegenteil, er bemächtigt sich selbst – soweit es geht – der Historiker und nutzt sie für seine Zwecke. Diese Zwecke sind politische Zwecke. Globalisierung, New Economy, Neoliberalismus verschärfen den Gegensatz zwischen Arm und Reich. Die Folgen sind vorhersehbar und werden vorhergesehen. Soziale Spannungen sind zu erwarten. Die Menschen werden nach einem Ausweg aus Armut, aus der ökologischer Krise, eben aus dem Kapitalismus suchen. Die Erinnerung an Sozialismus, an die DDR wird zur Gefahr. Das Bild der DDR, das Bild des Sozialismus muß zum Schreckensbild werden. Freiheit, Wohlstand statt Sozialismus werden versprochen. Wer es glaubt, wird selig. 

Der Zeitgeist entsteht nicht aus dem Nichts. Seine Entstehung vollzieht sich im Verborgenen. Wir entdecken ihn nur in den Reden der Politiker aller Parteien, in allen pluralistischen Medien, außer gewissen "extremistischen". Wenn alle einer einzigen Meinung sind, wenn alle dieselben einprägsamen sprachlichen Wendungen wie "ehemalige DDR", wie "Ostalgie", wie "Unrechtsstaat" benutzen, wissen wir, hier spricht der Zeitgeist. Er dringt in unser Unterbewußtsein, manipuliert, beherrscht uns. Was alle von FAZ bis TAZ sagen, muß wahr sein. 

Wer ein bißchen wider den Zeitgeist denkt, sagt schüchtern, es war doch nicht alles schlecht in der DDR. Viele sagen das, noch mehr denken es, ohne es zu sagen. Dagegen gibt es die Beschwörungsformeln von der "DDR-Nostalgie" oder "Ostalgie". Diese Jacke möchte sich niemand anziehen. Schon ist die politische Gefahr einer freundlichen Erinnerung an die DDR gebannt. Alle, die meinen, es war nicht alles schlecht, fügen hinzu, sie wollen die DDR nicht wieder haben, sind gegen "DDR-Nostalgie". 

Der Zeitgeist argumentiert nicht logisch, er agiert psychologisch. Dem widerstehen auch sozialistische Philosophen nicht. Sie sagen zum Beispiel mit dem Zeitgeist, die DDR ist "vollkommen gescheitert" und fordern programmatisch, was in der DDR zum Alltag gehörte. Man liest in ihrem Programmentwurf:

  • "Der rechtlich gesicherte Zugang für jede und jeden zu existenzsichernder Arbeit und ökologisch verantwortbarer Erwerbsarbeit ist ein Freiheitsgut ersten Ranges und Grundelement einer gerechten Gesellschaft."(Programmentwurf der PDS I, 4, 1. Satz ) Das war in der DDR verwirklicht. Heute, im Kapitalismus ist es unrealistischer Wunschtraum.


  • "Der Schutz des Lebens ist das elementarste Gut, auf das alle Menschen Anspruch haben." (Programmentwurf der PDS I, 2, 1. Satz ) Die DDR hat keinen der 202 Kriege geführt, von denen der Programmentwurf in diesem Zusammenhang berichtet.


  • "Keines der Freiheitsgüter ist gefährdeter als die irdische Natur." (Programmentwurf der PDS I, 3, 1. Satz ) Die DDR hatte zwar viele ökologische Schwachstellen, da sie nicht über die finanziellen Mittel der BRD verfügte, doch summa summarum hat sie auch auf diesem Gebiet vieles geleistet, was jetzt Wunschvorstellung ist, zum Beispiel Verlagerung des Verkehrs auf Schiene und Schiff, Vermeidung unnötiger Transportwege, Abfallvermeidung, mehr Recycling und so weiter.


  • "Die Möglichkeit der freien Aneignung von Bildung und Kultur ist zur Voraussetzung geworden, sich in der heutigen Welt bewußt zu orientieren, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und die Zukunft der Gesellschaft mit gestalten zu können." (Programmentwurf der PDS I, 5, 1. Satz ) Das war in der DDR auch erreicht.


  • "Soziale Sicherheit ist ein zentrales Gut menschenwürdigen Lebens." (Programmentwurf der PDS I, 6, 1. Satz) Soziale Sicherheit war in der DDR ebenfalls kein fernes Ziel, sondern Realität. - Von den 6 Forderungen oder Zielen des Programmentwurfs der PDS vom 27. April 2001 waren in der DDR 5 erfüllt.

Es war doch nicht alles schlecht in der DDR. 

Wenn man der DDR durch Anerkennung ihrer guten Seiten gerecht geworden ist, kann man, muß man vom Standpunkt eines Sozialisten auch ihre schlechten Seiten, ihre Mängel, Fehler und Verbrechen feststellen. Wer jedoch bei den dunklen Seiten anfängt und bei ihnen stehen bleibt, leistet der Sache des Sozialismus keinen guten Dienst. Er erliegt dem Zeitgeist, der seinerseits der bestehenden, ungerechten kapitalistischen Ordnung dient. Wer den Sozialismus will, muß die DDR-Geschichte bilanzieren, das heisst Positives und Negatives einander gegenüberstellen. 

Leisten wir uns eine Vision! Stellen wir uns vor, alle wählen PDS, alle wollen aus Deutschland einen sozialistischen Staat machen. Was würden, was müßten wir tun? Müßten wir nicht zurückblicken und fragen, wie war das damals in der DDR? Wie haben die das gemacht? Warum ist dies gelungen und jenes nicht? Dann wird es vieles geben, was man anders machen möchte, aber auch vieles, was wiederholt werden muß. Akut wäre die ahnungsschwere Frage der FAZ angesichts der Programmdebatte der PDS: Soll denn alles noch einmal von vorn anfangen? Es finge von vorn an, wie der Wissenschaftler, der nach 1000 vergeblichen, "gescheiterten" Versuchen den 1001. Versuch beginnt. Wenn man von vorn anfängt, wird man erfahren, was in der DDR geleistet worden ist, an Gutem und an Schlechtem. Wir werden natürlich auch die Erfahrungen der BRD benötigen, die positiven und die negativen. - Wenn man Sozialist ist, hofft man auf einen Neubeginn, sonst wäre man kein Sozialist. 

Das Negative beginnt mit dem Demokratiedefizit. Wir haben es schmerzhaft empfunden und erfahren, so geht es nicht. Man wird wohl auch im Sozialismus mehrere Parteien brauchen, ein lebendiges Parlament. Vielleicht auch Gewaltenteilung und ein Verfassungsgericht. Andererseits, auch die Demokratie der BRD ist alles andere als makellos. Was nützt die schönste Demokratie, wenn Regierung und Parlament zur Schaffung oder zur Vernichtung von Arbeitsplätzen nicht gehört werden, geschweige denn darüber zu befinden haben? Was nützen die demokratischsten Wahlen, wenn die Wähler nicht mehr hingehen, weil sie zwischen den Parteien keine Unterschiede mehr erkennen? Was nutzt die Gewaltenteilung, wenn die Parteien und ihre Vorstände letztlich in allen drei Gewalten das Sagen haben? Was ist überhaupt eine Demokratie wert, in der die öffentliche Meinung den Unternehmern, den Medieneigentümern ausgeliefert ist? Auch die Demokratie in der BRD verdient diesen Namen nicht. Sie weiß diese Tatsache nur besser zu kaschieren. Sie weiß, wie man den Zeitgeist formt und die Wähler manipuliert. Schon Wilhelm Busch wußte, die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber. 

Unfreiheit war in der DDR zu beklagen. Presse-, Rede-, Meinungs- und Reisefreiheit waren nicht gewährleistet. Auch hier fällt der Vergleich zu Staaten wie der BRD immer negativ aus. Doch auch hier werden nur formale politische Rechte verglichen. Natürlich kann jeder in der BRD die Regierung, die Parteien oder die Politiker kritisieren oder sogar beschimpfen, ohne vor Gericht gestellt zu werden. Es interessiert jedoch niemand und bewirkt nichts. Anders auf der Arbeitsstelle, da war der DDR-Bürger freier, konnte er mehr mitreden, kritisieren, schimpfen. Und man hörte mehr auf ihn. Politische Rechte sind leere Rechte, wenn sie auf solche Lebensinteressen wie Arbeit, Wohnung keinen Einfluß haben, weil der "schlanke Staat" nicht bestimmen kann, ob der Unternehmer seinen Betrieb schließt oder ins Ausland verlagert. Im Gegenteil, der Staat muß artig sein, damit der Unternehmer den "Standort Deutschland" (auch so ein Zauberwort) nicht verläßt. 

Der Lebensstandard in der DDR war niedriger, das Warenangebot weniger reichlich, weniger attraktiv, die Verkaufskultur geringer. Diese Tatsachen sind nicht abzustreiten. Abzustreiten ist jedoch, daß sie ein Ergebnis des realsozialistischen Systems, seiner niedrigeren Arbeitsproduktivität waren. Die Ursachen des Zurückbleibens der DDR gegenüber der BRD sind vielfältig. Die DDR war von Anfang an ärmer, sie war der ärmere Teil Deutschlands. Auch heute gibt es in Deutschland ärmere und reichere Regionen und Bundesländer. Die DDR stand unter einer ärmeren Schutzmacht als die BRD. Der Zugang zu verschiedenen Rohstoffen und Produkten war ihr durch die Wirtschaftsblockade der NATO verwehrt. Hinzu kam, Vollbeschäftigung hat keinen derartig "motivierenden" Einfluß auf die Arbeitseinstellung wie Massenarbeitslosigkeit. Das ist im Sozialismus nicht anders als im Kapitalismus, wenn es dort vorübergehend einmal Vollbeschäftigung gibt. Siegfried Wenzel hat in seinem Buch "Was war die DDR wert?" zu diesem Komplex sachkundiger eine "Abschlußbilanz" gezogen (Verlag Das Neue Berlin, 2000) . 

Der Zeitgeist wirft der DDR vor, dass sie von einer Ideologie beherrscht war und lobt ideologiefreie, pragmatische Politik. Die Ablehnung jeglicher Ideologie ist auch eine Ideologie. Es ist die Ideologie, wie es ist, ist es gut, alles soll bleiben wie es ist. Es ist die Ideologie der Marktwirtschaft. Der Zeitgeist plädiert für Besitzstandswahrung, das heisst für den Erhalt des Bestehenden, der Zeitgeist ist also bewahrend, ist konservativ. Konservativ ist aber auch ein Unwort. Man ist modern, innovativ. Konservativ werden auf einmal vom Zeitgeist diejenigen genannt, die die Verhältnisse am radikalsten verändern wollen, die Kommunisten. Sie sind konservativ, weil sie den Marxismus bewahren. Mit Worten läßt sich trefflich streiten. Forschung, Theorie und Wissenschaft sind für die Technik gut, nicht aber für die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Da sollen die Menschen dumm bleiben, sich keinen Kopf machen, keiner Ideologie folgen, die den Unterschied zwischen Arm und Reich nicht akzeptiert. Das ist besser für die Besitzenden. 

Der Zeitgeist sagt, die DDR-Bevölkerung war "indoktriniert". Richtig ist, man hat mit dem Marxismus-Leninismus versucht, den Menschen eine Überzeugung zu vermitteln. Das ist, wie man sieht, weitgehend mißlungen. Erst nach der Wende erkannten viele, wie Recht die Spötter hatten, die dem Marx-Engels-Standbild die Schärpe umhängten: "Ihr hattet ja so Recht". Richtig "indoktriniert" sind und werden wir Bundesbürger. Politiker und Unternehmer setzen mit großem Erfolg die Suggestivkraft der Medien ein. Die Medien, die vierte Gewalt, werden in den kapitalistischen Staaten zur entscheidenden politischen Kraft. Die DDR-Politiker nutzten im Gegensatz zum Dritten Reich und zur Bundesrepublik die Massenmedien, die Psychologie nicht wirksam, sie unterschätzten und verkannten sie. Sie waren borniert und glaubten, mit Marx-, Engels-, Lenin- oder gar Stalin-Zitaten das Denken der Menschen zu formen. Ein großer Irrtum. 

Viel denk ich an die DDR, viel müßte man über sie schreiben, aber vom Zeitgeist muß man sich dabei lösen. Er wechselt. Schon die Bibel wußte: Heute rufen sie "Hosianna" und morgen "Kreuziget ihn". Wer in Deutschland alt genug ist, hat das schon mehrfach erlebt. Wer jung genug ist, wird es noch erleben.

http://archiv2007.sozialisten.de/politik/publikationen/kpf-mitteilungen/view_html?zid=4278&bs=1&n=2