Blockupy: Unruhen und brennende Barrikaden und Autos in Frankfurt

Blockupy 2015 - Zur Eröffnung des Frankfurter Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) protestieren Aktivisten aus verschiedenen Ländern in Frankfurt

Polizei heizt Stimmung mit massiver Brutalität auf - Versuch der Erstürmung einer Polizeistation

Zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt es heute bei den Protesten der Blockupy-Bewegung anlässlich der Neu-Eröffnung des EZB-Wolkenkratzers in Frankfurt. 

Laut der Linkenvorsitzenden Katja Kipping demonstriert die "große Mehrheit" in Frankfurt friedlich und mit Aktionen des zivilen Ungehorsams. Der Protest-Aufruf der Linken habe ausdrücklich friedliche Aktionen vorgesehen, heißt es in einer Mitteilung.

Kipping schränkte allerdings ein: "Leider haben sich nicht alle an diesen Konsens gehalten." Eine Schuld an der Eskalation gab die Linken-Chefin der Polizei: Teile der Polizei hätten die "Stimmung mit aufgeheizt".

Die Organisatoren des Blockupy-Bündnisses haben sich von der Gewalt bei den Protesten in Frankfurt distanziert. Er sei "sehr betrübt", sagte der hessische Linken-Abgeordnete und Mitorganisator Ulrich Wilken bei einer Pressekonferenz.

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Die Organisatoren hätten sich die Proteste "ganz anders vorgestellt" und wollten nun alle Kraft daran setzen, dass die weiteren Demos am Nachmittag "bunt, laut, aber friedlich" verliefen.

Seit 5.50 Uhr habe es in der Stadt 47 Brandeinsätze gegeben, heißt es in einer Twittermeldung. Es brannten demnach Barrikaden, Müllbehälter und Autos, darunter auch zwei Polizeiwagen.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit bei solchen linken Großdemos Provokateure und  VS- Geheimdienstspitzel in zivil, die eine Eskalation der Gewalt als verkleidete Randale- Demonstranten absichtlich herbeiführen um die Bewegung zu diskreditieren und den Fokus auf die Gewalt statt auf die berechtigte antikapitalistische Sache selber zu lenken. 

Wilken sagte zugleich, er habe "großes Verständnis für Wut und Empörung" der Menschen, die von einer Verelendungspolitik in Europa betroffen seien.

Mitorganisator Christoph Kleine kritisierte das Vorgehen der Polizei in Frankfurt scharf. Es habe eine "massive Polizeibrutalität" gegeben. Nach Schätzungen von Blockupy hätten am Mittwochmorgen etwa 6000 Menschen an den Protesten teilgenommen. Über 10 000 Menschen werden erwartet.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel hat die von schweren Ausschreitungen überschatteten Demos in Frankfurt mit den Protesten für mehr Demokratie in der Ukraine verglichen. „Auf dem Maidan in Kiew waren Rauchschwaden für die Presse Zeichen der Freiheitsbewegung“, schrieb Hänsel am Mittwoch bei Twitter. Gegen das kapitalismuskritische Blockupy-Bündnis, das in Frankfurt gegen die EZB demonstrierte, betreibe die Presse hingegen Stimmungsmache. Auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew hatte es bis 2014 monatelang teils blutige Proteste gegen den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch gegeben.

Hänsel vergißt aber zu erwähnen, dass die Maidanbewegung von drei rechtsradikalen Parteien - darunter die faschistische Swoboda-Partei und ihrer "SS" dem Rechten Sektor getragen wurde, während diese kapitalismuskritische Bewegung von linken und antifaschistischen Bewegungen getragen wird.  US Präsident Obama hat mittlerweile auch zugegeben, dass der Putsch in der Ukraine von oben mithilfe der USA inszeniert worden war. Die Nazis auf dem Maidan waren zudem von Oligarchen wie Poroschenko bewaffnet worden.  Die den Aufstand verschärfenden Sniper kamen  aus den Reihen der jetzigem Machthaber. Damals hat die politische Klasse diese Gewalt der Straße trotzdem bejubelt.

Heute verurteilt SPD Chef Gabriel die angebliche Gewalt der Straße pauschal. Auch scheinheilige Grüne wie al-Wazir legen die Betonung auf die Krawalle statt auf die berechtigten Proteste gegen die EZB und den Zocker-Kapitalismus der Finanzmärkte und der Oligarchen. 

Von der Protest-Versteher - Kultur, die SPD udn Grüne gegenüber der gewaktsamen Maidanbewegung an den Tag legten ist gegenüber dr eigene Bevölkerung nichts zu spüren - obwohl sie nicht mal wissen, von wem die Gewalt wirklich ausgegangen ist. Die Poliizei versuchtauch dor ein seinseitiges Bild zu vermitteln.

Die Polizei hat bei Twitter ein Video veröffentlicht, das eine Attacke von Randalierern auf das 1. Polizeirevier zeigen soll. Zu sehen sind darauf mehrere Dutzend schwarz gekleidete und zum Teil vermummte Demonstranten, die Steine werfen und Polizeiwagen angreifen. Mehrere Streifenwagen stehen in Flammen.

Wahrscheinlicher ist es aber, dass die Gewalt von der Polizei ausging, wie viele Beteiligte berichten, die von brutalster und massiver Polizeigewalt sprechen.

 

 

Linker Liebknecht-Kreis der Linkspartei Sachsen etabliert sich 

Linke Linke fordert schärferes sozialistisches Profil 

Weit gefährlicher als theoretische Angriffe sind praktische Verleugnungen unserer Prinzipien.

Volker Külow ( Linke Leipzig) referierte den  Gründungsaufruf, der für mehr sozialistischen Pluralismus in der sächsischen Linken eintritt und zugleich die Schärfung des Profils der Landespartei »als kämpferische und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung« fordert.

Auszug

Eine Reihe von parteiinternen Ereignissen der letzten Wochen, nicht zuletzt die Erklärung von Sahra Wagenknecht zu Vorgängen in der Bundestagsfraktion, haben deutlich gemacht: Der Zustand unsere Partei, auch ihrer Führungsgremien, lässt zu wünschen übrig. Genossinnen und Genossen mit Reputation wie Dora Heyenn in Hamburg und Manfred Sohn in Niedersachsen werden fast wie politische Gegner behandelt. Der Kreisvorstand von Stralsund tritt nahezu geschlossen zurück. Es geht bei diesen Dingen nur vordergründig um Personalfragen. Primär geht es um inhaltliche Probleme und tiefgreifende Differenzen. Das Streiten um tragfähige Positionen ist notwendig. Aber der Streit führt bei uns selten zu gemeinsamen Positionen.

Die Partei dividiert sich auseinander, weil sich unter dem Druck vor allem medialer Kampagnen und Anpassung einander unvereinbare Positionen verhärten und Konflikte zuspitzen. Die Partei Die Linke verliert an solidarischem Zusammenhalt. Es ist in der Hauptsache ein Streit um zwei Linien der Politik, die nicht miteinander vereinbar sind.

Unverwechselbare Alleinstellungsmerkmale, wie sie im Erfurter Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2011 stehen, werden verwässert: Antikriegspartei, Partei der sozialen Gerechtigkeit, Partei der Aufklärung über die gesellschaftlichen Zustände und last but not least Partei einer gerechten Sicht auf den Sozialismusversuch DDR. Es ist sicher ein gewagter Vergleich, aber er drängt sich auf: Während die SPD seinerzeit über 20 Jahre brauchte, um sich vom Erfurter Programm von 1891 zu verabschieden, geht es bei Die Linke augenscheinlich heutzutage wesentlich schneller. Polemisch lässt sich sogar fragen, ob dieses Programm in bestimmten Teilen der Partei überhaupt jemals angekommen ist.

Die Verteidigung unserer programmatischen Grundsätze von Erfurt ist aber unabdingbar, es ist die Voraussetzung unserer weiteren Existenz als sozialistische Partei. Wenn wir sie aufgeben, werden wir zu einer zweiten Sozialdemokratie in Deutschland, die bekanntlich nicht gebraucht wird. Die Bundesrepublik benötigt vielmehr eine solidarische, kämpferische sozialistische Partei, die vorrangig für die Interessen der abhängig Beschäftigten und Prekarisierten kämpft. Von dieser Hauptfunktion ist derzeit unser Erscheinungsbild aber zu wenig geprägt. Sozialistischer Pluralismus ist ein wichtiges Prinzip unserer Partei. Politische Beliebigkeit, wie sie sich ausbreitet, ist davon das genaue Gegenteil. Wenn sie an die Stelle klarer Aussagen und an die Stelle unserer programmatischen Grundsätze tritt, bewirkt sie die Zerstörung der Linken als sozialistische Kraft. Und das wäre verheerend angesichts der gegenwärtigen internationalen und nationalen Rahmenbedingungen.

Verweigerung der Debatte

Im Landesverband der Linken im Freistaat Sachsen laufen die Entwicklungen in besonderer Weise falsch. Was beunruhigt uns seit längerer Zeit? Erstens beunruhigen uns die Verflachung unseres linken Profils und, als Resultat dessen, der abnehmende politische Einfluss unserer Partei im gesellschaftlichen Diskurs und bei Wahlen. Wir sind der Auffassung, dass der Landesvorstand auf eine Reihe strategischer Herausforderungen im Zusammenhang mit der Stabilität der CDU-Herrschaft in Sachsen falsche Antworten gegeben hat.

In der Opposition gegen diese Herrschaft sind wir nicht erstarkt – ganz im Gegenteil: Über zehn Jahre hinweg hat die Partei Die Linke in Sachsen von Wahl zu Wahl deutlich Prozentpunkte und geradezu dramatisch Wählerinnen und Wähler verloren. Bereits bei den Landtagswahlen 2009 haben wir gegenüber denen von 2004 drei Prozentpunkte und 120.000 Wählerstimmen eingebüßt. 2014 verloren wir gegenüber 2009 noch einmal 1,7 Prozent und 60.000 Stimmen. Verluste hatten wir in fast allen Berufsgruppen und Jahrgängen zu verzeichnen.

Der Landesvorstand hat auf diese sich schon im Vorfeld der Landtagswahlen 2014 abzeichnende negative Entwicklung in völliger Verkennung der Ursachen mit einer Verflachung statt mit einer Schärfung unseres linken, sozialistischen Profils reagiert. Sie erfolgte in fünffacher Hinsicht: Erstens setzte der Landesvorstand auf »stille Opposition« und reduzierte die Kritik an der CDU-geführten Landesregierung. Es gab zweitens ein wenig profiliertes Wahlprogramm und eine diffuse Strategie, in der es von Allgemeinplätzen wimmelte. Unsere Kernbotschaft im Wahlkampf war ein bedingungsloses Ja zu »Rot-Rot-Grün«; sogar auf das Amt des Ministerpräsidenten wollte man verzichten. Drittens wurden vor und nach der Landtagswahl Positionen vertreten bzw. verkündet, die im Erfurter Programm keine Grundlage haben. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse fand Zustimmung. Es gab ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft als angeblich tragendem Prinzip im 21. Jahrhundert. Unsere Partei sollte darüber hinaus das Etikett »Wir sind die neue Mittelstandspartei« erhalten. Viertens fabulierte der Landesvorstand über eine parlamentarische Mehrheit bzw. eine gegebene »Machtalternative« in Sachsen für eine Regierung von Die Linke, SPD und Grünen nach den Landtagswahlen. Das war klare Realitätsverweigerung. Tatsächlich existierte zu keinem Zeitpunkt eine Wechselstimmung in Sachsen. Stanislaw Tillich lag nach Umfragen vor der Landtagswahl bei über 60 Prozent. Fünftens wurden Kritikern dieses Kurses aussichtsreiche Plätze auf der Landesliste verwehrt. Es bestätigt sich der Hinweis von Karl Liebknecht: »Weit gefährlicher als theoretische Angriffe sind praktische Verleugnungen unserer Prinzipien.«

Was beunruhigt zweitens? Seit den Landtagswahlen sind wir damit konfrontiert, dass alle Versuche von Genossinnen und Genossen, diese Fehlentwicklungen zu thematisieren und zu korrigieren, weitgehend abgeblockt wurden. Eine kritische Analyse der Wahlergebnisse und des Wahlkampfes im Landesvorstand im von ihm selbst beschlossenen Verfahren fand bislang kaum statt. Die bisherige Auswertung insbesondere in Form der drei Regionalkonferenzen in Dresden, Chemnitz und Leipzig trug weitgehend Alibicharakter. Sie waren eindeutig angelegt als Veranstaltungen zur Legitimation der gescheiterten Strategie des Landesvorstandes. Kritische Genossinnen und Genossen konnten ihre Meinung zwar sagen, hatten aber durch die Dramaturgie und die zahlreich mitgereisten »Schlachtenbummler« keine echte Chance, wirklich Gehör zu finden. Nachdrücklich wurden sie zumeist belehrt, wie sie die Dinge zu sehen haben.

Mehr innerparteiliche Demokratie

Liebe Genossinnen und Genossen, all das macht deutlich: Innerparteiliche Demokratie und deren Wahrnehmung im Interesse einer sozialistischen Erneuerung der Linken in Sachsen sind zum Gebot der Stunde geworden. Innerparteiliche Demokratie bedeutet Rechte und Regeln, deren Anwendung dafür sorgt, dass zum einen der eigentliche Souverän in der Partei tatsächlich die Mitgliedschaft ist und zum anderen eines gewährleistet wird: die programmatischen Grundsätze sind bindend für alle. Auch für den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In unserem Statut sind Rechte, Regeln und auch Strukturen verankert, die dies ermöglichen. Wir wollen sie mit Leben erfüllen. Einen Selbstregulierungsmechanismus zur Einhaltung unserer programmatischen Grundsätze gibt es allerdings nicht. Alles hängt davon ab, ob die Basis sie verteidigt.

Gründungsdokumente des Liebknecht-Kreises Sachsen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Leipzig, 14. März 2015

Am Samstag konstituierte sich in Leipzig nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit der Liebknecht-Kreis Sachsen als Zusammenschluss innerhalb des sächsischen Landesverbandes der Partei Die Linke. Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - darunter mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete - aus fast allen Kreisverbänden beschlossen einen Gründungsaufruf, der für mehr sozialistischen Pluralismus in der sächsischen Linken eintritt und zugleich die  Schärfung des Profils der Landespartei „als kämpferische und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung“ fordert. 

Ehrengast Hans Modrow und Gastgeber
Dr. Volker Külow


 

 

 

 

 

 

 

 

 

In ihren einführenden Diskussionsbeiträgen skizzierten Hans Modrow, Vorsitzender des Ältestenrates der Partei, und Volker Külow, Vorsitzender der Leipziger Linken, die derzeitigen außen- und innenpolitischen Rahmenbedingungen für das Wirken der Partei und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für den weiteren Kurs des mitgliederstärksten Landesverbandes. 

Die Arbeit des Liebknecht-Kreises wird künftig von einem quotieren zwölfköpfigen SprecherInnenrat geleitet.

Gründungsdokumente 
(bitte jeweils anklicken):

Israel bleibt rassistisch - Es bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera 

Schlange stehen: Viele Israelis machten am Dienstag von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Die Wahlbeteiligung war ähnlich hoch wie vor zwei Jahren.

Bei vorzeitigen Neuwahlen sind ca. 6 Mio. Israelis zur Wahl eines neuen Parlamentes aufgerufen. Etwa 20 % der Israelis sind Araber und Muslime.

Der Rechtszionist Netanjahu, der eine Zweistaatenlösung und den Frieden mit den Palästinensern strikt ablehnt, hat Chancen mit seinem Likud-Block erneut Regierungschef des Landes zu werden.

Die ebenso rechtspopulistisch-völkisch denkende Arbeitspartei hat ein Gegenbündnis zu Netanjahu geschaffen, das sich auch als "zionistisches Lager" bezeichnet und an dessen Spitze der Rechts-Sozialdemokrat Isaac Herzog steht.  Nach letzten Umfragen könnte sich dieses Bündnis ein Kopf-an -Kopf-Rennen mit Netanjahu liefern.

Aber es würde sich nicht viel ändern, wenn Herzog Regierungschef werden würde, weil auch er nur in der Vergangenheit verbal für eine Zweistaatenlösung ist, die es aber auch unter der Führung der Arbeitspartei nicht geben wird. Inzwischen lehnt auch er die Umsetzung des 1947 gefaßten Beschlußes der Völkergemeinschaft ab. Eine Zweistaatenlösung und somit FriedenmitdenPalästinensern sowie eine gerchte Lösung des hahostkonfliktes will auch dieser Block nicht mehr. 

Einziger Hoffnungsschimmer sind Parteien wie Hadach, die sich gleichberechtigt aus Arabern und Hebräern zusammensetzt. Die Linke verfügt bisher über 3 Sitze in der Knesset. Sie hat aber wegen der erhöhten Sperrklausel nur im Bündnis mit anderen anti-zionistischen Gruppen eine Chance überhaupt ins Parlament zu kommen.   

Die neu gegründete arabische Liste setzt sich deshalb aus vier sehr unterschiedlichen Parteien zusammen: Sie ist gleichzeitig marxistisch und islamisch sowie antizionistisch geprägt.

Es ist eine Mussehe, zu der Lieberman sie gezwungen hat, denn er hatte die Knesset dazu angestachelt, die Wahlhürde anzuheben, um die kleinen arabischen Parteien daraus zu vertreiben,stellt der friedensaktivisturi Avnery fest.

Der Rassist Lieberman von der Beitenu-Partei, der auch schon Vize-Regierungschef und Außenminister unter Netanjahu war,  hat in TV-Talkshows auch schon Hasstiraden in Richtung dieser Liste ausgestoßen. Der Spitzenkandidat Odeh sei in Israel gar unerwünscht und er solle lieber in Gaza kandidieren. Bis zu 13 Sitze könnten es werden, was eine Revolution für Knesset-Verhältnisse bedeuten würde. 

 Als Reaktion bildeten die vier kleinen Parteien deshalb die große Gemeinsame Liste, die jetzt in den Umfragen sogar  den dritten Platz nach den beiden großen Parteien einnimmt.

Die Araber in Israel sind Bürger zweiter Klasse, sie werden diskriminiert und politisch verfolgt.In den besetzten Gebietengibtes sogar einApartheidsystem, desses Rassentrennungspolitik sowohl Likud als auch die Arbeitspartei im Grundsatz mitträgt. Was wäre also menschlicher für einen fortschrittlichen jüdischen Bürger, als für ihre Liste zu stimmen?

Zudem gibt es neben säkularen Abspaltungen der beiden großen Parteien noch weitere fundamentalistische "Zentrumsparteien", die sich einen der beiden Lager anschliessen könnten. Dazu gehören auch die jüdisch- fundamentalistischen Parteien, die also keine Singularität im Islam haben. 

Zwei orthodoxe Parteien sind da insbesondere zu nennen: Die orientalische Schas-Partei und das aschkenasische "Tora-Judentum". Sie glauben an Gott und an Geld und Gott sagt ihnen vielleicht, sie sollten der Koalition beitreten, die das meiste Geld für ihre Einrichtungen anbietet, meint Uri Avnery.

 

 

Israel bleibt rassistisch - Es bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera 

Der Rechtszionist Netanjahu, der eine Zweistaatenlösung und den Frieden mit den Palästinensern strikt ablehnt, hat Chancen mit seinem Likud-Block erneut Regierungschef des Landes zu werden.

Die ebenso rechtspopulistisch-völkisch denkende Arbeitspartei hat ein Gegenbündnis zu Netanjahu geschaffen, das sich auch als "zionistisches Lager" bezeichnet und an dessen Spitze der Rechts-Sozialdemokrat Chain Herzog steht.  Nach letzten Umfragen könnte sich dieses Bündnis ein Kopf-an -Kopf-Rennen mit Netanjahu liefern.

Aber es würde sich nicht viel ändern, wenn Herzog Regierungschef werden würde, weil auch er nur verbal für eine Zweistaatenlösung ist, die es aber auch unter der Führung der Arbeitspartei nicht geben wird. 

Einziger Hoffnungsschimmer sind Parteien wie Hadach, die sich gleichberechtigt aus Arabern und Hebräern zusammensetzt. Die Linke verfügt bisher über 3 Sitze in der Knesset. Sie hat aber wegen der erhöhten Sperrklausel nur im Bündnis mit anderen anti-zionistischen Gruppen eine Chance überhaupt ins Parlament zu kommen.   

Die neu gegründete arabische Liste setzt sich deshalb aus vier sehr unterschiedlichen Parteien zusammen: Sie ist gleichzeitig marxistisch und islamisch sowie antizionistisch geprägt.

Es ist eine Mussehe, zu der Lieberman sie gezwungen hat, denn er hatte die Knesset dazu angestachelt, die Wahlhürde anzuheben, um die kleinen arabischen Parteien daraus zu vertreiben,stellt der friedensaktivisturi Avnery fest.

 Als Reaktion bildeten die vier kleinen Parteien deshalb die große Gemeinsame Liste, die jetzt in den Umfragen sogar  den dritten Platz nach den beiden großen Parteien einnimmt.

Die Araber in Israel sind Bürger zweiter Klasse, sie werden diskriminiert und politisch verfolgt.In den besetzten Gebietengibtes sogar einApartheidsystem, desses Rassentrennungspolitik sowohl Likud als auch die Arbeitspartei im Grundsatz mitträgt. Was wäre also menschlicher für einen fortschrittlichen jüdischen Bürger, als für ihre Liste zu stimmen?

Zudem gibt es neben säkularen Abspaltungen der beiden großen Parteien noch weitere fundamentalistische "Zentrumsparteien", die sich einen der beiden Lager anschliessen könnten. Dazu gehören auch die jüdisch- fundamentalistischen Parteien, die also keine Singularität im Islam haben. 

Zwei orthodoxe Parteien sind da insbesondere zu nennen: Die orientalische Schas-Partei und das aschkenasische "Tora-Judentum". Sie glauben an Gott und an Geld und Gott sagt ihnen vielleicht, sie sollten der Koalition beitreten, die das meiste Geld für ihre Einrichtungen anbietet, meint Uri Avnery.

 

 

Griechischer Finanzminister Varoufakis über die Aktualität von Karl Marx 

Von Jannis Varoufakis

Der Freidenker

Auszüge

Im Jahr 2008 erlebte der Kapitalismus zum zweiten Mal in seiner Geschichte einen Krampfanfall von globalen Ausmaßen. Die Finanzkrise setzte eine Kettenreaktion in Gang, die Europa in eine nicht enden wollende Abwärtsspirale stürzte. Die Lage, in der sich der Kontinent momentan befindet, bedroht nicht nur einzelne Gruppen, Klassen oder Länder. Sie bedroht die gesamte Zivilisation, wie wir sie kennen.

Wenn meine Prognose zutrifft und wir es nicht nur mit einer weiteren zyklischen Krise zu tun haben, ergibt sich daraus für die Linke die Frage: Sollten wir die Krise des europäischen Kapitalismus nutzen, um ihn durch ein besseres System zu ersetzen? Oder sollten wir über die momentane Situation so besorgt sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um das herrschende System zu stabilisieren?

Für mich ist die Antwort klar. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Krise in Europa einer besseren Alternative zum Kapitalismus den Weg ebnet. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie gefährlich-regressive Kräfte entfesselt, die eine humanitäre Katastrophe verursachen könnten. Für diese Einschätzung wurde ich von manchen Linken als „Defätist“ bezeichnet, der das sozioökonomische System Europas retten will, das für all das steht, wogegen Linke kämpfen sollten: nämlich gegen eine undemokratische, neoliberale, völlig irrationale EU. Und ja, ich muss zugeben, diese Kritik tut weh. Weil sie mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthält.

Ich teile die Einschätzung, dass die Europäische Union ein gewaltiges Demokratie-Defizit hat und die Währungsunion falsch konstruiert ist. Ich bin auch überzeugt, dass diese beiden Faktoren, die von den Eliten geleugnet werden, zwei der Hauptursachen für die anhaltende Rezession sind, unter der viele Menschen seit Jahren leiden. Ich würde auch viel lieber für eine radikale Agenda eintreten, die darauf abzielt, den Kapitalismus durch ein vernünftigeres System zu ersetzen. Aber ich will erklären, warum ich denke, dass ein Zusammenbruch des europäischen Kapitalismus – so dysfunktional dieser auch sein mag – um jeden Preis vermieden werden muss. Ich will radikale Linke davon überzeugen, dass wir eine widersprüchliche Mission zu erfüllen haben: Wir müssen den freien Fall des europäischen Kapitalismus aufhalten, um die Zeit zu gewinnen, die wir für das Ausarbeiten einer Alternative brauchen.

Berater bei Papandreou

Als ich mir 1982 ein Thema für meine Doktorarbeit aussuchte, wählte ich absichtlich ein durch und durch mathematisches. Marx’ Denken spielte in diesem Bereich keine Rolle. Als ich später eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug, unterrichtete ich an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, die mich beriefen, stets eine Art von neoklassischer Wirtschaftstheorie, in der für Marx kein Platz vorgesehen ist. Ende der 80er stellte man mich an der Universität Sydney sogar ein, um so einen linken Kandidaten an der Fakultät zu verhindern – das erfuhr ich allerdings erst später.

Als ich 2000 nach Griechenland zurückkehrte, begann ich, für George Papandreou zu arbeiten. Ich dachte, ich könnte ihm helfen zu verhindern, dass eine wiedererstarkende Rechte die Regierung übernimmt. Denn diese war wild entschlossen, Griechenland zu einem von Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus geprägten Land zu machen. Wie heute jeder weiß, ist Papandreous Partei aber nicht nur daran gescheitert, der Fremdenfeindlichkeit etwas entgegenzusetzen. Sie verantwortete am Ende sogar eine äußerst aggressive neoliberale Politik, die mit ihrer sogenannten Bankenrettung – wenn auch unbeabsichtigt – dafür sorgte, dass wieder Nazis auf den Straßen von Athen marschierten. Obwohl ich Anfang 2006 meinen Job als Papandreous Berater aufgab und zu einem der entschiedensten Kritiker seines Krisenmanagements wurde, hatten meine öffentlichen Interventionen aber mit Marxismus nicht das Geringste zu tun.

Dennoch: Karl Marx hat meine Sicht auf die Welt entscheidend geprägt. Von meiner Jugend bis heute. Das ist etwas, worüber ich in „vornehmer Gesellschaft“ nicht offen rede, denn die meisten Leute schalten sofort auf Durchzug, wenn sie den Namen des Bärtigen nur hören. Aber warum komme ich dann jetzt darauf zu sprechen, wenn ich ihn während meiner wissenschaftlichen Karriere weitgehend ignoriert habe und auch meine aktuellen politischen Empfehlungen unmöglich als marxistisch beschrieben werden können? Die Antwort ist einfach: Selbst meine nicht-marxistische Ökonomie folgt Marx’ Methode der immanenten Kritik, die die Grundsätze des Gegners akzeptiert, um ihm dann nachzuweisen, dass seine eigenen Ableitungen zu diesen Annahmen in Widerspruch stehen.

Man kann natürlich auch alternative Theorien entwickeln und hoffen, dass diese ernst genommen werden, aber nach meiner Erfahrung lassen die Herrschenden sich niemals von Theorien beunruhigen, die von anderen Annahmen als ihren eigenen ausgehen. Die etablierte neoklassische Wirtschaftswissenschaft lässt sich – wenn überhaupt – durch nichts anderes verunsichern als durch den Nachweis der inneren Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Modelle. Aus diesem Grund habe ich mich von Anfang an mit der neoklassischen Theorie beschäftigt und so gut wie keine Energie darauf verwandt, alternative Kapitalismusmodelle zu entwickeln. Meine Beweggründe hierfür waren aber marxistische.

Wenn man mich jedoch bat, mich zu der Welt zu äußern, in der wir leben, konnte ich gar nicht anders, als auf die marxistische Tradition zurückzugreifen, die mein Denken prägt, seit mein Vater mir als Kind die Auswirkungen des technischen Fortschritts auf den historischen Prozess vor Augen führte. Mein Vater war Metallurg und Chemieingenieur. Er erklärte mir, wie zum Beispiel der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit die Geschichte vorantrieb; wie die Entdeckung des Stahls die Dinge noch einmal beschleunigte; und wie schließlich die auf Silicium basierenden IT-Technologien unsere Welt wieder völlig veränderten.

Dass ich schon sehr früh Bekanntschaft mit Marx’ Schriften gemacht habe, lag aber auch daran, dass ich in einer besonderen Zeit aufwuchs. Griechenland war gerade dabei, den Albtraum der neofaschistischen Diktatur von 1967 bis 1974 abzuschütteln. An Marx faszinierte mich sein Talent, ein Drehbuch der Geschichte, ja der Verdammnis der Menschheit zu schreiben, in dem aber immer die Möglichkeit zur Erlösung enthalten war. Die Arbeiter, Kapitalisten, Funktionäre und Wissenschaftler, die seine Erzählung als Akteure der Geschichte bevölkerten, bedienten sich im Zuge der Selbstermächtigung der Vernunft und der Wissenschaft. Sie entfesselten dabei entgegen ihrer Absichten aber dämonische Kräfte, die sie ihrer Freiheit und Menschlichkeit beraubten.

Die dialektische Sichtweise, in der alles auch sein Gegenteil hervorbringt, und der scharfe Blick, mit dem Marx in einer der veränderungsfeindlichsten Gesellschaftsstrukturen überhaupt das Potenzial zur Veränderung wahrnahm, half mir, die großen Widersprüche der kapitalistischen Epoche zu begreifen. Sie lösten für mich das Paradox eines Zeitalters auf, das im selben Moment atemberaubenden Reichtum und noch nie gesehene Armut hervorbrachte. Heute, wenn wir uns der Krise in Europa, in den USA und der anhaltenden Stagnation des japanischen Kapitalismus zuwenden, verstehen die meisten Kommentatoren nicht den dialektischen Prozess, der sich vor ihren Augen abspielt. Sie erkennen den Schuldenberg und die Verluste des Bankensektors, vernachlässigen aber die andere Seite: den gewaltigen Berg an Sparguthaben, die aus Angst eingefroren auf den Konten liegen, statt produktiv investiert zu werden.

Einer der Hauptgründe, warum viele Beobachter unsere Realität nicht wirklich begreifen, liegt darin, dass sie nie das dialektische Spannungsverhältnis der „gemeinsamen Produktion“ von Schulden und Überschüssen, Wachstum und Arbeitslosigkeit, Reichtum und Armut, ja: von Gut und Böse verstanden haben. Marx’ Drehbuch hat uns gezeigt, dass diese binären Oppositionen die Quelle für die Durchtriebenheit der Geschichte sind.

Bereits während meiner ersten Gehversuche als Ökonom gelangte ich zur Überzeugung, dass Marx eine Entdeckung gemacht hatte, die im Zentrum einer jeden ernst zu nehmenden Analyse des Kapitalismus stehen muss. Es handelt sich um eine weitere binäre Opposition in der Natur der menschlichen Arbeit, und zwar zwischen deren beiden recht verschiedenen Eigenschaften, I) eine wertbildende Tätigkeit zu sein, die niemals im Voraus quantifiziert und deshalb unmöglich zur Ware werden kann, und gleichzeitig II) in Arbeitsstunden quantifizierbar, käuflich und damit eine Ware zu sein, die ihren Preis hat.

Dieser widersprüchliche Doppelcharakter der Arbeit, der sie von anderen produktiven Faktoren unterscheidet, spielte in der bürgerlichen politischen Ökonomie vor und nach Marx keine Rolle. Die etablierte Wirtschaftswissenschaft weigert sich bis heute vehement, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Ohne diese Einsicht kann die Tendenz des kapitalistischen Wirtschaftssystems, Krisen hervorzubringen, aber niemals völlig verstanden werden.

In dem Science-Fiction-Klassiker Die Körperfresser kommen von 1953 greift die Armee der Aliens die Menschen nicht von außen an, sondern übernimmt sie von innen heraus, bis nichts von ihrem Geist und ihren Gefühlen mehr übrig bleibt. Ihre Körper sind dann nur noch willenlose Hüllen, die vom Kern der menschlichen Natur „befreit“ wurden. So ähnlich würde es aussehen, wenn die menschliche Arbeit sich vollständig in die Modelle der Vulgärökonomen einfügen ließe.

Jede Wirtschaftstheorie, die davon ausgeht, menschliche und nicht-menschliche Faktoren seien beliebig austauschbar, unterstellt, dass die Entmenschlichung der Arbeit bereits vollständig erfolgt sei. Wäre das möglich, würde dies allerdings das Ende des Kapitalismus als eines Werte schaffenden und verteilenden Systems bedeuten. Sollte es dem Kapital jemals gelingen, die Arbeit vollständig zu quantifizieren und damit zu einer Ware zu machen wie jede andere, wird es gleichzeitig diese unbestimmte, widerspenstige menschliche Freiheit auslöschen, die der Arbeit innewohnt. Und die es ermöglicht, dass ein Wert entsteht.

Freiheit als eigene Kategorie

Marx’ großartiges Verständnis des Wesens der kapitalistischen Krise bestand genau darin: Je mehr es dem Kapitalismus gelingt, Arbeit in eine Ware wie jede andere zu verwandeln, desto geringer ist der Wert einer jeden Produkteinheit, die sie schafft. Desto niedriger ist die Profitrate und desto näher letztlich die nächste Rezession. Marx war der Einzige, der erkannt hat, dass die menschliche Freiheit eine ökonomische Kategorie darstellt. Dies hat ihm ermöglicht, die Tendenz des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu Krise, Rezession und Depression mit großer analytischer Scharfsinnigkeit zu interpretieren.

In einer Zeit, in der die Neoliberalen die Mehrheit der Gesellschaft mit ihrer Theorie umgarnt haben und gebetsmühlenartig erklären, die Produktivität der Arbeit müsse erhöht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und Wachstum zu generieren, bietet Marx’ Analyse ein starkes Gegengift. Das Kapital kann bei seinem Versuch, die Arbeit in einen unendlich elastischen, mechanisierten Input zu verwandeln, niemals gewinnen, ohne selbst dabei zugrunde zu gehen. Das ist es, was weder Neoliberale noch Keynesianer jemals begreifen werden.

Heute würdigen fast alle Denkschulen, einschließlich einiger Ökonomen, Marx als einflussreiche Figur der Geistesgesichte. Im selben Atemzug behaupten sie aber, sein Beitrag habe heute keine große Relevanz mehr. Ich sehe das anders. Abgesehen davon, dass er das grundlegende Dilemma der kapitalistischen Dynamik genau erfasst hat, hat Marx mir auch die Werkzeuge an die Hand gegeben, um mich gegen das Gift des Neoliberalismus zu immunisieren. Nur ein Beispiel: Man kann nur allzu leicht der Vorstellung erliegen, Reichtum werde privat produziert und dann mittels Steuern von einem quasi-illegitimen Staat angeeignet. Wer aber bei Marx einmal gelernt und verstanden hat, dass das genaue Gegenteil der Fall ist – Reichtum wird kollektiv produziert und dann aufgrund der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse und Eigentumsrechte privat angeeignet –, fällt darauf nicht mehr rein.

Warum nenne ich mich aber einen erratischen Marxisten? Nachdem ich gezeigt habe, was ich Karl Marx alles verdanke, muss ich auch erklären, warum ich mich oft schrecklich über ihn ärgere und mich eher als erratischen, denn als marxistischen Marxisten bezeichne. Marx hat zwei schwere Fehler begangen. Und diese behindern die Wirkungsmacht der Linken noch heute, insbesondere in Europa.

Marx’ erster Fehler bestand darin, dass er nicht genügend darüber nachdachte, welchen Einfluss seine Theorie auf die Welt haben würde. Seine Theorie ist diskursiv außergewöhnlich stark, dessen war er sich bewusst. Wie ist es also möglich, dass er sich keine Gedanken darüber machte, dass seine Schüler, also Leute, die diese überzeugenden Ideen besser begreifen konnten als der durchschnittliche Arbeiter, die Macht, die sie ihnen verliehen, dazu nutzen könnten, sich über ihre Genossen zu erheben? Dieses Versäumnis kann ich Marx aber noch verzeihen, er war ja kein Prophet.

Sein zweiter Fehler wiegt wesentlich schwerer – und ich bin nicht bereit, ihm diesen zu verzeihen. Er besteht in der Annahme, die Wahrheit über den Kapitalismus könne in der Mathematik seiner Modelle gefunden, also quasi mathematisch bewiesen werden. Das war der schlimmste Bärendienst, den er seiner Theorie erweisen konnte. Derselbe Mann, der uns die menschliche Freiheit als ökonomische Kategorie von erstem Rang präsentierte; derselbe Wissenschaftler, der die radikale Unbestimmtheit in ihren rechtmäßigen Rang in der politischen Ökonomie erhob, spielte mit stark vereinfachten algebraischen Modellen herum, um aus diesen Gleichungen gegen alle Vernunft zusätzliche Einsichten über den Kapitalismus zu gewinnen. Wie konnte Marx sich da so sehr täuschen? Warum hat er nicht gemerkt, dass aus keinem mathematischen Modell der Welt sich jemals eine Wahrheit über den Kapitalismus ergeben kann, ganz egal, wie genial der Schöpfer des Modells auch sein mag? Ich vermute, Marx wusste, was er tat. Ihm musste klar sein, dass eine umfassende Werttheorie nicht in einem mathematischen Modell untergebracht werden kann und dass eine seriöse ökonomische Theorie respektieren muss, dass die Regeln des Unbestimmten selbst unbestimmt sind.

Immer das letzte Wort

Dies anzuerkennen hätte aber bedeutet zu akzeptieren, dass seine „Gesetze“ nicht unabänderlich waren. Er hätte konkurrierenden Stimmen in der Gewerkschaftsbewegung zugestehen müssen, dass seine Erklärungen nicht uneingeschränkt zutreffen konnten und bis zu einem gewissen Grad immer provisorisch bleiben würden. Seine Entschlossenheit, immer das letzte Wort behalten zu wollen, ist etwas, dass ich Marx nicht verzeihen kann. Wie sich gezeigt hat, folgten daraus ein Hang zum Autoritären und eine Menge Fehleinschätzungen, die bis heute nachwirken und für die Unfähigkeit der Linken, konstruktive Impulse zu setzen, mitverantwortlich sind.

1978 ging ich zum Studieren nach England. Sechs Monate später sollte der Sieg Margaret Thatchers Großbritannien für immer verändern. Ich erlag als junger Linker damals einer grandiosen Fehleinschätzung: Ich nahm an, Thatchers Sieg könne etwas Gutes an sich haben. Der Schock, den er den britischen Arbeitern und Mittelschichten versetzen würde, würde der Linken die Möglichkeit geben, eine radikale Agenda zu formulieren und umzusetzen. Selbst als sich die Arbeitslosenzahlen unter Thatcher verdoppelt und dann verdreifacht hatten, hoffte ich immer noch, Lenins Maxime „je schlimmer, desto besser“ würde sich bewahrheiten. Das Leben wurde immer härter, brutaler, für viele auch kürzer. Und mir schwante, dass ich einem Irrtum aufgesessen war: Die Dinge konnten sich immer weiter verschlechtern, ohne jemals besser zu werden. Die Hoffnung, dass die Verschlechterung der Zustände automatisch zu einer Renaissance der Linken führen würde, war nichts als: eine Hoffnung.

Stattdessen wurde die Linke mit jeder Drehung der Rezessionsschraube immer unfähiger, eine überzeugende Antwort hervorzubringen. Die Arbeiterklasse wurde gespalten: Die einen fielen aus der Gesellschaft heraus, die anderen mussten die neoliberale Mentalität verinnerlichen, um zu überleben. So wurden sie integriert.

Anstatt die Gesellschaft zu radikalisieren, zerstörte die Rezession die Möglichkeit einer radikalen, progressiven Politik. Irgendwann wurde es fast unvorstellbar, dass es jenseits dessen, was der Markt als den „richtigen Preis“ ermittelte, noch andere Werte geben sollte. Die Lektion, die Thatcher mich in Bezug auf eine lang anhaltende Rezession lehrte, begleitet mich heute durch die europäische Krise. Thatcher zeigte mir, dass es möglich ist, jeglichen Ansätzen einer emanzipatorischen Politik das Wasser abzugraben, indem man die Gesellschaft mit Hass und Missgunst verseucht. Aufgrund dieser Erfahrung lasse ich mir gern von einigen Kritikern auf der Linken eine Sünde vorhalten: die Sünde, kein radikales politisches Programm vorzuschlagen, das versucht, die Gelegenheit zu nutzen, um den Kapitalismus in Europa zu überwinden, die Währungsunion aufzulösen und die Europäische Union der Kartelle und bankrotten Banker zu schwächen.

Ja, ich würde gerne eine solche Agenda verfolgen, bin aber nicht bereit, den gleichen Fehler zweimal zu begehen. Was würde es bringen, heute die Eurozone oder sogar die ganze EU aufzulösen, wenn der Kapitalismus doch selbst sein Möglichstes tut, um die Eurozone, die EU und sogar sich selbst zu untergraben? Ein griechischer, portugiesischer oder italienischer Austritt aus der Eurozone würde schnell zu einer Fragmentierung des europäischen Kapitalismus führen und hätte eine stark rückläufige Überschuss-Region nördlich der Alpen zur Folge, während der Rest Europas sich im Griff einer üblen Stagflation wiederfände. Wer aber würde von einer solchen Entwicklung profitieren? Eine emanzipatorische Linke? Oder die Nazis von der Goldenen Morgenröte? Ich habe keine Zweifel, wer dann als Sieger hervorgehen würde. Ich bin jedenfalls nicht bereit, einer postmodernen Version der 1930er den Weg zu bereiten. Wenn das bedeutet, dass wir, die erratischen Marxisten, den europäischen Kapitalismus retten müssen, dann sei es so – nicht aus Liebe zu Brüssel oder der Europäischen Zentralbank, sondern einfach, um die Zahl der Krisenopfer so gering wie möglich zu halten.

Noch nicht bereit

Die Eliten Europas verhalten sich heute, als verstünden sie weder die Natur der Krise, die sie zu verantworten haben, noch deren Auswirkungen auf die Zukunft. Atavistisch halten sie daran fest, die Konten der Schwachen und Besitzlosen zu plündern, um damit die im Finanzsektor klaffenden Löcher zu stopfen. Während sie die Realität nicht anerkennen wollen und deshalb über die Vorgänge zutiefst verwirrt sind, muss aber auch die Linke sich eingestehen, dass wir zurzeit nicht bereit sind, den Abgrund, den ein Zusammenbruch des Kapitalismus in Europa aufreißen würde, mit einem funktionierenden sozialistischen System zu überbrücken.

Unsere Aufgabe sollte daher erstens darin bestehen, eine Analyse anzufertigen, die auch nicht-marxistische Europäer, die von den Sirenen des Neoliberalismus gelockt wurden, einsichtig finden. Zweitens sollten wir dieser Analyse Vorschläge zur Stabilisierung Europas folgen lassen – um die Abwärtsspirale zu beenden, von der letzten Endes nur die Fanatiker profitieren.

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit einem sehr persönlichen Bekenntnis: Ich kenne die Gefahr, mich über die Enttäuschung, dass ich das Ende des Kapitalismus wohl nicht selbst erleben werde, mit der Genugtuung hinwegzutrösten, dass ich mittlerweile in der „feinen Gesellschaft“ akzeptiert werde. Bei mancher Gelegenheit begann mich schon dieses Gefühl der Selbstzufriedenheit zu beschleichen – es ist ein hässliches, zersetzendes Gefühl.

Meinen persönlichen Tiefpunkt erlebte ich auf einem Flughafen. Irgendeine solvente Organisation hatte mich eingeladen, um eine Grundsatzrede über die europäische Krise zu halten, und mir ein aberwitzig teures Ticket für die Erste Klasse gekauft. Auf dem Weg zurück nach Hause, ich war müde und hatte bereits mehrere Flüge hinter mir, ging ich an der langen Schlange wartender Economy-Class-Passagiere vorbei zu meinem Gate. Plötzlich bemerkte ich mit Schrecken, wie leicht ich mir den Gedanken zu eigen machte, ich sei dazu berechtigt, am „gemeinen Volk“ vorbeizugehen. Mir wurde klar, wie leicht man vergessen kann, was mein linkes Bewusstsein immer gewusst hat: dass nichts sich besser reproduziert als ein falsches Gefühl der Berechtigung. Wenn wir Allianzen mit reaktionären Kräften schmieden – was wir tun sollten, um Europa zu stabilisieren –, setzen wir uns der Gefahr aus, integriert und vereinnahmt zu werden.

Radikale Bekenntnisse wie dieses hier sind vielleicht ein Gegengift gegen jene Mechanismen, die uns allzu leicht zu Rädern im Getriebe werden lassen. Wenn wir Bündnisse mit unseren politischen Gegnern eingehen, müssen wir es vermeiden, so zu werden wie die Sozialisten, denen es nicht gelang, die Welt zu verändern, die aber recht erfolgreich darin waren, ihre eigenen Lebensumstände zu verbessern. Die Kunst besteht darin, revolutionäre Maximalforderungen zu vermeiden, die am Ende nur den Neoliberalen helfen. Und zugleich die immanenten Fehler des Kapitalismus im Auge zu behalten, während wir – aus strategischen Gründen – versuchen, ihn vor sich selbst zu retten.

 

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 09/15.