USA Hedgefond setzt auf Zusammenbruch von Unternehmen in der Weltwirtschaft

Die kapitalistische Krise scheint seit Jahresbeginn wieder in Fahrt zu kommen und seit dem Absturz der Börse in China im Januar scheint sich die Weltwirtschaft in Turbulenzen zu befinden.

Börsenindizes stürzen ab und sie erholen sich nur teilweise,  der Ölpreis als Schmiermittel und Blutkreislauf der Weltwirtschaft  rutscht in den Keller, erholt sich leicht und gerät nun schon wieder unter Druck.

Der Dollar zerfällt und der €uro erstarkt gegenüber dem Dollar obwohl viele Analysten vorher eher eine Parität zwischen Euro und Dollar im Jahre 2016 erwartet hatten.

Jetzt äußert sich ein Börsenkenner namens Ernst Wolf über die Machenschaft eines US Hedgefonds, der auf den Zusammenbruch der Weltwirtschaft setzt. Er hat auch ein Buch über den IWF geschrieben, den er des größten Raubzugs in der  Menschheitsgeschichte bezichtigt.

Wie die Website „Business Insider“ vergangene Woche meldete, hat der Hedgefonds Perry Capital im Februar Kreditausfallversicherungen auf Unternehmensanleihen im Wert von insgesamt $ 1 Mrd. erworben.

Der Fonds geht also davon aus, dass die betroffenen Unternehmen trotz ihrer derzeit soliden Bewertung durch Rating-Agenturen in absehbarer Zeit in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden.


Wenn Perry Capital auf eine derartige Entwicklung setzt, sollte man aufhorchen: Ex-Goldman-Sachs-Manager Richard Perry, der den Fonds führt, gehört zu den wenigen Wallstreet-Bankern, die bereits Ende 2006 auf den Absturz des US-Häusermarktes  gewettet haben. Er lag damit genau richtig und strich auf diese Weise allein im Jahr 2007 einen Gewinn von mehr als einer Milliarde US-Dollar ein. (Siehe auch der Film „The Big Short“, in dem diese Wetten thematisiert werden.)

Dass Perry jetzt erneut handelt, erhellt zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte: Zum einen, dass Insider aus der Finanzbranche die gegenwärtige Marktlage im Gegensatz zu Politik und Medien als überaus instabil einschätzen. Zum anderen, dass es trotz aller Beteuerungen seitens der Politik sieben Jahre nach der Krise von 2008 immer noch möglich ist, vom Niedergang einzelner Unternehmen zu profitieren und auf diese Weise zur Destabilisierung des globalen Finanzgefüges beizutragen. Hierzu einige Erläuterungen:

Wie funktionieren Kreditausfallversicherungen?

Kreditausfallversicherungen (englisch: credit default swaps) zählen zu den Derivaten. Hierbei handelt es sich um Finanzprodukte, die von der Realwirtschaft abgekoppelt sind, keinerlei wirtschaftlichen Nutzen haben und ausschließlich der Spekulation dienen. Kreditausfallversicherungen in ihrer gegenwärtigen Form wurden 1994 von der JP-Morgan-Bankerin Blythe Masters erfunden und haben sich seitdem weltweit explosionsartig verbreitet.

Ihr Prinzip lässt sich am Beispiel von Unternehmensanleihen erklären: Stellt ein Investor einem Unternehmen Kapital in Form einer Anleihe zur Verfügung, so erhält er von ihm im Gegenzug die Zusage, das geliehene Geld plus Zinsen zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Zur Absicherung der Anleihe gegen einen möglichen Zahlungsausfall des Unternehmens kann der Investor zusätzlich bei einem Finanzinstitut eine Kreditausfallversicherung abschließen. Das Institut versichert ihm dann gegen Zahlung einer Summe, die in der Regel von der Bewertung des Unternehmens durch Rating-Agenturen abhängt, im Fall eines Zahlungsausfalls für das Unternehmen einzuspringen. Die Folge ist, dass der Investor sich zurücklehnen und ruhig schlafen kann.

An sich wäre an dieser Vereinbarung auf Gegenseitigkeit nichts auszusetzen, bestünde nicht zusätzlich folgende Möglichkeit: Auch solche Marktteilnehmer, die nicht an einem Deal beteiligt sind, können Kreditausfallversicherungen abschließen. D.h.: Jeder, der über genug Geld verfügt, kann zu einem Finanzinstitut gehen und nicht nur auf Unternehmensanleihen, sondern auch auf diverse andere „Marktereignisse“ wie zum Beispiel Zinsschwankungen, Wechselkursänderungen oder Staatspleiten Kreditausfallversicherungen abschließen. Ihr Preis hängt davon ab, wie die Rating-Agenturen die „Bonität“ des jeweiligen Versicherten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einschätzen.


Kommt es nun zu einer Krise und wird die Bonität eines betroffenen Unternehmens oder Staats tatsächlich herabgestuft, schlägt die Stunde von Hedgefonds wie Perry Capital: Sie können jetzt die in ruhigen Zeiten zu einem niedrigen Preis erworbenen Kreditausfallversicherungen gewinnbringend auf den Markt werfen. Noch lohnender ist das Geschäft, wenn ein Unternehmen oder ein Staat tatsächlich zahlungsunfähig wird. Dann muss das Finanzinstitut, bei dem die Kreditausfallversicherung abgeschlossen wurde, den vollen Betrag auszahlen – in den meisten Fällen ein Vielfaches der Versicherungsprämie.

Aber nicht nur aus der Sicht der Investoren, sondern auch aus der Sicht der Finanzinstitute haben Kreditausfallversicherungen etwas Verführerisches an sich: So lange die Weltwirtschaft trotz aller Turbulenzen einigermaßen rund läuft und keine oder nur geringe Ausfallzahlungen fällig werden, sind sie eine schier unerschöpfliche Einnahmequelle. Deshalb beteiligen sich seit zwei Jahrzehnten alle großen Marktteilnehmer an diesem höchst lukrativen Geschäft. Weltweit führend sind der Marktführer Deutsche Bank (Derivatvolumen 2015: $ 75 Billionen), JPMorgan, Goldman Sachs und die Schweizer Großbank Crédit Suisse.

„Too big to fail“ hat die Risiken exponentiell erhöht

Was aber geschieht, wenn es zu einer ernsthaften Krise oder einem Crash kommt? Die Antwort gibt die Geschichte, denn dieser Fall ist bereits zweimal eingetreten: 

1998 geriet der Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im Gefolge der russischen Währungskrise in Zahlungsschwierigkeiten. Bei einem Verlust von ca. $ 2 Mrd. wurden plötzlich Kreditausfallversicherungen im Werte von über $ 1 Billion fällig. Damals schlossen sich die größten Banken der Wallstreet unter der Führung der Federal Reserve of New York zusammen und retteten den Fonds, indem sie ihn für die fehlenden $ 2 Mrd. übernahmen. Das war nicht etwa ein Akt der Humanität, sondern pure Überlebensstrategie: Hätten die Banken LTCM nicht gerettet, wären sie – und mit ihnen das gesamte globale Finanzsystem – untergegangen.

Zehn Jahre später, im Rahmen der Krise von 2008, mussten u.a. AIG, der größte Versicherer der Welt, und die US-Hypothekenbanken Fannie May und Freddy Mac gerettet werden, da durch ihre Insolvenz Kreditausfallversicherungen in einer Höhe fällig geworden wären, die die Wallstreet und damit das globale Finanzsystem finanziell überfordert hätten. Wegen der enormen Summen sprangen diesmal Regierungen ein und retteten die Unternehmen mit Hilfe von Steuergeldern.

Beide Ereignisse bestätigen eindrucksvoll die Sicht des US-Großinvestors Warren Buffett, der Kreditausfallversicherungen bereits in den Neunziger Jahren als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet hat. Sie zeigen auch, wie falsch die oft gestreute Behauptung ist, bei Kreditausfallversicherungen handle es sich um ein „Nullsummen-Geschäft“, da die Risiken sich gegenseitig aufheben würden. Hätten sich die Risiken 1998 und 2008 tatsächlich gegenseitig neutralisiert, wären der Welt beide Krisen erspart geblieben.

Doch was ist seitdem geschehen? Ist nach derartig gravierenden Vorfällen etwas gegen deren Ursachen unternommen worden? Haben die Verantwortlichen irgendwelche Konsequenzen gezogen?

Nein. Trotz aller Beteuerungen, die Finanzmärkte in die Schranken weisen und das Geschäft mit Derivaten stärker regulieren zu wollen, ist in keinem einzigen Land etwas in dieser Richtung passiert. Im Gegenteil: Zusammen mit der gestiegenen Verschuldung ist auch der Derivate-Sektor weiter gewachsen und bedroht das globale Finanzsystem heute in noch größerem Maß als zuvor.

Weshalb? Aus einem sehr einfachen Grund: Weil die Finanzindustrie 2008 die Parole „too big to fail“ herausgegeben hat und die Zentralbanken seitdem durch den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen alles tun, um keine Großbank, keinen Hedgefonds, kein bedeutendes multinationales Unternehmen und vor allem keinen Staat mehr in die systemgefährdende Zahlungsunfähigkeit rutschen zu lassen. Und nicht nur das: Zinssenkungen bis in den Negativbereich und unablässiges Gelddrucken stellen der Finanzindustrie immer neues, ultrabilliges Geld zur Verfügung, was diese nicht etwa der Realwirtschaft zur Verfügung stellt, sondern sofort wieder in den Spekulationskreislauf, also in erster Linie in das Geschäft mit den Derivaten hineinpumpt – ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der nicht mehr aufzuhalten ist.

Gezielte Täuschung der Öffentlichkeit

Durch die seit den Neunziger Jahren mit Nachdruck betriebene Deregulierung des Finanzsektors werden Derivate als OTC-Geschäfte (Over the Counter = über den Tresen) nicht in den Bilanzen der Banken ausgewiesen. Daher kann trotz ihrer enormen Bedeutung niemand genau sagen, wie groß ihr Umfang weltweit derzeit ist. Die in ihren Schätzungen eher zurückhaltende Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beziffert ihn derzeit auf über $ 700 Bio und damit das Zehnfache der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Dass damit der wichtigste und gefährlichste Bereich des Finanzsektors ganz bewusst vor den Augen der Öffentlichkeit versteckt wird, hat seinen Grund: Auf diese Weise wird das inzwischen von ihm angenommene – historisch einmalige — Ausmaß verschleiert und damit verhindert, dass die Menschen die wohl wichtigste Erkenntnis unserer Zeit gewinnen:  Dass die Finanzwirtschaft, die einmal eine fortschrittliche Rolle gespielt hat, weil sie der Industrie das zu ihrer Entwicklung notwendige Kapital zur Verfügung gestellt hat, sich in den vergangenen Jahren in ihr Gegenteil verwandelt hat. Sie ist zu einem riesigen, parasitären, in seiner Bedeutung von der Öffentlichkeit kaum verstandenen Suchtkranken verkommen, der nach immer größerer Geldzufuhr verlangt und auf diese Weise der Realwirtschaft die lebensnotwendigen Grundlagen entzieht. 

Die „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ in Gestalt der Kreditausfallversicherungen spielen hierbei die Rolle der Spritzen, die sich der Suchtkranke setzt: Sie verhelfen ihm gelegentlich zu einem kurz anhaltenden Rausch, werden ihn aber langfristig mit Sicherheit umbringen.

*Ernst Wolff, 1950 geboren, wuchs in Südostasien auf, ging in Deutschland zur Schule und studierte in den USA. Er arbeitete in diversen Berufen, unter anderem als Journalist, Dolmetscher und Drehbuchautor. Die Wechselbeziehung von Wirtschaft und Politik, mit der er sich seit vier Jahrzehnten beschäftigt, ist für ihn gegenwärtig von höchster Bedeutung. Soeben erschien sein Buch „Weltmacht IWF: Chronik eines Raubzugs“.

http://de.sputniknews.com/kommentare/20160321/308583208/hedgefonds-finanzielle-massenvernichtungswaffen.html#ixzz44gWI6LcJ