Die Vergesellschaftungsdebatte 

 

Es stellt sich seit 1989 die Frage, ob der Kapitalismus nach dem Untergang der realsozialistischen Staaten Osteuropas  wirklich das Ende der Geschichte markiert.

Zweifel konnte man daran schon immer haben. 

Im Manifest der "Neuen Linken" im Vorfeld der Gründung von "Aufstehen" hiess es deshalb bereits im  von mir  mit erarbeiteten "Manifest der Neuen Linken":

 

1.)Die Eigentumsfrage muß zugunsten der Schaffung von Gemeineigentum, Belegschaftseigentum, Genossenschaftseigentum und Kommunaleigentum sowie auf kommunale autarke und konzernunabhängige Strukturen ausgerichtet werden. Konzern-Eigentum der Oligarchen muß vergesellschaftet werden. Wir brauchen eine Rückverteilung von Volksvermögen in die Hände der Gesellschaft. Wir brauchen ein Ende der Konzernherrschaft in Europa.2.)Es sollte eine basisdemokratische Gesellschaft angestrebt werden. Die konzern-unabhängige Autarkie der Kommunen und der Regionen soll gestärkt werden. 3.) Eine linke Sammlungsbewegung sollte sich zu einer linken Volksbewegung entwickeln, die sowohl die alleinige Fixierung auf bürgerlichen Parlamentarismus zugunsten außerparlamentarischer sozialer Bewegungen als auch eine Verankerung in der Friedensbewegung gegen Imperialismus und Krieg anstrebt.

Spätestens sietdem das Bewusstsein reift, dass wenige Oligarchen mehr besitzen als 50 % der Weltbevölkerung, wird die Eigentumsfrage immer lauter gestellt. 

Kevin Kühnert forderte als Juso-Vorsitzender jüngst diese Frage erneut zu stellen und den Kapitalismus durch eine neue Sozialismusdebatte  in Frage zu stellen.

Gleichzeitzig unterstützt die Linke in Berlin ein Volksbegehren, dass die Enteignung eines gigantischen Wohnungsbaukonzerns zum Wohle der  Gesellschaft fordert - so wie es auch optional im Grundgesetz in Artikel 14 und 15 verankert ist. 

„Die 15 Reichsten haben so viel wie das halbe Deutschland“ (S. 30).

Die isw-Analyse ist inzwischen durch eine DIW-Studie vom Januar 2018 im Wesentlichen bestätigt worden („DIW-Discussion Papers: Looking for the Missing Rich: Tracing for the Top Tail of the Wealth Distribution", DIW 2018 >> PDF).

Inzwischen gehen manche Studien von einer  noch  viel extremeren und ungleicheren Vermögensverteilung aus.  Aber bleiben wir mal bei diesem Zahlenwerk. 

Danach besaßen 2014 die reichsten 45 Deutschen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung: Ein Geld-Hochadel von weniger als fünfzig Familien hatte also mit 214 Milliarden Gesamtvermögen Euro ebenso viel wie über 20 Millionen Haushalte (in Deutschland leben 82,5 Millionen Menschen in 41 Millionen Haushalten)[1]

Wie das isw hat auch das DIW die so genannten Reichsten-Listen (z.B. manager maganzin, forbes) bei den Berechnungen hinzugezogen – „valide (wissenschaftlich zuverlässige – F.S) Schätzungen“ nennt sie Stefan Bach, der Leiter der DIW-Studie – wodurch das wirkliche Gesamtvermögen, vor allem aber die Konzentration an der Reichtumsspitze deutlich höher ausfiel, als bei Berechnungen etwa der Bundesbank und des Statistischen Bundesamts.

In der amtlichen Statistik werden Superreiche systematisch unterschätzt bzw. kommen gar nicht vor.  DCeshalb haben Untersuchungen danach sogar noch grössere Ungleichverteilungen festgestellt.

Einerseits, weil ihre Zahl so klein ist, dass sie in Stichproben nicht ausreichend erfasst werden. Es geht da um 0,1 % der Bevölkerung und nicht mal um  mindestens 1 % wie  üblich.

Zum anderen, weil die Statistiken auf freiwilligen Befragungen basieren und die Auskunftsbereitschaft mit wachsendem Reichtum nachweislich abnimmt.

Die wesentlichen Ergebnisse der DIW-Forscher: Den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung gehörte 2014 51,1% des gesamten Vermögens.

Ein Prozent der Bevölkerung (Haushalte) hatte ein Drittel (31,1%) und ein Tausendstel der Haushalte, also 41.000 – sprichwörtlich die „Oberen Zehntausend“ – nannten 17,4 Prozent des Gesamtvermögens ihr Eigen: 1.650 Milliarden Euro.

Die unteren 50% der Bevölkerung – über 20 Millionen Haushalte – besitzen dagegen nur 2,3% des Gesamtvermögens: 214 Milliarden Euro.

Bevölkerung % des Vermögens
   
Reichste 10% 63,8
Reichste 5% 51,1
Reichstes 1% 33,1
Reichstes 0,1% 17,4
Ärmste 50% 2,3
Ärmste 70% 11,7

     Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin (DIW)

Linke fordern immer wieder zumindest die Daseinsvorsorge betreffende Wirtschaftsbereiche zu sozialeisieren und auch der Jusochef Kühnert fordert das mittlerweile.

Ungleichverteilung nimmt weiter zu

Die DIW-Reichtumsforscher schätzen ein, dass die Ungleichverteilung in den letzten Jahren noch krasser geworden ist. Stefan Bach im Interview mit dem manager magazin(24.1.18):

„Wir gehen davon aus, dass die Topvermögen zuletzt stärker gestiegen sind als die anderen. Denn während etwa Immobilien und Unternehmensvermögen deutlich an Wert gewonnen haben, wachsen etwa Sparguthaben und die Werte von Lebensversicherungen der Mittelschichten kaum durch die Niedrigstzinsen“. Und: „Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte kam im Wesentlichen bei den reichsten zehn Prozent an“.

Es geht dabei nicht nur um die soziale Perversität dieser schreienden Ungleichverteilung. Stefan Bach weist in dem Interview mit SPIEGEL ONLINE auf einen wichtigen politischen Aspekt hin:

„Vermögen verhilft zu Unabhängigkeit, Macht und Einfluss. Global gesehen gibt es durch die Vermögenskonzentration Tendenzen zu Plutokratie und Refeudalisierung. Die Güternachfrage nimmt ab, Finanzmarktturbulenzen nehmen zu. Davon sind wir in Deutschland noch weitgehend verschont geblieben. Aber Unternehmerfamilien – und dabei handelt es sich meist bei unseren Superreichen – haben auch hierzulande enormen Einfluss auf die Politik. Sie haben direkten Zugang zu Kanzlerin, Ministerpräsidenten und Parteien. Ihre Verbände haben viel Geld, um Medienkampagnen zu führen“.

 

1001 Steinreiche – märchenhafter Reichtum in Deutschland

Im Oktober 2017 veröffentlichte das manager magazin (11A/2017) die jährliche Reichenliste. Im Editorial heißt es dazu:

„Weil nicht allein die einzelnen Besitztümer immer größer werden, sondern überdies die Anzahl der Multimillionäre und Milliardäre sprunghaft zunimmt, haben wir uns entschlossen, unsere Reichstenliste auszuweiten - von 500 auf die märchenhafte Zahl von 1001“.

Angeführt wird die Liste von der Familie Reimann (Reinigungsmittel, Kosmetik, Kaffee), mit einem Vermögen von 33 Milliarden (33 Tausend Millionen) Euro. Der Ärmste unter den 1001 ist immer noch 90 Millionen Euro schwer: Thomas Gottschalk. „Wetten, dass …“ er noch die 100-Millionen-Schwelle überspringt und dann zum Club der reichsten 1000 gehört.

Insgesamt finden sich auf der Reichstenliste 170 Milliardäre und Multi-Milliardäre – 16 mehr als im Vorjahr und 17 Milliarden schwere Familien-Clans. Die megareichsten Zehn – Milliadärsfamilie Reimann (33 Mrd. Euro), Stefan Quandt / Susanne Klatten (BMW, 31,5 Mrd.), Dieter Schwarz (Lidl, 22 Mrd.), Schaeffler (Conti, Autozulieferer, 22 Mrd.), Familie Albrecht und Heister (Aldi-Süd, 21,5 Mrd.), Familie Theo Albrecht (Aldi Nord, 18 Mrd.), Familie Otto (Otto-Versand, 13 Mrd.), Klaus-Michael Kühne (Kühne+Nagel, 11 Mrd.), Familie Thiele (Knorr-Bremse, 9,6 Mrd.), Familie Würth (Würth-Gruppe, 9,2 Mrd.) – brachten es auf zusammen 181,2 Milliarden Euro, 8,4% mehr als im Jahr davor.

Das manager magazin schreibt dazu:

„Geld verdient Geld, wo schon viel ist, kommt auch noch mehr dazu. So lautet ein weitverbreitestes Vorurteil. Tatsächlich war es den Reichsten im Lande in den letzten zwölf Monaten ein Leichtes, ihr Vermögen zu steigern – obwohl die Banken praktisch keine Zinsen geben. Aber das Kapital der Geldelite parkt nicht einfach auf dem Konto, es vermehrt sich in Immobilien, Ländereien und vor allem Unternehmen. Von üppigen Dividenden und hohen Kursgewinnen (allein der Dax stieg in Jahresfrist um rund 20 Prozent) profitieren die Reichen also überproportional“.

Man kann es sprichwörtlich so ausdrücken: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Wer hat, dem wird gegeben“. Karl Marx nennt das zwar „Akkumulation des Kapitals“, aber Mist ist es dennoch.
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[1] Die Abweichungen zwischen DIW und isw resultieren daraus, dass das DIW die reichsten Deutschen der Reichenliste von 2014 entnahm und sie zum Gesamtvermögen von 2014 – 9,5 Billionen Euro (neuere Vermögenszahlen liegen nicht vor) – in Beziehung setzte; das isw nahm dagegen die Reichenliste von 2016 und bezog sie auf die 9,5 Billionen Euro.

Juso-Chef Kühnert verlangt von der SPD, die Sozialismus-Debatte fortzuführen. Er habe seine Worte "sehr ernst gemeint". Kühnert hatte gefordert, Konzerne zu vergesellschaften und Wohneigentum zu beschränken.

In der von ihm ausgelösten Debatte über Kollektivierungen und den Kapitalismus hat Juso-Chef Kevin Kühnert seine Äußerungen bekräftigt. "Ich habe das sehr ernst gemeint, was ich formuliert habe", sagte er dem "Spiegel". Der Kapitalismus sei "in viel zu viele Lebensbereiche" vorgedrungen: "So können wir auf keinen Fall weitermachen." Wenn man ernsthaft einen anderen Politikstil wolle, "dann können wir uns nicht immer auf die Zunge beißen, wenn es um die wirklich großen Fragen geht", betonte er.

Kühnert hatte zuvor in einem Interview mit der "Zeit" zum Thema Sozialismus gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen "auf demokratischem Wege" eintrete: "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW 'staatlicher Automobilbetrieb' steht oder 'genossenschaftlicher Automobilbetrieb' oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht."