Neue CO ² Steuer wird unsozial wirken 

Merinungsbeitrag der NDS  

Die Nachdenkseiten beschäftigen  sich aktuell mit dem Thema 

Winfried Wolf erklärt die Problematik an dieser Steuer  ( Auszüge) Link und auch Podcast im Anhang.  

Jetzt ist die Forderung also im Mainstream angekommen: Angela Merkel kann sich „eine CO-2-Steuer gut vorstellen.“ Die Grünen fordern schon seit langem eine solche Steuer. Die FDP streitet förmlich für eine „CO2-Besteuerung“. Aus der Partei DIE LINKE gibt es zumindest in größeren Teilen Zustimmung. Und auch der Unternehmerverband BDI äußert sich positiv.

Selbst auf internationaler Ebene gibt es zunehmend Konsens für eine solche Steuer auf Kohlendioxid. Anfang April erklärten 20 Finanzminister aus unterschiedlichen Staaten – unter ihnen diejenigen aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Spanien und einigen südamerikanischen und afrikanischen Ländern – am Rande einer Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds, eine „nationale Koalition für Klimaschutz“ bilden zu wollen. Im Zentrum soll dabei eine „Bepreisung des klimaschädlichen Kohlendioxids“ stehen.

Unter den gegebenen Bedingungen erscheint trotz der größtmöglichen CO-2-Steuer-Koalition (und auch wegen derselben) die Forderung nach einer allgemeinen CO2-Steuer bei Beibehaltung der gegebenen Besteuerungen, Subventionierungen und Regulierungen ausgesprochen problematisch. Dies aus fünf Gründen.

Eine allgemeine CO2-Steuer ist ungerecht

Erstens handelt es sich erneut um eine allgemeine, und damit um eine sozial ungerechte Verbrauchssteuer. Sie trifft formal alle gleichermaßen. Sie wird also die Durchschnittsverdiener und damit die Mehrheit der Bevölkerung deutlich belasten und die Armen sehr hart treffen. Die Gutverdiener werden diese Steuer mit einem Grummeln zur Kenntnis nehmen. Die Vermögenden und Reichen werden eine CO-Steuer erst gar nicht spüren. Sie können die damit verbundenen Mehrbelastungen mit einem Griff in die Portokasse abdecken.

Eine allgemeine CO2-Steuer ist damit sozial ungerecht.

Mit ihr wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößern. Die in diesem Zusammenhang immer erwähnten „sozialen Ausgleichsmaßnahmen“ werden nur einen Teil dieser neuen Ungerechtigkeit mildern. Es wird zu Protesten ähnlich denen der Gelbwesten in Frankreich kommen, die sozial berechtigt sind. Die jedoch gleichzeitig das Anliegen, wirksame Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung zu ergreifen, in Misskredit bringen.

Mehr Geld – mehr CO2-Verbrauch: Die Klimafrage ist eine soziale Frage

Zweitens wird eine CO2-Steuer nicht der Tatsache gerecht, dass die Klimafrage in starkem Maß eine soziale Frage ist.

Je reicher die Menschen, desto größer ist die Klimabelastung. Damit ist eine solche Steuer auch deutlich unwirksam.

Das untere Viertel der Bevölkerung ist nur für einen Bruchteil der CO2-Belastung verantwortlich, das obere Viertel dagegen für deutlich mehr.

Nach einer jüngeren Berechnung für Österreich liegen die Pro-Kopf-CO2-Emissionen im Verkehrsbereich beim unteren Einkommensviertel bei 1,7 Tonnen CO2 im Jahr.

Das obere Einkommensviertel verbraucht dagegen 5,4 Tonnen CO2 – drei Mal so viel. ...

Am Beispiel der Verkehrsausgaben lässt sich der Zusammenhang aufzeigen: Haushalte niedriger Einkommen gaben 2016 im Schnitt 96 Euro [monatlich; W.W] dafür aus, während Haushalte in der höchsten Einkommensklasse mit 718 Euro mehr als sieben Mal so viel aufwendeten. Eine erhöhte Mobilität, häufigeres Reisen und hohe Fahrleistungen mit eigenen Kraftfahrzeugen tragen erheblich zu Umweltbelastungen, wie zum Beispiel klimaschädlichen Emissionen, bei.“[2]

Rund 40 Prozent der Haushalte im unteren Einkommensviertel haben kein Auto. Mehr als 40 Prozent der Haushalte im oberen Einkommensviertel haben zwei und mehr Pkw.[3]

Das heißt, dass genau die Gruppe in der Bevölkerung, die für das Gros der Klimabelastung die größte Verantwortung trägt, die CO2-Steuer wegstecken kann. Ich erinnere mich gut an die zynischen Aufkleber „Mein Porsche fährt auch ohne Wald“.

Die eigentlichen Klimaschädiger werden nicht ins Visier genommen

Drittens ist eine CO2-Steuer eine typische End-of-the-pipe-Maßnahme: Man gestattet ausufernde Produktionen und Dienstleistungen mit hohen Kohlendioxid-Emissionen, um am Ende davon einen Teil wieder durch „Bepreisung“ zu belasten und einen noch kleineren Teil davon zu reduzieren.

Die eigentlichen Verursacher der Klimaschädigung werden erst gar nicht ins Visier genommen (und erst recht nicht zur Kasse gebeten). Die Grundstruktur einer Produktionsweise, die das Klima massiv belastet, die die Gesundheit von Hunderten Millionen Menschen schädigt und die Umwelt zerstört, wird nicht ernsthaft verändert.

Aktuell stecken in einer Flasche Wein aus Chile oder Kalifornien oder Südafrika weniger als 10 Cent Transportkosten. Sollten es in Zukunft 20 Cent sein, ändert das grundsätzlich nichts an einer absurden globalen Arbeitsteilung, die regionale Wirtschaften zerstört und zerstörerische Transportleistungen fördert. Derzeit werden in jedem Jahr in der EU hunderte Millionen lebende Tiere quer durch Europa gekarrt, um nach Tagen, wenn nicht Wochen qualvoller Transporte in einem Schlachthof getötet zu werden (das Fleisch wird dann oft zurück in unsere Supermärkte gefahren). Eine CO2-Steuer auf Dieselkraftstoff wird an diesen untragbaren Zuständen nichts ändern.

Eine CO2-Steuer beseitigt nicht die falschen Anreize

Es bleibt im Fall einer CO2-Steuer – viertens – bei der vielfachen regulativen und steuerlichen Förderung von Produktionen und Dienstleistungen, die mit hohen CO-2-Emissionen verbunden sind. Dieselkraftstoff wird deutlich weniger als Benzin besteuert, was zu dem extrem hohen Anteil von Diesel-Pkw und vor allem zum immer aufs Neue steigenden Anteil an SUVs führte. Kerosin im Flugverkehr und das Schweröl in der Seeschifffahrt werden nicht besteuert. Das Resultat ist die Explosion der Billigflüge und die Schaffung immer absurderer globaler Arbeitsteilungen bei gleichzeitigem Ruin von regionalen Wirtschaftsstrukturen...

Auch hieran ändert eine CO2-Steuer nichts. Mit einer solchen Steuer bleibt es auch bei der massenhaften Verfeuerung von Steinkohle und Braunkohle in den Kohlekraftwerken. Und bei der in jüngerer Zeit beschlossenen geringeren Förderung der erneuerbaren Energien. Dass Strom mit einer CO2-Steuer teurer wird, ist für das Klima nicht relevant. Nicht nur Geld stinkt nicht, auch CO2 ist geruchlos. Mit einer CO2-Steuer bleibt es bei der grundsätzlich fatal-falschen Struktur im Energiesektor. Dieser würde nur ein grünes Mäntelchen umgehängt.

Die falsche Orientierung auf „Elektromobilität“

Fünftens wird mit einer CO2-Steuer die fatale falsche Orientierung im Verkehrssektor auf „Elektromobilität“ beibehalten, wenn nicht verstärkt werden.

Ja, diejenigen, die eine CO-2-Steuer einführen wollen, propagieren unisono die Förderung von E-Pkw als ein Mittel, um die CO-2-Emissionen zu reduzieren.

Explizit gelten Elektro-Pkw als „Zero-Emission-Vehicles“, als Fahrzeuge, die kein CO2 emittieren. Was der blanke Unsinn ist.

„Elektromobilität“ wird jedoch dazu beitragen, dass die dem Straßenverkehr zuzurechnenden Kohlendioxidemissionen nochmals deutlich steigen. Sie wird vor allem in den Städten zu einer Zunahme von Pkw-Verkehr und zu einer Schwächung des ÖPNV beitragen.... 

Elektro-Pkw sind schlicht ein zusätzliches Element der auf das Auto konzentrierten Transportorganisation. Es sind zu 60 Prozent Zweitwagen.

System-Wechsel oder kleine Schritte?

Wer die Klimakatastrophe aufhalten, wer für „all days for future“ kämpfen will, der muss letzten Endes den Wachstumszwang und die Profitmaximierung der bestehenden Wirtschaftsweise in Frage stellen. Also system change.

Wer kleinere Brötchen backen und nicht gleich DGB – Die Ganze Bäckerei – erkämpfen will (oder es nicht für opportun hält, eine solche aus meiner Sicht heute absolut berechtigte, wenn nicht erforderliche „Maximalforderung“ zu stellen), der sollte für sinnvolle Sofort- und Minimalforderungen eintreten:

  • Sofortige Beendigung der skandalösen Subventionierungen der Billigfliegerei, von Dieselkraftstoff, von Dienstwagen und Schweröl (heavy fuel oil).
  • Schnellstmöglicher Ausstieg aus dem Braunkohleabbau und aus der Braunkohle- und Kohleverfeuerung in Kraftwerken.
  • Hochfahren der Förderungen für erneuerbare Energien; Rückgängigmachung der jüngeren Einschränkungen dieser Fördermaßnahmen.
  • Stopp der Subventionierung der „Elektromobilität“.
  • Umsetzung erster Modelle eines ÖPNV-Nulltarif mit dem Ziel eines grundsätzlichen Nulltarifs im öffentlichen Verkehr.
  • Massive Förderung der nicht motorisierten Verkehrsarten, des Fußgänger- und Fahrradverkehrs, unter anderem durch ein bundesweites Programm zum Ausbau von Fahrradwege-Netzen.
  • Und vor allem: Sofortiges Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h, von 80km/h auf Bundes- und Landstraßen und von 30 km/h in Städten und Wohngebieten. Das brächte schlagartig eine Reduktion der CO-2-Emissionen um rund 5 Millionen Tonnen im Jahr. Und mindestens 250 Straßenverkehrstote pro Jahr weniger.

Vor allem brächte das eine allgemein-gesellschaftliche Entschleunigung und damit mehr Demokratie und mehr Zeit, um dann auch über eine grundsätzlich andere Steuerstruktur nachzudenken, die die Themen Klima und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen berücksichtigt.

 


 

[«1] Wikipedia: „Mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 378) wurde als neue Verbrauchsteuer eine Stromsteuer eingeführt. Strom aus regenerativen Energieträgern ist davon befreit, sofern der Strom aus Netzen entnommen wird, die ausschließlich mit solchen Energieträgern gespeist werden. Für industrielle Großverbraucher wurde im Interesse ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit die Steuer ermäßigt. Die Mineralölsteuer wurde nach ökologischen Kriterien gestaffelt; dabei wurden bestimmte Verwendungszwecke begünstigt, andere verteuert, wie etwa verbleite oder schwefelreiche Kraftstoffe. Von 1999 bis 2003 wurde die Steuer in Schritten von 6 Pf mehrmals erhöht. Von der Erhöhung der Mineralölsteuer befreit sind Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Strom erhalten diese Betriebe zu einem zu 40 % ermäßigten Steuersatz.“ Danach stiegen die Einnahmen aus dieser Steuer bis 2009 auf 17 Milliarden Euro. Siehe hier.

[«2Siehe hier.

[«3] Angaben für Österreich. Dabei hier und bei den vorausgegangenen Angaben für Österreich: VCÖ, Mobilität als soziale Frage, Januar 2018.