Der Attentäter war ein deutscher Jens – was sagt ihr jetzt, ihr rechten Hetzer?

Rechtspopulistischen Medien wie BILD, NTV, Focus ist die Enttäuschung  darüber, dass der Attentäter kein Muslim  sondern ein Deutscher war, genauso anzumerken wie den Rassisten der AfD, CDU nahen  rechtspopulistischen Politikern und  der neonazistischen NPD.  

Es war mal wieder erkenntnistheoretisch interessant,  den versteckten Rassismus  hinter dem Islambashing zu beobachten. Es war interessant die Reaktionen auf den Anschlag von Münster zu verfolgen. Trotzdem ist es unsere verdammte Pflicht, immer und immer wieder gegen Rassenhetze, die sich hinter einseitiger udn selektiver Religionskritik versteckt,  Stellung  gegen den unsäglichen udn penetranten Rechtspopulismus zu beziehen dieser Tage.

"Bei dem Attentäter soll es sich um keinen Islamisten handeln", schreibt die "Bild"-Zeitung, "sondern um einen psychisch kranken Deutschen." In diesem kurzen Satz steckt so viel drin. Durch die ausdrückliche Betonung, dass es sich nicht um einen Islamisten handelt, wird suggeriert, dass normalerweise aber eigentlich schon davon auszugehen ist. Die Formulierung soll relativiert das Ganze zusätzlich und versetzt die Angelegenheit in den Angeblich-Zustand, nach dem Motto: Vielleicht ergibt sich ja doch noch ein Zusammenhang. Tatsächlich soll es sich beim Täter, oh Schreck, um einen richtig deutschen Jens handeln. Auch diese Botschaft lässt sich aber natürlich nicht ohne entscheidende Einschränkung überbringen: psychisch krank soll er gewesen sein. Ein Attest, dass seltsamerweise vor allem deutschen Übeltätern gerne hastig ausgestellt wird. Dabei gab es auch reichlich Neonazi-Morde der NSU, von Breivik und vom München-Attentäter in der Republik und in Europa. 

Bei muslimischen Attentätern fehlt dieser Reflex  eigentlich immer . Eine psychische Labilität wird nicht primär  als Hauptcharakter des Täters erwähnt - auch wenn diese vorliegt. . 

Nach dem Anschlag in Münster, bei dem der 48-jährige Jens R. am Samstagnachmittag mit einem Kleintransporter in die voll besetzte Außenterrasse eines Altstadt-Lokals gerast ist, ist dasselbe passiert wie nach München, wie nach Berlin: es wird viel gemutmaßt, vorverurteilt, gepöbelt, Angst gestreut. Dabei macht der Ton die Musik, in der Berichterstattung wie in den sozialen Medien – und die oben genannten Feinheiten in der Formulierung können große Auswirkungen auf unsere Einordnung der Ereignisse haben.

Wir dürfen uns nicht beeinflussen lassen

Wir dürfen unser Unterbewusstsein davon aber nicht beeinflussen lassen. Nicht von komischen Ausdrücken in den Boulevardmedien, und erst recht nicht von den peinlichen Tiraden der immer wieder wunderlichen Beatrix von Storch. Es macht jedes Mal aufs Neue fassungslos, wie reflexartig die Wutmenschen von Überfremdung faseln und seltsame Zusammenhänge zur Zuwanderung und zum Islamismus konstruieren.

Noch fassungsloser macht nur ihre Reaktion auf die Nachricht, dass es sich jetzt in Münster offenbar um einen deutschen Einzeltäter handelt, der womöglich Kontakte zur rechtsextremen Szene hatte. Man möchte rufen: Was sagt ihr jetzt? Aber natürlich haben sie schon längst was gesagt, und das liest sich zum Beispiel so:

 

Das muss kein islamischer Anschlag gewesen sein. Klar nicht. Und wenn sich ein deutscher Kranker als Täter herausstellt, dann konstatiere ich: auch von deutschen Mördern und Verrückten haben wir beileibe mehr als genug. Wir brauchen keinen einzigen dazu.

Es kann sehr müde machen, sich mit solchen Menschen zu befassen. Aber es ist unsere verdammte Pflicht, immer und immer wieder Stellung zu beziehen gegen den unsäglichen Rechtspopulismus  dieser Tage. Wir dürfen uns nicht zermürben lassen von der Ausdauer der Hetzer, sondern müssen uns wehren gegen ihre Widerlichkeit – auf der Straße, in Kommentarspalten, überall. Wir müssen ihre Argumente widerlegen und sie dort treffen, wo sie am verwundbarsten sind: in ihrem Intellekt.

Jan Gorkow, Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet, sagt in einem heute erschienenen Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wenn im Jahr 2018 sechs Millionen Leute kein Problem damit haben, eine Partei mit Leuten wie Höcke oder Gauland zu wählen, dann haben wir ein Problem." 2008 hätte man sich das nicht vorstellen können: "Und wenn das heute alles Normalität ist, wo sind wir dann 2028?"

Es liegt an uns, wo wir 2028 sind. Sollen sie reden, wie sie eben reden, die Hetzer, wie sie es nach Ereignissen wie in Münster immer wieder tun werden. Wir müssen sie reden lassen. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir sie akzeptieren müssen, schreibt der Stern in einem Kommentar.

Für die Debatten, die einer solchen Tat folgen, macht es allerdings einen Unterschied, wer als Täter ermittelt wird - auch wenn manche Debatten schon von ihrem Ansatz her infam sind. Die stets erbärmliche AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch legte schon zwanzig Minuten nach den ersten Meldungen in einem Tweet nahe, dass der Täter nur Ausländer/Flüchtling/Islamist sein könne. Sie gehört zu denjenigen Menschen, die nie irgendein Wissen brauchen; sie haben schließlich ihre Gewissheiten. Ein Drama wie dieses scheint einer solchen Hetzerin in ihren Kram zu passen. Sie wird weiter ihre Gelegenheiten suchen und finden.

Es mag sich so banal, so selbstverständlich anhören, aber vielleicht muss man es doch immer wieder sagen, bei einem solchen Anlass: Jeder Täter ist als Individuum für seine Tat verantwortlich - man schließe aber bitte niemals von ihm auf die Gruppe, der er entstammt, ganz gleich, ob es die Gruppe der Migranten, der psychisch Anfälligen oder der mittelalten Männer ist.

Niemand hat von dem Mann mit dem sehr amerikanischen Namen Stephen Paddock, der im vergangenen Oktober in Las Vegas ein Massaker anrichtete, auf andere Menschen mit psychischen Problemen geschlossen. Zu Recht (und "psychisch anfällig" ist wohl das Mindeste, was sich über ihn sagen ließ). Niemand wird nun von Jens R. auf andere schließen. Ein Anrecht auf so viel Menschenverstand und Anstand haben aber auch alle, die zum Beispiel mit Vornamen Radouane heißen - sie haben nichts zu schaffen mit dem Islamisten selbigen Vornamens, der neulich in Südfrankreich vier Menschen, darunter einen Polizisten, erschoss.

Der Täter Jens R.. ist Sauerländer und er benutrtze einen deutschen VW Multi-Van  der Mittelklasse als Tatwaffe. Nach der Logik der Skripal- Berichterstattung deutet auch das auf einen deutschen Kontext hin und auf einem  deutschen Täter aus der Mittelschicht. Die Ermittler haben in der Wohnung des 48 Jahre alten Tatverdächtigen mehrere Gasflaschen sowie Kanister mit Bioethanol und Benzin gefunden. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft Münster in einer Pressemitteilung mit .

Auch das ist ein Hinweis auf eine gewisse Organisiertheit des Täters, die rechtsradikal motiviert sein könnte.   Aber Tendenzmedien geht  es erstmal darum, einen politischen Hintergrund nicht zu vermuten - anders als bei Tätern mit ansdererer Hautfarbe.