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Der G20-Punkt. Ausrufezeichen von Ralph T. Niemeyer

Anmerkungen eines Pazifisten.
 
Was heute als Verschwörungstheorie gilt, mag in 30 Jahren als Beginn des Repressionsstaates gesehen werden....
 
Im Moment scheint die politische Führung unseres Landes angesichts der vorgeblich linksradikalen Gewalt unter vorzeitiger Ejakulation zu leiden. Bundespräsident Steinmeier, Bürgermeister Scholz, Justizminister Maass und auch Außenminister Gabriel scheinen alle vergessen zu haben, daß sie als Sozialdemokraten das Grundgesetz in besonders verantwortungsvoller Weise zu verteidigen haben und eben nicht wie die Union mit Säbelrasseln den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu fordern haben. Frau Merkel ist erstaunlich zurückhaltend. Sie läßt stattdessen SPD-Minister sich um Kopf und Kragen reden.
 
Verletzt es mich von manchen Genossinnen und Genossen aus meiner Partei, der SPD, übelst beschimpft zu werden, schlimmer als von Unionspolitikern und gleichschlimm wie von AfDlern und anderen Neofaschisten? Weniger, als man vermuten würde. Es verwundert eher, als daß es verwundet. Vermutlich habe ich zu viel hinter den Kulissen mitbekommen, als dasß ich mich über den Titel "Verschwörungstheoretiker" ernsthaft ärgern würde, wurde ich doch schon oft Zeuge von tatsächlichen Verschwörungen, die aber erst in der historischen Betrachtung als solche erkannt werden und schließlich Eingang in das kollektive Menschheitsgedächtnis finden. So galt es als Blasphemie 1963 die Ermordung von Präsident John F. Kennedy durch Lee Harvey Oswald anzuzweifeln.
 
Die gesellschaftliche Todesstrafe wurde über jeden verhängt, der gar die CIA dahinter vermutete: man galt als Kommunist. 30 Jahre später durfte Oliver Stone dann seinen Film "JFK" drehen. Hollywood hatte sich damit abgefunden, daß die offizielle Version nicht aufrecht zu erhalten war und die politischen Kreise, die von der Wahrheitsfindung noch betroffen sein könnten waren bereits biologisch stark ausgedünnt.
 
Als ich 1986 meinen ersten Job als kleiner Kriegsreporter für eine US-amerikanische TV Produktionsgesellschaft antrat und mein erster Einsatz mich nach Nicaragua führte, wo ich in Gefangenschaft der Contras geriet, war ich noch ebenso naiv, wie viele meiner Genossinnen und Genossen, die mich heute beschimpfen, es vermutlich sind und bleiben wollen. Ich glaubte an das Gute im Staat, daß ein demokratisch gewählter Präsident, auch Reagan nicht, nichts Böses wolle und Behörden wie Polizei und Justiz, sogar die Geheimdienste, niemals etwas illegales unternehmen würden und daß Recht und Gesetz, Frieden und Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger verteidigen würden und sonst nichts.
 
Als ich nach meiner Befreiung durch die Sandinistas erfuhr, daß die Contras von Washington aus mit Waffen versorgt worden waren und ich diese Beweise meinem Chefredakteur in New York vorlegte und dieser sich zunächst weigerte meinen Bericht zu veröffentlichen, brach für mich eine kleine Welt zusammen.
 
Mit meiner Mentorin Suzie Gookin von der Washington Post veröffentlichte ich dann die Beweise, was meinem Chefredakteur, einem Kennedy, dem New York Times Kollegen James Markham, meinem Kronzeugen aus Nicaragua, die allesamt eines unnatürlichen Todes verstarben, Suzie und mir eine mitternächtliche Einladung ins Weiße Haus einbrachte. Vize-Präsident George Herbert Walker Bush hörte sich unsere Geschichte ohne mit der Wimper zu zucken an und gab unumwunden zu, daß er im Sommer 1980 in Paris den Präsidenten des Iran Abolhassan Banisadr im Hilton Hotel am Arc de Triomphe getroffen habe. Es ging um die Lieferung von M-65 Tow Missile Systems, die das Reagan - Wahlkampfteam versprochen hatte sofern die Botschaftsgeiseln über den Wahltag im November 1980 festgehalten würden, damit Präsident Carter als noch schwächer dastehen würde, als er es ohnehin schon tat, obwohl er ja brav den Afghanistan-Krieg mit der Unterstützung der Mujaheddin durch jährlich 5 Milliarden Dollar vorbereitet hatte. Heute frage ich mich erschüttert, ob ich das nicht hätte berichten dürfen, stünde ich doch im Geruch ein Verschwörungstheoretiker zu sein?!
 
Zurück in Bonn trat ich meinen Job als jüngster Auslandskorrespondent an und stolperte 1987 voll in die Barschel-Affäre hinein. Durch meine Erfahrung in der Iran-Contra-Affäre sensibilisiert untersuchte ich das westdeutsche Waffenexportgebahren und stieß auf etliche Merkwürdigkeiten, U-Boot-Blaupausen der Kieler Howaldts deutsche Werft AG, die zugleich nach Indien wie auch nach Südafrika verscherbelt worden waren, angeblich ohne Wissen des Kanzleramtes, wie mir Bundeskanzler Kohl versicherte. Weil ich aan einen Alleingang des Schleswig Holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel nicht glauben mochte, interviewte ich diesen just in der Zeit, als DER SPIEGEL an einer ganz anderen Geschichte 'dran war. Als die von den Kollegen losgetretene Affäre losbrach sah ich in Abgründe der bundesdeutschen Politik, die ich ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt für unmöglich gehalten hätte.
 
In den USA, ok, da konnte ich mir inzwischen alles vorstellen, aber in unserer verschlafenen Bundesrepublik?! Ich versuchte Barschel zu warnen, stellte mich aber zu ungeschickt an und so kam ich zu spät. Wieder galt es als Verschwörungstheorie, wenn man die offizielle Version anzweifelte. Heute, 30 Jahre später, glaubt kaum noch jemand an jene, sondern geht davon aus, daß Herr Barschel ermordet worden ist. Als Sozialdemokrat verstörte es mich im Nachgang der Affäre zu erfahren, daß meine "Helden", Björn Engholm und Günther Jansen, selber tief verstrickt waren und auch mich als Genossen belogen hatten. Wieder galt alles als Verschörungstheorie, was nicht mit der offiziellen Version konform ging. Ich dachte das erste Mal, daß Verschwörungen auf höchster Ebene an der Tagesordnung sind und es wohl passend wäre die entsprechende Theorie zu untersuchen, anstatt unserer Elite auch nur ein einziges Wort ungeprüft zu glauben. Nun wurde ich wirklich zum Journalisten und eben nicht zum Lobbyisten oder Propagandisten.
 
Wie dünn das Eis war, auf dem ich mich bewegte, wurde mir erst klar, als ich erneut ins Weiße Haus in der Sylvesternacht 1988 beordert wurde und mir Bush sagte, ich solle besser erst mal nicht mehr nach Bonn zurückkehren. Zuvor hatte ich Videobänder, die den Bau einer Chemiewaffenfabrik durch die westdeutsche Firma Hippenstiel Imhausen mit Wissen des Kanzleramtes in Lybien belegten an meinen Chefredakteur nach New York senden lassen und zwar mit TWA nachdem ich zuvor ein Verwirrspiel erlebte, was die Pan Am, die dann über Lockerbie explodierte, einschloß.
Ich sagte zu Bush ich wolle noch in Bonn studieren. Er antwortete, daß es auch in den USA gute Universitäten gäbe. Im Januar 1989 bombardierte die US-Luftwaffe dann die Chemiefabrik in Rabta, Lybien, offensichtlich aufgrund meiner journalistischen Informationen. Es gab auch zivile Tote. Ich konnte fortan nicht mehr schlafen. Zurück in Bonn erhielt ich von Ackermann "Carbonara" einen Anruf und wurde in das Kanzleramt bestellt. Kohl und Genscher warteten dort auf mich. Es war nachts um 2 Uhr und sie wuschen mir den Kopf. Ich begehe Landesverrat. Ich wehrte mich. Als Journalist hätte ich die Aufgabe kriminelles Staatsgebahren aufzudecken. "Wenn es Ihnen nicht passt, dann gehen sie doch 'rüber", war das letzte, was Kohl zu mir sagte und so ging ich wenig später, nachdem innerhalb von sechs Monaten drei meiner engsten Kollegen auf unnatürliche Weise verstarben tatsächlich in die DDR. Ich war wohl der Letzte, der eine Übersiedlung beantragt hatte. Bei mir war es vor allen Dingen die Angst, daß ich der nächste Tote sein könnte.
 
Die DDR - Führung hatte mir Schutz in Aussicht gestellt. Doch auch dort waren die Verschwörungen an der Tagesordnung, besonders im Jahr 1989. Sichtbar wurde es besonders bei der Art und Weise, wie der Mauerfall inszeniert wurde. Was ich damals über die Pläne für den 9. November 1989 veröffentlichte, wurde mir bis vor wenigen Jahren ebenfalls als "Verschwörungstheorie" ausgelegt, aber inzwischen gibt ja sogar Genosse Walter Momper zu, daß man die 100 DM - Begrüßungsgelder schon ab dem 29.10.1989 bereitgelegt hatte und für den 9.11.1989 S- und U-Bahn-Sonderverkehr angeordnet hatte.
 
Mein früherer "Anchor Man" bei NBC, Tom Brokaw, flog extra nach Berlin und ließ am morgen des 9.11.1989 einen Telekom-Übertragungsmast vor das Brandenburger Tor aufbauen. Er bereitete sich auf die Live-Übertragung vor, während ich noch in der Pressekonferenz Schabowski ein ungläubiges "Ab wann tritt das in Kraft" hinterherwarf in der Hoffnung, er antwortete wahrheitsgemäß, daß es nicht sofort am Abend des Gedenkens an die Reichspogromnacht, sondern am 10.11.1989 sein würde, so wie Egon Krenz mir noch in der Früh' bestätigt hatte, weil er eben nicht das Gedenken an 1938 übertünchen wollte.
Kurz bevor die BRD die DDR übernahm verließ ich das Land, welches eh' nicht mehr meines war. Die Lügen waren zu groß geworden.
 
Anfang der 1990er recherchierte ich in der Finanzbranche und da ich noch immer an Björn Engholm glaubte im Nachgang der Barschel-Affäre in Hannover, wo sich ein merkwürdiger Genosse anschickte mit allen Mitteln die Kanzlerschaft anzustreben. Mit korrupten Finanzjongleuren ließ er sich mitsamt seiner Entourage von Genossen Steinmeier und Gabriel ein und drehte das große Rad. Er mußte Engholm loswerden. Die Schubladenaffäre wurde auf seine Veranlassung hin durch NRW-Genossen in Köln und seinen späteren hochkorrupten Kanzleramtsminister Bodo Hombach durchgestochen.
 
Anfang 1994 deckte ich Teile der Finanzskandale auf und anstatt die eigentlichen Drahtzieher zu verhaften wurde ich in U-Haft genommen. 7 Monate und 21 ohne - wie das OLG Köln schließlich am 23.12.1994 feststellte, einen rechtgültigen Haftbefehl. Haft ohne ordentlichen Haftbefehl ist per Definition Folter. Was hatte ich getan? ich hatte behauptet, daß so genannte “High Yield Trading Programme” existierten. es wurde als Verschwörungstheorie abgetan.
 
So etwas gäbe es nicht. Heute weiß jedes kleine Kind, daß Kennedy von den eigenen Leuten ermordert wurde, Barschel nicht ertrunken ist, weil er zu weit hinausgeschwommen war und die Finanz und Waffenmafia die Politik kauft. Diese Tatsachen abzustreiten ist heutzutage töricht und dennoch mögen viele Menschen sich nicht kritisch zu den herrschenden Kreisen verhalten, sondern glauben beinahe bedingungslos jede noch so freche Lüge, die ihnen aufgetischt wird.
Natürlich weiß man im Nachinein, daß es beim G8 Gipfel von Heiligendamm Agent Provocateure gab, die versuchten gewaltsame Übergriffe zu rechtfertigen.
 
Ich war damals als Journalist dabei und sah, wie Bush mit nur einem Bier einen Rückfall in seine Sucht erlitt, Sarkozy mir besoffen in die Arme fiel nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, Blair von seinem Finanzminister abgesägt wurde und wir alle hinter einem Millionen teuren Zaun in Qarantäne ausharren mussten, während Innenminister Schäuble meinte von Demonstranten für die Polizeihunde Geruchsproben nehmen zu lasssen. Das alles ist die reine Wahrheit. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen einfach ihre Ruhe haben und das kann ich gut verstehen. Aber sie müssen wissen, daß die Proteste angesichts der himmelschreienden kriminellen Aktionen der uns Regierenden nichts anderes sind als Notwehr.
 
Die Tatsache, daß viele Journalisten sich nicht mehr getrauen ordentlich zu recherchieren und entsprechend zu hinterfragen und zu berichten mag der Tatsache geschuldet sein, daß auch ein jeder dieser Kollegen Angst um seine Zukunft hat.
 
Aber die Augen zu verschließen, wie dieser Tage in Hamburg und so zu tun, als trügen die vorgeblichen gewaltbereiten Demonstranten nicht dieselben Stiefel wie die Polizeieinheiten, das ist schon ein starkes Stück.
 
Wahrscheinlich habe ich zuviel gesehen, um mich derartig leicht hinters Licht führen zu lassen, aber man kann mir glauben, daß bei all meiner Erfahrung mit Verschwörungen ich sehr wohl unterscheiden kann, wann etwas Humbug ist und wann eine Strategie dahintersteckt.

 

Ich wundere mich bloß noch, daß sich die anderen nicht wundern, daß ich mich nicht wundere.